Otto Schily wirft Teilen des Landes Kriegsverherrlichung vor

Berlin (dpa) – Der ehemalige Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) hat vor einem einseitigen Ukraine-Kurs Deutschlands gewarnt. «In Deutschland hat sich ein Bellizismus ausgebreitet, der riskant ist», sagte Schily der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

Mit Bellizismus ist eine Form der Kriegsverherrlichung gemeint. «Ausgerechnet bei den Grünen gibt es hier eine zu große Einseitigkeit», so Schily.

«Dabei wird zu wenig darüber nachgedacht: Wie können wir aus dem Konflikt herauskommen?», sagte er. «Positiv ist, dass Olaf Scholz sich diese Gedanken macht», sagte er mit Blick auf den Bundeskanzler. Schily, der an diesem Mittwoch 90 Jahre alt wird, war von 1998 bis 2005 Bundesinnenminister während der Kanzlerschaft von Gerhard Schröder (SPD).

«Notwendig ist politische Fantasie»

«Ich kritisiere den mörderischen Krieg ohne Abstriche. Aber wir müssen die Frage stellen, welche Perspektive es über Waffenlieferungen und Geldzuwendungen an die Ukraine hinaus geben kann», sagte Schily. Konstruktive Ideen seien nötig. «Notwendig ist politische Fantasie.»

Die Ukraine wolle unabhängig bleiben. Das müsse jeder anerkennen. «Aber gleichzeitig muss klar sein, dass man mit seinen Nachbarn leben muss, auch mit Russland», sagte Schily. «Beide Seiten haben Interessen, die berücksichtigt werden müssen.» Russland werde immer ein Faktor bleiben, auch gegenüber Europa. «Wir müssen einen Weg finden, mit den Russen klarzukommen.»

Schily wies auf die ethnische, sprachliche und kulturelle Vielfalt der Ukraine hin. «Die Mehrsprachigkeit inklusive der russischen Sprache ist eine unbestreitbare Tatsache.» Ratschläge von der Seitenlinie seien zwar immer mit Fragezeichen versehen. «Aber ein Blick auf andere Länder zeigt, dass die Interessen aller Seiten gewahrt werden können, wenn ein Land militärisch neutral bleibt», sagte Schily. Damit lehnt Schily ein Nato-Beitritt der Ukraine ab.

Schweiz als Vorbild

Auch einen EU-Beitritt sieht er als wenig realistisch an – Schily empfiehlt stattdessen das «Modell Schweiz». Die Schweiz habe es mustergültig verstanden, «eine freiheitliche Gesellschaft zu entwickeln mit wechselseitigem Respekt vor den unterschiedlichen ethnischen Prägungen und mit militärischer Neutralität», sagte er. «Eine Friedenslösung für die Ukraine könnte sich ein Beispiel am Modell der Schweiz nehmen.» Er sehe nicht, «wie ein EU-Beitritt der Ukraine funktionieren soll, ohne dass sich die EU überdehnt».

Hoffnung mache ihm, dass die Gesprächsfäden zwischen der Ukraine und Russland nicht abgerissen seien. Das zeige der zurückliegende Austausch russischer und ukrainischer Kriegsgefangener. Das Gleiche gelte für die USA und Russland – Schily verwies auf die Einigung auf gemeinsame Flüge zur internationalen Raumstation.

Ablehnung des Atomausstiegs

Ausdrücklich warnte Schily vor einer wirtschaftlicher Überforderung Deutschlands. «Das würde niemandem etwas nützen, auch nicht der Ukraine.» Schily sieht sich zudem in seiner langjährigen Ablehnung des Atomausstiegs bestätigt. «Jetzt zeigt sich umso mehr, dass die komplette Verabschiedung von der Nukleartechnik töricht war.»

Deutschland dürfe nukleartechnische Innovationen nicht weiter ignorieren. «Die komplette Verabschiedung aus der Nukleartechnik hat uns wirtschaftlich in eine hochriskante Situation gebracht.» Durch den gleichzeitigen Ausstieg von Atom und Kohle sei Deutschland vom Gas abhängig geworden. Zugleich steige mit der Energiewende der Strombedarf etwa wegen der E-Mobilität stark an.

SPD auf tiefstem Umfragewert seit der Bundestagswahl

Berlin (dpa) – Die Regierungsparteien SPD und FDP verlieren einer neuen Umfrage zufolge in der Wählergunst weiter an Zustimmung. Wäre am Sonntag Bundestagswahl, käme die SPD nur noch auf 18,5 Prozent der Stimmen. Das wären 1,5 Prozentpunkte weniger als in der Vorwoche – und der schwächste Wert der Partei seit dem 9. August 2021, also noch vor der Bundestagswahl, wie die «Bild»-Zeitung unter Berufung auf einen neuen «Meinungstrend» des Instituts Insa berichtete. Die FDP verlor demnach 0,5 Prozentpunkte und rutschte auf 8 Prozent. Von den Parteien der Ampel-Koalition konnten sich Insa zufolge nur die Grünen verbessern – um einen Prozentpunkt auf 22 Prozent.

Die CDU/CSU verliert der Umfrage zufolge einen halben Prozentpunkt und liegt nun bei 26,5 Prozent. Die AfD legt leicht auf 12 Prozent zu, die Linke hält ihren Wert aus der Vorwoche (4,5 Prozent). Für den Insa-«Meinungstrend» im Auftrag von «Bild» wurden demnach vom 15. bis zum 18. Juli 2022 insgesamt 2062 Bürger befragt.

Insa-Chef Hermann Binkert sagte der Zeitung: «Die Grünen sind die einzige Ampel-Partei, die zulegt. Auch die Union verliert, könnte aber mit SPD oder Grünen regieren. Der zunehmend pessimistischere Blick der Bürger in die Zukunft kostet vor allem SPD, Union und FDP Vertrauen.» Die Ampel-Koalition käme demnach mit zusammen 48,5 Prozent nur noch auf eine parlamentarische Mehrheit. Schwarz-Grün kämen zusammen ebenfalls auf 48,5 Prozent. Auch ein Bündnis von CDU/CSU und SPD, das auf 45 Prozent käme, wäre demnach noch möglich.

 

 

 

Politik-Chaos stürzt Rom in die Krise – wie geht es weiter?

Rom (dpa) – Mario Draghi reicht es: «Die Mehrheit der nationalen Einheit gibt es nicht mehr». Ein von der Fünf-Sterne-Bewegung im Senat boykottiertes Vertrauensvotum brachte für den 74 Jahre alten Regierungschef das Fass zum Überlaufen. Die Regierungskrise in Italien erreichte am Donnerstag einen neuen Höhepunkt, aber es könnte noch schlimmer kommen. Im politischen Rom herrschten am Freitag Fassungslosigkeit und Frust. «Das was in diesen Stunden passiert ist, tut dem Land weh», schrieb Ex-Ministerpräsident Matteo Renzi. Das Regierungschaos könnte das Mittelmeerland mit fast 60 Millionen Einwohnern wirtschaftlich und gesellschaftlich schwer belasten.

Die populistische Fünf-Sterne-Bewegung von Draghis Vorgänger Giuseppe Conte wollte ein Hilfspaket, das auch den Bau einer umstrittenen Müllverbrennungsanlage in Rom mit einschloss, im Parlament nicht mittragen. Sie entzogen der Regierung jedoch damit auch das Vertrauen. Staatschef Sergio Mattarella lehnte Draghis Rücktritt ab. Der frühere Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) muss nun nach einer neuen Mehrheit im Parlament suchen. Kommenden Mittwoch will er dort Bericht erstatten.

Für Italien steht sehr viel auf dem Spiel. Die Regierung müsse im zweiten Halbjahr noch wichtige Reformen mit politischem Konfliktpotenzial umsetzen, um sich EU-Milliarden aus dem Corona-Wiederaufbaufonds zu sichern, erklärt Politik-Experte Wolfango Piccoli. Außerdem muss der Haushalt beschlossen werden, was traditionell zu Streit führt. «Ein Ende Draghis jetzt käme für Italien zum schlechtesten Zeitpunkt», findet Piccoli.

Aktuell wären stabile Verhältnisse besonders wichtig. Brüssel korrigierte die Konjunkturprognose für die drittgrößte Volkswirtschaft der EU jüngst nach unten und rechnet für 2023 nur noch mit 0,9 Prozent Wachstum. Gestiegene Preise belasten die Verbraucher und Energie-Sorgen plagen das von russischen Gaslieferungen abhängige Land. Draghi will deswegen am Montag nach Algerien fliegen. Das nordafrikanische Land ist für Italien ein wichtiger Gas-Lieferant.

Krise ist auch Gefahr für Europa

Italien könnte auch zur Gefahr für Europa werden. Der Risikoaufschlag für zehnjährige italienische Staatsanleihen im Vergleich mit deutschen Papieren stieg weiter an. «Die aktuelle Regierungskrise hat auf die Stabilität Italiens zunächst keine direkte Auswirkung, aber Beobachter aus der Wirtschaft sind alarmiert, weil die Seriosität und Stabilität, die Draghi als Premierminister vermittelt, wegfallen könnte», erklärt Nino Galetti, der Leiter der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung in Rom.

Wie geht es nun mit Italien weiter? Die Möglichkeiten reichen von einer Fortsetzung einer Regierung unter Draghis Führung bis zu vorgezogenen Wahlen. Eigentlich würden erst im Frühjahr 2023 wieder Wahlen anstehen. Manche Medien sehen aber keine Chance für eine weitere Draghi-Regierung und halten daher Neuwahlen für wahrscheinlicher. «Vorgezogene Wahlen sind nicht im Sinne der Senatoren oder Abgeordneten, weil viele von ihnen die nötige Zugehörigkeitsdauer im Parlament für die Rentenansprüche noch nicht erreicht haben. Das ist erst ab Oktober der Fall», erklärt Galetti. Lediglich die im Umfragehoch stehende rechtsextreme Oppositionspartei Fratelli d’Italia befürwortet Neuwahlen.

Rolle der Lega bislang unklar

Deren Parteivorsitzende Giorgia Meloni sieht die Möglichkeit, dass sich Draghi per Vertrauensvotum die Zustimmung einer Parlamentsmehrheit für einen politischen Fahrplan bis Ende des Jahres holen könnte. Bis dahin muss nämlich der Haushalt beschlossen werden. Im Parlament hätte Draghi auch ohne die Fünf Sterne eine Mehrheit. Ohne sie fehlt ihm aber ein Gegengewicht zur rechten Lega. Sozialdemokraten und Italia Viva würden Draghi unterstützen. Unklar ist die Rolle der mit vielen Sitzen vertretenen Lega von Matteo Salvini. Der Ex-Innenminister schloss Neuwahlen bislang nicht aus.

Ungewiss ist auch die Zukunft der Fünf Sterne. Die Partei befindet sich im Umfragetief. Außenminister Luigi Di Maio trat unlängst aus und nahm Dutzende Unterstützer in die neue Partei Insieme per il futuro (Gemeinsam für die Zukunft) mit. «Conte ist in einer misslichen Situation», sagt Galetti. «Die Fünf Sterne beschlossen bei ihrem erstmaligen Einzug ins Parlament vor knapp zehn Jahren, dass Abgeordnete nur zwei Wahlperioden dort zugehörig sein dürfen.» Weil diese Zeit bei vielen nun vorbei sei, seien sie Di Maio gefolgt, um dieser Regel zu entgehen.

Von Johannes Neudecker, dpa

 

 

In Rom eskaliert die Regierungskrise

Rom (dpa) – In Italien suchen die Parteien nach einem Ausweg aus der Regierungskrise. Staatspräsident Sergio Mattarella lehnte gestern Abend ein Rücktrittsgesuch von Regierungschefs Mario Draghi ab.

Der 74-Jährige steht nun vor einer Vertrauensfrage im Parlament. Dort soll geklärt werden, ob Draghis Vielparteienregierung nach einem Eklat um die Fünf-Sterne-Bewegung noch eine solide Mehrheit hat. Aus der Regierung gab es sowohl Stimmen für eine Fortsetzung als auch für Neuwahlen.

Wie aus Regierungskreisen zu hören war, wurde der nächste Mittwoch als Termin für die Parlamentsdebatte festgelegt. Das ohnehin schon von einer Dürre- und Energiekrise gebeutelte Mittelmeerland steht damit vor fünf Tagen Gezerres um die Zukunft jenes Mannes, der noch 2021 – auch international – als großer Politik-Gewinner gefeiert wurde.

Wer ist für und wer gegen Draghi

Seit gestern Abend ist in Rom klar, wer für und wer gegen Draghi ist. Die Sozialdemokraten und Zentrumsparteien sprachen sich für eine Fortführung der Regierung des 74-Jährigen aus. Die rechtsextremen Fratelli d’Italia fordern sofortige Neuwahlen; auch die rechte Lega und Silvio Berlusconis Forza Italia – die anders als die Fratelli in der Regierung vertreten sind – könnten sich damit anfreunden.

Die Fünf Sterne von Ex-Ministerpräsident Giuseppe Conte hatten den Rücktritt Draghis provoziert, als sie einer Vertrauensabstimmung im Senat – der kleineren der zwei Parlamentskammern – über ein Hilfsdekret von rund 26 Milliarden Euro für italienische Familien wegen der Folgen des Ukraine-Krieges und der hohen Energiepreise fernblieben. Draghi sah keine Basis mehr für eine Zusammenarbeit.

Staatspräsident Mattarella, der den früheren Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) im Winter 2021 als parteilosen Experten eingesetzt hatte, lehnte dessen Rücktritt ab. Er forderte Draghi stattdessen auf, im Parlament zu klären, ob er noch eine Mehrheit hinter sich versammeln kann.

Rechtsparteien wittern ihre Chancen in Neuwahlen

«Nun haben wir fünf Tage Zeit, um dafür zu arbeiten, dass das Parlament der Regierung Draghi das Vertrauen ausspricht und Italien so schnell wie möglich aus dieser dramatischen Spirale herauskommt, in die es in diesen Stunden geschlittert ist», twitterte Enrico Letta, Parteichef des Partito Democratico. Auch Matteo Renzi von der Kleinpartei Italia Viva, wie Letta einst selbst Ministerpräsident, sagte Draghi die Unterstützung für eine Fortführung der Regierung zu.

Die Rechtsparteien wittern indes ihre Chancen in Neuwahlen – vor allem die rechtsextremen Fratelli d’Italia, die in Umfragen gleichauf mit den Sozialdemokraten derzeit stärkste Partei sind. «Mit dem Rücktritt von Draghi ist für die Fratelli d’Italia diese Legislaturperiode vorbei», sagte Parteichefin Giorgia Meloni.

Die Lega teilte mit: «Es ist undenkbar, dass Italien nun wochenlang erstarrt in einem dramatischen Moment wie diesem. Niemand muss Angst davor haben, den Italienern das Wort zu erteilen.» Berlusconi hatte schon vor der Vertrauensabstimmung gesagt, dass ihn und Forza Italia eine vorzeitige Rückkehr an die Wahlurnen keine Angst bereite.

«Mir blutet das Herz»

Weitgehend einig waren sich die Parteien rechts wie links nur in einem: Dass die Fünf-Sterne-Bewegung das Land auf unverantwortliche Weise in die Krise gestürzt habe. Wie es mit den Populisten – 2018 noch klarer Wahlsieger – nun weitergeht, das ist völlig offen.

Italiens Außenminister Luigi Di Maio sagte in einem TV-Interview am Abend, ihm «blute das Herz», wenn er sehe, dass im autokratischen Russland ein Mann wie Ex-Präsident Dmitri Medwedew juble, «weil eine der stärksten Demokratien der Welt in Italien geschwächt wurde». Di Maio war zuletzt aus der Fünf-Sterne-Bewegung ausgetreten.

 

 

 

SPD verhandelt über Parteiausschluss von Gerhard Schröder

Hannover (dpa) – Der SPD-Unterbezirk Region Hannover verhandelt heute zum ersten Mal über einen möglichen Parteiausschluss von Altkanzler Gerhard Schröder. Aus der Partei waren 17 entsprechende Anträge eingegangen, die die formalen Kriterien erfüllen, wie der Geschäftsführer des SPD-Bezirks Hannover, Christoph Matterne, mitteilte. Eine Entscheidung der Schiedskommission wird am Donnerstag allerdings noch nicht erwartet, ein Parteiausschluss wird innerhalb der SPD zudem aus juristischen Gründen als unwahrscheinlich eingeschätzt.

Die Verhandlung im Kurt-Schumacher-Haus findet parteiöffentlich statt und dürfte mehrere Stunden dauern. Schröder selbst will Berichten zufolge nicht persönlich erscheinen.

Enger Freund des Kremlchefs

Der frühere Bundeskanzler (1998 bis 2005) steht seit Jahren wegen seines Engagements für russische Staatskonzerne in der Kritik und gilt als enger Freund von Russlands Präsident Wladimir Putin. Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs nahm der Druck auf ihn deswegen immer weiter zu. Im Mai kündigte Schröder schließlich an, den Aufsichtsrat des russischen Energieriesen Rosneft zu verlassen. Außerdem schlug er eine Nominierung für einen Aufsichtsratsposten bei Gazprom aus.

Seinen Draht zu Putin wolle Schröder jedoch trotz des russischen Angriffskriegs weiter aufrechterhalten, hatte die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» vor wenigen Tagen berichtet. «Ich werde meine Gesprächsmöglichkeiten mit Präsident Putin nicht aufgeben», sagte der Altkanzler demnach. Dem Bericht zufolge erklärte Schröder, er glaube nicht an eine militärische Lösung in der Ukraine, und fragte, warum man sich auf die Lieferung von Waffen konzentriere. «Der Krieg ist nur durch diplomatische Verhandlungen zu beenden», wurde er zitiert.

Schiedskommission ist zuständig

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) gehen Schröders Äußerungen über den Ukraine-Krieg nicht weit genug. Er sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Gerhard Schröder hat sich leider bis heute nicht mit der notwendigen Klarheit gegen den brutalen, durch nichts gerechtfertigten Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ausgesprochen. Das bedauere ich persönlich sehr.»

Mit Blick auf die Anträge zum Parteiausschluss Schröders erklärte Weil, es gehöre sich, die Angelegenheit in einem regulären Verfahren zu behandeln: «Dafür gibt es in der SPD eine Schiedskommission, die nach rechtsstaatlichen Grundsätzen handelt.»

Die Schiedskommission des SPD-Unterbezirks Region Hannover ist für das Parteiordnungsverfahren zuständig, weil Schröder Mitglied des dazu gehörenden SPD-Ortsvereins Oststadt-Zoo ist. Nach dem Unterbezirk sind bis zu zwei weitere Instanzen möglich: der SPD-Bezirk Hannover sowie die SPD-Bundesschiedskommission.

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Merz kritisiert schleppenden Wiederaufbau im Ahrtal

Rech/Dernau (dpa/lrs) – Einen Jahr nach der tödlichen Ahr-Flutkatastrophe hat CDU-Chef Friedrich Merz Verzögerungen beim Wiederaufbau kritisiert. Es sei «ganz offensichtlich so, dass die Bürokratie in Deutschland zu langsam arbeitet und die Anträge (auf staatliche Hilfszahlungen) zu lange dauern, die Genehmigungen zu lange dauern, spontane Hilfe zu lange dauert», sagte der CDU/CSU-Fraktionschef am Dienstag in Rech an der Ahr neben flutgeschädigten Häusern. Das Versprechen unbürokratischer Hilfe sei «offensichtlich nicht wirklich umgesetzt worden». Er habe sich vor Ort ein Bild von der Lage machen und mit Betroffenen sprechen wollen, ergänzte Merz.

Er kritisierte auch, dass Flutopfer in Rheinland-Pfalz normalerweise nur einen Erstabschlag von 20 Prozent ihrer beantragten Hilfe aus dem Wiederaufbaufonds bekommen, während Flutbetroffene in Nordrhein-Westfalen in der Regel 40 Prozent als erste Zahlung erhalten. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) hatte erst kürzlich nach Kritik von Flutopfern und CDU-Politikern angekündigt, dass auch in ihrem Bundesland Hochwassergeschädigte «in Härtefällen» bis zu 40 Prozent Abschlag für den Wiederaufbau ihrer Häuser bekommen könnten.

Merz informierte sich über die Zerstörungen in Rech und Dernau. In beiden Winzerdörfern konnten zahlreiche Häuser nur noch abgerissen werden. In Dernau sprach der CDU-Vorsitzende mit den Bewohnern eines Containerdorfs für Senioren, die ihre vier Wände verloren hatten. Die Flutkatastrophe mit mindestens 134 Toten und 766 Verletzten im Ahrtal jährt sich an diesem Donnerstag zum ersten Mal.

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Boris Johnson: Bin stolz und werde erhobenen Hauptes gehen

London (dpa) – Der scheidende britische Premierminister Boris Johnson hat sich bei der wöchentlichen Fragestunde im Parlament am Mittwoch kämpferisch gezeigt. «Es ist wahr, dass ich nicht zum Zeitpunkt meiner Wahl gehe», sagte Johnson. Er sei aber stolz auf die Teamarbeit und die Führung seiner Amtszeit und fügte hinzu: «Ich werde bald erhobenen Hauptes gehen.» Hoffnungen, sein Abgang werde das Ende des Brexits einläuten, seien aber verfehlt, so der Premier weiter.

Zu Beginn der Sitzung spielten sich kurzzeitig chaotische Szenen ab. Zwei Abgeordnete der schottischen Alba-Partei forderten lautstark ein Unabhängigkeitsreferendum für ihren Landesteil, ohne dass ihnen das Wort erteilt worden war. Parlamentspräsident Lindsay Hoyle war sichtlich aufgebracht und rief «Ordnung!» sowie «Halten Sie die Klappe oder verschwinden Sie!», bevor er die beiden Abgeordneten aus dem Plenarsaal verwies und hinausführen ließ.

Wie die Regierung nach der Fragestunde ankündigte, soll nun doch noch ein Misstrauensvotum im Parlament abgehalten werden. Allerdings soll es sich auf das Vertrauen in die gesamte Regierung und nicht nur auf Johnson beziehen. Einen geplanten Antrag der Labour-Opposition auf ein Misstrauensvotum gegen Johnson hatte die Regierung zuvor abgeblockt. Johnson will bis zur Wahl eines Nachfolgers am 5. September im Amt bleiben. Labour wollte ihn mit dem Antrag zum sofortigen Ausscheiden aus dem Amt zwingen. Es gilt aber als fraglich, ob sich dafür eine Mehrheit gefunden hätte.

Auswahlverfahren geht in zweite Phase

Das Rennen um die Nachfolge von Johnson geht am Mittwoch derweil in die nächste Phase. Acht Kandidatinnen und Kandidaten stellen sich in einer ersten Abstimmungsrunde in der konservativen Parlamentsfraktion zur Wahl. Nur wer mindestens 30 Stimmen hinter sich bringen kann, darf in die nächste Runde einziehen.

Je nachdem, wie viele Kandidaten dann noch übrig sind, wird das Auswahlverfahren am Donnerstag und in der kommenden Woche fortgesetzt. Ziel ist es, solange auszusieben, bis nur noch zwei Kandidaten übrig sind. Dann entscheiden die Parteimitglieder in einer Stichwahl über den Sommer.

Politischer Druck zwang Johnson zum Rücktritt

Johnson war in der vergangenen Woche unter massivem Druck aus seiner Fraktion und dem Kabinett vom Amt des Parteichefs zurückgetreten. Endgültig zu Fall gebracht hatte ihn die Affäre um einen Fraktionskollegen, der im betrunkenen Zustand zwei Männer begrapscht hatte. Anders als er zunächst behauptete, wusste Johnson von früheren Vorwürfen gegen den Mann, bevor er ihn in eine wichtige Position hob. Doch das war nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Der Premier hatte zuvor schon Skandal an Skandal gereiht. Trotzdem will er bis zum Abschluss des Auswahlverfahrens im Amt bleiben.

Im Rennen um seine Nachfolge gilt nun Ex-Finanzminister Rishi Sunak als so gut wie gesetzt für die finale Runde. Er soll schon bei seiner Bewerbung für die Kandidatenliste weit mehr als die hierfür notwendigen 20 Unterstützer mitgebracht haben. Als weitere Favoritinnen gelten Außenministerin Liz Truss und Handels-Staatssekretärin Penny Mordaunt.

Während Truss die Johnson-Getreuen hinter sich weiß, ist Mordaunt der Liebling der Parteibasis. Erwartet wird, dass sich die beiden ein Duell darum liefern werden, wer gegen Sunak antreten darf. Der Wahlkampf, so glauben viele, dürfte deutlich an Schärfe zunehmen.

Doch auch Überraschungen sind nicht ausgeschlossen. Ebenfalls zur Wahl stehen Finanzminister Nadhim Zahawi, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Tom Tugendhat, Chefjustiziarin Suella Braverman, Ex-Gesundheitsminister Jeremy Hunt und die Abgeordnete Kemi Badenoch.

Nachfolgerrolle ist keine leichte

Was bisher alle verbindet, ist das Versprechen, Steuern zu senken. Ein Abweichen von umstrittenen Projekten der Johnson-Regierung, wie dem Bruch des Brexit-Abkommens hinsichtlich der Regelung für Nordirland oder dem Asyl-Pakt mit Ruanda, hat bisher niemand von ihnen in Aussicht gestellt.

Trotzdem dürfte es der neuen Regierungschefin oder dem neuen Regierungschef nicht leicht fallen, in Johnsons Fußstapfen zu treten. Der Politiker mit dem auffälligen blonden Haarschopf hatte die Fähigkeit, Menschen aus allen Gesellschaftsschichten anzusprechen. So gewann er bei der vergangenen Parlamentswahl eine satte Mehrheit. Wer auch immer ihn beerbt, wird unter dem Druck stehen, ein eigenes Mandat zu erringen. Doch derzeit sind die Umfragewerte für die Konservativen äußerst schlecht.

Am Sonntagabend sollen sich die bis dahin verbliebenen Kandidatinnen und Kandidaten einem Fernsehduell beim Sender ITV stellen.

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Gaspreise: Linken-Fraktionschef wirft Regierung Zynismus vor

Berlin (dpa) – Linksfraktionschef Dietmar Bartsch wirft der Bundesregierung vor, die Energiepreise als Sparanreiz bewusst in die Höhe schießen zu lassen. Bartsch bezieht sich auf ein Schreiben des Wirtschaftsministeriums, das Preisobergrenzen ablehnt und erklärt: «Preissignale müssen erhalten bleiben, damit die steuernde Funktion des Markts im Hinblick auf Energieeinsparungen und energieeffizientes Verhalten gewahrt wird.»

Bartsch sprach von Zynismus. Wirtschaftsminister Robert Habeck müsse die Gasversorgung sicherstellen und für bezahlbare Preise sorgen – wie es andere Länder auch schafften, sagte der Linken-Politiker. «Dass er stattdessen die Preise bewusst explodieren lässt und den Zuchtmeister am Heizungsregler spielt, ist inakzeptabel und abgehoben.» Statt Appellen zum Energiesparen brauche Deutschland einen «Gaspreisdeckel nach europäischem Vorbild».

Bartsch hatte das Wirtschaftsministerium gefragt, wie stark der Gaspreis für Privatverbraucher steigen könnte, wenn die Preisanpassungsklausel des Energiesicherungsgesetzes aktiviert wird. Dazu hat das Ministerium nach eigenen Angaben mangels Einblick in Verträge keine «valide Szenarienrechnung».

Auf die Frage, welche Gründe gegen eine Deckelung der Gaspreise für Privatverbraucher sprächen, schreibt Staatssekretär Patrick Graichen: «Die Bundesregierung sieht einen Gaspreisdeckel skeptisch.» Unbestreitbar sei, dass extreme Preisanstiege Unternehmen und Haushalte in Bedrängnis bringen könnten. Wichtig sei, vor allem «vulnerable Gasverbraucher» zu stützen. Wie geholfen werden könne, werde noch zu entscheiden sein, heißt es in dem Antwortschreiben des Ministeriums. Es liegt der Deutschen Presse-Agentur vor.

Habeck hatte bereits argumentiert, der Staat könne nicht allein die wegen des Ukraine-Krieges gestiegenen Rohstoffkosten dämpfen. Zudem könnte ein Höchstpreis so wahrgenommen werden, als müsse man den Verbrauch des knappen Erdgases nicht drosseln. In der Bundesregierung wird stattdessen über ein System für Gas wie bei der inzwischen abgeschafften Ökostromumlage diskutiert, um die Lasten auf allen Schultern zu verteilen.

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Ringen in London um Boris Johnsons Nachfolge

London (dpa) – Bei der Suche nach einem Nachfolger des britischen Premierministers Boris Johnson setzt die regierende Konservative Partei hohe Hürden und drückt aufs Tempo. Wie der Vorsitzende des zuständigen 1922-Komitees, Graham Brady, am Montagabend mitteilte, wurde die Zahl der für eine Teilnahme notwendigen Unterstützer aus der Fraktion von acht auf 20 erhöht. Bewerbungen werden demnach nur am Dienstag entgegengenommen.

Am Mittwoch soll es bereits zu einer ersten Abstimmungsrunde in der Fraktion kommen. Wer dann die Marke von 30 Stimmen verfehlt, ist aus dem Rennen. Am Donnerstag und kommenden Montag soll der Prozess fortgesetzt werden. Brady zeigte sich zuversichtlich, dass dann bereits die Zahl der Bewerber auf zwei reduziert sein könnte. Bis zum 5. September sollen dann die Parteimitglieder per Briefwahl entscheiden, wer von den beiden verbliebenen Kandidaten Johnsons Nachfolge als Tory-Parteichef und damit als Premier antritt.

«Ich hoffe, dass es relativ schnell geht», sagte Brady zu den Abstimmungsrunden in der Fraktion. Die Parteimitglieder sollten über den Sommer die Gelegenheit haben, sich ein Bild von den Bewerbern zu machen.

Bereits elf Bewerbungen bekannt

Bis Montagabend hatten elf Bewerber ihre Kandidatur erklärt. Einer Umfrage der Webseite Conservative Home zufolge liegen Handelsstaatssekretärin Penny Mordaunt und die Abgeordnete Kemi Badenoch in der Gunst der Parteimitglieder vor den prominenteren Kandidaten wie Ex-Finanzminister Rishi Sunak, Chefjustiziarin Suella Braverman und Außenministerin Liz Truss. Es wird sich aber erst noch zeigen, ob die Favoriten der Mitglieder es durch den Auswahlprozess in der Fraktion schaffen.

In den Wettbüros gilt derzeit Sunak als Favorit, aber Teile der Partei kritisieren ihn. Ihm wird vorgeworfen, mitschuldig an Johnsons Sturz zu sein und zudem mit Steuererhöhungen eine «sozialistische» Wirtschaftspolitik verfolgt zu haben.

Amtsinhaber Johnson kündigte an, sich aus dem Wahlkampf herauszuhalten. «Ich möchte niemandem die Chance verbauen, indem ich meine Unterstützung anbiete», sagte der 58-Jährige mit Blick auf die schwere Kritik, die er von seiner Partei in den vergangenen Tagen einstecken musste.

Rückzug nach Druck aus den eigenen Reihen

Johnson kündigte am Donnerstag nach massivem Druck aus den eigenen Reihen seinen Rückzug an. Der Premier hatte zuvor Skandal an Skandal gereiht. Zuletzt wurde ihm eine Affäre um sexuelle Belästigung zum Verhängnis: Ein Parteifreund soll schwer betrunken zwei Männer begrapscht haben. Wie sich herausstellte, hatte Johnson den Mann in einem wichtigen Fraktionsamt installiert, obwohl er von ähnlichen Vorwürfen aus der Vergangenheit wusste. Doch das war nur der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.

Fast alle Bewerberinnen und Bewerber kündigten sofortige Steuersenkungen an. Zudem wollen die meisten an umstrittenen Plänen Johnsons wie der einseitigen Aufhebung von Brexit-Regeln für Nordirland und dem Asyl-Pakt mit Ruanda festhalten. Illegal eingereiste Menschen sollen demnach ohne Prüfung ihres Asylantrags und unabhängig von ihrer Nationalität nach Ruanda gebracht werden, um dort Asyl zu beantragen. Die Opposition fordert eine Neuwahl. Der Chef der Labour-Partei, Keir Starmer, warf den Tory-Kandidaten vor, unerfüllbare Steuerversprechen zu machen.

 

 

 

Neuer Finanzminister ruft Boris Johnson zum Rücktritt auf

London (dpa) – Der erst am Dienstag ins Amt berufene britische Finanzminister Nadhim Zahawi hat Premierminister Boris Johnson öffentlich zum Rücktritt aufgefordert.

«Premierminister, in Ihrem Herzen wissen sie, was das Richtige ist. Gehen Sie jetzt», schreibt Zahawi in einem auf Twitter veröffentlichten Brief an Johnson.

Berichte: Boris Johnson entlässt Weggefährten Michael Gove

London (dpa) – Der zunehmend unter Druck stehende britische Premierminister Boris Johnson hat Berichten zufolge seinen alten Weggefährten Michael Gove aus dem Kabinett entlassen.

Gove galt als eines der größten Schwergewichte im britischen Kabinett. Er hatte an der Seite Johnsons bereits im Wahlkampf vor dem Brexit-Referendum 2016 für den EU-Austritt geworben. Das Verhältnis zwischen den beiden war jedoch stets auch von Konkurrenz geprägt. Weiterlesen

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