Verdi plant Warnstreiks in NRW

Köln/Düsseldorf (dpa) – Im Tarifstreit für den öffentlichen Dienst des Bundes und der Kommunen weitet Verdi die Warnstreiks aus. Die Dienstleistungsgewerkschaft rief alle Tarifbeschäftigten im öffentlichen Dienst im Großraum Köln, Bonn und Leverkusen für Montag zum ganztägigen Warnstreik auf. Es werde in der Region unter anderem zu erheblichen Einschränkungen im öffentlichen Nahverkehr kommen.

Auch an den beiden größten Flughäfen in Nordrhein-Westfalen kündigte Verdi Warnstreiks für Montag an. Am Flughafen Köln/Bonn würden die ersten Beschäftigtengruppen in der Nacht von Sonntag auf Montag mit Warnstreiks beginnen, teilte Verdi NRW am Freitagmorgen weiter mit. Am Flughafen Düsseldorf starteten kurz darauf Warnstreiks. Durch die Schichtdienste endeten die Warnstreiks an den beiden Airports in der Nacht von Montag auf Dienstag, wie die Gewerkschaft erläuterte. Weiterlesen

Kampf um Galeria-Standorte und Innenstädte

Trier/Mainz (dpa/lrs) – Die rheinland-pfälzische Landesregierung macht sich angesichts drohender Filialschließungen bei der insolventen Kaufhauskette Galeria Karstadt Kaufhof für den Erhalt von möglichst vielen Häusern im Land stark. «Wir kämpfen um jeden Standort», sagte Arbeitsminister Alexander Schweitzer (SPD) am Donnerstag in Trier. An den sechs Standorten seien rund 400 Menschen beschäftigt. «400 Beschäftigte: Das ist für Rheinland-Pfalz eine Größenordnung», die interessiere. Eine Entscheidung des Warenhauskonzerns werde Mitte März erwartet, sagte der Minister.

Zur Wahrheit gehöre aber auch: «Die Möglichkeiten der Politik sind überschaubar», sagte Schweitzer, der am Galeria-Doppelstandort Trier zuvor Betriebsversammlungen besucht hatte. «Wir können unternehmerische Entscheidungen in der Regel nicht ins Gegenteil verkehren.» Er habe Gespräche mit der Geschäftsführung von Karstadt Kaufhof geführt, die offen und konstruktiv gewesen seien.

Daraus habe er aber nicht die Hoffnung gezogen, «dass wir in Rheinland-Pfalz überhaupt nicht berührt sein werden». Und es gebe auch keine Sicherheit, dass die Standorte, die erhalten blieben, nicht noch «Restrukturierungsprogramme» durchliefen. In Rheinland-Pfalz gibt es Filialen in Speyer, Koblenz, Mainz und Bad Kreuznach sowie zwei weitere Standorte in Trier. Weiterlesen

Mieterkündigungen für Flüchtlingsheim: Versammlung abgesagt

Lörrach (dpa) – Wegen der öffentlichen Debatte über die geplante Umwandlung von alten Mietwohnungen in ein Flüchtlingsheim im baden-württembergischen Lörrach wird eine angekündigte Bewohnerversammlung zunächst nicht stattfinden.

Das teilte Oberbürgermeister Jörg Lutz (parteilos) in Lörrach mit. «Die Stimmung ist zu aufgeheizt», ergänzte der Geschäftsführer der Wohnbau Lörrach, Thomas Nostadt. Die Informationsveranstaltung für die betroffenen Mieter war ursprünglich für diesen Montag geplant. Weiterlesen

Kommunen pochen auf mehr Geld für Flüchtlingsunterbringung

Berlin (dpa) – Nach dem Flüchtlingsgipfel bei Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bleibt der Deutsche Städte- und Gemeindebund bei seiner Forderung einer finanziellen Entlastung der Kommunen. «Die Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels bei der Bundesinnenministerin zeigen Licht und Schatten. Leider bleibt die drängende Frage der finanziellen Entlastung der Kommunen ungelöst», sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der «Rheinischen Post».

Bei dem Gipfel am Donnerstag in Berlin hatten Bund, Länder und Kommunen eine bessere Abstimmung zur Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen vereinbart. So soll ein digitales «Dashboard» zur Migration bis auf die Landkreis-Ebene hinunter für «Transparenz» sorgen. Vereinbarungen über Geld vom Bund gab es nicht. Faeser sagte, es gebe einen klaren Fahrplan, um die Finanzierung weiter zu regeln und Bilanz zu ziehen. «Hierüber werden auch der Bundeskanzler und die Ministerpräsidenten an Ostern weiter verhandeln», sagte sie. Weiterlesen

Flüchtlingsgipfel bei Faeser: Lokalpolitiker fordern Hilfe

Von Anne-Béatrice Clasmann und Verena Schmitt-Roschmann, dpa

Berlin (dpa) – Gernot Schmidt wird sofort ziemlich deutlich. «Das Kernproblem ist, dass Land und Bund es sich sehr einfach machen», empört sich der SPD-Landrat. 5000 Geflüchtete habe sein Landkreis Märkisch-Oderland östlich von Berlin seit 2015 aufgenommen. Vor allem Familien kämen und blieben bei ihm in der Region. Nun sei Wohnraum knapp, es fehlten Kitas und Schulen. «Es hängt alles am Ausbau der Infrastruktur», sagt Schmidt. Nötig seien mehr Investitionen und weniger Bürokratie, damit schneller gebaut werden könne.

Solche Hilferufe der Kommunen hört Bundesinnenministerin Nancy Faeser seit Wochen. Bei einem weiteren Flüchtlingsgipfel an diesem Donnerstag will die SPD-Politikerin mit Ländern und Kommunen beraten – zum zweiten Mal binnen vier Monaten. Kommunalpolitiker fordern eine verlässliche Finanzierung der Unterbringung der Geflüchteten, aber auch eine gerechtere Verteilung und die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber. Einige hätten am liebsten gleich mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verhandelt. Doch Scholz überlässt die Lösungssuche erstmal der zuständigen Ministerin.

Die Union kritisiert das. CDU-Innenpolitiker Alexander Throm findet, Faeser habe «den Ländern und Kommunen nichts anzubieten». Das sieht die Grünen-Abgeordnete Karoline Otte, Mitglied im Bundestagsausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen, zwar anders. Aber auch sie erwartet, dass, um den Kommunen mehr finanzielle Planungssicherheit zu geben, wohl eine zweite Runde folgen muss.

Die Zahlen

Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine kamen 2022 mehr als eine Million Menschen aus dem Kriegsgebiet nach Deutschland. Darüber hinaus beantragten hier im vergangenen Jahr 217.774 Menschen aus Syrien, Afghanistan, der Türkei und anderen Staaten erstmals Asyl – so viele wie seit 2016 nicht. Im Januar 2023 kamen 29.072 Asylanträge hinzu. Faeser sagte Anfang der Woche bei einer Veranstaltung der Deutschen Presse-Agentur: «Es ist sehr schwierig, aber es ist deshalb schwierig, weil Putin diesen Krieg angefangen hat. Acht von zehn Flüchtlingen kommen aus der Ukraine, das macht die große Zahl aus.»

Die Unterbringung

«Viele Kommunen sind bei der Unterbringung von Geflüchteten bereits jetzt an der Belastungsgrenze angekommen», heißt es in einem Papier des Städte- und Gemeindebunds. Gerade die Geflüchteten aus der Ukraine seien oft zuerst in Familien oder Ferienwohnungen unterkommen, doch sei diese Kapazität «aufgebraucht», berichtete Landrat Onno Eckert aus dem thüringischen Landkreis Gotha vor einigen Tagen im Deutschlandfunk. Jetzt kämen Asylsuchende hinzu.

«Insgesamt ist es dann schon so, dass es eine Herausforderung ist», sagte der SPD-Politiker. Es gebe bei ihm 400 Plätze in Gemeinschaftsunterkünften, aber wenig freie Wohnungen.

Seit März 2022 wurden nach einer Recherche des Mediendiensts Migration bundesweit fast 74.000 Aufnahmeplätze geschaffen. Insgesamt seien die Strukturen stark ausgelastet. Es gebe aber Unterschiede: In Bayern seien die Plätze in Erstaufnahmeeinrichtungen zu 90 Prozent belegt, in Hessen zu 50 Prozent.

Auch Faeser sagte: «Die Belastungssituation ist unterschiedlich, die ist in einigen Bereichen sehr prekär.» Dazu zählte die SPD-Politikerin Leipzig, wo Zeltstädte errichtet werden. Faeser hat bereits zugesagt, mehr freie Gebäude des Bundes für Geflüchtete zur Verfügung zu stellen. Nicht überall klappt das schnell. Einige Kommunalpolitiker hoffen zudem auf leerstehende Liegenschaften der Länder.

Die Verteilung

Grundsätzlich gilt: Regionen mit wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit werden relativ viele Schutzsuchende zugewiesen, sie haben aber oft wenig bezahlbaren Wohnraum. Genau aus diesem Grund forderten Kommunalpolitiker aus dem Main-Taunus-Kreis – in der Nachbarschaft von Faesers Wohnort in Hessen – von Bundeskanzler Scholz andere Kriterien für die Zuweisung neuer Flüchtinge.

Eine «gerechtere Verteilung» mahnten diese Woche aber auch Cottbus und der angrenzende Landkreis Spree-Neiße an. Die Stadt hätte laut Schlüssel 1120 Asylbewerber und aufnehmen müssen, hat aber bereits mehr als 1400 untergebracht. Grund ist wohl weniger die Wirtschaftsstärke als die Nähe zur polnischen Grenze. Eine andere, allseits als «gerecht» empfundene Verteilung in Deutschland dürfte also schwierig werden.

Der Städte- und Gemeindebund fordert deshalb neben schnelleren Asylverfahren und einer «Rückführungsoffensive» eine «zielgenauere Verteilung» von Schutzsuchenden in der gesamten EU. «Die Kommunen brauchen bei der Aufnahme von Flüchtlingen eine “Atempause”», meint der Kommunalverband. Die Verteildiskussion auf EU-Ebene ist jedoch seit Jahren ergebnislos.

Was es sonst noch braucht

Vor allem die mit ihren Müttern geflüchteten Kinder aus der Ukraine brauchen Kitas und Schulen – wobei in Ballungsräumen ohnehin schon Lehrerinnen- und Erziehermangel herrscht. Landrat Schmidt aus Märkisch-Oderland verweist auf das Konfliktpotenzial: Die Kinder hätten einen Bildungsanspruch, aber wenn die Gruppen und Klassen zu groß würden, gebe es Unmut der übrigen Eltern.

Schmidt ist auch dafür, Asylbewerbern ähnlich wie den Geflüchteten aus der Ukraine sofort eine Arbeitserlaubnis zu geben. Immer wieder höre er die Klage von Bürgern, dass die Ankommenden über Jahre in Sozialsystemen blieben.

Ähnlich sieht das der evangelische Pfarrer Lukas Pellio aus dem brandenburgischen Spremberg, der sich seit Jahren um Geflüchtete kümmert. Ukrainer und Menschen aus anderen Staaten dürften nicht unterschiedlich behandelt werden, meint Pellio. «Da gibt es ja nun plötzlich die guten Flüchtlinge und die bösen.» Auch Migrations- und Sozialpolitik dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden.

In Sachsen, wo in einigen Orten erneut gegen die Unterbringung von Flüchtlingen protestiert wird, will der Landkreis Mittelsachsen neue Wege gehen: Er will selbst in die Rolle des Bauherrn schlüpfen, um preiswerten Wohnraum zu schaffen – für insgesamt 500 Menschen. Die Geflüchteten könnten so regional fairer verteilt werden. Bisher seien die Städte Freiberg und Hainichen überproportional belastet. «Das schafft Probleme, die vermeidbar wären», heißt es aus dem Landratsamt. Von Genehmigung bis Fertigstellung brauche ein solcher Neubau allerdings immer noch 16 bis 18 Monate.

Keine Ad-Hoc-Politik

Ein offener Brief des Hauptgeschäftsführers des Paritätischen Gesamtverbandes, Ulrich Schneider, und anderer riet diese Woche zu nachhaltigen Strukturen. Krisen und Katastrophen könnten immer überraschend auftreten:

«Unterkünfte für Geflüchtete müssen in ausreichender Zahl bereitgehalten werden, auch wenn uns bewusst ist, dass dies gegebenenfalls mit Kosten für Kommunen und andere Anbieter verbunden ist. Andernfalls flüchten Menschen in die Obdachlosigkeit, und das kann noch teurer werden.» Container oder Turnhallen seien maximal eine kurzfristige Lösung.

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Mainzer SPD ruft zur Wahl von Grünen-Kandidat Viering auf

Mainz (dpa/lrs) – Nach der Niederlage der eigenen Kandidatin bei der Oberbürgermeisterwahl in Mainz hat die SPD dazu aufgerufen, in der Stichwahl am 5. März dem Grünen-Kandidaten Christian Viering die Stimme zu geben. Dieser habe sich am Dienstagabend dem Unterbezirksvorstand und Mitgliedern der Mainzer SPD vorgestellt und seine politischen Ziele für die kommenden Jahre vorgetragen, teilte der Geschäftsführer der Mainzer SPD, Christian Lips, am Mittwoch mit. «Das Stimmungsbild war danach eindeutig: Die Mainzer SPD sieht große inhaltliche Schnittmengen.» Weiterlesen

24,8 Millionen Euro für Landesgartenschau 2027

Neustadt/Wstr. (dpa/lrs) – Die Finanzierung für die Landesgartenschau 2027 in Neustadt an der Weinstraße steht. Das teilte am Dienstag das rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerium mit. Ministerin Daniela Schmitt (FDP) habe Oberbürgermeister Marc Weigel (FWG) informiert, dass die Landesregierung das Finanzierungskonzept von insgesamt 24,8 Millionen Euro in der Kabinettssitzung beschlossen habe, hieß es. Weiterlesen

Containerdorf für Flüchtlinge soll im März in Betrieb gehen

Saarbrücken (dpa/lrs) – Ein neues Containerdorf auf dem ehemaligen Bergwerksgelände im saarländischen Ensdorf soll voraussichtlich Anfang März die ersten Flüchtlinge aufnehmen. «Wir sind jetzt in den letzten Maßnahmen», sagte der saarländische Innenminister Reinhold Jost (SPD) am Dienstag in Saarbrücken. Notwendig seien noch eine Asphaltierung bei den Zufahrtsflächen und einige Nachrüstungen bei Elektro-Sanitärinstallationen.

Die Anlage des Containerdorfs sei «aus unserer Sicht weiterhin notwendig und auch sinnvoll», sagte Jost. Es solle Kommunen bei der Beschaffung von Wohnraum entlasten: Sie erhielten so mehr Zeit, um geeignete Wohnungen akquirieren zu können. Das Containerdorf, das ein Jahr in Betrieb sein soll, ist für bis zu 300 Personen ausgelegt. Weiterlesen

Jun sieht Haase als Favorit für das OB-Amt in Mainz

Mainz (dpa/lrs) – Nach der ersten Runde der Oberbürgermeisterwahl in Mainz geht der parteilose Kandidat Nino Haase aus Sicht des Parteienforschers Uwe Jun als Favorit in die Stichwahl am 5. März. Der Trierer Politikwissenschaftler sagte am Montag der Deutschen Presse-Agentur, Haase repräsentiere das bürgerliche Lager und könne davon ausgehen, auch Stimmen von CDU-, FDP- und SPD-Wählern zu bekommen.

«Wir sehen schon seit längerer Zeit, dass auf der kommunalen Ebene Parteien eine vergleichsweise geringere Rolle spielen», sagte der Parteienforscher. Stattdessen werde verstärkt auf die Überzeugungskraft von Personen geachtet. Haase sei mit Abstand der bekannteste Kandidat gewesen. «Alle anderen waren selbst in Mainz vergleichsweise unbekannt.» Dies gelte insbesondere für die SPD-Kandidatin Mareike von Jungenfeld. Nach dem Wechsel des bisherigen OB Michael Ebling (SPD) ins rheinland-pfälzische Innenministerium sei die Zeit zu kurz gewesen, um sich bekannt zu machen. «Das hat den Ausschlag gegeben», fügte Jun hinzu. Weiterlesen

Landkreistag erwartet vom Flüchtlingsgipfel Unterstützung

Mainz (dpa/lrs) – Der rheinland-pfälzische Landkreistag hat vor dem Flüchtlingsgipfel an diesem Donnerstag in Berlin Hilfe von Bund und Land gefordert. «Wir haben seit Monaten immer mehr Geflüchtete aufgenommen, untergebracht und betreut. Die Kapazitäten sind vielerorts erschöpft», sagte der Vorsitzende des Landkreistages, Achim Schwickert, am Montag in Mainz. Der CDU-Politiker Schwickert ist Landrat im Westerwaldkreis. «Die Begrenzung von Zuwanderung ist nicht nur zur Vermeidung gesellschaftlicher Spannungen, sondern auch aus humanitären Gründen geboten. Andernfalls kann Integration schlichtweg nicht gelingen.» Weiterlesen

Neuer Rückzugsort für Reichsbürger? Unruhe in der Uckermark

Von Monika Wendel, dpa

Lychen (dpa) – Hauptstädter haben die dünn besiedelte Uckermark längst als Naturidyll entdeckt, brandenburgische Wälder und Seen zum Runterkommen. Das Flößerstädtchen Lychen, das noch ein wenig im Winterschlaf liegt, gilt im Sommer als Eldorado für Paddler. Auch das kleine Straßendorf Rutenberg, das zu Lychen gehört, heißt Touristen und stressgeplagte Berliner in Wochenendhäuschen willkommen. Doch jetzt könnte dort ein Rückzugsort für Reichsbürger entstehen.

Die Unruhe ist groß, seit bekannt wurde, dass sich die Organisation, die sich «Königreich Deutschland» nennt, womöglich auch in Brandenburg ansiedeln will. Zuletzt kaufte die Gruppierung, die die geltende Rechts- und Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland ablehnt, zwei Schlösser in Sachsen.

Bürger wehren sich gegen «völkische Landnahme»

Der brandenburgische Verfassungsschutz warnt vor Gefahren für die innere Sicherheit und befürchtet, dass Anhänger um den selbst ernannten Monarchen «Peter I.» auch in Rutenberg Fuß fassen. Die Bürger wollen sich gegen eine «völkische Landnahme», wie es auf Flugblättern hieß, stemmen und schließen sich in einer Bürgerinitiative zusammen. «Es ist unangenehm, wenn man weiß, dass hier Leute sind mit solchem Unsinn im Kopf», sagt Martin Hansen, der neben der mittelalterlichen Kirche in Rutenberg wohnt. «Wir können nur verhindern, dass es immer mehr werden.»

Das «Königreich Deutschland», das 2012 in Wittenberg in Sachsen-Anhalt ausgerufen wurde, wirbt im Internet mit einer «goldenen Zukunft» und eigenem Staatsgebiet. 2022 sei das Königreich stark gewachsen, sagt der Sprecher der Gruppierung, Marco Ginzel, in einem Video. Es sollen autarke «Gemeinwohldörfer» entstehen, was Verfassungsschützer in Sachsen seit einiger Zeit wachsam sein lässt.

Peter Fitzek, Kopf der Gruppe, sagt: «Meine Vision ist, dass wir ein eigenversorgtes Dorf hinbekommen, wo wir eigentlich alles das machen können, was man da draußen nur schwerlich tun kann.» Spielt das brandenburgische Rutenberg an der nordwestlichen Ecke der Uckermark dafür eine wichtige Rolle?

Es geht um mehr als 40 Hektar Land

Fitzek, der sich auch Menschensohn nennt, wurde an den weiten Feldern am Rande des Dorfes entdeckt, wie in einem Video und Beitrag des ARD-Magazins «Kontraste» zu sehen war. Vor allem aber ein Strohmann hielt laut Verfassungsschutz für das «Königreich» Ausschau nach Land und Immobilien. Es geht in Rutenberg vor allem um mehr als 40 Hektar Land, das einer Agrar-Genossenschaft «Am Eichengrund» gehört. Ein Genossenschaftsmitglied betreibt einen landwirtschaftlichen Hof und gilt dem Verfassungsschutz zufolge als Anhänger der Gruppierung. Zudem ist auf einer – wenn auch unfertigen – Internetseite im Zusammenhang mit Rutenberg vom «Staatsbetrieb im KRD» zu lesen.

Der Sprecher des «Königreichs», Ginzel, antwortet auf Fragen schriftlich: «Der Gemeinwohlstaat Königreich Deutschland ist daran interessiert, mit verschiedenen Kooperationspartnern Projekte zur Lebensmittelversorgung zu initiieren, die die verfassungskonforme Lebensmittelproduktion zur Versorgung der Menschen im Königreich Deutschland ermöglichen.» Es handle sich um Bio-Landwirtschaft. Die Ängste der Menschen in Rutenberg halte er für unbegründet, die Organisation stehe aber für Gespräche zur Verfügung.

Experten warnen davor, die Gruppe, die nicht nur im Osten Deutschlands Projekte anstrebt, als Spinner und harmlose Esoteriker abzutun. Der Leipziger Fachreferent für Verschwörungsideologien bei der Amadeu Antonio Stiftung, Benjamin Winkler, spricht von einer «Verschleierungstaktik». Es werde vorgegeben, dass die Gemeinschaft nur Lebensmittel produzieren und alternative Wohnkonzepte ausprobieren wolle.

Klar antisemitische Äußerungen

Das «Königreich Deutschland»» verfolge eine perfide Strategie, sagt auch der brandenburgische Verfassungsschutzchef Jörg Müller der dpa. Fitzek, der sich klar antisemitisch äußere, wolle die Menschen psychisch abhängig machen und lebe davon, Leute auch finanziell auszunehmen.

Die Sicherheitsbehörden sprechen von einer sektenähnlichen Struktur und «pseudo-legitimierten Parallelstrukturen». Sie rechneten dem Milieu der «Reichsbürger und «Selbstverwalter» in Deutschland im Jahr 2022 insgesamt 23.000 Personen zu – das waren 2000 Anhänger mehr als 2021. In Brandenburg sollen es um die 650 sein.

Das verbindende Element in der Szene sei die fundamentale Ablehnung der Legitimität der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtsordnung, heißt es im Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Gerade auch in Krisenzeiten könnten solche Gruppen mehr Menschen anlocken, die etwa auf Sinnsuche seien, glaubt der Experte bei der Amadeu Antonio Stiftung, Winkler. «Man greift psychische Probleme von Menschen auf und bietet ihnen ein vermeintlich besseres Leben an.»

Die Künstlerin und Fotografin Marieken Verheyen, die in dem 180-Einwohner-Ort Rutenberg wohnt, ist über Demokratiefeinde empört. «Das Dorf will das so nicht haben», sagt sie. Alteingesessene leben dort schon länger zusammen mit Zugezogenen. Hofläden mit Bio-Lebensmitteln, Hühner, Schafe, Pferde gehören zum typischen Bild. Bewohner zeigen sich auch besorgt, dass Dutzende Anhänger des «Königreichs» die komplette Dorfgemeinschaft kippen könnten.

Eingreifmöglichkeiten begrenzt

Rainer Dewies, der etwa 2,5 Kilometer entfernt vom Dorfkern einen landwirtschaftlich Betrieb hat und aus dem Rheinland stammt, sagt dagegen: «Ich bin nicht beunruhigt.» Er glaube, dass solche Vorhaben auf Dauer keinen Erfolg haben. «Irgendwann zerstreiten die sich immer.»

Die Behörden in der Uckermark jedenfalls scheinen aufgerüttelt, wenngleich Möglichkeiten, einzugreifen, wahrscheinlich begrenzt sind. «Wir können nicht verhindern, dass ein Reichsbürger ein Gebäude kauft», sagt Verfassungsschützer Müller. Die Ämter versuchen vielmehr über das Bau- und Ordnungsrecht aktiv zu werden.

Bei einem «Runden Tisch» noch im Februar wollen Experten mit Verantwortlichen von der Stadt Lychen und von Ministerien über den weiteren Umgang mit den Reichsbürgern beraten. Landrätin Karina Dörk (CDU) sagt, auch die Schulpflicht für Kinder, die den staatlichen Einrichtungen entzogen werden, solle endlich durchgesetzt werden. «Aber wir müssen unsere Entscheidungen völlig unabhängig davon treffen, wie sympathisch oder unsympathisch, wie nachvollziehbar oder krude ihre Theorien sind. Wir haben nach geltendem Recht zu bewerten und zu entscheiden. Das tun wir.»

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