Nato: Finnland öffnet sich für Beitritt ohne Schweden

Helsinki (dpa) – Nach drastischen Aussagen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zu Schwedens Nato-Mitgliedschaft zeigt sich Finnland erstmals offen, dem Bündnis unter Umständen auch ohne seinen nordischen Partner beizutreten.

Finnland könnte gezwungen sein, einen Nato-Beitritt ohne seinen langjährigen Verbündeten Schweden in Betracht zu ziehen, sagte Außenminister Pekka Haavisto dem finnischen Rundfunksender Yle. Weiterlesen

Mangelnde Geschlossenheit in russischer Militärführung?

London (dpa) – Britische Geheimdienste sehen die Entlassung eines ranghohen russischen Militärs als Anzeichen mangelnder Geschlossenheit in Moskaus Militärführung.

Der Generaloberst Michail Teplinski, der im Ukraine-Krieg bislang eine wichtige Rolle gespielt habe, sei mutmaßlich entlassen worden, hieß im täglichen Kurzbericht des britischen Verteidigungsministeriums. Nach Angaben der Briten war Teplinski für den Abzug der Russen westlich des ukrainischen Dnipro-Flusses im November des vergangenen Jahres zuständig. In Russland sei er als fähiger und pragmatischer Kommandeur gelobt worden, hieß es weiter. Weiterlesen

Milliardengeschäft mit gefälschten Uhren

Von Christiane Oelrich, dpa

Biel (dpa) – Es knirscht gewaltig, wenn eine gigantische Walze Tausende Uhren plattmacht: Glas splittert, Gehäuse bersten. Solche Zerstöraktionen veranstaltet der Schweizer Uhrenindustrieverband FH. 15.000 Stück waren es vor zwei Jahren. Die Ware? Gefälschte Markenartikel wie von Rolex, Breitling oder Patek Philippe. Der Kampf gilt kriminellen Banden, die damit Milliarden verdienen. Schweizer Uhren werden gern kopiert, weil sie weltweit gefragt sind.

Der Verband legt Exportzahlen für das vergangene Jahr vor. 2021 schaffte die Branche Rekordexporte von gut 22 Milliarden Franken (heute etwa gleich Euro). Es gab einmal Schätzungen, wonach doppelt so viel gefälscht wie exportiert wird, aber die wahre Zahl weiß niemand.

Mit dem wachsenden Onlinehandel nähmen auch die illegalen Geschäfte zu, sagt Yves Bugmann, Leiter der FH-Rechtsabteilung. Das habe in der Pandemie, als noch mehr Leute den Onlinehandel entdeckten, noch einen Schub bekommen. Die Detektive des Verbands entdeckten jährlich rund eine Million unseriöse Angebote, die dann über die Plattformbetreiber aus dem Netz genommen würden.

Verein will Verbraucher sensibilisieren

Ein Klassiker bei Touristen ist die Rolex für 20 oder 30 Dollar vom Straßenmarkt oder Strand in Asien. So etwas zu kaufen, sei kein Kavaliersdelikt, wie viele meinten, sagt Eveline Capol, Leiterin der Geschäftsstelle des Schweizer Vereins Stop Piracy. «Sie unterstützen damit die organisierte Kriminalität.» Der Verein will Verbraucher sensibilisieren. Viele kämen ins Nachdenken, wenn sie erführen, dass Fälscherware unter übelsten Bedingungen hergestellt werde. Kinderarbeit kann nicht ausgeschlossen werden.

Die Industriestaatenorganisation OECD hat für die Schweizer Uhren- und Schmuckhersteller 2021 Milliardenverluste durch Fälschungen errechnet. Schon 2018 seien ihnen 1,7 Milliarden Euro entgangen. Die EU schätzt, dass nachgeahmte Produkte – also auch Kleidung, Werkzeug oder Medikamente – fast sieben Prozent ihrer Einfuhren ausmachen. «Sie sind eine bedeutende Einnahmequelle für kriminelle Vereinigungen», berichtete sie 2021.

Für den Uhrenverband sind laut Bugmann weltweit Hunderte Anwälte und Ermittler tätig, auch bei der Fußballweltmeisterschaft in Katar. «Wir konnten die Märkte reinigen.» Vor dem Start der WM hätten Detektive gefälschte Ware in Läden ausfindig gemacht. Die Polizei sei dann mit Razzien gefolgt. «Zusammen mit unseren Partnern beschlagnahmen wir jedes Jahr zwei bis drei Millionen Uhren und Begleitmaterial wie Schatullen oder Garantiescheine», sagt Bugmann.

Es ist eine gigantische Zahl, aber der Fachjournalist Thomas Gronenthal, der sich seit Jahren mit dem illegalen Markt beschäftigt und nach eigenen Angaben Fälscherfabriken in China besucht hat, lacht darüber. «Das ist die Spitze eines Eisbergs», sagt er. «Für jeden Hersteller oder Händler, dem das Handwerk gelegt wird, tauchen gleich drei neue am Horizont auf.» Nach seiner Beobachtung wird viel Gefälschtes in geschlossenen Gruppen in sozialen Medien verkauft. «Manchen Leuten machen Dinge, die kriminell riechen, auch Spaß. Das ist ein bisschen wie Steuerhinterziehung.»

«Superklone» und «Frankenwatch»

In solchen Gruppen geht es nicht um die Strand-Rolex, sondern oft um «Superklone»: Fälschungen von hoher Qualität, die auch mal ein paar Tausend Euro kosten. Das ist immer noch ein Bruchteil des Preises vieler echter Uhren. Manche Teilnehmer besäßen sogar auch Originale. «Die haben es nicht nötig, mit einer Fälschung auf dicke Hose zu machen», sagt Gronenthal. Sie bestellten etwa, um die falsche Rolex im Urlaub zu tragen. Das echte Stück sei im Safe. Neben den Superklonen gibt es auch die «Frankenwatch» – in Anlehnung an das Monster von Frankenstein, das aus Leichenteilen geschaffen wurde: Uhren, die teils aus echten, teils aus nachgemachten Teilen bestehen.

Der Uhrenverband schult Polizei und Zollbehörden in vielen Ländern, damit sie mehr Gefälschtes erkennen und aus dem Verkehr ziehen. Beim Schweizer Zoll steigen die Zahlen zwar deutlich: 2020 wurden gut 50 Prozent mehr Warensendungen abgefangen als im Jahr davor. 2021 waren es erneut 35 Prozent mehr. In absoluten Zahlen waren es etwa 2021 vergleichsweise wenig: 5959 Sendungen – angesichts von Hunderttausenden Paketen, die allein die Post jeden Tag bearbeitet.

Der Zoll sei überall überfordert, sagt Gronenthal. Er schult selbst Pfandhäuser oder Juweliere, die gebrauchte Ware verkaufen, damit sie Gefälschtes erkennen können. Er nutze zu Demonstrationszwecken selbst Plagiate. «Ich habe in den letzten Jahren sicher 300 Stücke bestellt – nicht ein einziges Mal ist eine Sendung konfisziert worden.» Die Ware werde aus China oft über Länder nach Europa gebracht, die für laxe Zollkontrollen bekannt seien, Spanien etwa.

Hotspots für den Umschlag gefälschter Uhren sind nach Angaben von Bugmann die Arabischen Emirate, die Türkei und Länder in Asien. «Auch überall, wo es Tourismus gibt.» Hersteller sitzen nach Angaben der OECD vor allem in China (gut 53 Prozent) und Hongkong (24 Prozent). Mit weitem Abstand folgen Singapur und die Türkei.

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SPD: Führungsrolle Deutschlands und neue Russland-Politik

Von Michael Fischer, dpa

Berlin (dpa) – Eine Führungsrolle Deutschlands in der Welt, Militär als Mittel der Friedenspolitik und Kehrtwende im Verhältnis zu Russland: Die SPD will ihre Außen- und Sicherheitspolitik auf dem Parteitag im Dezember neu aufstellen. Die Kommission Internationale Politik der Partei legte ein erstes Konzept dafür vor, in dem auch Fehler in den letzten Jahrzehnten eingeräumt werden – gerade, was die Russland-Politik angeht. Die Zeitenwende im Zuge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine zeige, «dass wir Entwicklungen der vergangenen Jahre nicht immer richtig eingeschätzt haben».

Das Konzept der Parteikommission mit dem Titel «Sozialdemokratische Antworten auf eine Welt im Umbruch» wurde am Montag von Parteichef Lars Klingbeil im Parteipräsidium und auf einer Pressekonferenz vorgestellt. Klingbeil hatte die Debatte über eine Neuausrichtung demokratischer Außenpolitik bereits im vergangenen Jahr mit zwei Grundsatzreden angestoßen. Darin hatte er gefordert, dass Deutschland den Anspruch einer «Führungsmacht» verfolgen und das Militär als ein Mittel der Politik verstehen sollte. Außerdem räumte er eine Reihe von Fehlern der SPD in der Russland-Politik ein. All das findet sich jetzt in dem 21-seitigen Kommissionspapier wieder, wenn auch in veränderter Form.

«Führungsrolle» statt «Führungsmacht»

Klingbeils Begriff der «Führungsmacht» taucht in dem Papier nicht auf, er war beim linken Flügel der Partei auf Vorbehalte gestoßen. Dafür ist nun von einer deutschen «Führungsrolle» die Rede. «Ein kooperativer Führungsstil ist ein moderner Führungsstil und die Antwort auf eine Welt im Umbruch», heißt es. Führung bedeute nicht, dass sich Deutschland über andere hinwegsetze, sondern mit Initiativen vorangehe um gemeinsame Ziele zu erreichen. Für viele Staaten der Welt sei Deutschland ein wichtiger Partner. «Und genau deshalb erwarten sie, dass Deutschland auf internationaler Ebene mehr Initiative zeigt und eine Führungsrolle einnimmt.»

Militär als Mittel der Friedenspolitik

Inwieweit Deutschland auch militärisch eine Führungsrolle übernehmen sollte, ist in der SPD umstritten. Das wird auch aktuell in der Diskussion über Waffenlieferungen in die Ukraine deutlich. Viele in der Partei setzen auf einen zurückhaltenden Kurs, allen voran Fraktionschef Rolf Mützenich, der sich mehr diplomatische Initiativen wünscht. Die Parteikommission benennt nun das Militär als Mittel der Friedenspolitik: «Zu einer wirkungsvollen Friedenspolitik gehören neben Diplomatie und einer engagierten Entwicklungspolitik auch die militärischen Fähigkeiten unserer Sicherheits- und Verteidigungsbündnisse.»

Das Papier enthält ein klares Bekenntnis zum Nato-Ziel, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung zu investieren. Bis zum Ukraine-Krieg war das noch undenkbar. Es ist gar nicht so lange her, dass ein SPD-Außenminister Sigmar Gabriel das Ziel mit der Warnung vor einem «Militärbullen» in der Mitte Europas ablehnte. Diese Zeiten sind nun endgültig vorbei.

Sicherheit vor Russland statt mit Russland

Auch vorbei sind die Zeiten, in denen die SPD die Partnerschaft mit Russland gepflegt hat. Im immer noch gültigen Grundsatzprogramm der Partei von 2007 wird die strategische Partnerschaft mit Russland als «unverzichtbar» für Deutschland und die Europäische Union bezeichnet. Und selbst im Wahlprogramm der SPD von 2021 heißt es noch: «Frieden in Europa kann es nicht gegen, sondern nur mit Russland geben.» Nun wird dieser Satz ins Gegenteil gedreht: «Solange sich in Russland nichts fundamental ändert, wird die Sicherheit Europas vor Russland organisiert werden müssen.»

Die SPD-Kommission distanziert sich in dem Kommissions-Papier auch grundsätzlich von der Russland-Strategie, die sie über viele Jahre verfolgt hat. «Das Festhalten an der Annahme, mit immer stärkeren wirtschaftlichen Verflechtungen langfristig zu einer Demokratisierung und Stabilisierung Russlands beizutragen, war ein Fehler.»

Keine Abkopplung von China

Mit Blick auf China spricht sich die SPD in dem Papier gegen eine Abkopplung aus. «Der Dialog mit China sollte gesucht und robust und konstruktiv-kritisch geführt werden», heißt es darin. «Menschenrechtsverstöße oder Protektionismus gehören genauso angesprochen wie unser Bekenntnis zur Ein-China-Politik und zu der Überzeugung, dass die Taiwan-Frage nur einvernehmlich in einem friedlichen Verfahren geklärt werden kann.»

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Auch Spotify streicht Jobs – Chef: Zu schnell gewachsen

Stockholm (dpa) – Als nächste große Firma aus der Tech-Branche greift der Musikstreaming-Marktführer Spotify zu Entlassungen. Rund sechs Prozent der Mitarbeiter sollen gehen, wie der Gründer und Chef Daniel Ek am Montag ankündigte. Damit dürften rund 600 Jobs betroffen sein: Zum vergangenen Stichtag 30. September hatte das schwedische Unternehmen gut 9800 Vollzeitstellen.

Ek verwies darauf, dass Spotify effizienter werden müsse. Er habe – wie auch andere – gehofft, dass der geschäftliche Rückenwind aus der Corona-Pandemie andauern würde. «Rückblickend war ich zu ambitioniert bei Investitionen, die unser Umsatzwachstum überholten», schrieb Ek in einer E-Mail an die Mitarbeiter. «Ich übernehme die volle Verantwortung für die Schritte, die uns hierher gebracht haben.» Spotify plant mit Kosten zwischen 35 und 45 Millionen Euro für Abfindungen. Weiterlesen

Fünf deutsche Filme im Wettbewerb der Berlinale

Berlin (dpa) – Der neue Film von Regisseurin Margarethe von Trotta über die Schriftstellerin Ingeborg Bachmann geht ins Rennen um den Goldenen Bären der Berlinale. In «Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste» spielen Vicky Krieps und Ronald Zehrfeld mit. Insgesamt 18 Filme laufen im Wettbewerb, wie der künstlerische Leiter Carlo Chatrian am Montag in Berlin bekanntgab. Darunter sind neue Projekte von Christian Petzold, Christoph Hochhäusler und Emily Atef. Weiterlesen

Bericht: Großbritannien verfehlt Exportziele wegen Brexits

London (dpa) – Wegen des Brexits wird Großbritannien einem Zeitungsbericht zufolge seine Exportziele deutlich verfehlen. Der Wert von Ausfuhren aus dem Vereinigten Königreich werde frühestens 2035 eine Billion Pfund (1,14 Bio Euro) betragen, berichtete der >>Guardian>> unter Berufung auf Aussagen des zuständigen Staatssekretärs Andrew Bowie. Ex-Premierminister Boris Johnson hatte 2021 angekündigt, dieses Ziel werde 2030 erreicht. Ursprünglich hatte 2012 der damalige Regierungschef David Cameron sogar 2020 als Datum versprochen – das war aber lange vor dem Brexit-Referendum 2016. Weiterlesen

Tui startet neue Hotelportale

Stockholm (dpa) – Tui hat für Kunden in Schweden ein Portal zur direkten Buchung von Hotels und anderen Unterkünften gestartet – der Verkauf solcher Einzelangebote soll auf weitere Länder ausgedehnt werden. Dies ist Teil der Strategie, klassische Pauschalreise-Pakete durch flexible, individuell kombinierbare Bestandteile zu ergänzen. Vorstandschef Sebastian Ebel und Tui-Nordeuropa-Managerin Jessica Enbacka stellten die Pläne am Freitag in Stockholm vor.

Der Konzern will mit dem Konzept «Accommodation only» (nur Unterkunft) einen größeren Teil vom wachsenden Markt der Solo-Buchungen abbekommen. Dabei geht es zunächst um die Vermittlung reiner Unterkünfte. Bisher sind hier vor allem Anbieter wie Booking.com und Expedia oder auch Vergleichsportale wie Trivago stark. Skandinavien macht für Tui den Anfang. Das erste eigene digitale Hotelportal in Schweden läuft seit Mitte Dezember. «Im Februar rollen wir das in Norwegen, Dänemark und Finnland aus», kündigte Enbacka an. Ebel sagte, im Laufe des Jahres kämen andere Märkte hinzu. Weiterlesen

Europapreis: Jubiläum der deutsch-französischen Freundschaft

Mainz (dpa/lrs) – 60 Jahre nach der Besiegelung der deutsch-französischen Freundschaft würdigt der rheinland-pfälzische Europapreis diese Annäherung zwei einstiger Feindstaaten. «Wenn Europa zusammensteht, ist es stark», teilte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) am Freitag mit. Die Voraussetzungen dafür habe der Élysée-Freundschaftsvertrag zwischen Deutschland und Frankreich geschaffen. Dieser war am 22. Januar 1963 vom damaligen Kanzler Konrad Adenauer und dem Präsidenten Charles de Gaulle in Paris unterschrieben worden. Laut Dreyer markiert das Abkommen «den Beginn von Frieden und Freundschaft in Europa». Daher sei es eine gute Wahl, die deutsch-französische Verbindung zum Thema des Europapreises 2023 zu machen. Weiterlesen

Wirtschaftshoffnung China? Der Elefant im Raum beim WEF

Von Theresa Münch, dpa

Davos (dpa) – Sie sind zwar kaum vor Ort, doch in aller Munde: Für chinesische Unternehmen kommt das Weltwirtschaftsforum in Davos nach Ende des Corona-Lockdowns zwar noch etwas zu früh.

Doch auf den Podien, in Flurgesprächen und Interviews kommt man trotzdem kaum an ihnen vorbei. Ist China der kommende Markt und die Hoffnung für eine Erholung der krisengeschüttelten Weltwirtschaft? Oder doch eher eine Gefahr, angesichts von Protektionismus und enormen einseitigen Abhängigkeiten europäischer Unternehmen vom chinesischen Markt oder seinen Produkten? In Davos ringen Unternehmer und Politik um den richtigen Umgang mit dem Reich der Mitte.

Eine größere chinesische Delegation konnte nicht in die Schweiz reisen, auch auf der exklusiven Promenade mit aufwendig umgebauten Ladengeschäften sind die Chinesen – anders als etwa Indien und Saudi Arabien – nicht vertreten. Doch Vizepremier Liu He durfte auf der großen Bühne einen Investment-Pitch halten, am Eröffnungstag und gleich nach EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

Der für die Wirtschaft zuständige Vizepremier holte in Davos zur Charmeoffensive aus und warb vor der Kulisse mächtiger Unternehmenschefs um Vertrauen in Chinas Wirtschaftskurs. Nach dem coronabedingten Einbruch im vergangenen Jahr werde die zweitgrößte Volkswirtschaft 2023 «höchstwahrscheinlich zu ihrem normalen Trend zurückkehren». Das bedeutet ein Wachstum, von dem Länder wie Deutschland gerade nur träumen können. Ausländische Unternehmen spielten eine wichtige Rolle in der Entwicklung, warb Liu He.

China als potenzieller Wachstumstreiber gehandelt

Vor allem bei Tech-Unternehmern rennt er damit offene Türen ein – doch auch andere blicken hoffnungsvoll nach Osten. Der Präsident der Schweizer Bank Credit Suisse sieht China als potenziellen Wachstumstreiber. Er würde sich nicht wundern, wenn das Land seine eigene Prognose für ein Wirtschaftswachstum von 4,5 Prozent sogar noch toppen würde, sagte Axel Lehmann in einer Debatte zur drohenden weltweiten Rezession. Das könne andere Weltregionen mitziehen. «Ich glaube, da gibt es viel Hoffnung.» Die Verwaltungsratschefin der Hongkonger Börse, Laura Cha, nannte die Öffnung Chinas ebenfalls einen «wichtigen Treiber für Wachstum». Schon bald werde der Fertigungssektor wieder anziehen, ebenso der Konsum.

Aus dem politischen Raum dagegen wird eher gewarnt – und das liegt auch an den Lehren aus Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg. In den Krisen hat vor allem Europa gespürt, welche Gefahr einseitige Abhängigkeiten bergen. Von Gas aus Russland genau wie von Medizinprodukten aus Asien. Und es ist der Protektionismus der chinesischen Wirtschaftspolitik, der den Politikern missfällt.

So kritisierte EU-Kommissionschefin von der Leyen, China ermutige energieintensive Unternehmen mit dem Versprechen billiger Energie, niedriger Arbeitskosten und eines laxeren Regelungsumfelds, ihre Produktion zu verlagern. Zugleich subventioniere das Land seine eigene Industrie stark und beschränke den Zugang zum chinesischen Markt. Dazu kommen Menschenrechte und Meinungsfreiheit, die in China nicht gerade groß geschrieben werden.

Unternehmensberater sind deshalb auch vorsichtig, wenn sie mit ihren Kunden über China sprechen. «Wir raten zu einer Diversifizierung von Lieferketten, zum Abbau von Abhängigkeit, zum Beispiel bei Produkten wie Solarpanels», sagt Stefan Schaible aus dem Vorstand der Unternehmensberatung Roland Berger. «Aber es wird weiter eine Interaktion auf einem vernünftigen Level geben müssen.»

Konflikt zwischen China und Taiwan

Auch Christina Raab, die für Deutschland zuständige Chefin der Unternehmensberatung Accenture, betont: «Mein Plädoyer ist nicht, sich aus China ohne Reflexion zurückzuziehen.» Das Gebot der Stunde sei aber eine differenzierte Strategie. «Jedes Unternehmen muss prüfen: Was ist für mich der chinesische Markt? Ist es ein Absatzmarkt, ein Rohstoffmarkt, ein Entwicklungsstandort? Und sich dann fragen: Wie abhängig bin ich davon?» Sollte sich der Konflikt zwischen China und Taiwan zuspitzen, sei das «ein wesentlich größerer Schock für die Weltwirtschaft als der aktuelle Konflikt mit Russland».

Deswegen, so rät Raab, sei es strategisch klug, sich in Südostasien alternative Standorte anzuschauen – etwa Indien, Vietnam oder Indonesien. Vor allem Indien macht es den Mächtigen in Davos leicht. An nahezu jeder Ecke auf der Promenade fallen indische Unternehmen oder Pavillons zum Geschäftemachen auf. Eine der offiziellen Debatten widmete sich am Mittwoch eigens dem «Indischen Weg zu einer 10-Billionen-Dollar-Wirtschaft». Hier warben Tata-Chef Natarajan Chandrasekaran und der indische Minister für IT und Kommunikation, Ashwini Vaishnaw, um Investitionen.

Indien gilt inzwischen als fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt, könnte China mit seiner jungen Bevölkerung bald als bevölkerungsreichstes Land ablösen. «Wir haben einen fantastischen Tech-Sektor. Wir haben einen riesigen Talentpool», sagte der Tata-Chef in Davos. Dazu große digitale Transformationsprojekte – und das zunehmend mit «guter» Energie. Soll Indien also das neue China sein? Es gehe ihm nicht darum, China zu ersetzen, betonte der Tata-Chef. «Dies ist ein Einzelspieler-Spiel.»

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EZB-Präsidentin Lagarde: Inflation weiter «viel zu hoch»

Davos (dpa) – Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, hat die Inflation in der Eurozone trotz des jüngsten Rückgangs und einer Reihe von Zinserhöhungen als nach wie vor «viel zu hoch» bezeichnet. Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos machte Lagarde am Donnerstag deutlich, dass die Notenbank beim Kampf gegen die Teuerung weiter «auf Kurs» bleiben müsse. Weiterlesen

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