Ein Jahr Projekt Ahr-Wiederaufbau mit Einblick ins Handwerk

Mainz (dpa/lrs) – Im Ahr-Flutgebiet in einen Handwerksberuf hineinschnuppern und beim Wiederaufbau helfen: Bei diesem Projekt für junge Leute ziehen die Verantwortlichen ein Jahr nach dem Start eine positive Zwischenbilanz. Mittlerweile hätten 24 Teilnehmende rund 50 Praktika in den unterschiedlichsten Handwerksbetrieben absolviert, teilten das rheinland-pfälzische Arbeitsministerium und die Handwerkskammer (HwK) Koblenz am Freitag mit. Sie hätten sich etwa als Maurer, Tischler, Fliesenleger oder Kfz-Mechatroniker ausprobieren können und so erste Erfahrungen im Handwerk gesammelt, ergänzt mit einer Qualifizierung auch in HwK-Lehrwerkstätten.

Arbeitsminister Alexander Schweitzer (SPD) sagte, das aus der Not geborene Pionierprojekt «Aufbau-Ahr – Freiwillige Aufbauzeit im Ahrtal» sei einerseits soziales Engagement und andererseits auch wichtig, «weil wir viel mehr Menschen brauchen, die ins Handwerk gehen». Er ergänzte: «Ein Drittel der bisherigen Teilnehmenden hat in der Ahrregion eine Ausbildung oder eine Einstiegsqualifizierung im Handwerk begonnen.» Weiterlesen

Saarland drängt auf Tempo bei Kindergrundsicherung

Saarbrücken (dpa/lrs) – Das Saarland fordert im Bundesrat mehr Tempo bei der Einführung der Kindergrundsicherung. Im Entwurf einer Entschließung für die Sitzung der Länderkammer vom Freitag wird die Bundesregierung aufgefordert, «schnellstmöglich» einen Referentenentwurf vorzulegen und mit dem Gesetzgebungsverfahren dann «umgehend» zu beginnen. Mehr als jedes fünfte Kind in Deutschland wachse in Armut auf, heißt es in dem Antrag der Regierung von Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD), der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

In dem Antrag wurde das von der Ampelkoalition vereinbarte Vorhaben der Einführung einer Kindergrundsicherung begrüßt. Damit sollten Familien gestärkt, die Kinderarmut bekämpft und die Chancengleichheit für alle Kinder gewährleistet werden. Zur Kinderarmut in Deutschland sagte Rehlinger: «Das ist ein untragbarer Zustand, den wir nicht länger dulden dürfen, denn die Kinder sind am härtesten und am längsten davon betroffen.» Weiterlesen

«Winteraktion Saar» erreicht Tausende Hilfsbedürftige

Saarbrücken (dpa/lrs) – Mehr als zehntausend hilfsbedürftige Menschen sind nach Schätzungen des saarländischen Sozialministers Magnus Jung (SPD) bislang von der «Winteraktion Saar» erreicht worden. Das Land hatte das Programm mit unterschiedlichen Hilfsangeboten gemeinsam mit Sozialverbänden, Vereinen, Organisationen und kirchlichen Trägern im vergangenen November gestartet. Ziel war es unter dem Motto «Das Saarland rückt zusammen», angesichts steigender Preise für Energie und Lebensmittel zusätzlich und niedrigschwellig Unterstützung zu schaffen. Bis Ende März stehen dafür 1,7 Millionen Euro bereit.

«Unsere Hoffnung war, dass wir am Ende eine kleine Bürgerbewegung für Solidarität im Land lostreten», sagte Jung am Dienstag in Saarbrücken. Dies sei in einer Art und Weise gelungen, «die uns positiv überrascht und wirklich zufrieden gemacht hat mit dem vielen Engagement und Ideen, die ganz viele Menschen und Organisationen entwickelt haben». Weiterlesen

Zügige Einigung auf Kindergrundsicherung gefordert

Berlin (dpa) – Der Paritätische Gesamtverband warnt Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) davor, die geplante Kindergrundsicherung scheitern zu lassen.

«Es wäre verwerflich, den Kampf gegen Kinderarmut gegen Rüstung auszuspielen», sagte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider der «Stuttgarter Zeitung» und den «Stuttgarter Nachrichten» mit Blick auf Forderungen nach mehr Militärausgaben. «Es führt kein Weg an der Kindergrundsicherung vorbei. Und es ist Aufgabe des Finanzministers, die Mittel dafür zu besorgen.»

Vorgesehen ist, Leistungen vom Kindergeld über den Kinderzuschlag bis zur finanziellen Unterstützung für Klassenfahrten und Freizeit zu bündeln. Viele Familien beantragen Leistungen bislang nicht – wegen Unkenntnis oder bürokratischer Hürden. Familien und ihre Kinder sollen ab 2025 von der Grundsicherung profitieren. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) hat ein Konzept vorgelegt, dessen Umsetzung etwa zwölf Milliarden Euro kosten würde. Weiterlesen

Afrikas Not in deutscher Schokolade

Von Basil Wegener, dpa

Agboville (dpa) – Leichter Kakaoduft durchzieht die Plantage. Die Füße rascheln beim Gehen durch eine dicke Laubschicht. Darunter der knochentrockene, harte Boden der Elfenbeinküste (Côte d’Ivoire) in Westafrika. Säckeweise produziert Bauer Sougue Moussa hier Kakaobohnen für die Schokoladenkonzerne der Welt.

Allein der Kakao in Deutschland kommt zu zwei Dritteln aus der Elfenbeinküste. Immer wieder schrecken Berichte über Kinderarbeit und Abholzung auf Afrikas Kakaoplantagen Verbraucherinnen und Verbraucher auf. Jetzt soll das deutsche Lieferkettengesetz gegen Missstände helfen – ist es ein wirksames Regelwerk oder ein zahnloser Papiertiger?

Knapp zwei Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes machen sich Arbeitsminister Hubertus Heil und Entwicklungsministerin Svenja Schulze (beide SPD) in der Elfenbeinküste und Ghana ein Bild. Hat man hier deutsche Gesetze überhaupt auf dem Schirm? Beide Länder liefern 65 Prozent des Kakaos weltweit – doch viele Menschen leben in «bitterer Armut», wie Heil sagt.

Der Hauptgrund: «Der Preis im Markt ist viel zu niedrig», erklärt der deutsche Entwicklungsexperte Friedel Hütz-Adams vom Bonner Südwind-Institut. In den vergangenen Jahren habe sich der Kakaopreis etwa halbiert. Dabei gingen die Kosten für Benzin und Düngemittel auch in Westafrika teils steil nach oben. Allein in Ghana kam es laut einer neuen Oxfam-Studie zu einem Rückgang der Einkommen um mehr als 16 Prozent zwischen der Erntesaison 2019/20 und 2021/22 – trotz von der Regierung auferlegten Preiserhöhungen.

Überall Kinderarbeit

Jeweils rund 800.000 Kinder verrichten nach offiziell verbreiteten Zahlen in der Elfenbeinküste und in Ghana auf den Kakaoplantagen schwere Arbeit. Denn ihre Eltern können sich keine Beschäftigten für die harte Arbeit leisten. Die Kinder schuften mit der Machete, versprühen Pestizide oder tragen schweren Lasten.

Sougue Moussa zieht seine vier Kinder nicht zur Arbeit auf dem Feld heran, wie der 50-Jährige erzählt. Zwischen seinen Kakaobäumen strecken sich Bananen-, Orangen-, Mango- und Kautschuk-Bäume der grellen Sonne entgegen. Das verhilft Moussa zu zusätzlichem Einkommen und schützt die Kakaobäume, die Halbschatten mögen. Moussas ältester Sohn studiert sogar. Soll der Sohn einmal die Plantage übernehmen? «Solange die Preise nicht besser sind, kommt das nicht infrage», winkt Moussa ab. Der Sohn wolle auf jeden Fall etwas anderes machen und wohl Arzt werden.

Die Regierungen verschweigen die Probleme vor Ort nicht. «Die Bauern verdienen oft nicht genug», sagt Ghanas Handelsminister Samuel Abu Jinapor. Zwar ringen die Elfenbeinküste und Ghana mit den großen internationalen Händlern regelmäßig um auskömmliche Preise – doch die Macht der Regierungen gegen die Konzerne ist begrenzt. Das Existenzminimum von umgerechnet gut 400 Euro im Monat erreichen viele Familien nicht.

80 Prozent des Regenwalds zerstört

Auch um die Waldzerstörung reden die Behörden nicht herum. Oberst Moumouni Lougué von der Waldbehörde der Elfenbeinküste sagt: «Unser Wald ist immer weiter zerstört worden.» Seit der Unabhängigkeit 1960 wurden rund 80 Prozent des Regenwalds gerodet. 2,5 Millionen Hektar sind übrig. «Das Ziel ist, durch Aufforstung die bewaldete Fläche wieder auf 20 Prozent zu steigern», sagt Lougué.

Kakao darf schon lange nicht auf Kosten des natürlichen Waldes produziert werden. Und Kinderarbeit ist in den Ländern auch längst verboten. Doch sie kommt trotzdem vor. Was sollen da nun die neuen Gesetze aus Europa bringen? Das deutsche Lieferkettengesetz verpflichtet Unternehmen mit mindestens 3000 Beschäftigten, dass keine Kinderarbeit oder gravierende Umweltverstöße hinter ihren Produkten stecken. 2024 sinkt die Schwelle auf 1000 Beschäftigte. Die Firmen sollen Berichte dazu erstellen und Missstände abstellen. Auf EU-Ebene wird derzeit ein wohl noch strengeres Lieferkettengesetz erarbeitet. Dazu kommt eine geplante EU-Verordnung, die wohl ab 2024 Importe aus frisch entwaldeten Gebieten verbieten soll.

Doch wie soll das alles kontrolliert werden – zum Beispiel im mehr als 6000 Kilometer von Deutschland entfernten Agboville im ivorischen Wald? Die Regierung der Elfenbeinküste setzt dabei auf Digitalisierung, wie Schulze und Heil nicht ohne Verblüffung feststellten.

Digitalisierung hilft

Der Bauer Sougue Moussa hat schon eine entsprechende Plastikkarte. Stolz hält er sie in die schwüle Luft. Sie sieht aus wie eine EC-Karte, hat Chip, Daten und QR-Code. «Bis zum Ende der Erntesaison 2023/24 wollen wir sämtliche Erzeuger mit einer Karte ausstatten», verspricht Dadie Arsène von der Kakao-Kontrollbehörde. «Wir wissen dann genau, von welcher Parzelle welche Kakaosäcke kommen.» Dann soll geprüft werden können, ob die Anforderungen in der Lieferkette eingehalten werden. Über die Karte sollen die Bäuerinnen und Bauern auch bezahlt werden können.

Der Bonner Experte Hütz-Adams sieht im Lieferkettengesetz und den geplanten EU-Regeln einen Grund zur Hoffnung. «Im Kakaosektor werden die Gesetze erhebliche Auswirkungen haben», sagt er. «Das erzeugt sehr viel Druck innerhalb der Kakao- und Schokoladenindustrie.» Ein Entwicklungshelfer in Agboville sagt: «Unternehmen müssen fürchten, dass sie im Wettbewerb gegen die Konkurrenz verlieren, wenn sie das nicht ernst nehmen.»

Heil räumt ein: «Das Gesetz ist keine Zauberformel für die Schaffung der Menschenrechte in der gesamten Welt.» Die Preise dürften erstmal niedrig bleiben. Hütz-Adams sieht hier die Schokoladenhersteller in der Pflicht. Denn bei einer durchschnittlichen Tafel Vollmilchschokolade zum Beispiel zahlten Verbraucherinnen und Verbraucher nur 8 Cent des Preises für den Kakao. «Und nur 4,5 Cent kommen bei den Bauern an.»

Dabei seien die Gewinnmargen im Kakaomarkt in jüngster Zeit massiv gestiegen, sagt der Experte. Laut einer Studie von Agrarökonomen der Universität Arkansas könnten die Bauern ihren Kindern schwere Formen von Kinderarbeit ersparen, wenn der Kakaopreis um 2,8 Prozent höher läge.

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Bund will Spendensammeln für Erdbebenopfer erleichtern

Von Jens Albes, dpa

Berlin/Bad Neuenahr-Ahrweiler (dpa) – Der Bund will das Spendensammeln für die Opfer der Erdbeben in der Türkei und in Syrien erleichtern. Das Bundesfinanzministerium teilte der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag mit, ein sogenannter Katastrophenerlass werde derzeit mit den Steuerverwaltungen der Bundesländer abgestimmt. Der Erlass solle für Spendenaktionen rückwirkend vom 6. Februar 2023 an greifen. Wann er genau in Kraft trete, sei vorerst noch unklar. Es gehe etwa um organisatorische und steuerliche Erleichterungen.

Zugleich dringt das Ahrtal gut eineinhalb Jahre nach seiner Flut mit mindestens 134 Todesopfern auf eine generelle dauerhafte Vereinfachung des Spendenrechts. Auch mit Blick auf die Erdbeben in der Türkei und in Syrien mit Zehntausenden bestätigten Toten wenden sich Ahr-Flutbetroffene und Helfer mit einem Video-Appell an Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). Es gehe um mehr Tempo und mehr Rechtssicherheit bei Spenden in Krisen – Katastrophenhilfe sei generell immer noch nicht gemeinnützig.

Das Bundesfinanzministerium will nach eigenen Angaben den geplanten, deutschlandweit bis 31. Dezember 2023 geltenden Katastrophenerlass für Erdbebenopfer künftig auf seiner Internetseite veröffentlichen: «Er enthält Verwaltungserleichterungen für Unternehmen, Vereine und Engagierte – wie zum Beispiel vereinfachter Zuwendungsnachweis, Sammeln und Verwendung von Spenden auch außerhalb des satzungsmäßigen Zweckes, lohnsteuerliche Erleichterungen, Ausnahmen von der Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe.»

Damit könnten laut Ministerium auch etwa Musik- und Sportvereine für Opfer der Erdbeben außerhalb ihres satzungsmäßigen Zweckes Spenden sammeln. Zur Forderung der Ahrtal-Kampagne, das Spendenrecht generell zu vereinfachen, erklärte das Bundesfinanzministerium, Katastrophen seien «temporär auftretende Ereignisse», auf die rasch und bedarfsgerecht zugeschnitten reagiert werden müsse. «Gesetzliche Tatbestände können derartige Szenarien nicht abstrakt vorwegnehmen und lösen.» Ein bundesweiter Erlass sei «ein jahrelang erprobtes und bewährtes Vorgehen in Katastrophenfällen».

Die Ahrtal-Kampagne dringt dagegen auf dauerhaft gültige Gesetzänderungen und nicht nur befristete Erlasse. Der Vorsitzende des Flutspenden-Vereins «AHR – A Wineregion needs Help for Rebuilding», der Winzer Marc Adeneuer, beispielsweise teilte mit, er habe einst seinen teils noch stärker flutgeschädigten Kollegen im Ahrtal helfen wollen – zunächst vergeblich. Erst nach langem Ringen mit Behörden habe er eine Sonderregelung aushandeln können, um die Einnahmen von verkauftem «Flutwein», also teils schlammverkrusteter Flaschen mit ungeschädigtem Inhalt, an betroffene Weingüter auszahlen zu können. «Andernfalls hätte unserem im Eilverfahren gegründetem Spendenverein die Gemeinnützigkeit aberkannt werden können. Das hätte für mich hohe Steuerzahlungen aus meinem Privatvermögen bedeutet. Ich wäre haftbar gewesen», erklärte der Vereinschef.

Daniel Koller, Mitinitiator des Ahrtal-Videos für Minister Lindner, sagte, der Appell sei Teil einer bundesweiten Kampagne zur Erinnerung an die Ahr-Flut auf digitalen Plakattafeln und im Vorprogramm von Kinos sowie im Fernsehen und Internet. Im Zentrum steht ein kürzlich enthülltes Mahnmal in einer Kirche in Bad Neuenahr-Ahrweiler: Ein großer Kunstharzwürfel birgt symbolträchtige Flutexponate wie etwa eine stehengebliebene Armbanduhr und ein lädiertes Autokennzeichen. Zum Spendenrecht heißt es in der Kampagne etwa: «Geld muss schneller fließen als die Flut.» Koller erklärte: «Menschen spenden Geld, um schnell zu helfen. Kommt die Hilfe nicht oder zu spät an, könnte das die Bereitschaft, bei der nächsten Krise zu spenden, verringern.»

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Paus will Zugang zu Abtreibungsberatung gesetzlich sichern

Berlin (dpa) – Angesichts angekündigter Proteste von Abtreibungsgegnern fordert Bundesfamilienministerin Lisa Paus freien Zugang von Frauen zu Beratungsangeboten zu Schwangerschaftsabbrüchen.

«Frauen müssen ungehinderten Zugang zu Beratungseinrichtungen und Einrichtungen haben, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen», sagte die Grünen-Politikerin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Sie kündigte gesetzliche Maßnahmen an, um den Zugang zu gewährleisten. Weiterlesen

Mallorca will Wohnungsnot radikal bekämpfen

Von Emilio Rappold, dpa

Palma (dpa) – Der Traum einer eigenen Ferienwohnung auf Mallorca könnte für viele Deutsche bald platzen, wenn die Regierung der Balearen mit ihren radikalen Plänen zur Bekämpfung der schlimmen Wohnungsnot durchkommt. Die linken Parteien, die auf den Mittelmeer-Inseln das Sagen haben, wollen nämlich den Immobilienkauf durch Nichtansässige einschränken. Das soll in Abstimmung mit der spanischen Zentralregierung und der Europäischen Union geschehen, wie es in einer Initiative heißt, die am Dienstag im Regionalparlament in Palma mit großer Mehrheit angenommen wurde.

Ziel sei ein Gesetz, «das die notwendigen Maßnahmen zur Beschränkung des Erwerbs von Eigenheimen durch nicht ansässige natürliche oder juristische Personen vorsieht, um die aktuelle Immobilienspekulation zu verhindern», heißt es im Text. Wie die angestrebte Beschränkung aussehen soll, steht zwar noch nicht fest. Einige linke Politiker fordern aber schlicht und einfach ein Verbot für nicht Ortsansässige. Man werde die Rechte der Inselbewohner schützen, tönte auf Twitter der Koalitions-Juniorpartner Podemos Illes Baleares.

Über die Hälfte der Immobilienkäufer sind Ausländer

Mehr als die Hälfte aller Immobilienkäufer auf den Balearen waren 2021 Ausländer – ganz vorne rangieren die Deutschen, mit 59 Prozent aller von Ausländern getätigten Geschäfte. Ursprünglich wollte Podemos Illes Baleares diese mit einem Verbot in die Schranken weisen und ohne Einschaltung von Madrid und der EU ein entsprechendes Gesetz erlassen. Doch das war den Sozialisten von Ministerpräsidentin Francina Armengol zu gewagt. Als erstes soll daher der EU-Segen her.

Die Opposition kritisiert die Pläne, hält diese für kontraproduktiv und zudem für unvereinar mit EU-Recht. Diese Ansicht teilen viele Juristen und Makler. «Das ist verfassungswidrig und auch europarechtswidrig, keine Frage», wurde Rechtsanwalt Manuel Stiff jüngst im «Mallorca Magazin» zitiert. Der Regionalregierung traue er aber dennoch zu, «dass sie das durchzieht».

Der deutsche Präsident des Balearischen Verbandes Nationaler und Internationaler Makler (ABINI) glaubt derweil nicht, dass ein Verbot für Nichtansässige durchzusetzen ist. Da das Vorhaben auch Festlandspanier betreffen würde, würde das eine Änderung der spanischen Verfassung nötig machen, sagte Hans Lenz im Gespräch mit dem «Mallorca Magazin». Hinzu komme, dass sich weder die öffentliche Hand noch die lokale Wirtschaft das leisten könnten. Von der Immobilienwirtschaft hängen nach seinen Worten 25 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Balearen und gut 100.000 Arbeitsplätze ab.

Immobilienpreise stark angestiegen

Dass es aber Probleme gibt, die immer schlimmer werden, bestreitet niemand. Wohnungsnot herrscht zwar nicht nur auf Mallorca und Ibiza, sondern auch in vielen anderen Regionen Spaniens und der EU. Doch die Immobilienpreise sind in den vergangenen Jahren auf den sehr beliebten Urlaubsinseln besonders stark angestiegen. Im Zuge dieser Entwicklung kletterten auch die Mietpreise auf neue Höchststände. Es gibt auf Mallorca kaum noch Wohnungen für weniger als 1000 Euro Monatsmiete. Selbst ein WG-Zimmer kostet auf Mallorca in der Regel mindestens 400 Euro. Dabei liegt der monatliche Durchschnittsverdienst auf der Insel nach Zahlen der spanischen Statistikbehörde INE lediglich bei gut 1900 Euro.

Das bleibt nicht ohne Folgen: Keine geringere Institution als der Oberste Gerichtshof in Madrid stellte fest: Der Mangel an Wohnraum und die hohen Kosten «führen dazu, dass es auf den Inseln bald keine Ärzte, keine Lehrer, keine Justizbeamten» mehr geben werde, hieß es Anfang des Monats, als das Gericht ein Verbot der Ferienvermietung von Wohnungen in Mehrfamilienhäusern in Palma bestätigte.

Die Wohnungsnot treibt weitere erschreckende Blüten: Hausbesetzungen nehmen zu. Es wird über Sozialwohnungen in Schiffscontainern diskutiert. Aus der Not entstehen bereits Siedlungen aus Wohnwagen, die von Tag zu Tag größer werden. Auf dem Parkplatz des Schwimmbads Son Hugo in Palma haben sich in den vergangenen Monaten an die 30 unfreiwillige Camper zusammengefunden, die praktisch alle einer geregelten Arbeit nachgehen, aber trotzdem kein Geld für eine richtige Wohnung haben, wie die «Mallorca Zeitung» berichtete.

Kritiker geben Regierung die Schuld

Die Kritiker meinen, nicht die ausländischen Käufer, sondern die Regierung sei in erster Linie schuld. Luis Martín, der Vorsitzende des Verbandes der mallorquinischen Bauträger, klagte im «Mallorca Magazin», Palma habe bereits gut 53.000 Hektar Bauland auf den Balearen gestrichen, auf denen 20.000 Wohneinheiten entstehen könnten. Seit der Amtsübernahme von Armengol vor knapp acht Jahren hätten zudem 14 Änderungen im Baugesetz zu «Chaos» geführt.

Die linke Regierung hat aber durchaus an anderen Stellen etwas getan. Zuletzt wurde etwa beschlossen, Bürger beim Kauf einer Immobilie zu unterstützen, indem die öffentliche Hand beim Abschluss einer Hypothek als Bürge auftritt. Es gibt Zuschüsse für junge Leute und Geringverdiener, und Wohnungen von Immobilienbesitzern, denen mehr als zehn Objekte gehören, können «zwangsvermietet» werden, wenn sie mehr als zwei Jahre leerstehen.

Die Fronten sind verhärtet. Aber neue Lösungen müssen her. Andernfalls werden die sozialen Spannungen in des Deutscher liebster Ferieninsel wohl oder übel zunehmen. Das wissen auch die Kritiker der Regionalregierung. «Ich persönlich glaube, dass es nicht gut ist für unsere Gesellschaft, wenn Arm und Reich immer weiter auseinanderdriften», sagte Anwalt Stiff. «Wenn das nämlich extreme Ausmaße annimmt, gehen die Armen irgendwann auf die Barrikaden.»

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Lindner zu Kindergrundsicherung: Nicht alles geht sofort

Berlin (dpa) – Finanzminister Christian Lindner steht Forderungen nach mehr Geld für die geplante Kindergrundsicherung skeptisch gegenüber. «Nicht alles, was wünschenswert ist, geht sofort», sagte der FDP-Chef dem Nachrichtenportal t-online.

«Konkret bei der Kindergrundsicherung gibt es noch gar kein Konzept», fügte er an. Aus seiner Sicht gehe es vor allem um die Digitalisierung und Vereinfachung der Förderung von Kindern, und nicht notwendigerweise um mehr Geld. «Höhere Transfers sind nicht immer der Königsweg.»

Kinderarmut gestiegen

Bei der Kindergrundsicherung sollen diverse Leistungen vom Kindergeld über den Kinderzuschlag bis hin zur finanziellen Unterstützung für Klassenfahrten und Freizeit gebündelt werden. Viele Familien beantragen Leistungen bislang wegen Unkenntnis oder bürokratischer Hürden nicht. Familien und ihre Kinder sollen ab 2025 von der Grundsicherung profitieren. Weiterlesen

Kinderzuschlag: 1,5 Millionen Kinder gehen wohl leer aus

Von Jörg Ratzsch, dpa

Berlin (dpa) – Familien mit wenig Einkommen können zusätzlich zum Kindergeld den Kinderzuschlag bekommen – bis zu 250 Euro pro Kind. Doch die Leistung erreicht nach Schätzungen des Bundesfamilienministeriums nur etwa jedes dritte anspruchsberechtigte Kind. Demnach gehen rechnerisch etwa 1,5 Millionen Kinder leer aus.

«Eltern, die sowieso nur knapp über die Runden kommen, entgeht so Geld, auf das sie ein Anrecht hätten», sagte Familienministerin Lisa Paus (Grüne) der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag. Sie verwies auf die geplante Kindergrundsicherung, mit der die Ampel-Koalition diesen Missstand beheben will.

Kinderzuschlag für 800.000 Kinder

Die Linksfraktion im Bundestag hatte sich bei der Regierung nach der aktuellen Inanspruchnahme des Kinderzuschlags erkundigt. Er ist für Familien mit kleinen Einkommen gedacht, die aber kein Bürgergeld beziehen. Ab 600 Euro brutto bei Alleinerziehenden und 900 Euro bei Paaren kann die Leistung zusätzlich zum Kindergeld beantragt werden und beträgt monatlich maximal 250 Euro pro Kind – je höher das Einkommen, desto weniger.

In der Antwort des Familienministeriums, die der dpa vorliegt, heißt es, mit dem Kinderzuschlag seien im Dezember knapp 800.000 Kinder erreicht worden. Das Ministerium schätzt, dass das rund 35 Prozent der anspruchsberechtigten Kinder sind. Verlässliche Zahlen liegen den Angaben zufolge nicht vor. «1,5 Millionen Kinder, die einen Anspruch hätten, gehen leer aus und verbleiben in der verdeckten Armut», kommentierte die kinder- und jugendpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Heidi Reichinnek, die Zahlen. In einem reichen Land wie Deutschland sei das ein Skandal.

Staat als «Servicepartner der Familien» 

Warum ist das so? Familien wüssten in vielen Fällen nicht, dass es für sie den Kinderzuschlag gebe, sagte Familienministerin Paus. In Deutschland gibt es zudem verschiedene Leistungen für Kinder, für die auch verschiedene Stellen zuständig sind, so dass es nicht einfach ist, den Überblick zu behalten. Mit der geplanten Kindergrundsicherung soll sich das ändern, Paus möchte nach eigener Aussage den Staat zum «Servicepartner der Familien» machen.

Am Gesetz dafür arbeitet die Ampel momentan. Ein Gesetzentwurf ist für Herbst geplant, 2025 könnte die Kindergrundsicherung eingeführt werden. Die Kernpunkte nach den bisherigen Plänen des Bundesfamilienministeriums:

– Die verschiedenen staatlichen Leistungen für Kinder, wie Kindergeld, Kinderzuschlag, Leistungen für Kinder im Bürgergeldbezug, Zuschüsse für Musikschule, Sportverein, Schul- und Freizeitaktivitäten und steuerliche Kinderfreibeträge sollen möglichst zu einer Leistung zusammengefasst und unbürokratisch ausgezahlt werden.

– Dafür ist ein einfach zu bedienendes «Kindergrundsicherungsportal» geplant. Über einen «Kindergrundsicherungs-Check» sollen Familien auch aktiv darauf hingewiesen werden, dass sie möglicherweise Ansprüche auf weitere Zahlungen haben. Aus der bisherigen Holschuld der Bürger soll eine Bringschuld des Staates werden, lautet das Motto im Familienministerium.

– Das heutige Kindergeld – 250 Euro pro Monat und Kind – soll zu einem «Garantiebetrag» als Teil der Kindergrundsicherung werden. Obendrauf käme gestaffelt, je nach finanzieller Lage der Familie, ein Zusatzbetrag, so dass Kinder in armen Familien am meisten bekommen. Sind die Kinder 18 Jahre alt und ziehen aus, soll das Geld direkt an sie gehen und auch als «Grundsockel» zur Finanzierung von Studium und Ausbildung dienen.

– Die Höhe des «Garantiebetrags» sollte nach den Vorstellungen des von den Grünen geführten Bundesfamilienministeriums «perspektivisch» «der maximalen Entlastungswirkung des steuerlichen Kinderfreibetrags» entsprechen. Die liegt momentan laut Ministerium bei 354 Euro im Monat. Damit soll dem Effekt begegnet werden, dass Familien mit hohen Einkommen durch diese steuerlichen Kinderfreibeträge finanziell stärker profitieren als Gering- oder Normalverdiener, die Kindergeld bekommen.

Ampel diskutiert über die Kosten

Eine solche Anpassung an die Steuerfreibeträge würde teuer werden. Und auch der Plan, durch die Reform grundsätzlich mehr Familien mit staatlichen Leistungen zu erreichen, wird Geld kosten. Innerhalb der Ampel-Koalition tritt die FDP hier auf die Ausgabenbremse. Der Staat müsse besser, nicht teurer werden. Es gehe darum, endlich zu entbürokratisieren. Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann hielt am Dienstag dagegen: «Eine Kindergrundsicherung ist mehr als eine Verwaltungsreform und Digitalportal. Mit ihr muss echte Armutsprävention gelingen», sagte sie der dpa. Kinderarmut lasse sich nicht wegverwalten.

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Heil und Schulz in Afrika: «Global Verantwortung übernehmen»

Berlin (dpa) – Nach dem Inkrafttreten des deutschen Lieferkettengesetzes will die Bundesregierung beispielhaft für faire Produktion von Kakao und Textil in Westafrika eintreten. Bei der Umsetzung der neuen Regeln komme es darauf an, dass sie den Menschen «am Anfang der Lieferkette» helfen, sagte Entwicklungsministerin Svenja Schulze vor einer gemeinsamen Reise mit Arbeitsminister Hubertus Heil.

Die beiden SPD-Minister brachen, dem UN-«Welttag der sozialen Gerechtigkeit», nach Ghana und in die Elfenbeinküste auf. Ziel der fünftägigen Reise sind unter anderem Orte der Kakao- und Textilproduktion.

Die deutsche Wirtschaft warnte vor unerwünschten Folgen des Lieferkettengesetzes. Der Industrieverband BDI betonte, vor allem Afrika gewinne für Deutschland rasant an strategischer und wirtschaftlicher Bedeutung, um die Abhängigkeit einzelner Branchen von Asien zu reduzieren. Das Lieferkettengesetz erschwere aber Diversifizierungsbemühungen der deutschen Industrie und konterkariere in vielen Bereichen sogar ein stärkeres Engagement in Afrika, sagte Wolfgang Niedermark von der BDI-Hauptgeschäftsführung dem RND. Weiterlesen

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