Mehr Menschen erhalten staatliche Grundsicherung

Wiesbaden (dpa) – Knapp 1,2 Millionen Menschen haben Ende vergangenen Jahres Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung bezogen. Das waren sechs Prozent mehr als ein Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mitteilte. Diese Leistungen erhalten Erwachsene, die dauerhaft ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen und Vermögen sicherstellen können. Weiterlesen

SPD betont Notwendigkeit von Kindergrundsicherung

Berlin (dpa) – Die geplante Kindergrundsicherung muss aus Sicht von SPD-Vizefraktionschef Sönke Rix einkommensabhängig ausgezahlt werden und sich an den «wirklichen Bedürfnissen» der Kinder orientieren. «Der nächste Schritt ist nun, dass die Familienministerin ein konkretes Konzept vorlegt, wie eine Kindergrundsicherung aussehen soll, die diese Ansprüche erfüllt», sagte Rix dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

«Die Kindergrundsicherung ist zwischen den Koalitionspartnern vereinbart – und sie wird auch kommen», sagte Rix. Die bereits erfolgte Erhöhung des Kindergeldes allein reiche nicht, da nicht alle Familien davon profitierten. «Beim Bezug von Bürgergeld wird das Kindergeld beispielsweise als Einkommen verrechnet», erklärte er. Weiterlesen

Kindergrundsicherung: Gewerkschaften sehen Scholz in Pflicht

Berlin (dpa) – Gewerkschaften und Sozialverbände vermissen von Bundeskanzler Olaf Scholz und der SPD insgesamt eine eindeutige Positionierung im Streit um die Kindergrundsicherung. «Bundeskanzler Olaf Scholz und die SPD müssen zu diesem wichtigsten sozialen Projekt in dieser Wahlperiode klar Farbe bekennen», forderte Anja Piel, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), in der «Stuttgarter Zeitung» und den «Stuttgarter Nachrichten» (Dienstag). «Kinderarmut raubt Bildungs- und Entwicklungschancen – sie ist so bitter und folgenschwer, dass es allerhöchste Zeit für eine gut gemachte Kindergrundsicherung ist.»

Die SPD falle in dem Streit nicht gerade positiv auf, kritisierte auch der Geschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, Ulrich Schneider. «Das Schweigen von Bundeskanzler Olaf Scholz und auch von Bundessozialminister Hubertus Heil zur Kindergrundsicherung ist wirklich dröhnend laut», sagte Schneider den Stuttgarter Zeitungen. Weiterlesen

Keine Annäherung im Streit um Kindergrundsicherung

Berlin (dpa) – Im Koalitionsstreit um die Kindergrundsicherung bleiben die Fronten verhärtet. Der FDP-Sozialexperte Pascal Kober bekräftigte in der «Welt»: «Schon heute kommt ein Teil der eingesetzten Mittel bei den Familien gar nicht an, weil der Sozialstaat zu kompliziert und die Antragsverfahren zu bürokratisch sind.»

Deshalb müsse zunächst das im Koalitionsvertrag vereinbarte digitale Chancenportal umgesetzt werden. «Hier ist Lisa Paus leider in Verzug zum Nachteil der Kinder, die leichte Zugänge zu Hilfen, die ihre Entwicklung wirklich fördern und verbessern, dringend brauchen», sagte Kober mit Blick auf die grüne Familienministerin. Weiterlesen

Energie-Pauschale bereits für mehr als 55.000 Studenten

Mainz (dpa/lrs) – Mehr als 55.500 Studenten haben in Rheinland-Pfalz bereits die 200-Euro-Energiepreispauschale beantragt. Davon seien 55 283 Anträge bereits bewilligt worden, teilte ein Sprecher des Wissenschaftsministeriums in Mainz mit. Weiterlesen

Mutterschutz für Selbstständige – Tischlerin fordert Reform

Von Elmar Stephan, dpa

Alfhausen (dpa) – In der Werkstatt von Johanna Röh riecht es nach Holz, auf einer Maschine liegt die Seitenwand einer Kommode. Seit 2016 ist die Tischlermeisterin und Restauratorin aus Alfhausen bei Osnabrück selbstständig, so wie viele männliche Kollegen. Für die 35-Jährige ist aber manches anders, zumindest seit im vergangenen Mai ihre Tochter Mela zur Welt kam. «Als schwangere Unternehmerin passe ich nicht ins System», hat sie festgestellt. Mit einer Petition an den Bundestag will sie zusammen mit zwei anderen Unternehmerinnen eine umfassende Reform des Mutterschutzes anstoßen.

Mutterschutz und Elternzeit ist für Angestellte kein Problem – bei Selbstständigen ist die Situation komplizierter. Laut Bundesfamilienministerium erhalten privat krankenversicherte Selbstständige kein Mutterschaftsgeld. Sie müssen eine private Krankentagegeldversicherung abschließen, und dort gilt es Wartezeiten zu beachten. Die Schwangerschaft muss also gut geplant sein.

Wer als Selbstständige wiederum freiwillig bei einer gesetzlichen Krankenkasse versichert ist, erhält während der Mutterschutzfristen Mutterschaftsgeld in Höhe des Krankentagegeldes von der Krankenkasse. Allerdings muss der Krankentagegeldanspruch mit abgesichert werden. Wer darauf verzichtet, hat keinen Anspruch auf Mutterschaftsgeld. Gleich, ob privat oder gesetzlich versichert – als Unternehmerin müsse sie Zusatzversicherungen abschließen, kritisiert Röh.

Schwierig in der Gründungsphase

Krankengeld habe sie nicht bekommen, weil die Berechnung des Krankengeldes noch in die Gründungsphase ihres Unternehmens gefallen sei, als die Einnahmen noch gering und die Investitionen hoch gewesen seien, erklärt Röh.

«Als Selbstständige ist es ein krasser Wettbewerbsnachteil, wenn ich als Frau auch noch Familie möchte», sagt die Handwerkerin. Als Selbstständige habe sie keine Leistungen bekommen, das habe ihre Familie sehr viel gekostet. «Es war zwischendurch nicht ganz klar, ob ich den Betrieb halten kann.»

Es sei wichtig, dass eine Schwangerschaft nicht zu einer Chancenungleichheit auf dem Arbeitsmarkt führe, sagt Röh. «Wenn ich den Betrieb schließen muss, weil ich schwanger werde, habe ich ja die doppelten Kosten – die eigenen und die vom Betrieb.» Wenn ihr eine Arbeitskraft zur Seite gestellt worden wäre, wie in der Landwirtschaft möglich, hätte ihr das sehr viel geholfen. Finanziert werden könnte das wie in der Agrarbranche über die Sozialkassen, findet sie.

Inzwischen liegt die Petition dem Bundestag vor. Die Forderung: Selbstständige Schwangere müssen den gleichen gesetzlichen Mutterschutz genießen wie Angestellte.

Nicht einfach, aber nötig

Bundesfamilienministerin Lisa Paus immerhin sieht Regelungsbedarf. «Gleichbehandlung zwischen Selbstständigen und Angestellten ist nicht ganz einfach. Aber es muss auch Selbstständigen möglich sein, ohne zu hohe Hürden eine Familie gründen zu können», hatte die Grünen-Politikerin bereits im Dezember den Funke-Zeitungen gesagt. «Daher sollten wir auch die Freistellung für Selbstständige ermöglichen.»

Inzwischen hat sich der Petitionsausschuss des Bundestags mit dem Papier beschäftigt, wie die SPD-Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Osnabrück-Land, Anke Hennig, sagt. «Alle demokratischen Parteien haben positiv darauf reagiert», erklärt die Politikerin. Der parlamentarische Prozess sei damit gestartet worden. Aber das Vorhaben sei komplex – es falle in die Zuständigkeit mehrerer Ministerien. Solche parlamentarischen Abläufe dauerten lang.

Auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) unterstützt die Petition, wie Verbandssprecherin Michaela Steinhauer sagt. Derzeit bestehe eine Ungleichheit zwischen abhängig beschäftigten und selbstständigen Handwerkerinnen. Dafür brauche es dringend politische Lösungsansätze. Eine Möglichkeit seien Betriebshelfer nach Vorbild der Landwirtschaft, wie von Röh und Co. gefordert. «Eine solche Vertretungsmöglichkeit sollte dann aber als gesamtgesellschaftliche Leistung aus Steuermitteln finanziert werden und nicht über Beiträge», fordert Steinhauer.

Röh sagt: «Es muss sich etwas ändern.» Auch ihre Auszubildende stehe möglicherweise irgendwann vor derselben Frage: Familie oder berufliche Selbstständigkeit. «Das ist ein gesellschaftliches Anliegen, nicht ein rein privates.»

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Harter Bericht über Londons Polizei

Von Benedikt von Imhoff, dpa

London (dpa) – Tief sitzender Hass auf Homosexuelle, institutioneller Rassismus sowie weit verbreitete Frauenfeindlichkeit: Ein neuer Untersuchungsbericht hat schonungslos eine verrohte Kultur in der Londoner Polizei aufgedeckt.

Die Metropolitan Police (Met) habe dabei versagt, Frauen vor Sexualstraftätern in Uniform zu beschützen, urteilte Louise Casey, die mit dem Report beauftragt worden war. «Es ist nicht unsere Aufgabe als Öffentlichkeit, uns vor der Polizei zu schützen. Es ist die Aufgabe der Polizei, uns Bürger zu schützen», sagte Casey, die als unabhängiges Mitglied im Oberhaus sitzt. «Viel zu viele Londoner haben das Vertrauen in die Polizei verloren.»

Immer wieder neue Skandale

Seit Jahren kommt die Met nicht aus der Krise. Sinnbildlich steht der Fall Sarah Everard. Dass ein Polizist die 33-Jährige im März 2021 unter Einsatz seines Dienstausweises entführte sowie anschließend vergewaltigte und ermordete, hat das Ansehen der Bobbys – so der freundliche Spitzname der britischen Schutzpolizisten, mit denen Touristen gerne posieren – zutiefst erschüttert.

Doch auch nach der Verurteilung des Täters zu lebenslanger Haft treten immer neue Skandale zutage. Erst im Februar wurde ein Beamter, der in derselben Einheit diente wie der Everard-Mörder, zu jahrzehntelanger Haft verurteilt – er hatte über einen Zeitraum von fast 20 Jahren ein Dutzend Frauen immer wieder vergewaltigt und missbraucht.

Der Mörder sowie der Serienvergewaltiger in Uniform sind beileibe keine Einzelfälle, wie Aufklärerin Casey deutlich machte. Auf die Frage, ob es in der Met noch mehr kriminelle Beamte geben könnte, antwortete die ehemalige Regierungsbeschäftigte: «Ich kann Ihnen nicht ausreichend versichern, dass dies nicht der Fall ist.»

Sexismus, Rassismus und Homophobie

Erst am Montag wurde bekannt, dass mehr als 100 Polizisten, gegen die wegen sexuellen Fehlverhaltens ermittelt wird, regulär im Dienst sind. Caseys 363 Seiten starker Bericht macht deutlich, dass Gewalt gegen Frauen und Mädchen nicht so ernst genommen wurde wie andere Arten von Gewalt – auch innerhalb der Met sei Mobbing verbreitet.

«Beamtinnen und weibliche Beschäftigte sehen sich routinemäßig mit Sexismus und Frauenfeindlichkeit konfrontiert», heißt es. «Die Met hat ihre weiblichen Angestellten oder Mitglieder der Öffentlichkeit weder vor Tätern in der Polizei, die häusliche Gewalt anwenden, noch vor denen geschützt, die ihre Position für sexuelle Zwecke missbrauchen.»

Doch das ist nur ein Teil der schmerzhaften Wahrheit. Die Behörde ist zudem institutionell rassistisch, wie Casey betonte. Damit hat sich die Lage seit einer Untersuchung von 1999 so gut wie nicht verändert. Schließlich herrsche in der Met eine «tief sitzende Homophobie», urteilte Casey. Ihr Bericht sei «drastisch, streng und schonungslos».

Zur sexistischen, rassistischen und homophoben Kultur kommen kaum vorstellbare Arbeitsbedingungen hinzu. So müssten Beamte ihre Beweismittel in «überfüllten, baufälligen oder kaputten Kühl- und Gefrierschränken» verstauen. Manche Geräte sind so voll, dass sie zugeschnallt werden müssen. In einem Fall wurde eine Lunchbox im selben Kühlschrank gefunden wie eine Probe aus einem Vergewaltigungsfall. In einem anderen ging ein Kühlschrank kaputt – die dort aufbewahrten Beweismittel waren dadurch unbrauchbar. Der größte Teil der Belegschaft sei überarbeitet und unerfahren.

Casey fordert «völlige Überholung»

Vor allem bei häuslicher Gewalt seien Fallzahlen nicht überschaubar, Opfer würden nicht ausreichend unterstützt, heißt es weiter. «Das hat die Abkopplung von den Londonern verschärft.» Die Bewohner der britischen Hauptstadt seien die Leidtragenden. Zu ähnlichen Schlüssen war im Herbst bereits ein Untersuchungsbericht der Aufsichtsbehörde HMICFRS gekommen.

Demnach ist die Aufklärungsrate bei Vergewaltigungen und Einbrüchen miserabel, dafür die Zahl der Straftäter in Uniform hoch. Einstellungen würden nicht ausreichend überprüft – wohl auch, weil nach einer radikalen Kürzungswelle seit wenigen Jahren wieder in breitem Maßstab eingestellt wird.

In der Pflicht ist nun mehr denn bisher Londons oberster Polizist Mark Rowley, der seit einem halben Jahr an der Spitze der Met steht. Seit Amtsantritt hat der Commissioner deutlich gemacht, dass er rigoros gegen korrupte und gewalttätige Polizisten durchgreifen wird. Es würde ihn nicht wundern, wenn wöchentlich zwei bis drei Beamte vor Gericht landen, sagte Rowley im Januar.

Mit dem neuesten Bericht steht die Met endgültig auf dem Prüfstand, von einer «letzten Chance» war schon vorab die Rede. Nun forderte Casey eine «völlige Überholung» der Behörde. Caseys Fazit: Wenn sich die Truppe nicht reformiert, drohe ihr die Auflösung.

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SPD-Frauen fordern Bestrafung von Freiern

Berlin (dpa) – Die Frauenorganisation der SPD hat sich für eine Bestrafung von Freiern auch in Deutschland ausgesprochen. «Das Prostitutionsgesetz ist gescheitert», sagte die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen, Maria Noichl, der «Rheinischen Post» mit Blick auf das 2002 in Kraft getretene Gesetz, mit dem die damalige rot-grüne Koalition die rechtliche und soziale Lage der Prostituierten verbessern wollte. Weiterlesen

Internationale Geber sammeln Spenden für Erdbebenopfer

Brüssel (dpa) – Zur Unterstützung der Erdbebenopfer in der Türkei und in Syrien richtet die EU heute eine internationale Geberkonferenz aus. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der schwedische Regierungschef Ulf Kristersson haben nach Brüssel eingeladen, um Spenden für Hilfs- und Wiederaufbaumaßnahmen nach der Katastrophe zu sammeln. Schweden hat derzeit den Vorsitz der EU-Staaten inne.

Am 6. Februar hatten zwei Erdbeben der Stärke 7,7 und wenig später der Stärke 7,6 die Südosttürkei und den Norden Syriens erschüttert. Insgesamt kamen mehr als 50.000 Menschen ums Leben und Millionen wurden obdachlos. Millionen Menschen leben in Notunterkünften. Weiterlesen

Evaluation von «Gemeindeschwester plus» wird präsentiert

Mainz (dpa/lrs) – Es startete im Jahr 2015, nach und nach wurde das Projekt «Gemeindeschwester plus» auf immer mehr Kommunen ausgeweitet – und bis 2026 soll es nach dem Willen der rheinland-pfälzischen Landesregierung ein flächendeckendes Angebot geben. An diesem Montag (9.30 Uhr) wird Sozialminister Alexander Schweitzer (SPD) gemeinsam mit dem Institut für angewandte Versorgungsforschung einen Evaluationsbericht vorstellen. Weiterlesen

Streit um künftigen Mindestlohn – Teuerung erhöht den Druck

Von Basil Wegener, dpa

Berlin (dpa) – Angesichts der hohen Inflation ist Streit um die nächste Mindestlohnerhöhung in Deutschland entbrannt. Der Sozialverband Deutschland forderte eine kräftige Erhöhung von 12 auf 14,13 Euro pro Stunde. Die Arbeitgeber warnten vor «unrealistischen Höhen». Doch auch von den Gewerkschaften und aus der SPD kommt der Ruf nach stärkerer Entlastung der Beschäftigten.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) machte deutlich, dass Fürsprecher einer kräftigen Steigerung nicht erneut direkte Hilfe der Politik erwarten dürfen. Zuständig ist wieder die Mindestlohnkommission. Hinter ihren verschlossenen Türen startet nun das Ringen um den Mindestlohn 2024.

Sprunghafter Anstieg gefordert

Mehr als sieben Jahre nach Einführung – 2015 mit 8,50 Euro je Stunde – erhöhte die Ampel-Koalition die Lohnuntergrenze erstmals per Gesetz. Der Mindestlohn stieg zum Oktober 2022 von 10,45 Euro auf 12 Euro. Doch als die SPD dafür im Bundestagswahlkampf 2021 geworben hatte, ahnte niemand die folgenden Preissprünge vor allem infolge des russischen Kriegs in der Ukraine. Damit ist es noch nicht vorbei: Die Verbraucherpreise lagen im Februar wie im Januar um 8,7 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Nach einem Jahr Krieg mit seinen Folgen müsse die Inflation bei der Mindestlohnerhöhung Anfang 2024 stärker ausgeglichen werden, sagte die Chefin des Sozialverbands Deutschland, Michaela Engelmeier, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. «Dafür müsste der Mindestlohn nach unseren Berechnungen auf 14,13 Euro steigen.» Denkbar sei, «dass der Mindestlohn schrittweise auf diesen Wert angehoben wird», so der Verband in einer der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Stellungnahme.

DGB will kräftig ausgleichen

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) nennt keine Zahl – aber räumt ein: «Ja, die Inflation frisst die letzte Mindestlohnerhöhung weitgehend auf», wie DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell der Deutschen Presse-Agentur sagte. «Wir werden uns in der Mindestlohnkommission für einen kräftigen Ausgleich einsetzen.» Vor allem Geringverdienerinnen und -verdiener litten unter Preissteigerungen. Körzell verweist zudem auf die EU: Ihre neue Mindestlohnrichtlinie schreibe eine entschiedene Berücksichtigung der Kaufkraft vor. Auch der SPD-Abgeordnete Sebastian Roloff sagte: «Wir müssen weiter diejenigen besonders entlasten, die von der Inflation am stärksten betroffen sind.» Die Erhöhung des Mindestlohns wäre dafür effektiv, so der SPD-Linke zum «Handelsblatt». Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, hatte in der Zeitung bereits gefordert, die Politik müsse über eine erneute Erhöhung des Mindestlohns nachdenken.

Arbeitgeber in Alarmstimmung

Bei Deutschlands Arbeitgebern schrillen da die Alarmglocken. «Die jüngst erhobenen Forderungen, die Anpassung in unrealistische Höhen zu schrauben, erweist sich als wiederholter Versuch eines Anschlags auf die Tarifautonomie», sagte der Hauptgeschäftsführer ihres Verbands BDA, Steffen Kampeter, der dpa. «Die anstehende Anpassung des Mindestlohns darf keinesfalls erneut für politische Eingriffe missbraucht werden.» Bereits vergangenes Jahr hatte die BDA vehement dagegen protestiert, dass der Gesetzgeber die Lohnuntergrenze anhob. Normalerweise verhandeln Vertreterinnen und Vertretern von Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie der Wissenschaft darüber – in der Mindestlohnkommission. Bis zu diesem Freitag hatten die maßgeblichen Verbände Zeit, dem Gremium ihre Stellungnahmen zu schicken. Das brachte die neue Debatte überhaupt erst ins Rollen.

Scholz stellt Verfahren klar

Prompt meldete sich Kanzler Scholz zu Wort. «Es ist sehr gut, dass wir im Oktober letzten Jahres den Mindestlohn auf 12 Euro angehoben haben», sagte er nach einem Spitzengespräch der deutschen Wirtschaft in München. «Klar verbunden mit dieser Aussage war das Versprechen, dass das eine einmalige durch Gesetz geschaffene Erhöhung ist.» Und dass dann zum regelmäßigen Erhöhungsmechanismus zurückgekehrt werde – also zur Kommission. Auch Kampeter (BDA) und Körzell (DGB) treffen hier direkt aufeinander. Die Linke-Sozialexpertin Susanne Ferschl bemängelte, dass das Gremium «allein im stillen Kämmerlein» berate. Als zentraler Maßstab für die Beratungen hat das Gremium laut Gesetz die Entwicklung der Tariflöhne zu nehmen – also unter anderem auch wie viel etwa Verdi unter erhöhtem Warnstreik-Druck im öffentlichen Dienst herausholt. Aber die Kommission muss auch darauf achten, dass zu hohe Mindestlöhne nicht Beschäftigung gefährden – und zu niedrige den gebotenen Mindestschutz für die Beschäftigten nicht verfehlen.

Wirkung gegen Inflation sinkt

Doch wie gut wirkt der Mindestlohn gegen die Inflation? Ganz ordentlich – bisher. So lässt sich eine neue Studie des Instituts WSI der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung zusammenfassen. Nur rund jedes zweite EU-Land konnte demnach vergangenes Jahr mit höheren Mindestlöhnen die hohe Inflation ausgleichen – «vergleichsweise gut» auch Deutschland. Zwischen Anfang 2022 und Anfang 2023 hätten Menschen mit Mindestlohn inflationsbereinigt um 12,4 Prozent höhere Stundenlöhne bekommen. «Da die nächste Mindestlohnanpassung erst zum Januar 2024 vorgesehen ist, werde ein Teil des Zuwachses durch die weiterhin hohe Inflation in diesem Jahr aufgezehrt», so die Forscher aber. In Frankreich, den Niederlanden oder Belgien steige die Lohngrenze dagegen auch im Jahr 2023.

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