Füllstand deutscher Gasspeicher verändert sich kaum noch

Bonn (dpa) – Der Füllstand der Gasspeicher in Deutschland verändert sich nach dem Stopp der russischen Gaslieferungen durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 kaum noch. «Derzeit wird annähernd gleich viel Gas ein- und ausgespeichert», berichtete die Bundesnetzagentur am Freitag in ihrem Lagebericht. Nach Informationen von Europas Gasinfrastruktur-Betreiber (GIE) stieg der Füllstand der deutschen Speicher am Donnerstag um 0,01 Prozent. Am Vortag war er noch um 0,06 Prozent gesunken.

Der Energiekonzern Uniper teilte mit, dass er wegen der fehlenden Lieferungen aus Russland Anfang der Woche begonnen habe, wieder Gas aus Speichern zu entnehmen. Die Netzagentur hatte am Donnerstag gewarnt, die Entnahme von Gas erschwere es, die für den Winter notwendigen Speicherfüllstände zu erreichen und verringerten die Reserven für eine Mangellage.

Um einen Mangel im Winter zu vermeiden will Deutschland die Speicher so schnell wie möglich füllen. Laut Gesetz sollen sie bis zum 1. Oktober zu 80 Prozent und bis zum 1. November zu 90 Prozent gefüllt sein. Zurzeit ist Deutschland davon weit entfernt: Die Speicher sind zu 64,5 Prozent gefüllt.

Dass die Speicher unter dem Strich nicht mehr befüllt werden, liegt zum großen Teil am Stopp der russischen Lieferungen durch Nord Stream 1. Durch die zuletzt wichtigste Route für russisches Erdgas nach Deutschland wird seit Montag wegen Wartungsarbeiten kein Gas mehr geliefert. Nach Angaben der Betreibergesellschaft sollen die Arbeiten bis zum 21. Juli dauern. In Deutschland gibt es die Sorge, dass die Pipeline nach den Wartungsarbeiten nicht wieder in Betrieb genommen wird und im Winter das Gas knapp wird.

Weiterlesen

Moskaus Truppen durch US-Waffen unter Druck

Kiew/Berlin/Moskau (dpa) – Aus vollen Rohren feuern die ukrainischen Soldaten schon seit Tagen mit den Mehrfachraketenwerfern vom Typ Himars, die sie aus den USA bekommen haben. In den Gebieten im Osten und im Süden ihres Landes, die jetzt unter russischer Kontrolle sind, sprengen sie Waffen- und Munitionsdepots sowie Treibstofflager in die Luft. Auf Videos zeigen sie stolz, wie Ziele in den Gebieten Luhansk, Donezk und Cherson in Flammen aufgehen. Bilder, die nach bald fünf Monaten Krieg trotz massiver Verluste in den eigenen Reihen die Kampfmoral heben sollen.

Auch Präsident Wolodymyr Selenskyj lobt die vom Westen gelieferten schweren Waffen als effektiv. Und er fordert mehr davon – und auch Raketen mit höherer Reichweite: statt 70 bis zu 300 Kilometer. Selenskyj kündigt immer wieder eine Offensive an, um verlorene Gebiete zurückzuholen und den russischen Vormarsch zu stoppen. Aber ungeachtet der punktuell erfolgreichen Schläge gegen die Logistik, die als Schwachpunkt der russischen Streitkräfte gilt, sehen selbst ukrainische Experten keinen Durchbruch.

Die Zerstörung von Munitions- und Treibstoffdepots in der Nähe der Front wirkt nach Einschätzung des ukrainischen Militäranalysten Oleh Schdanow vor allem kurzfristig. «Das senkt die Kampfaktivität der russischen Einheiten sehr drastisch», sagt er im ukrainischen Fernsehen. «Das macht uns die Verteidigung leichter. Und wir erhalten die Möglichkeit, an einzelnen Abschnitten zu Gegenangriffen überzugehen. Wie sehr auch Russland sich abmüht: Wir zwingen ihnen den Charakter der Kriegsführung auf.»

Kein schneller russischer Durchmarsch im Donbass

Damit sei der russische Plan der «Schlacht um den Donbass» torpediert worden, meint Schdanow. Statt eines schnellen Durchmarsches mit einer Einkesselung der ukrainischen Truppen schafften sie nur wenige Kilometer – mit großen Verlusten. Der Beschuss durch russische Artillerie sei weniger geworden. Schdanow meint, dass Russlands Luftabwehr gegen die Himars-Raketen keine Chance habe. Die Angreifer verwenden Raketen sowjetischer Bauart, die auch wegen fehlender moderner Navigationssysteme ihre Ziele immer wieder verfehlen.

Auch kremlkritische russische Medien berichten, dass Moskau kaum Zeit gehabt habe, die jüngste Eroberung des Gebiets Luhansk zu feiern. Russland habe zwar einen Vorteil durch seine Artillerie und Munitionsvorräte. Aber das US-System Himars mit seinen durch GPS punktgenau platzierten Raketen versetze den russischen Einheiten empfindliche Schläge, heißt es in einer Analyse des Portals Meduza.

Russland müsse nun die Versorgung seiner Truppen im Donbass und in der Region Charkiw im Osten sowie in den Gebieten Saporischschja und Cherson im Süden mit Waffen, Munition und Treibstoff neu ausrichten. Es sei nicht klar, ob dies ohne eine größere Mobilmachung gelinge. Inzwischen gibt es immer mehr Initiativen russischer Provinzbehörden, Freiwillige für den Krieg zu gewinnen.

Das Himars-System bedrohe die Sicherheit der «Volksrepublik Luhansk», räumte in dieser Woche auch Leonid Passetschnik ein. Er ist der Chef der von Russland als Staat anerkannten Region. «Zum Glück haben sie nicht viele solcher Waffen. Deshalb gibt es überhaupt gar keinen Grund zur Panik.»

Kiew hofft auf weitere Waffen aus dem Westen

Doch die Ukraine hofft auf noch mehr solcher und anderer Waffen vom Westen. Auch die Panzerhaubitze 2000 ist inzwischen an der Front. Deutschland hat bisher sieben Stück der Artilleriewaffe geliefert, die Niederlande fünf – und gemeinsam wollen beiden Staaten die Zahl auf insgesamt 18 Haubitzen erhöhen, genug für ein komplettes ukrainisches Artilleriebataillon. Die dafür in Deutschland ausgebildeten Soldaten seien jetzt im Einsatz, wird der Deutschen Presse-Agentur erklärt.

Zeitgleich und ohne Öffentlichkeit läuft in Deutschland das Training von Ukrainern am Raketenwerfer Mars II, dem nächsten Waffensystem, das aus Deutschland bereitgestellt werden soll. Die Kriegstechnik soll es den Ukrainern ermöglichen, auch auf größere Entfernungen genau zu treffen und der grundsätzlichen russischen Überlegenheit etwas entgegenzusetzen. Ob sich mit dem Einsatz der westlichen Waffen auch russische Truppen zurückdrängen lassen, wird sich erst noch zeigen.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat weitere Waffenlieferungen in die Ukraine als Teil des sogenannten Ringtauschs für die kommenden Wochen angekündigt. Die Bundesregierung habe Vereinbarungen mit mehreren Ländern «soweit konkretisiert, dass sie unmittelbar mit Auslieferung verbunden sein werden», sagte der SPD-Politiker im Bundestag.

Lambrecht bei Lieferung aus Bundeswehr-Beständen zurückhaltend

Dagegen ist Berlin zögerlich, weitere Waffensysteme aus Beständen der Bundeswehr zu übergeben. So hat Verteidigungsministerin Christine Lambrecht einer Lieferung von Transportpanzern des Typs Fuchs eine Absage erteilt – wegen der Verteidigungsfähigkeit Deutschlands. Es sei «unverantwortlich, die Bundeswehr gerade in diesen Zeiten ausplündern zu wollen».

Dabei könnte die Störung der russischen Logistik nach Einschätzung von Militärexperten zwar die Voraussetzung schaffen für eine ukrainische Gegenoffensive. Aber im Moment liegt die Initiative weiter bei den russischen Truppen, die sich langsam im Donezker Gebiet vorarbeiten – nun an der Linie zwischen den Städten Siwersk, Soledar und Bachmut.

Auch die Hoffnungen auf eine baldige Rückeroberung von Cherson und des Südens, der in den ersten Kriegstagen verloren ging, sind gering. Die ständigen Berichte Kiews über angeblich laufende Offensiven wurden selbst dem für Gegenpropaganda geschaffenen staatlichen Zentrum für strategische Kommunikation und Informationssicherheit zu viel. Tatsächlich gebe es nur drei befreite Dörfer: Tawrijske, 30 Kilometer westlich von Cherson, und Potjomkyne sowie Iwaniwka, mehr als 100 Kilometer nordöstlich der Gebietshauptstadt. Der Regierungsbezirk hat insgesamt mehr als 650 Siedlungen.

Von Andreas Stein, Carsten Hoffmann und Ulf Mauder, dpa

 

 

Mali hindert deutsche Soldaten an Ausreise

Bamako/Berlin (dpa) – Im westafrikanischen Krisenstaat Mali hindern die Behörden inmitten zunehmender Spannungen acht deutsche Soldaten an der Ausreise.

Die Angehörigen der Bundeswehr konnten deshalb gestern einen bereits gebuchten Flug mit einer zivilen Fluggesellschaft nicht antreten, wie die Deutsche Presse-Agentur in Berlin aus Kreisen des Verteidigungsministeriums erfuhr. Das Vorgehen wird demnach als Schikane bewertet. Mit Verweis auf angeblich fehlende Unterlagen würden Schwierigkeiten gemacht, hieß es.

Nach dem Eklat um die Verhaftung von mehreren Dutzend Wachmännern aus Elfenbeinküste für die UN-Friedensmission in Mali (Minusma) als «Söldner» hatte die Militärregierung des westafrikanischen Landes am Donnerstag sämtliche Wechsel der internationalen Einsatzkräfte ausgesetzt. Mit sofortiger Wirkung dürfe es weder beim Militär noch bei der Polizei im Rahmen der UN-Mission einen Austausch des Personals geben. Das betrifft auch bereits geplante und genehmigte routinemäßige Rotationen.

Die Bundeswehr ist in Mali an der UN-Friedensmission beteiligt. Die europäische Ausbildungsmission EUTM wird jedoch weitgehend gestoppt. Geplant ist nun ein Einsatzschwerpunkt im Nachbarland Niger, wo deutsche Soldaten bereits einheimische Kräfte ausbilden.

Weiterlesen

Berliner Staatsanwaltschaft prüft möglichen Geheimnisverrat

Berlin (dpa) – Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt wegen möglichen Geheimnisverrats im Verteidigungsausschuss des Bundestags.

«Es gibt Verfahren, in denen die Bundestagsverwaltung an die Staatsanwaltschaft herangetreten ist. Diese prüfen wir», sagte eine Behördensprecherin. Angaben zur Anzahl der Verfahren oder zu deren Inhalt machte sie nicht. Es besteht der Verdacht, dass aus dem Verteidigungsausschusses als geheim eingestufte Informationen nach außen gedrungen sein könnten.

Das Nachrichtenportal «The Pioneer» berichtete, Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) habe eine so genannte Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt in vier Fällen mit Bezug zum Verteidigungsausschuss sowie in drei weiteren hinsichtlich anderer Fachausschüsse des Parlaments.

Hintergrund ist eine Unterrichtung durch den Bundesnachrichtendienst (BND) zur Lage im Ukraine-Krieg. In mehreren Medienberichten wurden im Anschluss Inhalte öffentlich gemacht, die insbesondere im
nicht-öffentlich oder geheim tagenden Verteidigungsausschuss Thema waren. Konkret ging es um abgefangene Funksprüche russischer Militärs, die an der ukrainischen Zivilbevölkerung verübte Gräueltaten unweit der Hauptstadt Kiew belegen.

Angenommen wird, dass geheim eingestufte Informationen aus der Sitzung abgeflossen sein könnten. An der Sitzung Anfang April nahmen mehr als 60 Politiker und Regierungsvertreter teil. Nach dem Bericht von «The Pioneer» hatte die Ausschuss-Vorsitzende Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) die Fälle zuerst angezeigt. «Neue wie alte Abgeordnete müssen verstehen, dass Geheimnisverrat kein Kavaliersdelikt ist und die mit Geheimnisverrat verbundenen Strafen kein Papiertiger sind, sondern zu realen Konsequenzen führen können», sagte sie dem Nachrichtenportal.

Weiterlesen

Moody’s stellt Zahlungsausfall von Belarus fest

New York/Minsk (dpa) – Die ehemalige Sowjetrepublik Belarus, der engste Verbündete Russlands, hat nach Angaben der Ratingagentur Moody’s wegen der westlichen Sanktionen Gläubiger nicht pünktlich bezahlt. «Die Tilgung einer Devisenschuld in belarussischen Rubeln kommt einem Zahlungsausfall gleich», teilte Moody’s laut der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass mit. Dabei gehe es um Zinszahlungen über 22,9 Millionen Dollar.

Die Regierung in Minsk hatte schon vor dem Zahlungsausfall die westlichen Ratingagenturen als voreingenommen kritisiert. Die Erläuterungen des Finanzministeriums zur Umstellung der Zahlungen auf die eigene Landeswährung sei bei der Bewertung der Zahlungsfähigkeit ignoriert worden. Dabei hätten westliche Banken im Rahmen der Sanktionen die Abwicklung der Zahlungen eingestellt, klagte das Finanzministerium. Minsk sei daher nichts anderes übrig geblieben als andere Zahlungswege zu suchen. Das Geld wurde auf ein Sonderkonto der Belarusbank überwiesen, auf das die westlichen Gläubiger keinen Zugriff haben.

Vor Belarus hatte Moody’s schon einen Zahlungsausfall Russlands festgestellt. Auch der russische Staat, obgleich finanziell deutlich stärker als die Nachbarrepublik, konnte seine Schulden nicht bedienen, nachdem westliche Banken die Abwicklung der Zahlungen aufgrund der Sanktionen verweigerten.

 

 

 

Saudi-Arabien öffnet Luftraum, USA lobt Signal

Dschidda/Jerusalem (dpa) – Mit veränderten Regeln für den Flugverkehr über Saudi-Arabien setzt das Königreich ein Zeichen der Annäherung im belasteten Verhältnis zu Israel.

Die Luftfahrtbehörde des Landes teilte mit, dass der saudische Luftraum künftig «für alle Fluggesellschaften geöffnet wird, die die Voraussetzungen der Behörde für einen Überflug erfüllen». Damit dürfte das Überflugverbot für israelische Maschinen enden, das in vergangenen Jahren bereits etwas gelockert worden war.

US-Präsident Joe Biden, der gerade auf Staatsbesuch in Israel weilt und am Freitag nach Dschidda in Saudi-Arabien weiterreisen wollte, würdigte den Schritt der saudischen Führung als «historische Entscheidung».

Israel und Saudi-Arabien keine diplomatischen Beziehungen

Israel und Saudi-Arabien unterhalten keine diplomatischen Beziehungen, die Regierung in Riad erkennt das Land als Staat nicht an. Wohl auch deshalb nimmt die offizielle Mitteilung der saudischen Seite nicht ausdrücklich Bezug auf Israel. Hinter den Kulissen arbeiten die beiden Seiten etwa in Sicherheitsfragen aber schon länger zusammen. Sie fühlen sich vom gemeinsamen Feind Iran bedroht und sehen dessen wachsenden Einfluss in der Region mit Sorge.

Das Weiße Haus verbreitete eine Erklärung von US-Sicherheitsberater Jake Sullivan, in der es heißt: «Präsident Biden begrüßt und lobt die historische Entscheidung der Führung Saudi-Arabiens, den saudischen Luftraum unterschiedslos («without discrimination») für alle zivilen Fluggesellschaften zu öffnen, eine Entscheidung, die auch Flüge nach und von Israel umfasst.» Der Schritt ebne den Weg zu einem «integrierteren, stabilen und sicheren Nahen Osten», was essenziell sei «für die Sicherheit und das Wohlergehen Israels».

Verkürzte Flugzeiten für nach Israel Reisende

Eigentlich hatte für Flüge von und nach Israel ein nahezu komplettes Überflugverbot über Saudi-Arabien gegolten. Dieses hob die Golfmonarchie aber bereits für Flüge zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten sowie Bahrain auf. Die beiden Golfländer hatten unter Vermittlung der USA 2020 diplomatische Beziehungen zu Israel aufgenommen. Jetzt scheint das Königreich beim Luftraum zu einer weiteren Öffnung bereit.

Die nun veröffentlichte Ankündigung bedeutet verkürzte Flugzeiten etwa für Reisende aus asiatischen Ländern wie Thailand und China, die auf dem Weg nach Israel bisher lange Umwege in Kauf nehmen mussten. Eine Ausnahmeregelung gilt seit 2018 für die indische Fluggesellschaft Air India auf dem Weg von und nach Tel Aviv, was deren Flugzeiten um mehr als zwei Stunden verkürzt. 2020 unterstützte die saudische Flugsicherung laut einem Bericht auch eine israelische Maschine auf ihrem Weg nach Indien, die wegen Unwetters über Saudi-Arabien fliegen musste. Die Piloten sagten demnach, die Hilfe sei «wirklich sehr nett» gewesen.

Biden fliegt als «erster Präsident von Israel nach Dschidda»

Biden wollte am Freitag als «erster Präsident von Israel nach Dschidda» in Saudi-Arabien fliegen, wie er vorab in einem Gastbeitrag für die «Washington Post» hervorhob. Die Reise sei ein «kleines Symbol der aufblühenden Beziehungen und Schritte in Richtung Normalisierung zwischen Israel und der arabischen Welt», schrieb er. Der frühere US-Präsident George W. Bush war 2008 bereits von Tel Aviv nach Riad geflogen, Bidens Vorgänger Donald Trump flog 2017 dieselbe Strecke in umgekehrter Richtung.

Für Biden ist es der erste Besuch im Nahen Osten seit dem Amtsantritt vor anderthalb Jahren. Im Rahmen der sogenannten Abraham-Abkommen haben unter Vermittlung der USA inzwischen mehrere arabische Staaten Beziehungen mit Israel aufgenommen. Ein Beitritt Saudi-Arabiens gilt derzeit als unwahrscheinlich.

 

 

 

Weiterlesen

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Kiew (dpa) – Nach dem Raketenangriff auf das Zentrum der Großstadt Winnyzja im Westen der Ukraine mit vielen getöteten Zivilisten hat Präsident Wolodymyr Selenskyj Russland als «Terrorstaat» bezeichnet.

«Kein anderer Staat in der Welt stellt eine solche terroristische Gefahr dar wie Russland», sagte Selenskyj in seiner am Donnerstagabend veröffentlichten Videoansprache. An diesem Freitag ist Tag 142 des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine.

Kein anderes Land auf der Welt nehme sich heraus, jeden Tag mit seinen Raketen und seiner Artillerie «friedliche Städte und alltägliches menschliches Lebens» zu vernichten, sagte Selenskyj. Bei dem Raketenangriff seien am Donnerstag in Winnyzja 23 Menschen getötet worden, darunter drei Kinder. Das seien noch nicht die endgültigen Zahlen. Die Suche nach Dutzenden Vermissten in den Trümmern gehe weiter, sagte Selenskyj. Es gebe auch viele Schwerverletzte.

Selenskyj fordert Kriegsverbrechertribunal gegen Russland

Der Tag habe noch einmal gezeigt, dass Russland offiziell als «Terrorstaat» eingestuft werden sollte und die Verantwortlichen vor ein Kriegsverbrechertribunal gehörten, sagte Selenskyj. Auch ein medizinisches Zentrum sei getroffen worden. «Und wenn jemand einen Angriff auf ein medizinisches Zentrum in Dallas oder Dresden ausführen würde – (…) Ist das etwa kein Terrorismus?»

Russland hält seit dem Einmarsch in die Ukraine Ende Februar an der Darstellung fest, im Nachbarland nur militärische Ziele anzugreifen. Trotzdem gibt es viele zivile Opfer, auch die Zerstörung ziviler Infrastruktur hat enorme Ausmaße erreicht. Oft verfehlen Raketen alter sowjetischer Bauart ihre Ziele.

Baerbock gegen Aufweichen der Sanktionen gegen Russland

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat eine Lockerung der gegen Russland verhängten Sanktionen wegen des Angriffs auf die Ukraine ausgeschlossen. Auch ein solcher Schritt würde die Gas-Versorgung aus Russland nicht sicherstellen, «sondern wir wären doppelt erpressbar», sagte die Grünen-Politikerin am Donnerstag in einer Diskussion mit Bürgern in Bremen. Würde man akzeptieren, dass jemand «auf brutalste Art und Weise» internationales Recht breche, dann wäre das «eine Einladung an all diejenigen, die Menschenrechte, Freiheit und Demokratie mit Füßen treten».

Daher werde Deutschland die Ukraine unterstützen, «so lange sie uns braucht», betonte Baerbock. «Und daher werden wir auch diese Sanktionen aufrechterhalten und zugleich sicherstellen, dass bei uns die Gesellschaft nicht gespalten wird.»

Die westlichen Staaten haben ihre Strafmaßnahmen gegen Russland seit Kriegsbeginn Schritt für Schritt verschärft. Politiker der Linken und der AfD haben sich für eine Lockerung ausgesprochen – mit der Begründung, dass die Strafmaßnahmen auch die deutsche Wirtschaft belasten.

Sanktionen gegen Russland wirken laut EU-Experten

Die gegen Russland verhängten EU-Sanktionen entfalten nach bislang unter Verschluss gehaltenen Daten ihre Wirkung. Wie Experten der EU-Kommission der Deutschen Presse-Agentur bestätigten, betreffen zielgerichtete Handelsbeschränkungen mittlerweile russische Exportgeschäfte, die vor dem Krieg ein Volumen von mehr als 73 Milliarden Euro im Jahr hatten. Prozentual gesehen geht es um 48 Prozent der bisherigen Ausfuhren Russlands in die EU.

Hinzu kommt unter anderem, dass innerhalb von rund vier Monaten russische Vermögenswerte von rund 13,8 Milliarden Euro eingefroren wurden – zum Beispiel von Oligarchen und anderen Unterstützern von Kremlchef Wladimir Putin. Milliardenschwere Reserven der russischen Zentralbank können ebenfalls nicht mehr abgerufen werden.

Russland setzt Angriffe fort

Das Ziel, den russischen Angriff auf die Ukraine zu stoppen, verfehlen die Sanktionen allerdings bisher. Im Osten der Ukraine sind die von der russischen Armee unterstützten Separatisten nach eigenen Angaben weiter auf die Kleinstadt Soledar vorgerückt. Die Dörfer Strjapiwka und Nowa Kamjanka am östlichen Stadtrand von Soledar seien eingenommen worden, teilten die Separatisten in Luhansk am Donnerstagabend mit.

In Kiew wurde den Angaben widersprochen. «Allgemein haben wir in der vergangenen Woche die Angriffe des Feindes abgewehrt, und kein einziger Meter ukrainischen Bodens ging verloren», sagte der Vizechef der Hauptverwaltung des Generalstabs der ukrainischen Armee, Olexij Hromow, bei einer Pressekonferenz in Kiew. Im Abendbericht des Generalstabs war von Beschuss von Soledar und dem nordöstlichen Vorort Jakowliwka die Rede.

Nach Angaben aus Kiew stellen sich die russischen Streitkräfte neu auf, um ihre Offensive in der Donbass-Region fortzusetzen. «Im Gebiet Kramatorsk hat der Feind eine Umgruppierung durchgeführt, um seine Angriffe auf Siwersk zu erneuern», teilte der Generalstab mit. Dabei sei auch Kramatorsk von der Artillerie beschossen worden. Die Großstadt ist Teil eines Ballungsraums mit etwa 500.000 Einwohnern, den Kiew zur wichtigsten Festung im Donbass ausgebaut hat. Unabhängig sind die Angaben nicht zu überprüfen.

Ministerin hofft auf Getreideexport aus Ukraine

Nach der Annäherung im Streit über Getreideexporte aus der Ukraine hat Entwicklungsministerin Svenja Schulze vor zu großem Optimismus gewarnt. «Eine Einigung auf sichere Transportmöglichkeiten von Getreide aus der Ukraine über den Seeweg wäre eine Erleichterung für die hungernden Menschen weltweit», sagte die SPD-Politikerin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Freitag). Jede Tonne Getreide, die zusätzlich rauskomme und auf dem Weltmarkt zur Verfügung stehe, helfe. «Aber die Erfahrung mit Putin zeigt, dass man sich darauf nicht verlassen sollte.»

International vermittelte Gespräche über eine Beendigung der russischen Seeblockade im Schwarzen Meer haben nach UN-Angaben einen ersten Durchbruch gebracht. Präsident Selenskyj zeigte sich daraufhin optimistisch, dass sein Land bald wieder Getreide exportieren kann. Die Ukraine war vor dem russischen Angriffskrieg einer der größten Getreideexporteure weltweit.

Was an diesem Freitag wichtig wird

Außenministerin Baerbock nimmt am Freitag in Rumänien an einer Geberkonferenz für die Republik Moldau teil, die unter den Auswirkungen des Kriegs im Nachbarland Ukraine leidet. Moldau ist seit Juni ebenso wie die Ukraine offiziell Kandidat für eine Aufnahme in die Europäische Union. Das Land mit 2,6 Millionen Einwohnern versorgt seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine Ende Februar Hunderttausende Flüchtlinge.

Weiterlesen

EU-Sanktionen treffen russische Wirtschaft

Brüssel/Moskau (dpa) – Die gegen Russland verhängten EU-Sanktionen entfalten nach bislang unter Verschluss gehaltenen Daten langsam, aber sicher ihre Wirkung.

Wie Experten der EU-Kommission der Deutschen Presse-Agentur bestätigten, betreffen zielgerichtete Handelsbeschränkungen mittlerweile russische Exportgeschäfte, die vor dem Krieg ein Volumen von mehr als 73 Milliarden Euro im Jahr hatten. Prozentual gesehen geht es um 48 Prozent der bisherigen Ausfuhren Russlands in die EU.

Hinzu kommt unter anderem, dass innerhalb eines Zeitraumes von rund vier Monaten russische Vermögenswerte in Höhe von rund 13,8 Milliarden Euro eingefroren wurden – zum Beispiel von Oligarchen und anderen Unterstützern von Kremlchef Wladimir Putin. Milliardenschwere Reserven der russischen Zentralbank können ebenfalls nicht mehr abgerufen werden.

Kremlchef Putin spricht von «wirtschaftlichem Blitzkrieg»

Von einem «wirtschaftlichen Blitzkrieg» des Westens gegen Russland spricht Putin immer wieder. Er räumt ein, dass die Schäden für die russische Wirtschaft groß seien. Der 69-Jährige betont aber, dass auch der Westen Schaden nehme – und das Riesenreich besser durch die Krise komme als erwartet. Auch der Rubel ist so stark wie seit Jahren nicht mehr. Russische Staatsmedien berichten mit Häme über die explodierenden Energiepreise und die steigenden Kosten für Verbraucher in der EU.

«Die verfügbaren Daten zeigen ganz klar, dass die Sanktionen wirken», sagte ein ranghoher EU-Beamter, der nicht namentlich genannt werden wollte. Trotz des bislang relativ kurzen Zeitraumes würden schon bedeutende Effekte auf die russische Wirtschaft erzielt. Klar sei zudem, dass die Wirkung mit der Zeit noch stärker werde.

EU erwartet drastischen Einbruch von Russlands Wirtschaftsleistung

Konkret geht die EU derzeit davon aus, dass die russische Wirtschaftsleistung in diesem Jahr um 10,4 Prozent schrumpfen wird. Zum Vergleich: In der EU wird in diesem Jahr trotz der Sanktions- und Kriegsfolgen für die europäische Unternehmen noch mit einem Wirtschaftswachstum von 2,7 Prozent gerechnet, für Deutschland liegt die Prognose bei immerhin noch plus 1,4 Prozent.

Zwar reagieren viele Russen, die traditionell krisenerprobt sind und als leidensfähig gelten, weiter demonstrativ gelassen auf die Sanktionen. Trotzdem belegen Umfragen, dass den Russen steigende Preise und Ängste vor einer neuen Mangelwirtschaft zu schaffen machen. In Moskau, Europas größer Stadt, haben viele Läden westlicher Ketten geschlossen, in Einkaufszentren stehen ganze Ladenzeilen leer. Kinosäle müssen schließen, weil es keine Hollywood-Filme mehr gibt.

Es fehlt sogar an Farbe für bunte Verpackungen, worauf Putin im Juni beim Wirtschaftsforum in St. Petersburg fragte, ob das etwa wichtiger sei als Russlands Unabhängigkeit. Er meinte, dass es eben seinen Preis habe, wenn er gegen den Widerstand des Westens seine Politik durchsetze. Gemeint ist der Krieg gegen die Ukraine. Die Sanktionen würden Russland niemals von seinem Kurs abbringen, betont der Kreml. Viele Russen haben sich längst arrangiert mit der Lage – und schauen etwa die Blockbuster-Filme aus den USA auf Piratenseiten im Internet.

Nach Einschätzung der EU-Experten wird Russland aber durch die Sanktionen gezwungen, sein Wirtschaftsmodell zu ändern und sich weiter in Richtung Selbstversorgungswirtschaft zu entwickeln. Zugleich würden Lieferkettenprobleme und der fehlende Zugang zu fortgeschrittenen ausländischen Technologien die heimische Produktion, Investitionen und das Produktivitätswachstum behindern.

Ausfuhrverbote treffen nicht nur Waffenindustrie

Es wird für unwahrscheinlich gehalten, dass Russland den Bedarf an Gütern, die auf der Sanktionsliste stehen, selbst oder durch Exporte aus Staaten wie China decken kann.

Probleme dürfte es demnach vermutlich bei der Beschaffung von Maschinen, Fahrzeugteilen und Datenspeichern geben. Allerdings haben findige russische Geschäftsleute längst Wege geschaffen, damit etwa über Russlands Nachbarn Kasachstan weiter Luxusautos ins Land kommen. Putin hat stets betont, dass es weiter alles geben werde – nur eben zu einem höheren Preis.

Das EU-Ausfuhrverbot für sogenannte Dual-Use-Produkte aber lähmt nach Einschätzung der EU schon jetzt Russlands militärische Fähigkeiten. Wichtige Rüstungsfabriken, die zum Beispiel Luft-Luft-Raketen und Panzer produzieren, mussten demnach bereits aufgrund des Mangels an Importgütern geschlossen werden.

Zudem treffen die EU-Ausfuhrverbote IT-Unternehmen, Mobilfunkanbieter und die russische Autoindustrie, heißt es in Brüssel. Nach dem Weggang westlicher Autobauer werden in Russland nun sowjetische Marken wie der Moskwitsch wiederbelebt. Die Regierung will günstige Kredite ermöglichen, damit die Menschen wieder mehr Autos kaufen. Dennoch fehlt vielen Russen das Geld.

Russlands zivile Luftfahrt leidet nach EU-Angaben unter dem Verbot, in den europäischen Luftraum fliegen zu dürfen – vor allem aber auch unter den von der EU und den USA erlassenen Ausfuhrbeschränkungen für Ersatzteile und Services. Die meisten russischen Fluggesellschaften sind aus EU-Sicht nicht mehr in der Lage, internationale Sicherheitsanforderungen zu erfüllen.

Verschärft werden die Probleme in Russland aus Sicht der EU dadurch, dass Schätzungen zufolge zuletzt rund 70.000 IT-Spezialisten das Land verlassen haben und weitere 100.000 folgen dürften.

Kohle- und Ölembargo beginnen erst zu wirken

Erhebliche Auswirkungen erwarten die Experten zudem von der Umsetzung des bereits beschlossenen Kohle- und Ölembargos. Das Importverbot für russische Kohle wird am 10. August vollständig wirksam – und betrifft nach Angaben der EU ein Viertel der globalen russischen Kohleexporte im Wert von rund acht Milliarden Euro pro Jahr.

Der Wert der russischen Rohölimporte in die EU belief sich 2021 auf rund 48 Milliarden Euro und der von Erdölprodukten auf 23 Milliarden Euro. 90 Prozent davon sollen wegfallen, wenn ab dem 5. Dezember die Einfuhr von russischem Rohöl über den Seeweg verboten ist – und vom 5. Februar an die von verarbeiteten russischen Erdölerzeugnissen.

Der Wegfall des EU-Marktes wird nach Einschätzung eines Experten erhebliche strategische Probleme für Russland zur Folge haben, weil sich der Staatshaushalt nach EU-Zahlen zu 45 Prozent aus Öl-Einnahmen speist. Die Märkte meideten bereits den Handel mit russischen Öl. Russisches Öl sei zuletzt mit einem Preisabschlag von bis zu 35 Euro pro Barrel (159 Liter) angeboten worden. Besonders etwa Indien freut nach Moskauer Angaben über die russischen Lieferungen.

EU-Wirtschaft selbst auch von den Sanktionen betroffen

Aber auch die EU-Wirtschaft selbst wird durch die Sanktionen getroffen. Den größten direkten Einfluss hatten nach Einschätzung der EU-Experten die Einfuhrverbote für Stahlerzeugnisse aus Russland, da vor dem Krieg 21 Prozent der Einfuhren aus dem Land kamen. Als negative Kriegsfolgen für die EU werden in Brüssel zudem unter anderem die Preise für Feldfrüchte gesehen. So stiegen beispielsweise die ohnehin schon relativ hohen Preise für Weizen nach dem Beginn der russischen Invasion noch einmal um 35 Prozent, die für Mais um 15 bis 25 Prozent und die für Sonnenblumenkerne um rund 33 Prozent.

Für denkbar hält die EU zudem weitere Preissteigerungen wegen des EU-Einfuhrverbots für russisches Holz und wegen des von Russland selbst ausgehenden Exportverbots für Edelgase. Letzteres könnte nach Einschätzung von Experten für zusätzliche Lieferengpässe bei Chips sorgen, da Edelgase zur Produktion von Halbleitern verwendet werden.

Dass der Krieg auch die EU-Länder teuer zu stehen kommt, zeigt zudem auch eine Zahl: Die EU-Kommission erlaubte allein bis Mitte Juni staatliche Beihilfen von mehr als 200 Milliarden Euro für Unternehmen, die zum Beispiel durch die hohen Energiekosten besonders von dem Konflikt getroffen sind. Am Donnerstag folgten weitere Genehmigungen: So darf Deutschland energieintensive Unternehmen mit bis zu fünf Milliarden Euro Staatshilfe unterstützen.

 

 

 

Deutschland will Moldau mit 60 Millionen Euro helfen

Bukarest (dpa) – Deutschland will der unter den Folgen des Ukraine-Kriegs leidenden Republik Moldau mit weiteren 60 Millionen Euro helfen.

Außenministerin Annalena Baerbock will diesen Betrag am Freitag bei einer Unterstützungskonferenz in Bukarest in Aussicht stellen, wie es aus ihrer Delegation hieß. Mit 40 Millionen Euro sollen hohe Energiekosten in Privathaushalten abgefedert werden. Der Bundestag muss dieser Zahlung aber noch zustimmen.

Hinzu kommen 20 Millionen Euro für ein Programm zur Förderung von Energieeffizienz und erneuerbaren Energien sowie für Videodrohnen, Wärmebildgeräte, Geländewagen und Geräte für die Prüfung von Ausweisdokumenten an der Grenze.

Die ehemalige Sowjetrepublik Moldau ist seit Juni ebenso wie die Ukraine offiziell Kandidat für eine Aufnahme in die Europäische Union. Das Land mit 2,6 Millionen Einwohnern versorgt seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine Ende Februar Hunderttausende Flüchtlinge.

An dem Treffen in der rumänischen Hauptstadt Bukarest nehmen Vertreter von 24 Ländern teil. Eine erste Geberkonferenz fand im April in Berlin statt. Baerbock will auch den rumänischen Schwarzmeer-Hafen Constanta besichtigen. Constanta gehört zu den Ausweichrouten für den Export ukrainischen Getreides, der wegen des Krieges über die ukrainischen Häfen nicht mehr möglich ist. Die Ukraine war vor dem Krieg einer der größten Getreideexporteure weltweit.

 

 

 

Weiterlesen

USA und Israel: Iran darf niemals Atomwaffen haben

Jerusalem (dpa) – Beim ersten Besuch von US-Präsident Joe Biden im Nahen Osten wollen die USA und Israel den Iran eindringlich vor einer Eskalation der Spannungen in der Region warnen.

Biden und der neue israelische Ministerpräsident Jair Lapid würden heute eine entsprechende gemeinsame Erklärung unterzeichnen, sagte ein hochrangiger US-Regierungsvertreter am Rande des Biden-Besuchs. Darin würden «die unverbrüchlichen Bande zwischen unseren Ländern bekräftigt». Teil der Erklärung sei die Verpflichtung, «dem Iran niemals die Beschaffung einer Atomwaffe zu gestatten».

In der Erklärung werde zudem festgehalten, dass man «gegen die destabilisierenden Aktivitäten des Iran vorgehen» werde, insbesondere gegen die Bedrohung Israels. Die Sicherheitsbeziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Israel würden weiter ausgebaut. Biden und der israelische Ministerpräsident Jair Lapid wollen am Donnerstagnachmittag vor die Presse treten. Biden hatte Israel bereits nach seiner Ankunft am Mittwoch die «unerschütterliche» Unterstützung der USA zugesagt.

Verhandlungen zum Atomabkommen stocken

Biden machte deutlich, dass er in den Verhandlungen mit dem Iran zur Rückkehr zum Atomabkommen die iranischen Revolutionsgarden (IRGC) nicht von der Terrorliste streichen will. In einem Interview mit dem israelischen Fernsehsender N12 sagte Biden auf die Frage, ob er sich weiter dazu verpflichtet fühle, die IRGC auf der Liste zu belassen, selbst wenn es das Ende des Atomabkommens bedeuten würde: «Ja.»

Israel ist strikt gegen eine Wiederbelebung des Atomabkommens, aus dem Bidens Vorgänger Donald Trump die USA zurückgezogen hatte. Die Verhandlungen zwischen dem Iran und den anderen Vertragspartnern – China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Russland und USA – stocken seit Monaten. Hintergrund sollen in erster Linie Differenzen zwischen Teheran und Washington über den Status der Revolutionsgarden sein. Trump hatte die Revolutionsgarden 2019 auf die Liste von Terrororganisationen setzen lassen.

Biden schloss in dem Interview auf Nachfrage nicht aus, «in letzter Instanz» Gewalt anzuwenden, um den Iran am Besitz nuklearer Waffen zu hindern. «Das einzige, was schlimmer wäre als der jetzige Iran, ist ein Iran mit Atomwaffen», sagte Biden. Es sei ein «gigantischer Fehler» seines Vorgängers gewesen, aus dem Abkommen auszusteigen. Der Iran sei näher am Besitz von Atomwaffen denn je bevor.

Biden trifft auch Palästinenserpräsident

Es ist Bidens erste Nahost-Reise seit seiner Amtsübernahme vor eineinhalb Jahren. Heute will Biden in Jerusalem Gespräche mit Lapid, mit dem israelischen Präsidenten Izchak Herzog und mit Oppositionsführer Benjamin Netanjahu führen. Morgen steht im Westjordanland ein Treffen Bidens mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas auf dem Programm. Der Friedensprozess zwischen Israel und den Palästinensern liegt seit 2014 brach. Echte Fortschritte wurden auch im Zusammenhang mit Bidens Besuch nicht erwartet.

Nach seiner Ankunft in Israel ließ sich Biden das Raketenabwehrsystem «Iron Dome» und weitere Luftverteidigungssysteme zeigen. Am Abend besuchte er die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem und gedachte der Opfer der Opfer der Judenvernichtung im Dritten Reich. Der US-Präsident traf auch zwei Holocaust-Überlebende. Zum Abschluss des Besuchs trug er sich in das Gästebuch der Gedenkstätte ein.

Im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern sprach sich Biden erneut für eine Zwei-Staaten-Lösung aus. Er wisse, dass sich diese Lösung derzeit nicht abzeichne, sagte Biden. Seiner Überzeugung nach bleibe sie aber der beste Weg, um Israelis und Palästinensern gleichermaßen Wohlstand und Demokratie zu bringen.

Morgen will Biden weiter nach Saudi-Arabien reisen. In Dschidda will er mit der Führung des Königreichs zusammenkommen und an einem Gipfel des Golf-Kooperationsrats teilnehmen. Biden steht in den USA wegen der stark gestiegenen Spritpreise enorm unter Druck – und das knapp vier Monate vor den wichtigen Kongresswahlen. Saudi-Arabien ist einer der größten Ölproduzenten weltweit. Vorwürfe, er würde mit seiner Reise nun Menschenrechte dem Verlangen nach billigerem Öl unterordnen, weist Biden zurück.

 

 

 

SPD-Fraktionschef: Gespräche mit Putin nicht ausschließen

Berlin (dpa) – SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich plädiert dafür, Gespräche mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin unter bestimmten Bedingungen nicht auszuschließen. «Man kann solche Gespräche nicht erzwingen», sagte Mützenich der Deutschen Presse-Agentur. «Aber wenn Präsident Putin zu einem belastbaren Gespräch mit den Staats- und Regierungschefs der EU beziehungsweise der Nato sowie der Ukraine bereit sein sollte, sollte man das nicht grundsätzlich ausschließen.»

Solche Gespräche müssten von den konkreten Rahmenbedingungen abhängig gemacht werden. «Und der Bundeskanzler ist erfahren genug zu entscheiden, wann er ein solches Gespräch zusammen mit den Partnern für zielführend hält», sagte Mützenich. Er sehe dabei aber keine Sonderrolle Deutschlands. «Im Gegenteil, ich warne vor einer Sonderrolle jetzt wie auch in der Vergangenheit.» Stattdessen müsse es immer enge Absprachen mit den Partnern geben.

Nur noch sporadische Kontakte

«Ich gehe weiterhin davon aus, dass dieser Krieg nicht auf dem Schlachtfeld durch einen absoluten Sieg entschieden wird, sondern am Ende nur durch Gespräche, durch Verhandlungen, durch Verabredungen», betonte Mützenich. So seien Kriege auch in der Vergangenheit beendet worden. «Wir sollten immer in der Lage sein, bestimmte Signale, die auf eine mögliche Feuerpause hinweisen, dazu zu nutzen, wieder in diplomatische Gespräche einzutreten. Solche Signale fehlen allerdings bisher.»

Zwischen den westlichen Bündnispartnern und Russland gibt es seit dem russischen Angriff auf die Ukraine Ende Februar nur noch sporadische Gesprächskontakte. Scholz hat zuletzt im Abstand von mehreren Wochen mit Putin telefoniert. Die Ukraine und osteuropäische Bündnispartner sehen diese Kontakte skeptisch.

Baerbock sieht derzeit keine Verhandlungsmöglichkeiten

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hatte im Magazin «Stern» erläutert, dass sie derzeit keine Möglichkeit auf Verhandlungen mit Russland sieht. «Worüber kann man mit jemandem verhandeln, der nicht mal bereit ist, mit dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz humanitäre Korridore für die Flucht von Zivilisten zu vereinbaren?», fragte die Grünen-Politikerin.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Michael Roth, entgegnete, Russland sei weiterhin ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat, bleibe Teil der G20 und gehöre zur Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). «Ob es uns gefällt oder nicht, wir werden mit Vertreterinnen und Vertretern Russlands zu reden haben», sagte der SPD-Politiker den Zeitungen der Mediengruppe Bayern. Roth zeigte sich skeptisch, ob Telefonate Putin zum Einlenken bewegen. «Aber wir müssen diesem Kerl regelmäßig den Spiegel vorhalten, dass er sich auf einem verhängnisvollen Irrweg befindet.»

Mützenich: Sanktionen sind kein Selbstzweck

Eine Lockerung der wegen des Angriffskriegs verhängten Sanktionen gegen Russland hält Mützenich nur bei einem klaren Kurswechsel Putins für denkbar. «Wenn Russland Angebote für eine verlässliche Waffenruhe machen würde, wenn Russland bereit wäre, humanitäre Korridore zu öffnen und belastbare Verhandlungen zu führen, erst dann kann es eine politische Diskussion über die Lockerung der Sanktionen geben.» Außerdem müsse die ukrainische Regierung diesen Weg mitgehen.

Die Sanktionen seien kein Selbstzweck, sondern sollten zu Verhaltensänderungen in Russland führen, betonte Mützenich. «Doch die sehe ich zur Zeit weder im militärischen noch im politischen Bereich.»

Die westlichen Staaten haben ihre Strafmaßnahmen gegen Russland seit Kriegsbeginn Schritt für Schritt verschärft. Politiker der Linken und der AfD haben sich für eine Lockerung ausgesprochen, weil die Strafmaßnahmen auch die deutsche Wirtschaft belasten.

 

 

 

Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen
Eifelzeitung E-Paper Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen