«Agenten»-Gesetz in Georgien zurückgenommen

Tiflis (dpa) – Angesichts von Massenprotesten hat das Parlament in Georgien Gesetzespläne zur Einstufung ausländischer Medien und Organisationen als «Agenten» zurückgezogen. Die Abgeordnetenkammer in Tiflis lehnte das umstrittene Gesetz nach Medienberichten in zweiter Lesung ab. Zeitgleich fand vor dem Parlamentsgebäude eine neue Kundgebung von pro-europäischen Demonstranten statt. Derweil kam aus Moskau Kritik am Rückzieher der georgischen Führung. Der Gesetzentwurf erinnerte an ein russisches Vorbild. Dagegen gibt es seit Tagen Proteste.

Die Regierungspartei Georgischer Traum hatte am Donnerstag bereits verkündet, den Entwurf zurückzuziehen. Auslöser waren Proteste mit Zehntausenden Teilnehmern, die auch nach dem Rückzieher der Regierungspartei und der Freilassung festgenommener Demonstranten anhielten. Am Donnerstagabend waren wieder zahlreiche Kritiker auf den Straßen. Weiterlesen

Belarus führt Todesstrafe für Hochverrat ein

Minsk (dpa) – In der ehemaligen Sowjetrepublik Belarus hat Machthaber Alexander Lukaschenko für Hochverrat die Todesstrafe einführen lassen. Lukaschenko unterzeichnete dazu ein Gesetz, das härtere Strafen bei «Verbrechen mit extremistischer und staatsfeindlicher Ausrichtung» vorsieht, wie die staatliche Nachrichtenagentur Belta berichtete. Nach Meinung von Beobachtern ist es vor allem dazu gedacht, die Loyalität des Beamten- und Militärapparats zu sichern. Belarus ist das einzige Land in Europa, das heute noch die Todesstrafe vollstreckt. Lukaschenko ist dort bereits seit 1994 an der Macht. Weiterlesen

Kinder aus ärmeren Familien bei Kita-Betreuung im Nachteil

Wiesbaden (dpa) – Kinder aus ärmeren und weniger gebildeten Familien sind bei der Vergabe von Kita-Plätzen nach wie vor benachteiligt. Zudem ist der Betreuungsbedarf von Jungen und Mädchen, bei denen zu Hause überwiegend kein Deutsch gesprochen wird, zu einem größeren Teil ungedeckt, als bei Gleichaltrigen mit Deutsch als Familiensprache. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) in Wiesbaden.

Demnach hängt es auch zehn Jahre nach der Einführung eines Rechtsanspruchs auf einen Kitaplatz für Mädchen und Jungen ab dem vollendeten ersten Lebensjahr stark von den sozioökonomischen Verhältnissen der Eltern ab, ob ein Kind betreut wird oder nicht. Die Experten untersuchten unter anderem die Daten zur Kita-Nutzung von rund 96.000 Unter-Dreijährigen. Weiterlesen

Leichtere Einbürgerung: Mehrheit sieht Reformpläne kritisch

Von Anne-Béatrice Clasmann, dpa

Berlin (dpa) – Nach der Einführung des sogenannten Chancen-Aufenthaltsrechts bereitet sich die Ampel-Koalition jetzt auf ihre nächsten Reformschritte zur Migrationspolitik vor. Bei der Mehrheit der Deutschen stoßen die Pläne des Bundesinnenministeriums für eine erleichterte Einbürgerung allerdings auf wenig Begeisterung. Das zeigen die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur.

Kern der Pläne von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) ist eine Verkürzung der Mindestaufenthaltszeit von acht auf fünf Jahre. Bei besonderen Integrationsleistungen sollen drei Jahre genügen. Außerdem soll die doppelte Staatsbürgerschaft auch für Nicht-EU-Bürger, die Deutsche werden wollen, grundsätzlich erlaubt sein.

Klare Umfrageergebnisse

59 Prozent der befragten Bürgerinnen und Bürger lehnen laut Umfrage den Entwurf für eine Reform des Staatsangehörigkeitsrechts ab. Dabei erklärten 37 Prozent von ihnen, sie lehnten das Vorhaben «voll und ganz» ab, 22 Prozent äußerten sich eher ablehnend. Nur neun Prozent der Befragten befürworteten den Entwurf voll und ganz, weitere 22 Prozent äußerten sich eher positiv. Jeder Zehnte hatte zu der Frage entweder keine Meinung oder machte keine Angaben.

Deutsche mit Migrationshintergrund bewerten die geplanten Änderungen laut Umfrage etwas positiver als Menschen ohne familiäre Einwanderungsgeschichte. Die Tendenz ist jedoch bei beiden Gruppen ähnlich. Im Osten Deutschlands ist die Ablehnung für eine schnellere Einbürgerung insgesamt etwas stärker als im Westen der Bundesrepublik. Von den befragten Anhängern der Ampel-Parteien befürworteten einzig diejenigen, die angaben, bei der letzten Bundestagswahl die Grünen gewählt zu haben, mehrheitlich den Vorschlag der Innenministerin.

FDP fordert Nachbesserung

Zu dem Vorhaben gibt es zwischen den Regierungsparteien noch Diskussionen. Während die Grünen im Großen und Ganzen hinter den Plänen der Bundesinnenministerin stehen, hat die FDP Nachbesserungen gefordert. Weniger umstritten zwischen den Ampel-Partnern ist die geplante Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetz, die in den kommenden Wochen vom Kabinett beschlossen werden dürfte.

Allerdings führt die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger den aktuellen Mangel an Arbeitskräften in bestimmten Branchen zuvorderst nicht auf zu hohe Hürden bei der Erteilung von Arbeitsvisa zurück, sondern auf niedrige Löhne und unattraktive Arbeitsbedingungen.

Arbeitskräftemangel in Deutschland

Nach den wesentlichen Gründen für die Schwierigkeiten bei der Suche nach Pflegepersonal, Lehrkräften, Handwerkern, IT-Fachleuten und anderen Arbeitskräften gefragt, nannten 63 Prozent der Teilnehmer der Umfrage «schlechte Bezahlung». Jeweils rund ein Viertel der Bürgerinnen und Bürger sieht ein nicht ausreichendes Betreuungsangebot in Kitas und Schulen, beziehungsweise den Mangel an jungen Erwerbsfähigen – als Folge des demografischen Wandels – als Ursache. Dass hohe bürokratische und rechtliche Hürden für Fachkräfte aus dem Ausland eine Schwierigkeit sind, vermuten etwa 30 Prozent.

Auf die von YouGov gestellte Frage, was aus ihrer Sicht die wichtigste Maßnahme sei, um den Arbeitskräftemangel in Deutschland zu beheben, wurden höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen am häufigsten genannt (38 Prozent). Auf Platz Zwei landete die Antwortvariante «Die Jobcenter sollten sich besser um die Fortbildung und Vermittlung von Arbeitslosen kümmern» (14 Prozent). Jeweils jeder Zehnte sprach sich dafür aus, das Renteneinstiegsalter zu erhöhen, die Einwanderung zu Erwerbszwecken nach Deutschland unkomplizierter zu machen, ältere Arbeitskräfte mit mehr Wertschätzung länger im Job zu halten sowie Ausbildungsstellen attraktiver zu gestalten.

Hohe Abgabenlast und fehlende Digitalisierung

Die FDP-Innenpolitikerin Ann-Veruschka Jurisch hört von den Bürgern in ihrem Wahlkreis Konstanz nach eigener Aussage, «dass es ihnen zum einen wichtig ist, nur Menschen einzubürgern, die sich wirtschaftlich selbst tragen können und zum anderen Menschen, die sich bei uns integrieren». Diese Haltung vertrete auch ihre Partei.

Für die Hauptursache des Arbeitskräftemangels hält Jurisch den demografischen Wendel. «Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz wollen wir die Hürden für ausländische Arbeitskräfte nun absenken, um dem entgegenzuwirken.» Dass Deutschland von Fachkräften nicht immer als attraktives Zielland wahrgenommen werde, liege aber auch an der hohen Abgabenlast und der mangelnden Digitalisierung.

Lindholz will Hürden anheben

Die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Andrea Lindholz (CSU), hält das geplante Update für das noch von Schwarz-Rot beschlossene Gesetz zur Fachkräfteeinwanderung dagegen für überflüssig. Sie meint, die Ampel-Regierung hätte besser daran getan, «die neuen Regelungen mit Werbemaßnahmen und ausreichend Personal in den Auslandsvertretungen erst einmal richtig zur Anwendung zu bringen.» Stattdessen wolle die Ampel «künftig in erheblichem Umfang auch Unqualifizierte nach Deutschland holen». Das sei angesichts der vielen Arbeitslosen und der im Vergleich überschaubaren Zahl offener Stellen in diesem Segment des Arbeitsmarktes der falsche Weg.

Bei der Einbürgerung sieht Lindholz keinen Grund für Erleichterungen, sondern plädiert sogar dafür, die Hürden punktuell leicht anzuheben, etwa mit erhöhten Anforderungen an die Erwerbstätigkeit der Antragsteller. Die Ampel-Parteien behaupteten, das Staatsangehörigkeitsrecht «moderner» machen zu wollen, sagte die CSU-Politikerin, «aber wer sagt eigentlich, dass eine schnellere und leichtere Einbürgerung automatisch moderner ist?»

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Spanier muss Ex-Frau für Hausarbeit rund 200.000 Euro zahlen

Madrid (dpa) – Für 25 Jahre Hausarbeit muss ein Mann in Spanien seiner Ex-Frau eine Entschädigung von gut 204.000 Euro zahlen. Das habe ein Richter in Vélez-Málaga entschieden, berichteten die Zeitung «La Vanguardia» und andere Medien. Freuen darf sich nicht nur die 48 Jahre alte Ivana Moral, die sich vor Gericht durchsetzte. «Es ist ein Urteil, das Klagen anderer Frauen die Tür öffnet», stellte «La Vanguardia» fest.

Sie sei «sehr verliebt» gewesen, als sie mit 20 geheiratet habe, erzählte Moral «La Vanguardia». Doch schon bald habe sie gemerkt, dass ihre Ehe alles andere als ein Rosengarten sein würde. «Ich habe mich getreten, unterdrückt und missbraucht gefühlt», erzählte sie. Sie habe sich nicht nur um Haushalt und Kinder kümmern, sondern auch in den Fitnessstudios ihres Mannes arbeiten müssen. Mindestens zehn Stunden pro Tag habe sie geschuftet. Dafür habe sie aber weder finanzielle noch moralische Anerkennung erhalten. Weiterlesen

Oben-Ohne-Baden künftig auch für Frauen in Berlins Bädern

Von Marion van der Kraats, dpa

Berlin (dpa) – Verboten war es ohnehin nicht – aber nun sollte Oben-Ohne-Baden in Berlins Schwimmbädern für Frauen auch nicht mehr zum Problem werden. In einer internen Anweisung sei klargestellt worden, dass das Schwimmen «oben ohne» für alle Personen gleichermaßen erlaubt sei, teilte eine Sprecherin der Berliner Bäderbetriebe (BBB) am Donnerstag mit. Das Unternehmen werde die Haus- und Badeordnung künftig «geschlechtergerecht» anwenden, hatte zuvor die Senatsverwaltung für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung am Donnerstag mitgeteilt. Hintergrund ist laut Senatsverwaltung eine erfolgreiche Beschwerde bei der für das Antidiskriminierungsgesetz des Landes Berlin (LADG) zuständige Ombudsstelle.

Eine Frau hatte sich demnach beschwert, weil sie nicht – wie Männer – «oben ohne» in einem Berliner Bad schwimmen durfte. Ein weiterer Fall in Berlin hatte bundesweit für Schlagzeilen gesorgt: Wegen ihres nackten Oberkörpers wurde eine Frau im Sommer 2021 eines Wasserspielplatzes im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick verwiesen. Aus Sicht der Ombudsstelle stellte dies eine Diskriminierung dar. Eine Klage gegen das Land Berlin auf finanzielle Entschädigung dafür blieb jedoch erfolglos. Das Landgericht Berlin sah dafür im September 2022 keine Grundlage nach dem Antidiskriminierungsgesetz (Az. 26 O 80/22).

Badebekleidung für die primären Geschlechtsorgane

Nach Angaben von Klägeranwältin Leonie Thum wurde Berufung gegen das Urteil eingelegt. Ihre Mandantin hatte wenigstens 10.000 Euro vom Land Berlin verlangt. Auf Empfehlung der Ombudsstelle hatte der Wasserspielplatz allerdings seine Nutzungsordnung ergänzt. Danach gilt für alle Geschlechter, dass die Badebekleidung die primäre Geschlechtsorgane vollständig bedecken muss. Die weibliche Brust gilt als sekundäres Geschlechtsorgan.

Nun folgte die Klarstellung bei den Bäderbetrieben. Zwar mache die Haus- und Badeordnung seit Jahren keine geschlechtsspezifischen Vorschriften in Bezug auf die Badebekleidung, hieß es. «Allerdings wurde das von unseren Gästen und je nach Bad bislang zum Teil unterschiedlich ausgelegt und gehandhabt», so die Sprecherin.

Die Ombudsstelle begrüße die Klarstellung, teilte deren Leiterin Doris Liebscher mit. Die Entscheidung schaffe «gleiches Recht für alle Berliner*innen, ob männlich, weiblich oder nicht-binär». Zudem schaffe sie Rechtssicherheit für das Personal in den Bäderbetrieben. «Jetzt geht es darum, dass die Regelung konsequent angewendet wird und keine Platzverweise oder Hausverbote mehr ausgesprochen werden», betonte Liebscher.

Keine Selbstverständlichkeit

Oben-ohne-Baden ist in Deutschland keine Selbstverständlichkeit für Frauen. Einige Bäder hatten dies jedoch im Sommer 2022 erlaubt – etwa im niedersächsischen Göttingen oder in Siegen in Nordrhein-Westfalen.

Wie eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur damals ergeben hatte, befürworten viele Erwachsene, Frauen das Oberteiltragen nicht unbedingt vorzuschreiben. 37 Prozent finden es demnach positiv, wenn etwa im Freibad der klare Dresscode – Frauen müssen Bikini oder Badeanzug tragen, Höschen reicht nicht – aufgehoben wird. Allerdings fanden bundesweit 28 Prozent das Oben-ohne-Baden von Frauen «nicht gut».

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Männerfreier Tag auf Jahrmarkt? Frauenbeauftragte winkt ab

Bremen (dpa) – Die Bremer Landesfrauenbeauftragte Bettina Wilhelm sieht den Vorschlag der Bremer Jusos für einen männerfreien Tag auf Jahrmärkten kritisch. Die Forderung setze am falschen Ende an und komme einer Kapitulation gleich, sagte Wilhelm der dpa. «Vielmehr braucht es tragfähige Präventionsmaßnahmen seitens der Veranstaltenden, der Ordnungskräfte und der öffentlichen Hand, damit Frauen vor sexuellen Übergriffen auf den Festen effektiv geschützt werden.» Weiterlesen

Bundespräsident beendet Saarland-Besuch

Völklingen (dpa) – Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat am dritten und letzten Tag seines Saarland-Aufenthaltes das Weltkulturerbe Völklinger Hütte besucht und sich beeindruckt gezeigt. Diese sei «viel mehr als ein Denkmal der Industrialisierung, sie ist ein höchst lebendiger Ort für Kunst, für Veranstaltungen, für Begegnungen», bilanzierte er am Donnerstag. Hier verbänden sich Tradition und Moderne, Industriearchitektur und Kultur.

Gemeinsam mit Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) hatte er sich zuvor von Generaldirektor Ralf Beil die Ausstellung «When we are gone» des Berliner Filmkünstlers Julian Rosefeldt zeigen lassen. Nach der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an elf engagierte Saarländer nahm das Staatsoberhaupt zum Abschluss seines Saarland-Programmes an einer Essensausgabe an Bedürftige teil. Weiterlesen

Georgien zieht geplantes «Agenten»-Gesetz zurück

Tiflis (dpa) – Nach großen Protesten hat Georgien im Südkaukasus einen umstrittenen Gesetzentwurf über die Einführung eines Registers für «ausländische Agenten» zurückgezogen. Das teilte die Regierungspartei Georgischer Traum am Donnerstag in der Hauptstadt Tiflis mit.

Kritiker hatten der Regierung vorgeworfen, das geplante Gesetz sei nach russischem Vorbild ausgearbeitet worden und ebne den Weg für eine autoritäre Ausrichtung Georgiens. Sie sahen damit auch die EU-Perspektive der einstigen Sowjetrepublik in Gefahr. Auch international gab es Kritik. Weiterlesen

Muss ich das haben? – Wenn Deinfluencer vom Kaufen abraten

Von Anna Eube

Berlin (dpa) – Sie hat jedes Mal Angst, bevor sie ihren Kontostand sieht: Die Influencerin Michelle Skidelsky sagt von sich selbst, sie kaufe vieles, was sie gar nicht brauche. Warum sie das tut? Weil die Produkte bei Tiktok empfohlen wurden. So ergeht es vielen vor allem jungen Menschen, die diese und andere Social-Media-Angebote wie Instagram regelmäßig nutzen. Im Warenkorb landet, was gehypt wird – so oft in den Himmel gelobt, bis man überzeugt ist, genau dieses Produkt könnte das Leben ein kleines bisschen besser machen.

Mit dieser Annahme wollen sogenannte Deinfluencer aufräumen. Ihre Mission begreifen sie als Antithese zum klassischen Influencertum: Sie machen keine Werbung, sondern raten klar davon ab, Geld für bestimmte Kosmetik, Kleidungsstücke oder Technik auszugeben, die es in ihren Augen nicht wert sind.

Die Videos mit dem Hashtag #deinfluencing werden stetig populärer, insbesondere auf Tiktok. 264 Millionen Mal wurden sie bis Ende Februar aufgerufen – allein innerhalb der letzten Februarwoche knapp 65 Millionen Mal. Oft kommen die Clips aus dem englischsprachigen Raum, einige deutsche sind mittlerweile auch zu finden.

Vita Wirt, die im Internet genauso heißt, hat den Hashtag hierzulande als eine der ersten verwendet. Zwei Contouring-Produkte einer Luxus-Beautymarke, mit denen man sich schmeichelhafte Schatten ins Gesicht zaubern können soll, sind Wirts Meinung nach zum Beispiel überteuert. «Eins kostet 40 Euro, das muss man sich nicht unbedingt kaufen – vor allem dann nicht, wenn man noch jung ist und nur ein Taschengeld bekommt», sagte die 27-Jährige der Deutschen Presse-Agentur.

Werbung muss als Anzeige gekennzeichnet werden

Ihr Beitrag über die Kosmetik wurde bis Ende Februar knapp 55.000 Mal angesehen. Für die Frau aus Erfstadt (Nordrhein-Westfalen) ist das ein Hobby. Sie erhalte dafür bislang weder Zuwendungen von Marken noch werde sie bezahlt, betont sie. So unabhängig agieren Influencer, die Social Media zu ihrem Job gemacht haben, nicht. Regelmäßig gehen sie Kooperationen mit Marken ein und bewerben deren Produkte gegen Bezahlung. Solche Videos müssen als Anzeige gekennzeichnet sein.

Viele Fans oder auch Follower akzeptieren den Deal: Sie lassen sich von den Einblicken in den Alltag ihrer Lieblingsinfluencer unterhalten und schalten im Gegenzug bei bezahlten Empfehlungen nicht ab. Doch obgleich die Werbung vielfach zieht, können die wohlwollenden Hinweise auf Produkte als unehrlich wahrgenommen werden – die große Krux in dem Geschäft, das sich darum dreht, möglichst authentisch zu wirken.

Zudem würden Tiktok- und Instagram-Konsumenten «täglich von Produktempfehlungen überschwemmt» und «stumpfen regelrecht ab», erklärt die Social-Media-Marketing-Expertin Ann-Katrin Schmitz, die mit ihrem Team etwa Unternehmen und Medienhäuser berät. Sie sieht im Deinfluencing einen wichtigen Trend, der bleiben werde: «Gute Influencer haben schon immer ehrliche Empfehlungen abseits ihrer Werbekooperationen ausgesprochen. Da liegt es nur nahe, genauso auszusprechen, wenn Marken oder Produkte nicht halten, was sie versprechen. Viele haben verstanden, dass Authentizität und eine loyale Community langfristig mehr für ihr Business tun als möglichst viel Werbung.»

Anti-Empfehlungen zugleich ein Risiko

Doch gerade für gewerbsmäßige Influencer seien Anti-Empfehlungen zugleich ein Risiko. «Kritik an Marken kann Werbepartner abschrecken», sagt Schmitz. Auch Vita Wirt meint, dass Deinfluencing für kleinere, nur zum Spaß betriebene Profile wie ihres leichter sei: «Ich kann freier meine ehrliche Meinung über Produkte sagen.» Mit Betonung auf Meinung. Denn wie beim klassischen Influencen gilt beim Deinfluencen, dass ein Einzelner etwas als gut oder unbrauchbar beurteilt – und andere Menschen es naturgemäß ganz anders sehen können.

Ein Beispiel dafür ist ein knapp 550 Euro teurer Föhn, der das Haar mit verschiedenen Aufsätzen in Form bringen soll. In vielen Deinfluencing-Videos wird das Gerät als überteuertes Heißluftgebläse verrissen. Andere Nutzer verteidigen es aber als Produkt, das Wunder auf dem Kopf vollbringe.

Ob der Föhn nun funktioniert oder nicht, als vergleichsweise teuer würden ihn die meisten wohl durchaus einordnen. So ist es mit den meisten Produkten, um die bei Social Media ein Hype entsteht. Ein Lippenöl für rund 40 Euro kann sich nicht jeder Tiktok- oder Instagram-Zuschauer leisten.

Worum geht es beim Deinfluencing genau?

Für Hobby-Influencerin Wirt ist Deinfluencing unter anderem deshalb so aktuell und populär, «weil die Leute durch die Inflation weniger Geld zur Verfügung haben und mehr darauf achten, wofür sie es ausgeben». Hinzu komme ein zunehmendes Konsumbewusstsein durch den Klimawandel, das immer mehr Menschen hinterfragen lasse, was und wie viel sie tatsächlich brauchen.

Geht es beim Deinfluencing also vordergründig darum, Verbraucher besser zu informieren und Kritik an überflüssigem Konsum zu üben? Oder ist es lediglich eine kluge Strategie, um auf Umwegen doch wieder zu werben – indem Influencer direkt eine angeblich bessere Alternative zu jenem Produkt empfehlen, von dem sie abraten? Das sei zwar möglich, sagte Marketing-Expertin Schmitz dazu. «Mir sind in der Branche allerdings keine Fälle bekannt, bei denen sich Influencer und Marken absprechen, um diesen Effekt zu nutzen. Nicht hinter jedem Influencing oder Deinfluencing steckt eine Strategie, nicht alles ist gekauft oder geskriptet.»

Sie lasse sich übrigens regelmäßig selbst deinfluencen, sagt Schmitz: «Leon von @xskincare spricht brutal ehrlich über Gesichtspflege, egal in welchem Preissegment. Damit hat er nicht nur mein Vertrauen bekommen, sondern mittlerweile auch das von 852.000 Fans auf Instagram.»

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Binz berichtet über Pakt gegen sexualisierte Gewalt

Mainz (dpa/lrs) – Im Koalitionsvertrag hat sich die Ampelregierung darauf verständigt, einen Pakt gegen sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen in Rheinland-Pfalz zu schließen. Familienministerin Katharina Binz (Grüne) will diese heute Vereinbarung vorstellen. Sie will auch die Arbeitsweise des Betroffenenrates und der interdisziplinären Fachkommission erläutern, die Handlungsempfehlungen für die Landesregierung entwickeln soll. Mit der Einrichtung des achtköpfigen Betroffenenrats auf Landesebene nimmt Rheinland-Pfalz laut Ministerium eine Vorreiterrolle in Deutschland ein.

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