EU will mehr Migranten abschieben

Von Michel Winde und Anne-Béatrice Clasmann, dpa

Stockholm (dpa) – Die Europäische Union unternimmt einen neuen Anlauf, damit mehr ausreisepflichtige Ausländer in ihre Heimat abgeschoben werden. «Wir haben eine sehr niedrige Rückführungsquote und ich sehe, dass wir hier erhebliche Fortschritte machen können», sagte EU-Innenkommissarin Ylva Johansson am Donnerstag bei einem Treffen mit den EU-Innenministern in Stockholm.

Umstritten ist allerdings, wie viel Druck die EU auf Herkunftsländer ausüben sollte, mit denen die Zusammenarbeit schwierig ist, und auch, wie Anreize geschaffen werden können. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach sich dagegen aus, die EU-Visapolitik offensiv als Druckmittel zu verwenden. Andere Länder forderten dagegen, den sogenannten Visa-Hebel häufiger zu nutzen.

Die EU versucht schon seit Jahren, mehr Ausländer ohne Bleiberecht abzuschieben, kommt aber kaum voran. 2021 befand der Europäische Rechnungshof, das bestehende System sei in hohem Maße ineffizient und bewirke «das Gegenteil dessen, was es eigentlich soll: Statt abzuschrecken, leistet es illegaler Migration Vorschub.»

Ampel-Koalition kündigte «Rückführungsoffensive» an

In Zahlen sieht das so aus: 2019 lag die Quote ausreisepflichtiger Menschen, die die EU tatsächlich verließen, bei 29 Prozent. 2021 waren es – wohl auch coronabedingt – nur 21 Prozent. Dabei hatte die EU-Kommission noch 2018 ein Ziel von rund 70 Prozent ausgerufen. Auch die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP kündigte im Koalitionsvertrag eine «Rückführungsoffensive» an.

Mehr Rückführungen wären aus Sicht vieler EU-Staaten auch deshalb wichtig, weil die Asylsysteme vieler Länder völlig überlastet sind. Die Zahl der Asylanträge stieg im vergangenen Jahr um fast 50 Prozent auf 924.000. Viele Menschen hätten kein Recht auf internationalen Schutz und überlasteten die Aufnahmekapazitäten, sagte Johansson. Hinzu kommen die rund vier Millionen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, die in der EU kein Asyl beantragen müssen.

Für die schwedische Ratspräsidentschaft ist die Visapolitik ein Schlüsselinstrument. Artikel 25a des Visakodex könne «eines der wichtigsten Instrumente sein, um die Zusammenarbeit mit Drittstaaten im Bereich Rückkehr und Rückübernahme zu verbessern», heißt es in einem Papier zu dem Treffen. Dies könnte bedeuten, dass die Bearbeitung von Visa aus bestimmten Ländern deutlich länger dauert oder Gebühren angehoben werden. Als Länder, mit denen die Zusammenarbeit schwierig ist, gelten etwa Marokko, Tunesien und Algerien.

Faeser zeigt sich skeptisch

Auch Johansson betonte, dass der Visa-Hebel funktioniere. Die Mitgliedstaaten und die Kommission müssten gemeinsam handeln, um Druck auf Drittstaaten auszuüben. Zudem solle häufiger die Grenzschutztruppe Frontex für Abschiebeflüge eingespannt werden. Andere Druckmittel auf Drittstaaten könnten Handelsbeziehungen und Entwicklungshilfe sein. Österreichs Minister Gerhard Karner forderte erneut, dass die Kommission Zäune an den EU-Außengrenzen finanziert.

Tatsächlich hat die EU-Kommission bislang nur für vier Länder vorgeschlagen, den Visa-Hebel anzuwenden: Bangladesch, Irak, Gambia und Senegal. Die EU-Staaten wiederum haben den Vorschlag allein für Gambia angenommen. Aus der EU-Kommission heißt es, der Sinn von Artikel 25a sei nicht seine Anwendung – sondern die Drohung damit.

Faeser äußerte sich skeptisch. «Ich bin damit zurückhaltend. Ich glaube, dass der Weg über Migrationsabkommen der bessere ist.» Derlei Abkommen sollen Erleichterungen bei der legalen Migration mit Kooperation bei der Rücknahme verbinden. Deutschland hat dazu mit Indien eine Vereinbarung getroffen. Weitere sollen folgen. Faeser will dazu im Frühjahr mit ihrem französischen Kollegen Gérald Darmanin nach Nordafrika reisen.

Bislang hat die SPD-Politikerin auf dem Gebiet der Rückführungen nur wenig Fortschritt vorzuweisen. 2022 wurden 12 945 Menschen aus Deutschland abgeschoben. 2019 waren es noch mehr als 22.000. Für Faeser ist das Thema auch deshalb schwierig, weil es zu einem Großteil in der Verantwortung der Bundesländer liegt.

Allerdings ist auch die Zahl der Herkunftsländer gestiegen, in die wegen massiver Menschenrechtsverletzungen oder aus anderen Gründen aktuell nicht oder nur sehr eingeschränkt abgeschoben werden kann. In Afghanistan etwa haben wieder die militant-islamistischen Taliban das Sagen. Auch der Iran, wo derzeit Demonstranten hingerichtet werden, ist kein Land, in das man Menschen zurückschickt.

Die politische Verantwortung dafür, dass Deutschland beim Thema Abschiebungen vorankommt, teilt Faeser bald mit dem neuen Sonderbevollmächtigten für Migrationsfragen, Joachim Stamp (FDP). Der frühere NRW-Integrationsminister tritt sein Amt am 1. Februar an.

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UN mahnen Deutschland zur Fortsetzung von Afghanistan-Hilfe

Brüssel (dpa) – Die stellvertretende UN-Generalsekretärin Amina Mohammed hat Deutschland und die anderen EU-Staaten davor gewarnt, wegen der frauenfeindlichen Politik der Taliban in Afghanistan humanitäre Hilfslieferungen zu stoppen. Regierungen müssten den Steuerzahlern erklären, warum man einem Land Geld gebe, das Frauen so diskriminiere, sagte Mohammed der Deutschen Presse-Agentur und anderen internationalen Medien in Brüssel. Die unangenehme Wahrheit sei aber, dass Frauen und Kinder in Afghanistan ohne Hilfe aus dem Ausland sterben würden.

«Es gibt Temperaturen von minus 30 Grad», sagte die Vize-Generalsekretärin. «Und es gibt Menschen, die nicht wissen, woher sie ihre nächste Mahlzeit bekommen.» Ziel der internationalen Gemeinschaft müsse sein, die militant-islamistischen Taliban über Druck in anderen Bereichen zur Rücknahme von diskriminierenden Entscheidungen gegen Frauen oder zumindest zu mehr Ausnahmeregelungen zu bewegen. Als Beispiel nannte sie die weitgehenden Beschäftigungs- und Ausbildungsverbote für Frauen, die auch Tätigkeiten für Hilfsorganisationen einschließen. Weiterlesen

Europaparlament verweigert Informationen zu Weinreise

Brüssel (dpa) – Das Europäische Parlament verweigert Informationen zu einer umstrittenen Reise von Präsidentin Roberta Metsola und ihrem Mann in die französische Weinregion Burgund. Auf Nachfragen der Deutschen Presse-Agentur teilte der Parlamentssprecher jetzt lediglich mit, der Besuch bei einer Weinbruderschaft mit Übernachtung in einem Fünf-Sterne-Hotel in Beaune sei im Rahmen von Metsolas Mandat als Präsidentin und im Einklang mit übergeordneten Sicherheits- und Protokollverpflichtungen erfolgt. Metsola habe sich an die Regeln gehalten, die auch für alle früheren Präsidenten angewandt wurden.

Der Sprecher beantwortete damit nicht die Frage, welche Kosten dem EU-Parlament durch die Reise der christdemokratischen Politikerin aus Malta entstanden sind. Auch gab er keine Antwort darauf, ob Metsola oder ihr Mann bei dem Besuch Wein geschenkt bekommen haben und kam nicht der Bitte nach, Details zum Reiseprogramm zu nennen. Weiterlesen

EU-Staaten verhängen neue Iran-Sanktionen

Brüssel (dpa) – Wegen der anhaltenden schweren Menschenrechtsverletzungen im Iran haben die Außenminister der EU-Staaten ein viertes Sanktionspaket beschlossen. Es trifft insgesamt 37 Personen und Organisationen, die für die brutale Unterdrückung von Protesten nach dem Tod der 22-Jährigen Jina Mahsa Amini verantwortlich gemacht werden, wie die EU am Montag mitteilte. Zuletzt hatte vor allem die Hinrichtung von Demonstranten für Entsetzen gesorgt.

Die Strafmaßnahmen sehen vor, in der EU vorhandene Vermögenswerte einzufrieren und Einreiseverbote zu erlassen. Konkret treffen sie laut dem EU-Amtsblatt unter anderem Sport- und Jugendminister Hamid Sadschadi, zahlreiche regionale Ableger des Korps der Iranischen Revolutionsgarden und die Dachorganisation der Sittenwächter. Weiterlesen

Landsbergis wirft Scholz indirekt Angst vor Russland vor

Brüssel (dpa) – Mehrere EU-Staaten haben bei einem Außenministertreffen in Brüssel ihren Unmut über die deutsche Zurückhaltung bei Panzerlieferungen an die Ukraine zum Ausdruck gebracht. Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis warf Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zudem indirekt vor, Furcht davor zu haben, Russland an den Rand einer Niederlage in der Ukraine zu bringen.

«Ich glaube, das Wichtigste, was wir diskutieren müssen, ist die Angst», sagte Landsbergis in Brüssel. «Wir müssen die Angst davor überwinden, Russland zu bezwingen – wenn es um zusätzliche Sanktionen geht, wenn es um zusätzliche militärische Hilfe für die Ukraine geht. Was uns aufhält, ist die Angst davor, was passiert, wenn Russland diesen Krieg verliert.» Weiterlesen

Bericht: Großbritannien verfehlt Exportziele wegen Brexits

London (dpa) – Wegen des Brexits wird Großbritannien einem Zeitungsbericht zufolge seine Exportziele deutlich verfehlen. Der Wert von Ausfuhren aus dem Vereinigten Königreich werde frühestens 2035 eine Billion Pfund (1,14 Bio Euro) betragen, berichtete der >>Guardian>> unter Berufung auf Aussagen des zuständigen Staatssekretärs Andrew Bowie. Ex-Premierminister Boris Johnson hatte 2021 angekündigt, dieses Ziel werde 2030 erreicht. Ursprünglich hatte 2012 der damalige Regierungschef David Cameron sogar 2020 als Datum versprochen – das war aber lange vor dem Brexit-Referendum 2016. Weiterlesen

Werbung: EU-Kommission plant Gesetz gegen Greenwashing

Brüssel (dpa) – Unternehmen in der EU könnten künftig nachweisen müssen, dass als klimafreundlich vermarktete Produkte es auch tatsächlich sind. Die Europäische Kommission will ein Gesetz gegen sogenanntes Greenwashing vorstellen, wie aus einem Entwurf hervorgeht, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Dadurch sollen Verbraucher besser erkennen können, ob ein Produkt tatsächlich dem Klima und der Umwelt nicht schadet.

Hintergrund ist, dass Verbraucher der Kommission zufolge oft keine zuverlässigen Informationen über die Nachhaltigkeit von Produkten haben. Beim Greenwashing etwa vermarkten Firmen Produkte als umweltfreundlich, obwohl sie es vielleicht gar nicht sind. Laut einer Studie der EU-Kommission von 2020 waren mehr als die Hälfte der Angaben über die Klimafreundlichkeit von Waren vage, irreführend oder unbegründet. Gleichzeitig sei es für Unternehmen oft schwierig, den unterschiedlichen Standards in EU-Staaten gerecht zu werden, heißt es in dem Entwurf. Weiterlesen

EU-Parlament fordert Sondergerichtshof zum Ukraine-Krieg

Straßburg (dpa) – Das EU-Parlament fordert einen internationalen Sondergerichtshof, um mutmaßliche Kriegsverbrechen im Krieg gegen die Ukraine zu untersuchen. Gräueltaten, die aus Butscha, Irpin und vielen anderen ukrainischen Städten gemeldeten worden seien, zeigten die Bedeutung koordinierter internationaler Maßnahmen, teilte das EU-Parlament mit, nachdem die Abgeordneten mit großer Mehrheit für eine entsprechende Resolution gestimmt hatten. Die Entscheidung des Parlaments ist rechtlich nicht bindend. Weiterlesen

Metsola meldet rund 140 Geschenke nach

Straßburg (dpa) – EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola hat seit Anfang vergangenen Jahres rund 140 Geschenke erhalten. Die Spitzenpolitikerin legte die Informationen auf der Webseite des Europaparlaments offen.

«Die Präsidentin nimmt im Namen der Institution Geschenke entgegen. Sie behält diese nicht», sagte ein Sprecher von Metsola auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur. Zu den Geschenken gehören den Informationen zufolge etwa ein Schal, Bücher und Wein.

Eigentlich sollen Geschenke, den internen Regeln des Parlaments zufolge spätestens bis zum letzten Tag des Folgemonats nach Erhalt gemeldet werden. Wer gegen diese Regeln verstößt, muss aber nicht bestraft werden. Im Verhaltenskodex ist lediglich festgelegt, dass bei Verstößen Sanktionen verhängt werden können. Weiterlesen

Deutlich mehr Einkommensmillionäre in EU-Banken

Paris/Frankfurt (dpa) – Die Zahl der Topverdiener in Europas Banken ist im Jahr 2021 um mehr als 40 Prozent gestiegen. 1957 Einkommensmillionäre zählt die europäische Bankenaufsicht EBA in ihrem jüngsten Bericht, der am Donnerstag veröffentlicht wurde.

Dies sei der höchste Wert für die 27 Staaten der Europäischen Union und den Europäischen Wirtschaftsraum seit Beginn der Datenerhebung im Jahr 2010, teilte die European Banking Authority (EBA) mit. Im Jahr 2020 erhielten demnach 1383 Mitarbeiter von Geldhäusern oder Wertpapierfirmen in dem betrachteten Gebiet mehr als eine Million Euro Vergütung. Weiterlesen

Nach Korruptionsskandal: Sozialdemokrat EU-Parlamentsvize

Straßburg (dpa) – Der Luxemburger Sozialdemokrat Marc Angel ist infolge des EU-Korruptionsskandals zum neuen Vizepräsidenten des Europaparlaments gewählt worden. Er setzte sich am Mittwoch im zweiten Wahlgang mit 307 Stimmen durch. Im ersten Wahlgang hatte Angel die notwendige absolute Mehrheit noch verfehlt. Er folgt auf die in den Skandal verwickelte Griechin Eva Kaili. Damit hat die von der Affäre besonders betroffene S&D-Fraktion ihren Posten verteidigen können und stellt weiterhin 5 der 14 Vizepräsidentinnen und -präsidenten des Parlaments. Weiterlesen

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