Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Kiew (dpa) – Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich überzeugt gezeigt, dass der russische Präsident Wladimir Putin den Krieg in der Ukraine nicht gewinnen wird.

Eine Einnahme der gesamten Ukraine durch Russland scheine heute weiter entfernt als noch zu Beginn des Krieges, sagte Scholz am Donnerstag auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos in der Schweiz. In Aachen erhielten die aus dem mit Russland verbündeten Belarus stammenden Karlspreisträgerinnen großen Applaus für ihren demokratiepolitischen Einsatz. Eine deutsche Fregatte hilft, die Nordflanke der Nato zu sichern. Weiterlesen

Kiew probt trotz tiefer Kriegswunden wieder die Normalität

Ukraine
Von Ulf Mauder, dpa 

Kiew (dpa) – Der Einschlag einer russischen Rakete in einem 22-geschossigen Wohnhaus im Schewtschenko-Stadtviertel von Kiew hat in den unteren Etagen ganze Wohnungen weggesprengt. Bauarbeiter räumen an einem frühlingshaften Mai-Tag Trümmer beiseite, in den Etagen darüber ist die Fassade intakt.

Die Fensterscheiben fehlen. Unklar ist, ob die Statik hält. «Das wird schon», meint Gebäudeverwalter Jan. Die Rakete schlug am 28. April gegen 20.00 Uhr ein – als auch UN-Generalsekretär António Guterres in der Stadt war.

«Ich hatte um 19.00 Uhr mein Büro im dritten Stock verlassen, eine Stunde später kam der Anruf: Es gab eine Explosion», erinnert sich der Verwalter. Viele Wohnungen sind nicht mehr bewohnbar, in einigen leben aber wieder Menschen. «Vor allem Frauen kommen zurück», sagt Jan. «Einige waren nach ihrer Flucht zu Kriegsbeginn gerade erst wieder zurückgekehrt in die Wohnung, als die Rakete einschlug.»

Der Schock bleibt

Mehrere Menschen wurden an dem Tag Ende April verletzt. Die ukrainische Journalistin Wira Hyrytsch wurde tot aus den Trümmern geborgen. Auch einen Monat danach sitzt der Schock bei vielen tief. «Die Russen hassen uns, wollen uns und alles vernichten», sagt die 47 Jahre alte Tanja, die in die Wohnung im 21. Stockwerk will. «Dort sind nur die Fenster zerborsten, die wir jetzt auswechseln müssen», erklärt ihr Jan. Bezahlen muss sie das selbst.

Die private Unternehmerin erzählt, dass die Wohnung gerade renoviert werden sollte, deshalb sei niemand dort gewesen beim Raketenangriff. Sie schüttet ihr Herz aus: Mutter und Vater seien Russen, sie wohne mit der Mutter (77) und dem 52 Jahre alten Bruder, dem die Wohnung im Hochhaus gehört, in der Nähe. «Er kommt nach einer Covid-Erkrankung nicht auf die Beine. Ich weiß manchmal nicht, wie es weitergeht», sagt Tanja. Ihre Augen werden feucht. Vor allem vor dem Winter fürchtet sie sich, davor, dass Russland den Gashahn abdrehen könnte und die Menschen erfrieren lässt.

«Am schlimmsten ist, dass die Familie zerrissen ist. Mein Onkel in St. Petersburg, meine Freundin in Moskau, sie wollen nicht glauben, dass wir hier vom russischen Militär beschossen werden mit Raketen, dass sie Verbrechen begehen, Frauen vergewaltigen, morden und plündern. Sie halten das für Märchen.» Niemand dort frage mal, wie es ihnen geht. «Kein Kontakt mehr.»

Beschuss auf zivile statt militärische Objekte

Tatsächlich berichtet das russische Militär täglich, es würden nur militärische Objekte mit «Hochpräzisionswaffen» beschossen. Aber oft treffen sie in Wirklichkeit zivile Infrastruktur – wie hier. Gegenüber liegt das ebenfalls von einer Rakete getroffene Fabrikgebäude des Raketenherstellers «Artem». Das Dach ist zertrümmert, die Scheiben sind herausgeplatzt. Das Haus steht direkt an einem belebten Markt an der Metrostation Lukjaniwska. Russland hat den Luftschlag eingeräumt.

Überall in der Stadt sind an Stationen und öffentlichen Gebäuden zum Schutz Sandsäcke aufgestapelt. Tanja meint, es werde nichts helfen: «Viele haben das Land verlassen. Wir sind vielleicht noch 20 Millionen, sie sind 140 Millionen und werden uns einfach plattwalzen.» Die Gefahr ist auch in Kiew gegenwärtig – wo Luftalarm fast täglich daran erinnert, dass Raketen einschlagen können. Viele Hauptstädter ignorieren den Alarm. Gehortet wird aber, wo es geht, das knappe Benzin, um notfalls mit dem Auto zu flüchten.

Am Hauptbahnhof von Kiew kommen inzwischen täglich mehrere Züge mit rückkehrenden Geflüchteten an. Einige sagen, sie wollten nach dem Rechten sehen, Dinge erledigen und dann vorerst wieder ins Ausland fahren, bis das Leben hier wieder sicher ist. Aber viele kommen, um zu bleiben – auch wenn Bürgermeister Vitali Klitschko dazu rät, lieber dort zu bleiben, wo keine Gefahr droht.

Volle Züge, Busse und U-Bahnen

Noch immer sind einige Geschäfte und etwa auch die Schnellrestaurants der US-Kette McDonald’s geschlossen. Doch die Straßen, Busse und Züge werden immer voller. Während die Kämpfe vor allem im Osten der Ukraine weiter mit großer Härte toben, drängen sich die Menschen in Kiew wieder in den Metrowaggons, um zur Arbeit und nach Hause zu kommen. Die U-Bahn dient zwar weiter als Bunker, wenig erinnert aber daran, dass das Land schon fast 100 Tage im Kriegszustand ist.

Auf dem Hauptbahnhof ist aus Czernowitz in der Westukraine die Seniorin Olga nach mehr als zweieinhalb Monaten auf der Flucht angekommen. «Ich möchte wieder mein altes Leben zurück», sagt sie. Nach dem Einmarsch der russischen Truppen sei sie weg aus ihrem Stadtteil Obolon, als dort ein Panzer ein Auto zerdrückte. «Ich bin sogar drei Wochen lang vom Russischen ins Ukrainische gewechselt.» Inzwischen ist sie wieder bei ihrer Muttersprache.

«Niemand hier muss unsere russische Sprache schützen, wir sprechen sie und lassen uns das auch nicht verbieten», sagt sie mit Blick darauf, dass Kremlchef Wladimir Putin seinen Angriff nicht zuletzt damit begründet, er wolle die von der ukrainischen Regierung zurückgedrängte russische Sprache schützen. «Die da im Kreml sollen uns einfach in Ruhe lassen. Wir wollen unseren Weg gehen in Richtung Europa. In Russland ist nichts als Hass», sagt Olga.

Hass gegen Putin

Das Schimpfwort «Putin chuilo» – auf Deutsch etwa: «Putin ist ein Schwanzgesicht» – ist an vielen Orten in Kiew zu lesen. Der Hass richtet sich gegen den Kremlchef, aber auch gegen Russland insgesamt.

Nirgends in der Hauptstadt wird das deutlicher als auf dem Maidan, wo das Herz der ukrainischen Unabhängigkeit schlägt. Da stehen sie noch trotzig, die Panzersperren auf dem Platz der Unabhängigkeit, wo 2014 die proeuropäische Revolution den Weg vorgab. Ein Denkmal erinnert an die toten Helden der «Himmlischen Hundertschaft», die damals den russlandfreundlichen Staatschef Viktor Janukowitsch stürzten.

Kleine, blau-gelbe Fähnchen mit den Namen der Toten des russischen Angriffskrieges stecken im Rasen. Doch ein paar Meter weiter, auf der Prachtmeile Chreschtschatyk, ist an diesem frühlingshaften Mai-Tag vieles so wie vor dem Krieg – Menschen essen, trinken, lachen auf Terrassen in Cafés und Restaurants. Nur abends kehrt schlagartig Ruhe ein, wenn die Sperrstunde ruft – und sich wegen der Gefahr neuer russischer Raketenschläge niemand mehr draußen aufhalten soll.

 

 

Ukraine-Krieg: Warnung vor globaler humanitärer Katastrophe

Weltwirtschaft
Von Theresa Münch, dpa und Marco Engemann, dpa-AFX 

Davos (dpa) – Eigentlich dachte er, es könne nicht schlimmer kommen: Der Klimawandel mit verheerenden Dürren sowie Versorgungsengpässe durch die Pandemie drohten bereits im vergangenen Jahr Millionen Menschen in Hunger zu stürzen.

David Beasley, der Chef des UN-Welternährungsprogramms, warnte vor der größten humanitären Krise seit dem Zweiten Weltkrieg. Doch jetzt, sagt er auf der Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums, sei es noch schlimmer gekommen. Denn mit dem russischen Krieg gegen die Ukraine fällt die Kornkammer der Welt aus.  Weiterlesen

Öl-Embargo-Verhandlungen: Habeck sieht begrenzten Zeitraum

Berlin (dpa) – Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hält eine Einigung auf ein Öl-Embargo trotz des Widerstands der ungarischen Regierung weiterhin für möglich.

Der Grünen-Politiker machte in Berlin aber zugleich deutlich, dass er den Zeitraum für Verhandlungen für begrenzt hält. Mit Blick auf die Tage vor dem nächsten EU-Gipfel Anfang kommender Woche sagte Habeck: «Ich nehme an, das ist der Korridor, wo entweder eine Einigung zu erzielen ist oder man sich andere Instrumente überlegen muss.» Weiterlesen

Nato-Staaten: Durch Absprachen Krieg mit Russland verhindern

Brüssel (dpa) – Unter den Nato-Staaten gibt es nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur informelle Absprachen zum Verzicht auf die Lieferung bestimmter Waffensysteme an die Ukraine.

Wie der dpa am Mittwoch in Bündniskreisen in Brüssel bestätigt wurde, soll dadurch das Risiko einer direkten militärischen Konfrontation zwischen Nato-Staaten und Russland möglichst gering gehalten werden. Befürchtet wird so zum Beispiel, dass Russland die Lieferung westlicher Kampfpanzer und Kampfflugzeuge offiziell als Kriegseintritt werten könnte und dann militärische Vergeltungsmaßnahmen ergreift. Waffensysteme dieser Art wurden bislang nicht in die Ukraine geliefert. Weiterlesen

Cannes: Protest ukrainischer Filmemacher auf rotem Teppich

Cannes (dpa) – Ein ukrainischer Filmemacher hat seinen Auftritt bei den Filmfestspielen in Cannes am Mittwoch für politischen Protest genutzt. Mit seinem Team lief Maksim Nakonechnyi am Mittwoch zum Geräusch von Sirenen zur Premiere seines Films «Butterfly Vision».

Anschließend entrollten die Beteiligten ein Banner mit der Aufschrift: «Russians kill Ukrainians. Do you find it offensive or disturbing to talk about this genocide?» (etwa: Russen töten Ukrainer. Finden Sie es anstößig oder verstörend, über diesen Genozid zu sprechen?). Die Beteiligten hielten anschließend transparente Scheiben mit der Aufschrift «Sensitive Content» vor ihre Köpfe, so dass die Gesichter dahinter wie zensiert aussahen. Weiterlesen

Union im Bundestag rügt Ausbleiben von Waffenlieferungen

Berlin (dpa) – Unionsfraktionsvize Johann Wadephul (CDU) rügt den Kurs der Bundesregierung bei der Lieferung schwerer Waffen an die von Russland angegriffene Ukraine. Der Bundestag habe die Regierung uneingeschränkt zur Lieferung der notwendigen schweren Waffen aufgefordert, sagte er dem Portal Focus-Online (Mittwoch). «Das findet nicht statt. Damit verstößt die Bundesregierung gegen einen bindenden Beschluss des Parlaments.» Wadephul sprach von einem skandalösen Vorgang und fügte an: «Wenn es so weitergeht, gibt es dazu später einen Untersuchungsausschuss!» Weiterlesen

EU-Kommission will russische Oligarchen einfacher enteignen

Sanktionen
Von Michel Winde, dpa

Brüssel (dpa) – Luxusjachten, Villen, Privatjets: Russische Oligarchen sollen nach dem Willen der EU-Kommission enteignet werden können, wenn sie EU-Sanktionen unterlaufen. Dafür schlug die Behörde am Mittwoch vor, das Umgehen von Sanktionen EU-weit als Straftat zu definieren.

Zudem sollen Regeln zur Vermögensabschöpfung und Beschlagnahmung verschärft werden. Hinter den Forderungen der Ukraine, Geld des russisches Staats für den Wiederaufbau zu nutzen, dürften die Vorschläge jedoch zurückbleiben. Weiterlesen

Baerbock für engere Zusammenarbeit bei Ostsee-Windenergie

Energie Von Jörg Blank, dpa

Kristiansand (dpa) – Außenministerin Annalena Baerbock will die Zusammenarbeit innerhalb der Ostseeregion bei der Gewinnung von Offshore-Windenergie vorantreiben.

Die Bundesregierung werde dazu auch den baldigen deutschen Vorsitz im Ostseerat nutzen, kündigte die Grünen-Politikerin am Dienstag vor einem Ministertreffen im norwegischen Kristiansand an diesem Mittwoch an. Deutschland übernimmt den Vorsitz am 1. Juli von Norwegen für ein Jahr. Es ist das erste Treffen des Ostseerates nach dem Ausschluss und Austritt Russlands aus dem Gremium wegen des Angriffskriegs in der Ukraine. Weiterlesen

Orban verhängt Notstand wegen Kriegs in der Ukraine

Budapest (dpa) – Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban verhängt wegen des Kriegs in der benachbarten Ukraine den Notstand in seinem Land. Die Regelung tritt am Mittwoch 00.00 Uhr MESZ in Kraft, teilte der rechtsnationale Politiker in einem Video auf seiner Facebook-Seite mit.

Der Notstand erlaubt es Orban, geltende Gesetze aufzuheben und Zwangsmaßnahmen auf dem Verordnungsweg zu treffen. Die verfassungsrechtliche Grundlage für diese Art von Notstand hatte Orban erst wenige Stunden zuvor im Parlament schaffen lassen. Mit der Zweidrittelmehrheit der rechtsnationalen Fidesz-Partei billigte die Volksvertretung die entsprechende Verfassungsänderung. Demnach kann die Regierung den Notstand ausrufen, wenn ein Nachbarland von einem bewaffneten Konflikt, einem Krieg oder einer humanitären Katastrophe betroffen ist. Weiterlesen

Schröder verzichtet auf Nominierung für Gazprom-Aufsichtsrat

Berlin (dpa) – Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder hat nach eigenen Angaben keine Absichten, einen Aufsichtsratsposten beim russischen Energieriesen Gazprom zu übernehmen.

Auf die Nominierung habe er schon vor längerer Zeit verzichtet und dies dem Unternehmen auch mitgeteilt, schrieb Schröder am Dienstagabend auf dem Online-Portal «Linkedin». Die Authentizität des Beitrags wurde der Deutschen Presse-Agentur aus Schröders Umfeld bestätigt.

Gazprom hatte Schröder Anfang Februar – kurz vor dem russischen Angriff auf die Ukraine – für einen Posten in dem Gremium nominiert. Der ehemalige SPD-Chef hatte in einem Interview, das die «New York Times» im April veröffentlichte, offengelassen, ob er die Nominierung annehmen wird. Wegen seiner Verbindungen nach Russland stand Schröder in den vergangenen Wochen und Monaten massiv in der Kritik. Weiterlesen

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