«Klimaterroristen» zu «Unwort des Jahres» 2022 gekürt

Marburg (dpa) – Das «Unwort des Jahres» 2022 lautet «Klimaterroristen». Das gab die sprachkritische «Unwort»-Aktion am Dienstag in Marburg bekannt. Der Ausdruck sei im öffentlichen Diskurs benutzt worden, um Aktivisten und deren Proteste für mehr Klimaschutz zu diskreditieren, begründete die Jury ihre Wahl. Sie kritisierte die Verwendung des Begriffs, weil Aktivistinnen und Aktivisten mit Terroristen «gleichgesetzt und dadurch kriminalisiert und diffamiert werden». Gewaltlose Protestformen zivilen Ungehorsams und demokratischen Widerstands würden so in den Kontext von Gewalt und Staatsfeindlichkeit gestellt, rügte die Jury.

Die seit 1991 stattfindende «Unwort»-Wahl soll auf einen unangemessenen Sprachgebrauch aufmerksam machen und so für einen bedachten Umgang mit Begriffen sensibilisieren. Weiterlesen

«Unwort des Jahres» 2022 wird gekürt

Marburg (dpa) – Das «Unwort des Jahres» 2022 wird heute im hessischen Marburg bekannt gegeben. Die Jury der sprachkritischen Aktion erhielt diesmal nach eigenen Angaben mehr als 1400 Vorschläge, die Interessierte bis Ende Dezember vergangenen Jahres einreichen konnten. Zu den eingegangenen Begriffen gehören einer Sprecherin zufolge «Spezialoperation», «Sondervermögen», «Gratismentalität» und «Klima-Terroristen».

Die Vorschläge spiegelten einerseits die öffentlichen Debatten des Jahres wider, andererseits die großen Ereignisse, hatte Jury-Sprecherin Constanze Spieß im Dezember zu den bis dahin eingereichten Begriffen mitgeteilt. Anfang 2022 dominierten demnach noch Einsendungen rund um die Corona-Pandemie. Das habe mit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine Ende Februar schlagartig abgenommen. Weiterlesen

Karl-May-Verlag: Haben von Winnetou-Debatte profitiert

Bamberg (dpa) – Der Karl-May-Verlag hat nach eigenen Angaben von der Winnetou-Debatte profitiert. «Eine Umfrage hat gezeigt, dass mindestens 70 Prozent der Deutschen hinter Karl May und Winnetou stehen. So hat sich das Ganze auch zu einer positiven Marketingaktion entwickelt und den Verkauf der “Winnetou”-Bücher stark angekurbelt», teilte der Verlag auf dpa-Anfrage mit. Genaue Verkaufszahlen gab er zunächst nicht an. Weiterlesen

Zahl der Kirchenaustritte in Mainz sehr stark angestiegen

Mainz (dpa/lrs) – Die Zahl der Menschen, die in diesem Jahr in Mainz aus der katholischen oder der evangelischen Kirche ausgetreten sind, hat deutlich zugenommen. Bis Ende November kehrten 3495 Mitglieder den beiden großen Kirchen den Rücken, wie die Stadt auf Anfrage mitteilte. Das ist ein Anstieg von 36,7 Prozent im Vergleich zum Gesamtjahr 2021. Besonders stark betroffen von der Ausstiegswelle war die katholische Kirche: Sie verlor 2119 Mitglieder. Das ist ein Anstieg von 44 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. 1376 verließen die evangelische Kirche (plus 26,9 Prozent). Zum Vergleich: Im Jahr 2019 registrierte die Landeshauptstadt insgesamt 1998 Kirchenaustritte, 2020 waren es 1682 und 2021 wurden 2556 Fälle registriert.

Tafeln in Großbritannien erleben größte Nachfrage

London (dpa) – Angesichts steigender Verbraucherpreise und wachsender Armut erleben die Tafeln in Großbritannien nach eigenen Angaben die größte Nachfrage ihrer Geschichte. «Das ist die geschäftigste Zeit, die unabhängige Tafeln in Großbritannien jemals erlebt haben, und vielen bereitet die wachsende Nachfrage Probleme», sagte Sabine Goodwin, die Chefin der Dachorganisation Independent Food Aid Network, der Deutschen Presse-Agentur.

«Es ist deutlich wie nie, dass gemeinnützige Hilfe als Antwort auf die eskalierende Armut weder nachhaltig noch akzeptabel ist», so Goodwin. Vielmehr bräuchten die Menschen Unterstützungszahlungen sowie Löhne, mit denen sie Lebensmittel für sich und ihre Familien bezahlen könnten.

Die Inflation in Großbritannien lag zuletzt bei rund elf Prozent, auf Lebensmittel beschränkt sogar noch höher. Die britische Wirtschaft steckt in einer Rezession und hat sich im Vergleich zu anderen Ländern kaum von dem Pandemie-Tief erholt. Der Brexit hat den Handel mit dem größten Markt vor der Haustür – der Europäischen Union – drastisch einbrechen lassen. Weiterlesen

Butterkekse und Heimatgefühl

Von Barbara Munker, dpa

San Francisco (dpa) – Für Hannah Seyfert aus Hannover war es «eine volle Schnapsidee» und auch ein bisschen Eigennutz: Sie hat einen alt eingesessenen deutschen Lebensmittelladen in San Francisco, der vor der Schließung stand, übernommen. «Wo würde ich denn sonst meine Butterkekse, Früchtetee und Tempo-Taschentücher herbekommen», erzählt die 37 Jahre alte neue Besitzerin von <<Lehr`s German Specialties>> mit einem Augenzwinkern.

Vor kurzem arbeitete Seyfert noch im Business Development, 2016 war sie ihrem deutschen Mann nach San Francisco gefolgt. Jetzt räumt sie Regale ein, stapelt Stollen, Wurst und Schokolade, steht an der Kasse und erfüllt Kundenwünsche – auf Englisch und Deutsch. «Do you have dumpling mix?», fragt eine Anruferin. Na klar gibt es bei «Lehr’s» Knödelmischungen jeglicher Art.

Eine urig-deutsche Institution

Der Laden in San Franciscos Stadtteil Noe Valley ist seit den 1970er Jahren eine urig-deutsche Institution. Fast 50 Jahre lang stand Brigitte Lehr aus Bad Kreuznach hinter der Ladentheke. Die alten Holzregale waren gefüllt mit allen erdenklichen Importen «Made in Germany»: von Marzipan über Sauerkraut bis Vanillezucker, Bierkrüge und Dirndl. «Ich bin steinalt», scherzte die immer noch rüstige Geschäftsfrau kürzlich beim Weihnachtseinkauf in ihrem früheren Laden.

Wegen eines Augenleidens hatte die 87-Jährige im August die Schließung von «Lehr’s» verkündet. Für die in der Nachbarschaft lebende Kundin Seyfert war das Geschäft da schon «ein bisschen Heimat so viele Meilen von Zuhause weg». «Ich dachte, es wäre wirklich schade, wenn der letzte deutsche Laden in San Francisco weggeht.» Nach einem spontanen Anruf bei Brigitte Lehr ging es Schlag auf Schlag. Ihr sei das Herz in die Hose gerutscht, als sie im September den Mietvertrag unterschrieb, räumt Seyfert ein.

«Heimat Since 1974»

Mit Unterstützung ihres Mannes, der in der Tech-Industrie arbeitet, packte sie das Abenteuer an – zunächst als Selfmade-Handwerkerin. Mit blaugrauer Farbe, neuen Holzböden und modernen Regalen verpasste sie dem Laden einen gänzlich neuen Anstrich, doch Seyfert hielt auch an alter Tradition fest. Der Name blieb, versehen mit dem neuen Logo «Heimat Since 1974». Zwei verwitterte Holzfiguren mit grüner Dirndl-Bemalung zieren weiterhin die Geschäftsfassade, drinnen erinnern gerahmte Fotos an den alten Look von «Lehr’s».

«Was für ein Segen, dass Hannah übernommen hat», freut sich Brigitte Lehr. Und die Kunden stimmen ihr zu. «Es ist einfach fantastisch, dass der Laden wieder auf hat», sagt William Hall, seit den 1990er Jahren ist der Amerikaner hier Kunde. In seinem Einkaufskorb: deutscher Kaffee, Kekse, Spätzle, Weingummis und Rübenkraut.

Seyfert mischt das Sortiment von Importware aus Deutschland mit Produkten aus der Region auf. Jeden Freitag liefert eine Konditorei in San Francisco Schwarzwälder Kirschtorte, Bienenstich, Berliner und Franzbrötchen. Samstags gibt es Brezeln von «Squabisch», einer kleinen Bäckerei in Berkeley, die auf schwäbisch-kalifornische Kost setzt. «Die Brezeln werden uns wirklich aus den Händen gerissen», meint Seyfert. Und der deutsche Metzger «Wurstmeister Benz», ein Familienbetrieb in der zwei Autostunden entfernten Sierra Nevada, liefert Leberkäse, Landjäger, Brat- und Blutwurst.

«Die Nachricht, auf die viele Kunden gewartet haben: Jetzt verkaufen wir Quark», gab Seyfert Mitte Dezember stolz auf der Instagram-Seite des Ladens bekannt. Quark ist in den USA kaum zu finden, doch auf einem Bauernmarkt spürte die Jungunternehmerin einen Käsehersteller auf.

Bis zu 20 verschiedene Sorten Stollen

Auch handgemachte Schokolade von einer Manufaktur in Erfurt will Seyfert in ihr Sortiment aufnehmen – und damit dem Hersteller Goldhelm den Markteintritt in den USA verschaffen. Waren müssen die Auflagen der US-Lebensmittelbehörde FDA erfüllen, was Importe mitunter erschwert.

In wenigen Wochen, mitten in dem turbulenten Weihnachtsgeschäft, hat die Newcomerin schnell dazugelernt. Sie habe schon viele Sachen nachbestellen müssen, um die Regale zu füllen. «Wir haben bis zu 20 verschiedene Sorten Stollen, die Kunden sind da sehr speziell», erzählt Seyfert.

Nur montags ist Ruhetag, an allen anderen Tagen ist die 37-Jährige von morgens bis abends im Einsatz. Vor allem der Ansturm am Wochenende sei «der absolute Wahnsinn». «Das fühlt sich aber nicht wie Arbeit an, das ist mein Baby», strahlt Seyfert. Sie hat schon weitere Pläne. «Wir wollen das größer aufziehen» – mit mehr Läden an anderen Standorten und Online-Verkauf.

Seyfert schwört auf Qualitätsware «Made in Germany». Viele Lebensmittel enthielten beispielsweise weniger Zucker als vergleichbare US-Produkte. Zudem würde sie gerne «ein bisschen deutsche Kultur vermitteln» – derzeit mit vielen Sorten Butterkeksen, Marzipan und Weihnachtsstollen.

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Ukraine-Geflüchtete: Deutlicher Anstieg der Schülerzahl

Bad Ems (dpa/lrs) – Die Zahl der Schülerinnen und Schüler in Rheinland-Pfalz ist vor allem wegen des Zuzugs von Kindern aus der Ukraine stark gestiegen. Wie das Statistische Landesamt am Dienstag mitteilte, besuchten zu Beginn des aktuellen Schuljahres 2022/23 rund 425.600 Kinder und Jugendliche eine der knapp 1500 allgemeinbildenden Schulen in dem Bundesland (plus 3,3 Prozent). Den stärksten Zuwachs im Vergleich zum Vorjahr gab es dabei in den Grundschulen und Realschulen plus. Die Zahl der Schülerinnen und Schüler mit ukrainischer Staatsangehörigkeit stieg von etwa 400 auf 9200 und damit um mehr als das Zwanzigfache. Weiterlesen

Wie eine ukrainische Familie die Weihnachtszeit erlebt

Von Anja Sokolow, dpa

Berlin (dpa) – Die Kerzen auf dem Adventskranz brennen, am Fenster hängen selbstgebastelte Sterne und eine Krippe aus Transparentpapier. Weihnachtsdeko überall, Plätzchen und Kuchen auf der Kaffeetafel: Rosemarie Arzt und ihr Mann Alfons haben ihr Haus in Berlin-Tempelhof so weihnachtlich eingerichtet, wie man es sich nur vorstellen kann. Seit fast neun Monaten leben auch die sechsjährige Yeva und ihre Mutter Yuliia Holubka mit im Haus und teilen sich hier ein Zimmer. Nach ihrer Flucht aus der Ukraine haben sie bei der Familie ein neues Zuhause gefunden.

Yuliia Holubka ist kaum zum Feiern zumute. «Es ist schwer, überhaupt daran zu denken», sagt die 36-Jährige. Ihr Mann und der Rest ihrer Familie seien in der Ukraine geblieben und dort hätten die Menschen gerade ganz andere Sorgen. «Jeden Tag lese ich die Nachrichten gleich nach dem Aufwachen. Und abends schlafe ich damit ein.»

Berlin ist das Drehkreuz für Menschen aus der Ukraine

«In der Ukraine haben wir normalerweise zweimal Weihnachten gefeiert – das katholische Fest am 25. Dezember und das orthodoxe Weihnachten am 7. Januar», sagt die Katholikin, deren Mann der orthodoxen Kirche angehört. Präsident Wolodymyr Selenskyj habe aber nun bereits angekündigt, dass künftig nur noch der 25. Dezember ein Feiertag sein werde. «Dann soll die Ukraine feiern wie andere Länder in Europa.»

Sie wisse noch gar nicht so recht, wie sie in Berlin feiern werde, so Holubka. «Wir werden schon für festliche Stimmung sorgen», kommt ihr Violetta Gershman zuvor. Sie ist eine Freundin aus Kindheitstagen und hat die beiden nach Berlin geholt, wo sie selbst schon seit Jahren lebt. «Wir werden den Christmas Garden besuchen, einen Weihnachtszirkus und auch ein Weihnachtsprogramm im Friedrichstadtpalast sehen», zählt die Freundin auf.

Holubka teilt ihr Schicksal mit Hunderttausenden. Seit Kriegsbeginn wurde Berlin zu einem Drehkreuz für Flüchtlinge aus der Ukraine. Rund 360 900 Menschen sind bereits dort angekommen. «Die große Mehrheit von ihnen ist jedoch in andere Städte weitergereist», sagt ein Sprecher der Sozialverwaltung. Etwa 85 000 bis 100 000 Ukrainer seien in Berlin geblieben und zumeist privat untergekommen, zumindest zeitweise. Ein Teil sei auch wieder zurückgekehrt.

Zuhause sind die Menschen ständig in Alarmbereitschaft

Doch momentan ist die Lage wieder sehr schwierig. Der Bedarf an Plätzen in Unterkünften steigt wieder deutlich. Mehr als 2100 Personen lebten derzeit noch im Ankunftszentrum Tegel und warteten auf eine Unterbringung, so der Sprecher. Rund 3300 Ukrainer leben demnach in einer Flüchtlingsunterkunft.

Holubka will vorerst in Berlin bleiben. Ihre Heimatstadt Schytomyr westlich von Kiew sei zwar weitgehend intakt. «Eine Schule und ein Wohnheim sind zerstört», sagt Holubka. «Doch immer wieder gibt es Probleme mit der Gas-, Wasser- und Stromversorgung. Schlimm ist auch der Lärm der Tiefflieger. Man weiß nie, ob es ukrainische oder russische Flieger sind», so Holubka.

Ständig seien die Menschen in Alarmbereitschaft. «Kinder müssen zur Schule einen Notfallrucksack mit Essen, Trinken und einer Decke mitnehmen, falls sie wieder in einen Bunker müssen», erzählt Holubka. «Eltern suchen die Schule für ihr Kind inzwischen danach aus, welche den besten Bunker hat», so die junge Mutter.

Die Erstklässlerin Yeva geht auf eine Berliner Grundschule in der Nachbarschaft. Zusätzlichen Deutschunterricht braucht sie nicht. Was gefällt ihr in der Schule am besten? «Der Bastelraum, das Spielparadies und die Bücherei», sprudelt es aus Yeva heraus. In Berlin besuchten laut Bildungsverwaltung im November rund 7000 ukrainische Kinder und Jugendliche eine Schule. Davon gingen rund 4400 in sogenannte Willkommensklassen, um zunächst Deutsch zu lernen.

Abschied von der Gastfamilie

Yeva kriecht immer wieder auf den Schoß von Rosemarie Arzt, kuschelt und spielt mit ihr Karten. So vertraut, als wären es Oma und Enkelin. Für Yeva hat Rosemarie Arzt einen Adventskalender befüllt, es ist ein hölzerner, ehemaliger Schraubenschrank mit vielen kleinen Kästchen aus der ehemaligen Schreinerei ihres Vaters. «Der Kalender ist das Schönste für Yeva. Jeden Morgen öffnet sie als erstes eine Schublade», erzählt die Gastgeberin.

Es sind die letzten Tage, die Mutter und Tochter bei Rosemarie Arzt und ihrem Mann verbringen, denn die beiden haben in der Nähe eine Zweizimmerwohnung gefunden. «Einen Monat lang haben wir alles renoviert und können jetzt eigentlich einziehen», so Yuliia Holubka.

«Es werden schöne Erinnerungen bleiben, zum Beispiel das gemeinsame Backen mit Yeva», sagt Arzt. Ob die Zeit auch manchmal anstrengend gewesen sei? «Wir sind es gewohnt, Gäste zu haben», sagt die Sängerin an der Deutschen Oper. Die Familie habe schon oft junge Künstler bei sich aufgenommen. «Und wir haben antizyklische Tagesabläufe. Deshalb haben wir uns manchmal tagelang nicht gesehen», erzählt Arzt. Yuliia sei ihr zwischenzeitlich auch eine sehr große Hilfe gewesen. «Im Sommer, als ich sehr krank war, saß sie stundenlang an meinem Bett.»

Die deutsche Bürokratie ist gewöhnungsbedürftig

Im Jobcenter habe man ihr nahegelegt, ihre kaufmännische Ausbildung auszubauen. «Eigentlich möchte ich aber lieber festliche Frisuren machen», sagt Holubka, die damit bereits in der Ukraine ihr Geld verdient hatte. Momentan lernt sie Deutsch, sie versteht bereits viel, ist aber noch zu schüchtern, um auch zu sprechen.

Einen Integrationskurs habe sie bereits absolviert und vor allem viel über die deutsche Geschichte und den Mauerfall gelernt. An das Leben mit der deutschen Bürokratie habe sie sich inzwischen auch gewöhnt. «Es war für mich zunächst erstaunlich, dass es für alles Briefe und Papier gibt», berichtet die Ukrainerin, die in ihrer Heimat die meisten Formalitäten digital erledigen konnte.

«Komisch war es auch am Anfang, ständig einen “Termin” zu haben», so Holubka über Jobcenter und andere Behörden. Das habe sie aus ihrer Heimat so nicht gekannt. Besonders positiv sehe sie die Internationalität in Berlin. «Hier leben so viele verschiedene Nationen zusammen – ohne Probleme», sagt Holubka.

Ob sie in die Ukraine zurückkehren kann, weiß Holubka nicht. «Ich würde gern zu Hause in der Nähe meiner Familie leben, aber ich möchte auch, dass meine Tochter eine glückliche Kindheit ohne Krieg erleben kann.» Obwohl Yeva nur wenige Kriegstage erlebt habe, sei sie in der ersten Zeit bei jedem lauten Geräusch zusammengezuckt. «Als sie gelernt hat, dass sie sich bei einer Bombardierung auf den Boden knien soll, hat sie sehr geweint», erzählt die Mutter.

«Jetzt, vor dem Umzug in die eigene Wohnung, ist der Adventskalender Yevas größte Sorge. Sie hat Angst, dass sie es nicht mehr schafft, alle Türen zu öffnen», erzählt Arzt. «Aber ich habe ihr versprochen, dass sie uns jeden Tag besuchen kann.»

Tim Raue gibt das Kommando beim Weihnachtsessen ab

Berlin (dpa) – Beim Weihnachtsessen gibt Sternekoch Tim Raue (48) das Küchenkommando aus der Hand. An den Tagen sei er für seine Schwiegereltern das «Haubenburli». «Das heißt, ich gehe dann drei Positionen in der Küche zurück und unterstütze und helfe, wo ich nur kann», sagte Raue der Deutschen Presse-Agentur. Dass er sonst Küchenchef sei, interessiere dann nicht. «Sondern da bin ich Tim, der Schwiegersohn, der gefälligst die Salami so dünn schneidet wie meine Schwiegermama das haben möchte.»

Dass er an den Weihnachtstagen vor allem Schwiegersohn sei, genießt er nach eigenen Worten. «Weihnachten ist im Kreis unserer Familie in Oberösterreich wirklich ein Fest der Familie, des Zusammenseins, des Essens, Trinkens.» Seine Frau Katharina ergänzte: «Laut, Chaos, aber immer mit ganz viel Liebe.» Die beiden haben die RTL-Show «Der Restauranttester» übernommen. Die neuen Folgen sollen 2023 laufen. Weiterlesen

Gehälter nach Geschlecht: Firmen müssen Daten offenlegen

Brüssel (dpa) – Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern müssen künftig regelmäßig Daten zum Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen veröffentlichen.

Das sieht eine Einigung von Unterhändlern der EU-Staaten und des Europaparlaments vor, wie die zwei Institutionen mitteilten. So soll es einfacher werden, die Unterschiede zwischen den Geschlechtern festzustellen. Frauen verdienen den Angaben nach in der EU im Schnitt 13 Prozent weniger als Männer. Der sogenannte Gender Pay Gap habe sich in den vergangenen Jahren nur minimal verkleinert. Weiterlesen

Bedeutung der Kirchen sinkt weiter

Von Yuriko Wahl-Immel, dpa

Gütersloh/Münster (dpa) – Die christlichen Kirchen büßen einer Studie zufolge angesichts anhaltend sinkender Mitgliederzahlen weiter an gesellschaftlicher Bedeutung ein. Nach dramatischen Austrittszahlen für die evangelische und die katholische Kirche in den vergangenen Jahren spielen laut Umfrage viele weitere Menschen mit dem Gedanken, der Institution den Rücken zu kehren. Überproportional von Austrittserwägungen betroffen ist die katholische Kirche, wie der «Religionsmonitor 2023» der Bertelsmann Stiftung ergab. Dafür hatte das Institut Infas 4363 Personen ab 16 Jahren bundesweit repräsentativ befragt.

Nur 14 Prozent der Bevölkerung besuchen mindestens einmal im Monat einen Gottesdienst, selbst bei Kirchenmitgliedern sind es demnach lediglich 17 Prozent. Unter den Mitgliedern gab knapp jeder Vierte (24 Prozent) bei der Befragung im Sommer 2022 an, in den vergangenen zwölf Monaten über einen Austritt nachgedacht zu haben. Parallel dazu antworteten 20 Prozent auf die Frage, ob ein Kirchenaustritt für sie «sehr» oder «eher wahrscheinlich» sei, mit «Ja». Bei den 16- bis 25-Jährigen hatten sogar 41 Prozent feste Austrittsabsichten, hieß es in der am Donnerstag veröffentlichten Erhebung. Zwar seien eine Erwägung oder eine Absicht nicht gleichzusetzen mit dem tatsächlichen Schritt, der Trend sei aber deutlich.

Die sogenannten passiven Kirchenmitglieder

Besonders unter den passiven Kirchenmitgliedern könne sich die Frage stellen, ob ein Verbleib mit Blick auf Kirchensteuern und kritische Diskussionen noch gerechtfertigt sei, meinte die Religionsexpertin der Stiftung, Yasemin El-Menouar. Unter den Gläubigen, die mit ihrer Kirche fremdeln, sind Katholiken deutlich häufiger vertreten als Protestanten. Hier schlage sich die «geringe Reformbereitschaft der römischen Kurie» wohl nieder. Außerdem: «Die Missbrauchsskandale und der Umgang mit ihnen, vor allem in der katholischen Kirche, haben zu einem Vertrauensverlust geführt», sagte El-Menouar der Deutschen Presse-Agentur.

«Die Bedeutung der beiden Kirchen schwindet. Sie werden in Zukunft nur noch einen kleineren Teil der Bevölkerung vertreten», erläuterte El-Menouar. Sie ist überzeugt: «Das Christentum und der christliche Glaube als solche werden aber bleiben.» Die Studie sieht dabei auch zunehmende «privatere Formen der Spiritualität».

Prognose zu Kirchenaustritten

Der evangelischen Kirche gehörten 2021 noch 19,7 Millionen Menschen an, der katholischen Kirche knapp 21,7 Millionen. Einer Studie der Universität Freiburg prognostiziert, dass beide Kirchen zusammen bis 2060 noch etwa 22 Millionen Mitglieder haben werden – das entspricht rund einem Viertel der Bevölkerung. «Die beiden ehemals großen Kirchen sterben in ihrer überkommenen Sozialgestalt und werden zu einer Minderheitenkirche», analysiert der Kirchenrechtler Thomas Schüller. «Der Kipppunkt ist schon länger überschritten.»

Allerdings: «Die meisten religionssoziologischen Untersuchungen belegen nicht unbedingt weniger Glauben, sondern den Tod eines kirchlich sozialisierten Glaubens», sagte Schüller der dpa. Die Frage nach dem Sinn des Lebens bewege die Menschen auch heute, viele suchten ihre Antworten aber nicht mehr bei den Kirchen. «Darum wird die Gesellschaft in der Tat entkirchlichter, aber nicht unbedingt gottloser.»

Gesellschaft nicht unbedingt gottloser

So antworten in der Umfrage auf die Frage «wie religiös würden Sie sich selbst einschätzen?» auch nur 33 Prozent mit «gar nicht». Zugleich geben 38 Prozent an, «sehr» oder «ziemlich stark» an Gott zu glauben. Vor zehn Jahren waren das laut Stiftung aber noch 47 Prozent. Ein tägliches Gebet gehöre für 17 Prozent der Bevölkerung zum Alltag – 2013 galt das für 23 Prozent. Weit über 80 Prozent der Kirchenmitglieder meinen aktuell, dass man auch ohne Kirche Christ sein kann.

«Die Kirchen kreisen oft zu sehr um sich und sind zu geschlossenen Gesellschaften geworden», kritisierte Schüller. Hauptgründe für eine Abwendung seien «Kirchen, die, zumindest was die katholische Kirche angeht, zu sexualitätsfixierten Moralagenturen verkommen sind». Die tatsächlichen Fragen und Sorgen der Menschen würden häufig übersehen. Gütezeichen der christlichen Religion sei eine selbstlose Hinwendung zum Nächsten. Hier sollten die Kirchen sich einbringen, «ohne direkt wieder gesellschaftlichen und politischen Einfluss generieren zu wollen».

Deutliche Unterschiede zwischen West und Ost

Der Religionssoziologe Detlef Pollack von der Universität Münster wies darauf hin, «dass sich die religiösen Landschaften in Ost- und Westdeutschland gravierend unterscheiden». Im Westen seien noch immer knapp 60 Prozent der Bevölkerung Mitglied in der evangelischen oder katholischen Kirche, im Osten nur 20 Prozent. Meistens stehe vor dem Austritt «ein längerer Entfremdungsprozess von der Kirche und sehr oft auch vom Glauben». Bei den Katholiken spiele der Komplex Missbrauch eine zentrale Rolle.

Im «Religionsmonitor» sehen die Studienautoren in den christlichen Kirchen nach wie vor wichtige gesellschaftliche Akteure, die auch Stützen in Krisenzeiten sein könnten. Sie müssten sich aber «neu verorten». Infolge von Einwanderung sei Deutschland «heute ein multireligiöses Land». El-Menouar schilderte: «Sogar unter Kirchenmitgliedern hält eine Mehrheit die historisch gewachsenen Privilegien der katholischen und evangelischen Kirche für ungerecht und nicht mehr zeitgemäß.» Künftig müsse es auch darum gehen, wie andere – muslimische, buddhistische oder hinduistische – Religionsgemeinschaften vergleichbare Partizipationsrechte bekommen.

Pollack zufolge wird das Christentum von den meisten Menschen im Westen des Landes «als Fundament unserer Kultur» angesehen. «Nicht wenige finden es gut, dass es den Glauben und die Kirche gibt.» Und: «Ihre karitative und diakonische Arbeit wird allgemein hoch geschätzt.»

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