Ballettchef beschmiert Kritikerin mit Hundekot

Hannover (dpa) – Der Ballettchef der Staatsoper Hannover, Marco Goecke, hat bei einer Premiere die Kritikerin der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung», Wiebke Hüster, mit Hundekot beschmiert. Das sagte die Betroffene am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur. Sie habe Anzeige erstattet. Das Staatstheater bestätigte in einer Mitteilung den Vorfall bei der Premiere des Ballettabends «Glaube – Liebe – Hoffnung» am Samstag und entschuldigte sich. Arbeitsrechtliche Schritte gegen Goecke würden geprüft, hieß es.

Eine Sprecherin des Theaters bestätigte auch, dass es sich bei der Substanz um Hundekot gehandelt habe. Die Journalistin sagte, vor der Attacke habe Goecke ihr vorgeworfen, Kritiken mit persönlichen Angriffen zu schreiben. Frank Rieger, Landesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV) in Niedersachsen, sprach von einer Attacke auf die Pressefreiheit. Weiterlesen

CDU siegt klar bei Berlin-Wahl, Regierungsbündnis noch offen

Von Lena Klimpel und Torsten Holtz, dpa

Berlin (dpa) – Nach dem Triumph der CDU bei der Berlin-Wahl und der historisch beispiellosen Schlappe für SPD-Regierungschefin Franziska Giffey ist offen, welche Parteien in der Hauptstadt künftig die Regierung bilden.

Nach Auszählung aller Wahlkreise kommt die CDU mit ihrem Spitzenkandidaten Kai Wegner auf 28,2 Prozent – ein Plus von gut zehn Punkten im Vergleich zur Wahl 2021, die wegen der damaligen Pannen nun wiederholt wurde. Die Sozialdemokraten schnitten mit 18,4 Prozent so schlecht ab wie nie seit 1950 (2021: 21,4). Die Grünen, die seit 2016 mit Linken und SPD regieren, erreichten ebenfalls 18,4 Prozent (18,9), lagen aber 105 Stimmen hinter den Sozialdemokraten. Die AfD legte auf 9,1 zu (8,0). Ein bitterer Wahlabend war es für die FDP, die mit 4,6 Prozent aus einem weiteren Landesparlament flog (7,1).

Die Berliner CDU fuhr das stärkste Ergebnis seit gut 20 Jahren ein und erhob den Anspruch, eine Regierung unter ihrer Führung zu bilden. Möglich wäre ein Zweierbündnis – entweder mit der SPD oder den Grünen. Doch könnten auch SPD, Grüne und Linke ihre bisherige Koalition fortsetzen. Weil die SPD nach Auszählung aller Stimmen knapp vor den Grünen liegt, könnte Giffey in diesem Fall Regierende Bürgermeisterin bleiben.

Nach Angaben des Landeswahlleiters gibt es 159 Sitze. Davon erhält die CDU 52. Die SPD und die Grünen bekommen je 34 Mandate. Die Linke kommt auf 22 Sitze, die AfD auf 17.

Wegner: Haben Regierungsauftrag

CDU-Spitzenkandidat Wegner Kai Wegner SPD und Grüne bereits an heute Abend zu Sondierungsgesprächen einladen. Ziel sei es, Gespräche noch in dieser oder Anfang kommender Woche zu führen, sagte Wegner der Deutschen Presse-Agentur. «Jetzt ist nicht die Zeit für Taktierer, jetzt ist die Zeit für Macher. Der Regierungsauftrag liegt klar bei uns», so Wegner. «Die Berlinerinnen und Berliner haben den Wechsel gewählt.»

Der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz schrieb auf Twitter: «Der klare Regierungsauftrag für die CDU ist der erste Schritt hin zu unserem Ziel, dass die Bundeshauptstadt besser funktioniert.»

Giffey: Es geht um stabile Mehrheiten in der Regierung

Giffey sprach von einem schweren Abend für ihre SPD – «daran gibt es nichts zu deuteln». Doch sei es kein Automatismus, dass nun die CDU den Regierungschef stelle. «Auch ein Herr Wegner wird politische Mehrheiten organisieren müssen.» Giffey weiter: «Wenn die SPD in der Lage ist, eine starke Regierung anzuführen, dann ist das für uns ein Punkt, den wir nicht einfach zur Seite schieben können», sagte sie Giffey im RBB-Inforadio. Selbstverständlich werde die SPD aber auch Gespräche mit dem Wahlsieger Wegner führen. «Am Ende geht es darum, wer eine stabile Mehrheit im Abgeordnetenhaus organisieren kann und wo gibt es die größten inhaltlichen Schnittmengen für einen Weg, den wir begonnen haben.» Angesicht des schlechten Abschneidens ihrer Partei seien aber Konsequenzen erforderlich, so Giffey. «Egal, in welcher Konstellation wir agieren: Es braucht Veränderungen in der Stadt und in der Zusammenarbeit in der Regierung – da ist schon einiges aufzuarbeiten.»

Jarasch: Schwarz-grüne Koalition nur bei CDU-Zugeständnissen

Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch hält eine schwarz-grüne Koalition nur bei starken Zugeständnissen der CDU für möglich. «Es gibt bei den Grünen kein Bündnis ohne Mobilitäts- und Wärmewende, ohne Berlin wirklich klimaneutral umzubauen und ohne echten Mieterschutz», sagte Jarasch im RBB-Inforadio. Die Grünen-Politiker betonte jedoch erneut, dass sie eine Fortsetzung der Koalition von SPD, Grüne und Linke favorisiere. Der Koalitionsvertrag sei dafür eine gute Grundlage. Angesichts des denkbar knappen Wahlergebnis erwarte sie allerdings einen «wirklich partnerschaftlichen» Umgang, betonte Jarasch.

Experte: «Der Ball liegt bei der Union»

Wahlforscher Thorsten Faas erwartet nun eine langwierige Regierungsbildung. Trotz der hohen Zugewinne der CDU sei es schwierig, aus dem Wahlergebnis ein «Regierungssignal» herauszulesen, sagte Faas der Deutschen Presse-Agentur. «Der Ball liegt bei der Union. Aber ob es ihr gelingt, eine Mehrheit zu bilden, ist mehr als offen.» Der bisherige Senat werde in der Zwischenzeit im Amt bleiben. «Sollte sich eine der beiden Parteien für einen Wechsel zur CDU entscheiden, dann wird es für Grün oder Rot ein schwieriger Gang, weil das eigentlich gefühlt der politische Gegner ist», sagte der Politikprofessor an der Freien Universität Berlin.

Nach Einschätzung anderer Experten profitierte die CDU unter Wegner bei der gerichtlich angeordneten Wiederholungswahl von der Unzufriedenheit mit dem rot-grün-roten Senat. Nur selten habe es für Regierungspolitik schlechtere Noten gegeben, hieß es gestern Abend in einer Analyse der Forschungsgruppe Wahlen. Mitverantwortlich für das gute CDU- und das schwache SPD-Ergebnis sei auch gewesen, dass Giffey wenig Zugkraft entfaltet habe. Hinzu komme die Schwäche der FDP und eine gute Mobilisierung der CDU bei älteren Wählern.

Den Wahlforschern zufolge punktete die CDU besonders beim Thema Innere Sicherheit. SPD und Grünen bescheinigte die Forschungsgruppe Wahlen Kompetenzverluste bei den Top-Themen der Wahl – dem Wohnungsmarkt und dem Verkehr.

Landeswahlleiter zieht positive Bilanz

Wegen schwerwiegender Wahlpannen hatte das Landesverfassungsgericht die Wahl des Landesparlaments vom September 2021 und die Bezirkswahlen für ungültig erklärt – und eine Wiederholung angeordnet. Damals hatten lange Warteschlangen vor Wahllokalen sowie fehlende, vertauschte oder kopierte Stimmzettel bundesweit Schlagzeilen gemacht. An diesem Wahlsonntag lief alles glatt, wie Landeswahlleiter Stephan Bröchler sagte: «Es freut mich sehr, dass sich diesmal alles im grünen Bereich bewegt hat.» Auch die Auszählung lief zügig: Kurz nach Mitternacht waren alle Wahlbezirke ausgezählt.

Wahlberechtigt zur Abgeordnetenhauswahl waren etwa 2,4 Millionen Menschen. Die Wahlbeteiligung lag bei 63,1 Prozent. 2021 waren es 75,4 Prozent, doch wurde in dem Jahr gleichzeitig auch der Bundestag gewählt.

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Dax mit verhaltenem Start vor US-Inflationsdaten

Frankfurt/Main (dpa) – Vor wichtigen US-Inflationsdaten haben sich die Anleger am deutschen Aktienmarkt zum Wochenauftakt nicht allzuweit aus dem Fenster gelehnt. Im frühen Handel legte der Dax um 0,23 Prozent auf 15.343,19 Punkte zu. Am Freitag hatte der deutsche Leitindex rund 1,4 Prozent verloren und eine schwankungsreiche Woche mit einem Abschlag von gut einem Prozent beendet. Der MDax gewann am Montagmorgen 0,16 Prozent auf 28.439,20 Punkte. Der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 stieg um rund 0,4 Prozent. Der Fokus richtet sich bereits auf die Bekanntgabe der US-Verbraucherpreise am Dienstag und der Erzeugerpreise am Donnerstag.

Wie Impfgegner Promi-Todesfälle im Netz instrumentalisieren

Von Markus Bergmann, dpa

Berlin (dpa) – Corona-Impfstoffe gelten als sicher, Milliarden Impfdosen sind seit Ende 2020 weltweit verabreicht worden. Doch in den sozialen Netzwerken machen Impfgegner weiter Stimmung. Eine Methode: Todesfälle von prominenten, meist jungen Menschen in einen Zusammenhang mit Impfnebenwirkungen rücken – ohne irgendeinen Beleg.

So etwa im Fall Jeremy Ruehlemann: Das US-Model starb im Januar im Alter von nur 27 Jahren. Unter die Trauer mischen sich im Netz Kommentare von radikalen Impfgegnern. Auf Twitter etwa nutzen sie den Hashtag «#plötzlichundunerwartet». Der sarkastisch gemeinte Code drückt letztlich nur die zynische Haltung aus: Hier ist nichts unerwartet, denn wir haben ja immer gewarnt, dass die Impfung gefährlich ist. Dieses Narrativ sucht sich mit Promi-Todesfällen neue vermeintliche Beweise.

Dass Medien längst über Ruehlemanns tatsächliche Todesursache berichtet haben, spielt in der Szene keine Rolle. Gegenüber der englischen Boulevardzeitung «Daily Mail» sprach der Vater des Toten von einer Medikamentenabhängigkeit und einer tödlichen Überdosis.

Mehr Belege als einen irgendwie vermuteten Zusammenhang zwischen Impfung und Tod präsentieren Impfgegner in der Regel nicht. Im Falle Ruehlemanns kursierte als angeblicher Beweis ein Foto, das ihn in New York bei einer Corona-Impfung zeigt. Ursprünglich hatte Ruehlemann es im Jahr 2021 auf seinem Instagram-Account veröffentlicht. Nach seinem Tod sammeln sich unter diesem alten Posting nun Kommentare wie «Natürliche Auslese» oder «Da hat er sein eigenes Todesurteil unterzeichnet».

«Ganz typisches Muster von Verschwörungstheorien»

Solche teils menschenverachtenden Sätze zu Ruehlemann reihen sich ein in Reaktionen auf andere Todesfälle. So sammelten Impfgegner unter «#plötzlichundunerwartet» in den vergangenen Wochen auch Verstorbene wie Sängerin Lisa Marie Presley, Skifahrerin Rosi Mittermaier und Model Tatjana Patitz. Der Herzstillstand von American-Football-Profi Damar Hamlin während eines Spiels Anfang Januar wurde ebenfalls als Impfnebenwirkung gedeutet. Nicht immer sind bei diesen Menschen Todesursachen oder Erkrankungen bekannt, doch allen Fällen ist gemein: Auf einen Zusammenhang mit der Impfung deutet nichts hin – außer dem Raunen im Netz.

Die Hamburger Journalistikprofessorin Katharina Kleinen-von Königslöw forscht zu sozialen Netzwerken und Verhaltensweisen von Nutzerinnen und Nutzern. «Der Impfgegner-Hashtag folgt einem ganz typischen Muster von Verschwörungstheorien. Deren Reiz besteht ja darin, spielerisch Hinweise zu finden für ein größeres Muster dahinter», sagt sie. Und tatsächlich kann jeder Nutzer mittels des Hashtags zu der Sammlung von vermeintlichen Impf-Todesfällen beitragen.

Es gebe verschiedene Gruppen, die sich an dieser Impfschaden-Erzählung beteiligen. Neben überzeugten Impfgegnern und Menschen, die zum Beispiel ein unternehmerisches Interesse an der Verbreitung von Verschwörungstheorien hätten, seien da Menschen, «die vielleicht einfach Fan waren oder die verstorbene Person interessant fanden», sagt Kleinen-von Königslöw. Bei dieser Gruppe bestehe die Gefahr, dass sie sich in die Verschwörungstheorie hereinziehen lasse. Denn es gebe verbreitet Unsicherheiten und «viele gute Gründe, warum man die Impfung unheimlich finden konnte: die schnelle Entwicklung der Impfstoffe und die neue mRNA-Technologie etwa».

Die konkrete Wirkung des Hashtags «plötzlichundunerwartet» besteht darin, dass er zu einer selektiven Wahrnehmung führt: «Wenn man einmal auf diesen vermeintlichen Trend aufmerksam gemacht wurde, fällt es viel stärker auf», sagt Kleinen-von Königslöw. Aus vielen Einzelfällen werde so der Eindruck: Todesfälle häufen sich – und der Grund kann nur sein, dass die Corona-Impfung schädlich ist.

Schwere Nebenwirkungen der Corona-Impfstoffe sehr selten

Tatsächlich sind schwere Nebenwirkungen der Corona-Impfstoffe sehr selten. In Deutschland führt das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) Statistiken über die Sicherheit der Impfungen. Ausgewertet werden zum Beispiel Meldungen über Verdachtsfälle von Nebenwirkungen. Auf diese Weise wurde etwa bekannt, dass in sehr seltenen Fällen nach der Impfung Herzmuskelentzündungen auftraten. Impfempfehlungen wurden daraufhin angepasst.

Anfang 2022 meldete das PEI 85 Todesfälle, bei denen ein «ursächlicher Zusammenhang mit der Corona-Impfung als möglich oder wahrscheinlich» eingestuft wurde. Verabreicht waren zu diesem Zeitpunkt fast 150 Millionen Impfdosen. Die Zulassung von Impfstoffen ist eine Frage der Abwägung: Übersteigt der Schutz, den sie bieten, die Risiken? Die Ständige Impfkommission sieht das bei Corona als gegeben: Die Impfung wird weiter empfohlen.

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Eine Woche nach den Erdbeben: Tausende noch vermisst

Damaskus/Istanbul (dpa) – Genau eine Woche nach den katastrophalen Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet mit Zehntausenden Toten wird das Ausmaß immer deutlicher.

Auch wenn die Überlebenschancen mit jeder Stunde sinken, geben die Einsatzkräfte die Hoffnung nicht auf. Eine Frau in der Südosttürkei ist nach 170 Stunden unter Trümmern lebend geborgen worden. Die Retter holten die 40-Jährige am Morgen in Gaziantep aus der Ruine eines fünfstöckigen Hauses hervor, wie der Staatssender TRT berichtet.

Am frühen Montagmorgen vor einer Woche hatte das erste Beben der Stärke 7,7 um 2.17 Uhr MEZ die Region erschüttert, Stunden später folgte ein zweites schweres Beben der Stärke 7,6. Die Zahl der bestätigten Toten liegt inzwischen bei mehr als 35.000. Weiterlesen

Google weitet Kampagne gegen Fake News aus

New York/Berlin (dpa) – Der Internetriese Google will künftig auch in Deutschland Fehlinformationen im Netz vorbeugend bekämpfen. Dazu weitet das Google-Tochterunternehmen Jigsaw eine entsprechende Video-Aufklärungskampagne auf das deutschsprachige Internet aus. Das kündigte das Unternehmen in Berlin an. Bislang hatten sich die vorbeugenden Aktivitäten auf Polen, die Tschechische Republik und die Slowakei konzentriert.

Die Kampagne basiert auf Untersuchungen von Psychologen an den britischen Universitäten Cambridge und Bristol, die ein Konzept der Fehlinformation-Vorbeugung («Prebunking») entwickelt haben. Dabei sollen die Zuschauerinnen und Zuschauer dafür sensibilisiert werden, wenn vermeintlich neutrale Informationen nur dazu gedacht seien, Menschen etwas vorzugaukeln, was nicht der Wahrheit entspricht. Ein Anzeichen für manipulative Inhalte sei Sprache, die emotional berühre. Verdächtig sei auch, wenn bestimmte Gruppen pauschal für Missstände verantwortlich gemacht würden, die sie gar nicht zu vertreten hätten. Weiterlesen

CDU-Spitzengremien beraten über Parteiausschluss von Maaßen

Berlin (dpa) – Die Spitzengremien der CDU beraten heute über ein mögliches Parteiausschlussverfahren gegen den früheren Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen.

Bei den Treffen, die am Tag nach der Wiederholungswahl zum Berliner Abgeordnetenhaus anstehen, wird sich zunächst das Präsidium und dann der Bundesvorstand mit dem Thema befassen. Parteichef Friedrich Merz gibt mittags auch eine Pressekonferenz – zusammen mit dem Berliner Spitzenkandidaten Kai Wegner.

Es wird damit gerechnet, dass der Vorstand ein Parteiausschlussverfahren beschließt, nachdem Maaßen eine Aufforderung des Präsidiums zum freiwilligen Austritt bis zum 5. Februar ignoriert hatte. «Wir werden es heute im Bundesvorstand beraten, und ich denke dann auch beschließen», sagte CDU-Generalsekretär Mario Czaja ARD-«Morgenmagazin». Ausschlussverfahren gelten jedoch als schwierig, die Anforderungen dafür sind hoch. Weiterlesen

Neuer Rückzugsort für Reichsbürger? Unruhe in der Uckermark

Von Monika Wendel, dpa

Lychen (dpa) – Hauptstädter haben die dünn besiedelte Uckermark längst als Naturidyll entdeckt, brandenburgische Wälder und Seen zum Runterkommen. Das Flößerstädtchen Lychen, das noch ein wenig im Winterschlaf liegt, gilt im Sommer als Eldorado für Paddler. Auch das kleine Straßendorf Rutenberg, das zu Lychen gehört, heißt Touristen und stressgeplagte Berliner in Wochenendhäuschen willkommen. Doch jetzt könnte dort ein Rückzugsort für Reichsbürger entstehen.

Die Unruhe ist groß, seit bekannt wurde, dass sich die Organisation, die sich «Königreich Deutschland» nennt, womöglich auch in Brandenburg ansiedeln will. Zuletzt kaufte die Gruppierung, die die geltende Rechts- und Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland ablehnt, zwei Schlösser in Sachsen.

Bürger wehren sich gegen «völkische Landnahme»

Der brandenburgische Verfassungsschutz warnt vor Gefahren für die innere Sicherheit und befürchtet, dass Anhänger um den selbst ernannten Monarchen «Peter I.» auch in Rutenberg Fuß fassen. Die Bürger wollen sich gegen eine «völkische Landnahme», wie es auf Flugblättern hieß, stemmen und schließen sich in einer Bürgerinitiative zusammen. «Es ist unangenehm, wenn man weiß, dass hier Leute sind mit solchem Unsinn im Kopf», sagt Martin Hansen, der neben der mittelalterlichen Kirche in Rutenberg wohnt. «Wir können nur verhindern, dass es immer mehr werden.»

Das «Königreich Deutschland», das 2012 in Wittenberg in Sachsen-Anhalt ausgerufen wurde, wirbt im Internet mit einer «goldenen Zukunft» und eigenem Staatsgebiet. 2022 sei das Königreich stark gewachsen, sagt der Sprecher der Gruppierung, Marco Ginzel, in einem Video. Es sollen autarke «Gemeinwohldörfer» entstehen, was Verfassungsschützer in Sachsen seit einiger Zeit wachsam sein lässt.

Peter Fitzek, Kopf der Gruppe, sagt: «Meine Vision ist, dass wir ein eigenversorgtes Dorf hinbekommen, wo wir eigentlich alles das machen können, was man da draußen nur schwerlich tun kann.» Spielt das brandenburgische Rutenberg an der nordwestlichen Ecke der Uckermark dafür eine wichtige Rolle?

Es geht um mehr als 40 Hektar Land

Fitzek, der sich auch Menschensohn nennt, wurde an den weiten Feldern am Rande des Dorfes entdeckt, wie in einem Video und Beitrag des ARD-Magazins «Kontraste» zu sehen war. Vor allem aber ein Strohmann hielt laut Verfassungsschutz für das «Königreich» Ausschau nach Land und Immobilien. Es geht in Rutenberg vor allem um mehr als 40 Hektar Land, das einer Agrar-Genossenschaft «Am Eichengrund» gehört. Ein Genossenschaftsmitglied betreibt einen landwirtschaftlichen Hof und gilt dem Verfassungsschutz zufolge als Anhänger der Gruppierung. Zudem ist auf einer – wenn auch unfertigen – Internetseite im Zusammenhang mit Rutenberg vom «Staatsbetrieb im KRD» zu lesen.

Der Sprecher des «Königreichs», Ginzel, antwortet auf Fragen schriftlich: «Der Gemeinwohlstaat Königreich Deutschland ist daran interessiert, mit verschiedenen Kooperationspartnern Projekte zur Lebensmittelversorgung zu initiieren, die die verfassungskonforme Lebensmittelproduktion zur Versorgung der Menschen im Königreich Deutschland ermöglichen.» Es handle sich um Bio-Landwirtschaft. Die Ängste der Menschen in Rutenberg halte er für unbegründet, die Organisation stehe aber für Gespräche zur Verfügung.

Experten warnen davor, die Gruppe, die nicht nur im Osten Deutschlands Projekte anstrebt, als Spinner und harmlose Esoteriker abzutun. Der Leipziger Fachreferent für Verschwörungsideologien bei der Amadeu Antonio Stiftung, Benjamin Winkler, spricht von einer «Verschleierungstaktik». Es werde vorgegeben, dass die Gemeinschaft nur Lebensmittel produzieren und alternative Wohnkonzepte ausprobieren wolle.

Klar antisemitische Äußerungen

Das «Königreich Deutschland»» verfolge eine perfide Strategie, sagt auch der brandenburgische Verfassungsschutzchef Jörg Müller der dpa. Fitzek, der sich klar antisemitisch äußere, wolle die Menschen psychisch abhängig machen und lebe davon, Leute auch finanziell auszunehmen.

Die Sicherheitsbehörden sprechen von einer sektenähnlichen Struktur und «pseudo-legitimierten Parallelstrukturen». Sie rechneten dem Milieu der «Reichsbürger und «Selbstverwalter» in Deutschland im Jahr 2022 insgesamt 23.000 Personen zu – das waren 2000 Anhänger mehr als 2021. In Brandenburg sollen es um die 650 sein.

Das verbindende Element in der Szene sei die fundamentale Ablehnung der Legitimität der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtsordnung, heißt es im Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Gerade auch in Krisenzeiten könnten solche Gruppen mehr Menschen anlocken, die etwa auf Sinnsuche seien, glaubt der Experte bei der Amadeu Antonio Stiftung, Winkler. «Man greift psychische Probleme von Menschen auf und bietet ihnen ein vermeintlich besseres Leben an.»

Die Künstlerin und Fotografin Marieken Verheyen, die in dem 180-Einwohner-Ort Rutenberg wohnt, ist über Demokratiefeinde empört. «Das Dorf will das so nicht haben», sagt sie. Alteingesessene leben dort schon länger zusammen mit Zugezogenen. Hofläden mit Bio-Lebensmitteln, Hühner, Schafe, Pferde gehören zum typischen Bild. Bewohner zeigen sich auch besorgt, dass Dutzende Anhänger des «Königreichs» die komplette Dorfgemeinschaft kippen könnten.

Eingreifmöglichkeiten begrenzt

Rainer Dewies, der etwa 2,5 Kilometer entfernt vom Dorfkern einen landwirtschaftlich Betrieb hat und aus dem Rheinland stammt, sagt dagegen: «Ich bin nicht beunruhigt.» Er glaube, dass solche Vorhaben auf Dauer keinen Erfolg haben. «Irgendwann zerstreiten die sich immer.»

Die Behörden in der Uckermark jedenfalls scheinen aufgerüttelt, wenngleich Möglichkeiten, einzugreifen, wahrscheinlich begrenzt sind. «Wir können nicht verhindern, dass ein Reichsbürger ein Gebäude kauft», sagt Verfassungsschützer Müller. Die Ämter versuchen vielmehr über das Bau- und Ordnungsrecht aktiv zu werden.

Bei einem «Runden Tisch» noch im Februar wollen Experten mit Verantwortlichen von der Stadt Lychen und von Ministerien über den weiteren Umgang mit den Reichsbürgern beraten. Landrätin Karina Dörk (CDU) sagt, auch die Schulpflicht für Kinder, die den staatlichen Einrichtungen entzogen werden, solle endlich durchgesetzt werden. «Aber wir müssen unsere Entscheidungen völlig unabhängig davon treffen, wie sympathisch oder unsympathisch, wie nachvollziehbar oder krude ihre Theorien sind. Wir haben nach geltendem Recht zu bewerten und zu entscheiden. Das tun wir.»

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Mit oder ohne Plastik? «Strüßjer»-Streit vor Rosenmontag

Köln (dpa) – Rund 300.000 «Strüßjer» werfen die Karnevalisten beim Kölner Rosenmontagszug in die Menge. Die Zuschauer fangen sie eifrig auf und stopfen sie in ihre Beutel. Wegen dieser etwas groben Behandlung sind die kleinen Sträußchen – bestehend aus einer Blume und grünem Beiwerk – traditionell in Plastik verpackt. Doch wenn es nach dem Festkomitee Kölner Karneval geht, sollen die Zugteilnehmer künftig auf die Plastikverpackung verzichten.

«Wir setzen an verschiedenen Stellen an, um den Rosenmontagszug Schritt für Schritt nachhaltiger und umweltfreundlicher zu gestalten», erklärt Zugleiter Holger Kirsch. «Dazu gehört ganz klar auch Müllvermeidung, etwa durch Mehrwegbecher im Pfandsystem oder eben auch durch umweltfreundlich verpackte Strüßjer.» Plastikverpackungen seien da nicht nötig. «Das Festkomitee verzichtet daher ganz darauf und hat auch seine Gesellschaften dazu aufgerufen.» Weiterlesen

Abgasnorm: Mercedes-Betriebsratschef kritisiert Zeitplan

Sindelfingen (dpa) – Mercedes-Betriebsratschef Ergun Lümali hat die Pläne der EU-Kommission für die Abgasnorm Euro 7 kritisiert. «Der Einführungstermin ist unrealistisch und passt nicht zur Transformation der Werke», sagte Lümali der Deutschen Presse-Agentur.

Derzeit ist vorgesehen, dass die Regeln ab Mitte 2025 für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge in Kraft treten sollen. Laut Lümali benötigten die technischen Lösungen dafür deutlich mehr Zeit. Zwar seien die Techniker und Entwickler bei Mercedes sicher in der Lage, Lösungen zu finden, aber nicht in diesem Zeitrahmen. Weiterlesen

Pfarrer wegen sexueller Nötigung vor Gericht

Saarbrücken/Trier (dpa) – Ein Pfarrer im Ruhestand aus dem Bistum Trier muss sich von diesem Montag an (9.00 Uhr) wegen des Verdachts der sexuellen Nötigung vor dem Landgericht Saarbrücken verantworten. Im Jahr 1997 soll der damalige Pfarrer laut Anklage in einem Pfarrhaus im saarländischen Freisen einen 14 Jahre alten Messdiener sexuell motiviert berührt und dazu körperliche Gewalt angewendet haben. Der Junge soll sich laut Staatsanwaltschaft Saarbrücken gewehrt und sich schließlich der Situation durch Flucht entzogen haben. Weiterlesen

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