VW: Anhörung zu Sklavenarbeits-Vorwurf in Brasilien

Brasília (dpa) – Hat es vor Jahrzehnten Sklavenarbeit auf der Amazonas-Farm eines Tochterunternehmens von Volkswagen do Brasil gegeben?

Die für Arbeitsrecht zuständige brasilianische Staatsanwaltschaft geht dieser Anschuldigung nach und führte am Dienstag Gespräche mit den Anwälten des Autobauers in der Hauptstadt Brasília. Wie die Anklagebehörde mitteilte, forderte sie von dem Unternehmen weitere Dokumente an, aus denen das Ausmaß entstandener Schäden und die Zahl betroffener Arbeiter ersichtlich werden sollten. Bei der Angelegenheit geht es um angebliche Missstände in den 1970er und 80er Jahren.

Für den 29. September wurde den Angaben zufolge eine neue Anhörung anberaumt. Dann solle es auch eine schriftliche Stellungnahme von Volkswagen do Brasil geben, sagte der zuständige Staatsanwalt Rafael Garcia Rodrigues der Deutschen Presse-Agentur. «Die Staatsanwaltschaft ist zuversichtlich, dass wir am Ende die angemessene Wiedergutmachung haben werden», so Garcia Rodrigues.

Großbetrieb mit Viehzucht

Bei der «Fazenda Volkswagen», einem Großbetrieb mit Viehzucht, handelte es sich dem Ermittler zufolge um eine der größten Unternehmungen im ländlichen Amazonasgebiet. Der Autokonzern wollte damals in das Fleischgeschäft einsteigen. Die Farm wurde in den 1970er Jahren gegründet und von der brasilianischen Militärdiktatur unterstützt. Sie war rund 1390 Quadratkilometer groß und hatte etwa 300 Arbeiter. Die für die Rodung zuständigen Leiharbeiter, auf die sich der Vorwurf der Sklavenarbeit vor allem bezieht, waren nicht direkt bei dem Tochterunternehmen angestellt.

Die Untersuchung hierzu begann 2019, nachdem die Staatsanwaltschaft belastende Unterlagen von einer Forschungsgruppe für Sklavenarbeit an der Bundesuniversität von Rio de Janeiro bekommen hatte.

Staatsanwalt: Unzumutbare Zustände auf der Farm

«Wir können versichern, dass wir die geschilderten Vorgänge auf der Fazenda Rio Cristalino sehr ernst nehmen», sagte ein Sprecher der Volkswagen AG auf Anfrage, als die brasilianische Staatsanwaltschaft VW do Brasil vor zwei Wochen vorgeladen hatte. Man wolle sich aufgrund eines möglichen rechtlichen Verfahrens in Brasilien jedoch nicht weiter äußern, hieß es damals.

«Das, was auf der Fazenda passiert ist, stellt schwere Menschenrechtsverletzungen dar, auch weil Sklavenarbeit eingesetzt wurde», sagte Staatsanwalt Garcia Rodrigues. «Da sie Eigentum von Volkswagen war, ist das Unternehmen auch dafür verantwortlich.» Er sprach etwa von unzumutbaren Unterkünften mit miserablen Hygienebedingungen, Gefahren für die Gesundheit und fehlendem Trinkwasser. Gemangelt habe es auch an frischen Nahrungsmitteln auf der als «Fazenda Volkswagen» bekannten Farm in Santana do Araguaia im Bundesstaat Pará. Zudem hätten bewaffnete Wachleute und ein System der Schuldknechtschaft die Arbeiter am Verlassen der Farm gehindert. Dies seien Merkmale von moderner Sklavenarbeit.

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Russischer Staatsterror? Prozess um geplanten Mord

München (dpa) – Vor einem halben Jahr führte das Urteil im «Tiergarten-Mord» zu diplomatischen Verwicklungen zwischen Russland und Deutschland. Vor dem Oberlandesgericht München geht es heute nun um einen ganz ähnlichen Fall.

Der Russe Valid D. soll im Auftrag der tschetschenischen Regierung den Mord an einem in Deutschland lebenden Oppositionellen und Kritiker des Putin-treuen tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow vorbereitet haben.

«Anklage wegen Sichbereiterklärens zu einem Mord im staatlichen Auftrag», schreibt der Generalbundesanwalt in seiner Mitteilung. Er wirft ihm außerdem die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat und Verstöße gegen das Waffengesetz vor.

Fall erinnert an Tiergarten-Mord

Der Fall ähnelt dem «Tiergarten-Mord» in Berlin. Wegen der Erschießung eines Georgiers im August 2019 in der Parkanlage Kleiner Tiergarten war ein Russe Mitte Dezember 2021 zu lebenslanger Haft verurteilt worden.

Im Urteil war von «Staatsterrorismus» die Rede: Nach Überzeugung der Richter handelte der 56-Jährige im Auftrag staatlicher russischer Stellen. Russland wies solche Vorwürfe zurück. Das Urteil führte zu diplomatischen Verwerfungen zwischen Deutschland und Russland. Beide Staaten wiesen jeweils mehrere Diplomaten des anderen Landes aus.

«Vom Prinzip her ist der Fall ähnlich gelagert, wie der Tiergarten-Mord», sagte die Tschetschenien-Expertin Miriam Katharina Heß von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. «Man kann ihn in die Tradition russischer Auftragsmorde in Europa setzen.»

Tat war offenbar geplant

Das Vorgehen sei immer das gleiche, sagt Heß: Das Ziel sei immer jemand, der sich kritisch über die russische Regierung oder das Kadyrow-Regime äußere.

Der sogenannte Tiergarten-Mord ereignete sich im August 2019. Foto: Paul Zinken/dpa

Und dann suche dieses Regime sich «eine zufällig ausgewählte Person aus der Zivilbevölkerung», die keine offensichtliche Beziehung zum russischen Staatsapparat hat.

Laut Anklagebehörde soll der nun angeklagte Mann zugesagt haben, die Tat zu begehen. Den Angaben zufolge besorgte er sich eine Schusswaffe mit Munition und Schalldämpfer, brachte die Adresse des Opfers in Erfahrung und spähte im Sommer 2020 dessen Wohnort aus. Er wurde festgenommen, bevor er die mutmaßlich geplante Tat durchführen konnte.

Ob das Oberlandesgericht München in dem neuen Fall ähnlich entscheidet und auch die explizite Verbindung zu Russland herstellt, wie es das Berliner Gericht getan hat, ist nun die spannende Frage.

 

 

 

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Mutmaßliches IS-Mitglied festgenommen

Karlsruhe (dpa) – Er soll Propaganda der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) ins Deutsche übersetzt und hierzulande über den Messenger-Dienst Telegram verbreitet haben – nun haben Beamte des Bundeskriminalamts einen Mann in Römerberg, zwischen Landau in der Pfalz und Heidelberg, festgenommen. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe verdächtigt den Deutschen nach Angaben vom Dienstag, eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet zu haben und Mitglied in einer terroristischen Vereinigung im Ausland zu sein. Er kam in Untersuchungshaft.

Der Mann habe unter anderem versucht, sich in Syrien vom IS militärisch ausbilden zu lassen, und habe dann an Kampfhandlungen oder terroristischen Anschlägen mitwirken wollen. Jedoch scheiterte die Einreise in die IS-Gebiete den Angaben nach zweimal. Daher habe der Mann von Deutschland aus agiert. «Seine Aufgabe bestand vor allem darin, offizielle Texte, Videos oder Audiobotschaften des IS aus dem Arabischen ins Deutsche zu übersetzen und auf verschiedenen Kanälen des Messenger-Dienstes Telegram im deutschsprachigen Raum zu verbreiten», hieß es weiter. Der IS betrachte dies als gleichwertig mit der unmittelbaren Beteiligung am gewaltsamen Dschihad.

Der Einsatz sei mit Ermittlungsbehörden in der Schweiz koordiniert gewesen, erläuterte die Bundesanwaltschaft. Dort habe es zeitgleich Festnahmen und Durchsuchungen gegen drei Beschuldigte gegeben.

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Missbrauchsstudie aus Münster sieht Kirche als Täterschützer

von Carsten Linnhoff, dpa

Münster (dpa) – Was ihn am meisten überrascht hat? Der Historiker Thomas Großbölting bringt es auf den Punkt: «Wie viele doch über die Jahre von den Missbrauchsfällen etwas gewusst haben.»

Das Wissen zog sich über Bischöfe, Personalverantwortliche und christliche Laien bis hin zu Staatsanwälten. Im Auftrag des Bistums Münster hat Großbölting in einem Fünfer-Team mehr als zwei Jahre an einer Studie zu sexuellem Missbrauch gearbeitet. Dabei ging es nicht nur um die Frage, wie viele Fälle es in dem Bistum zwischen 1945 und 2020 gab, sondern auch darum, ob die Kirche Mitschuld trägt.

Und ja, das System Kirche sei als Täter aufgetreten, ist Großbölting überzeugt. Der Priester als Kleriker sei in der katholischen Kirche überhöht und als geweihter Nachfolger Christi quasi als Heiliger dargestellt worden. «Die Gottes- und Nächstenliebe wurde pervertiert», sagt Großbölting bei der Vorstellung der Studie am Montag. Gerade junge Missbrauchsopfer zwischen 10 bis 14 Jahren, oft Messdiener, kamen gegen das System nicht an. Ihnen wurde nicht geglaubt. Viele waren traumatisiert, sprachen erst nach vielen Jahren.

Massives Problem im System

Auch im System der Bistumsleitung sehen die Forscher ein massives Problem. Bischöfe sollten Richter, Vorgesetzter und Seelsorger gleichzeitig sein. Das habe fatale Folgen gehabt. Auch die katholische Sexualmoral habe Verbrechen begünstigt. Die Zahl der beschuldigten Priester und Missbrauchsopfer ist demnach deutlich höher als bekannt. Demnach gab es im Bistum Münster in den 75 Jahren annähernd 200 Kleriker, die sich schuldig machten, und mindestens 610 minderjährige Opfer. Die Dunkelziffer ist erheblich höher. Die Forscher gehen von 5000 bis 6000 Opfern aus.

Großbölting widersprach zudem der Schilderung des 2008 verstorbenen Bischofs Reinhard Lettmann, der von Einzelfällen gesprochen hatte. Missbrauchsfälle habe es flächendeckend in allen Dekanaten des Bistums auf seinem Gebiet in Nordrhein-Westfalen und rund um Vechta im Oldenburger Münsterland (Niedersachsen) gegeben. Viele hätten davon gewusst, sagte Großbölting. Er sprach von Vertuschung.

Forscher konstatieren jahrzehntelanges Versagen

Nachweisen konnten die Forscher jahrzehntelanges Versagen in der Bistumsleitung und Strafvereitelung in verschiedenen Fällen. Dabei standen die drei Bischöfe Joseph Höffner (Amtszeit: 1962-1969), Heinrich Tenhumberg (1969-1979) und Reinhard Lettmann (1980-2008) im Mittelpunkt. Immer wieder wurden straffällig gewordene Priester nur versetzt – und wieder zu Tätern. Bei anderen setzte sich die Bistumsleitung bei der Staatsanwaltschaft ein. Ermittlungsverfahren wurden eingestellt, Gerichtsverfahren zur Farce. Ein Täter floh nach Südamerika. Ein anderer setzte sich nach Österreich ab.

Dem jetzigen Bischof Felix Genn werfen die Forscher vor, als Vorgesetzter gegenüber reuigen Tätern nicht die nötige Strenge gezeigt zu haben. Genn will sich zu der Studie erst am Freitag näher äußern. Grobölting lobte aber bereits die Zusammenarbeit. Sein Team habe wie versprochen unabhängig arbeiten können. Neben der Auswertung der Aktenarchive führten die Wissenschaftler Interviews mit mehr als 60 Betroffenen.

Einen Tag vor der offiziellen Präsentation wurde die Studie einigen Opfern vorgestellt. Bei der Übergabe des Gutachtens kündigte Genn nun schon weitere Konsequenzen an. «Das ist für mich eine Verpflichtung, an der ich mich messen lassen möchte», sagte der Bischof zunächst ganz knapp.

Reaktionen von Betroffeneninitiative und Zentralkomitee

Die Betroffeneninitiative Eckiger Tisch bezeichnete das Ergebnis der Mehrfachtäter (40 Prozent der Beschuldigten) als erschreckend. «Hätte die Leitungsebene des Bistums das rechtlich Richtige und das moralisch Gebotene getan und diese Täter aus dem Klerikerstand entfernt, dann wäre vielen Kindern Leid erspart blieben», sagte Sprecher Matthias Katsch laut Mitteilung.

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) würdigte die Studie aus Münster als entscheidende Ergänzung zu den bislang juristischen Gutachten aus anderen Bistümern. «Der spezifische Ansatz in Münster, vom Bistum gewollt, fragt nicht nur nach Tätern und Betroffenen, nach Straftaten und deren Häufigkeit, sondern untersucht auch den Katholizismus in seiner Binnenstruktur», sagte ZdK-Generalsekretär Marc Frings.

In den Blick komme die Machtstellung des Priesters, kämen die Rollenkonflikte der kirchlichen Vorgesetzten der Täter und die über Jahrzehnte dominante Konzentration auf das Image der Kirche – nicht auf die Betroffenen von sexueller Gewalt, hieß es in einer Mitteilung.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) betonte nach Vorstellung der Studie, dass es bei Aufklärung und Aufarbeitung noch großen Handlungsbedarf gebe. «Ganz klar ist: Wenn der Verdacht von Straftaten im Raum steht, gibt es kein kirchliches Sonderrecht. Es gilt das Legalitätsprinzip: Die Staatsanwaltschaften müssen Ermittlungsverfahren einleiten, wenn sie von verfolgbaren Straftaten Kenntnis erlangen. Dies gilt auch, wenn es sich um Angestellte oder Würdenträger der Kirche handelt», sagte Buschmann laut Mitteilung.

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Generalvikar verlässt enttäuscht katholische Kirche «Nur ohne mich»

Von Wolfgang Jung, dpa

Speyer (dpa) – Am Ende fehlte Generalvikar Andreas Sturm schlicht die Hoffnung. Er habe keine Zuversicht mehr in die Reformfähigkeit der römisch-katholischen Kirche, sagte der ranghohe Geistliche in Speyer – und trat in einem drastischen Schritt aus der Kirche aus.

Sturms Entscheidung erschütterte vor wenigen Wochen das Bistum in der pfälzischen Domstadt. Von einem «gewaltigen Schock» spricht Bischof Karl-Heinz Wiesemann. Ob die schleppende Aufarbeitung des Missbrauchsskandals, das lähmende Innenleben der Institution Kirche – oder die Sehnsucht nach einer Familie: Nur Sturm weiß, was ihn am Ende getrieben hat. Über seine Motive gibt ein Buch nun Auskunft.

«Ich muss raus aus dieser Kirche», heißt das Werk, das in diesen Tagen im Verlag Herder erscheint (ISBN: 978-3-451-03398-8). Darin beschreibt der 47-Jährige seinen Werdegang vom überzeugten Geistlichen zum Zweifler. «Eigentlich ist es mir erst heute im Rückblick klar, dass es ein langer Weg der Entfremdung war», meint Sturm unter anderem. Das Buch solle auch zeigen, wie sehr er noch an der Kirche hänge und dass er ihr alles Gute wünsche. «Nur ohne mich.»

Der Schritt verdeutlicht die Krise der Kirche. Ein Beispiel: Während beim Katholikentag in Münster 2018 noch 50.000 Dauerteilnehmer dabei waren, waren es jüngst in Stuttgart 19.000. Die Missbrauchsskandale erschüttern die Kirche immer noch in ihren Grundfesten, ebenso wie der Reformstau, die massenhafte Abkehr und der Bedeutungsverlust der Institution. Heute gehört nur noch eine Minderheit – weniger als die Hälfte der Bevölkerung – einer der beiden Großkirchen an.

«Das kann nicht Gottes Wille sein»

Sturm galt im Bistum als Reformer. Als der Vatikan sich gegen die Segnung homosexueller Partnerschaften aussprach, stellte sich der damalige Generalvikar öffentlich dagegen: «Ich habe Wohnungen, Autos, Fahrstühle, unzählige Rosenkränze und so weiter gesegnet und soll zwei Menschen nicht segnen können, die sich lieben? Das kann nicht Gottes Wille sein.» Er beklagte auch die Diskriminierung von Frauen.

Doch ob das Verhältnis zu Frauen oder zu Homosexuellen: «Das sind weltkirchlich noch immer keine Themen», kritisiert Sturm in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Er habe nicht den Eindruck, dass der Vatikan wirklich Verständnis habe für die aktuelle Situation. «Solange Rom glaubt, es müsse alles überall wie eine Art Konzernzentrale steuern, denke ich nicht, dass sich etwas ändert.»

Sturm ist ausgetreten – und gleichzeitig der Altkatholischen Kirche beigetreten, für die er künftig als Priester am Bodensee arbeitet. Die Altkatholische Kirche entstand nach den Entscheidungen des Ersten Vatikanischen Konzils von 1870, wonach der Papst die oberste rechtliche Gewalt in der katholischen Kirche ausübt und in Fragen des Glaubens unfehlbar ist. Das Bistum der Altkatholiken in Deutschland umfasst rund 60 Gemeinden in nahezu allen Bundesländern.

Beispielloser Vorgang

Der Kirchenexperte und Buchautor Andreas Püttmann («Wie katholisch ist Deutschland… und was hat es davon?») nennt es einen «Paukenschlag», dass ein ranghoher Geistlicher nicht nur sein Amt aufgibt, sondern auch in eine andere Kirche eintritt und zur Begründung ein Buch schreibt. «Dieser beispiellose Vorgang zeigt, was die Stunde geschlagen hat für die katholische Kirche in der modernen, liberalen Gesellschaft.» Für die Altkatholische Kirche sei der prominente Übertritt «ein Coup», meint er. «Viele frustrierte Katholiken haben sie als Alternative gar nicht auf dem Schirm.»

Aus Sturms Worten sei erkennbar, dass es sich um einen lange gereiften Entschluss handele, sagt Püttmann. «Er bleibt differenziert und drückt auch Dankbarkeit, ja sogar Liebe zu seiner bisherigen Berufung aus. Man müsste schon ein Herz aus Stein haben, um da einfach die Nase über einen sogenannten Abtrünnigen zu rümpfen.»

«Ich muss raus aus dieser Kirche, in der Missbrauchstäter viel zu lange ihre Verbrechen durchführen konnten und gedeckt wurden», schreibt Sturm im Buch. «Ich muss raus aus dieser Kirche, in der Frauen nicht geweiht werden, weil wir ihre Berufung schlicht negieren und eine Weihe als unmöglich ablehnen.» Raus aus einer Kirche, in der Priester nicht heiraten dürften. Sturm räumt einen Bruch des Zölibats ein. «Es gab in meinem Leben Beziehungen, und ich weiß leider nur zu gut, wie sehr ich durch Heimlichtuerei Menschen verletzt habe.»

Glücklicher mit Partnerin?

Als Priester komme man oft mit vielen Eindrücken nach Hause, und da sei dann niemand, sagt Sturm. «Da ist viel Einsamkeit. Mir ist es nicht gelungen, das immer allein im Gebet aufzufangen.» Für die Zukunft wolle er in Richtung Familie nichts ausschließen. «Ich gehe derzeit nicht in die aktive Planung. Aber ich glaube, ich könnte glücklicher werden mit einer Partnerin an meiner Seite.»

Der in Frankenthal (Pfalz) geborene Sturm war mehr als vier Jahre lang Generalvikar. Immer wieder sei er bei Reformbemühungen «mit dem Kopf gegen die Wand gelaufen», erzählt er. «Irgendwann ist Ihnen ihr Kopf zu schade.» Sein Buch sei keine Abrechnung mit der katholischen Kirche. «Ich verdanke ihr viel. Was ich will: den riesigen Reformstau aufzeigen.» Er bereue den Schritt nicht, betone aber auch: «Ich bitte alle um Verzeihung, die ich durch diesen Schritt enttäusche, verletze und verärgere – ich hatte einfach keine Kraft mehr.»

Überflüssig sei Kirche nicht, meint Sturm. «Wir haben der Welt viel zu sagen. Die Botschaft ist toll und immer noch notwendig.» Die römisch-katholische Kirche müsse sich aber dringend um jene Themen kümmern, «die man eigentlich sehr schnell klären» müsste. «Dann können Kirchen wieder Strahlkraft entwickeln.» Das sei ihm am Ende in Speyer nicht mehr möglich gewesen. «Ich dachte, ich spiele eine Schallplatte ab. Aber wenn ich beim Predigen eher eine Rolle spiele, muss ich gehen. Ich will das mit heißem Herzen tun – und keine Show.»

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