Was bringt das Deutschlandticket dem Klima?

Von Andreas Hoenig, dpa

Berlin (dpa) – Am Montag geht es los, das Deutschlandticket startet – aber was bringt es dem Klimaschutz, wird es auch ein «Klimaticket»? Verbände und Experten sind eher skeptisch. Die Kernaussagen: das Deutschlandticket gehe in die richtige Richtung. Der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) aber müsse ausgebaut werden. Nötig seien weitere Maßnahmen, damit Pendler vom Auto auf Bus und Bahn umsteigen.

«Jede Fahrt, bei der das Auto stehen bleibt und stattdessen der ÖPNV genutzt wird, ist gut fürs Klima», sagte Greenpeace-Expertin Marissa Reiserer. «Das 49-Euro-Ticket macht Bus und Bahn deutlich unkomplizierter, zaubert aber keine neuen Bahnhöfe, Haltestellen und Verbindungen aufs Land. Die Einführung kann deswegen nur der Start sein.» Jens Hilgenberg, Leiter Verkehrspolitik beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, sagte, ob das Ticket CO2 einspare, müsse sich erst zeigen. Dies wäre dann der Fall, wenn eine merkliche Zahl von Autofahrten durch das Ticket wegfielen: «In welchem Maße das stattfindet, lässt sich aktuell aber noch nicht abschätzen.»

Verkehrssektor muss aufholen

Der Verkehr ist eines der großen «Sorgenkinder» beim Klimaschutz. Im vergangenen Jahr wurden gesetzliche Vorgaben zur CO2-Einsparung verfehlt. Die Emissionen stiegen im Vergleich zum Vorjahr auf 148 Millionen Tonnen CO2 leicht an. Nachdem die Corona-Einschränkungen weitgehend aufgehoben worden seien, habe der Pkw-Verkehr wieder leicht zugenommen, so das Bundesumweltamt. Der Zuwachs bei den Neuzulassungen von Elektroautos reiche nicht aus, um die Zunahme der Emissionen auszugleichen.

«Im Verkehrssektor ist die notwendige Trendwende weiterhin nicht zu beobachten», heißt es in einem Gutachten des Expertenrats für Klimafragen, der Bundesregierung und Bundestag für eine Bewertung der Emissionsdaten vorlegt. Um das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen, zeigten Szenarien, dass es auch einen Abbau des Bestands fossiler Pkw geben müsste. Dieser Trend, der sich spätestens ab dem Jahr 2025 abzeichnen müsste, sei aber noch nicht zu erkennen.

Klimaeffekte des Deutschlandtickets

Eine Bilanz des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen zum 9-Euro-Ticket im vergangenen Sommer ergab, dass jede zehnte Fahrt mit dem Ticket eine Autofahrt ersetzte. In den drei Monaten des Angebots seien hochgerechnet rund 1,8 Millionen Tonnen CO2 eingespart worden.

Nun kommt das dauerhaft angelegte Deutschlandticket zum Einführungspreis von 49 Euro im Monat. In der Begründung zur Änderung des Regionalisierungsgesetzes schrieb die Bundesregierung, es werde ein Anreiz gesetzt, auf den ÖPNV umzusteigen. «Im Verbund mit anderen Maßnahmen zur Stärkung des ÖPNV sei eine signifikante Minderung von Treibhausgas zu erwarten: «Das Deutschlandticket trägt somit wirksam zum Erreichen der Klimaziele des Bundes im Verkehrssektor bei.»

Greenpeace-Expertin Reiserer schätzt, dass im ersten Jahr der Klimaeffekt des Deutschlandtickets wohl unter den gut 7 Millionen Tonnen CO2 liegen werde, die ein dauerhaftes 9-Euro-Ticket pro Jahr eingespart hätte. Für den Berliner Mobilitätsforscher Andreas Knie lässt sich noch keine seriöse Antwort darauf finden, was das Deutschlandticket dem Klima bringe: «Der Preis ist zu hoch, um nennenswerte, dauerhafte Umstiege zu erwarten.» Man gehe maximal von einem Ersatz von Fahrten mit dem Pkw durch den ÖPNV von 5 Prozent aus. «Die Einführung von Tempo 100 auf allen Autobahnabschnitten würde deutlich mehr Einsparungen bringen.»

Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, nannte das Deutschlandticket dagegen ein «Klimaticket», weil Bus und Bahn pro Passagier nur ein Drittel soviel CO2 ausstießen wie Autofahrende. «Je nachdem, wie viele Menschen sich entscheiden, wegen des Deutschlandtickets ihr Auto stehen zu lassen oder gar abzuschaffen, können Millionen Tonnen CO2 zusätzlich eingespart werden.»

Ausbau des ÖPNV

Das Deutschlandticket nützt nichts, wenn vor allem auf dem Land kein Bus oder keine Bahn fährt. Deswegen müsse dass Angebot ausgebaut werden, forderte Bastian Kettner vom ökologischen Verkehrsclub VCD. «Das Deutschlandticket ist ein Schritt in die richtige Richtung für mehr Klimaschutz. Es sollte aber mit anderen Maßnahmen flankiert werden, um Autos aus den Städten zu halten.» Kettner nannte höhere Parkgebühren oder Zusatzangebote wie Carsharing-Angebote.

Greenpeace-Expertin Reiserer sagte, um das volle Potenzial des Deutschlandtickets zu nutzen, seien ein «Ausbauwumms» und ein bundesweites Sozialticket nötig, damit künftig immer weniger Menschen abhängig seien vom Auto. Für Hilgenberg ist eine Ausweitung des Angebots bei Bussen und Bahnen entscheidend, um einen positiven Klimaeffekt zu erzielen und die Attraktivität des öffentlichen Verkehrs zu erhöhen. Begleitend dazu seien Maßnahmen nötig, um den Autoverkehr vor allem in städtischen Gebieten einzuschränken. Er nannte die Einführung von Tempo 30 als Richtgeschwindigkeit in Städten, höhere Parkgebühren oder die Einführung einer Citymaut.

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ADAC: Volle Straßen zum ersten Maiwochenende erwartet

München (dpa) – Wer das verlängerte Wochenende um den 1. Mai für einen Ausflug nutzen möchte, sollte sich auf volle Straßen einstellen. Aufgrund des bundesweiten Feiertags zum Maibeginn rechnet der Automobilclub ADAC mit viel Verkehr auf den Autobahnen. Zugleich gebe es zahlreiche Baustellen. Um den Verkehr zumindest ein wenig zu entlasten, gelte am Feiertag ein Fahrverbot für Brummis über 7,5 Tonnen, wie ein Sprecher in München sagte. Die meisten Staus erwartet der ADAC am Freitag- und Montagnachmittag. Weiterlesen

Weitere Waffenruhe im Sudan vereinbart

Khartum (dpa) – Die rivalisierenden Militärblöcke im Sudan haben sich gestern auf eine Verlängerung der Waffenruhe um weitere 72 Stunden geeinigt. Das teilten die an der Vermittlung beteiligten Länder USA und Saudi-Arabien mit. Trotzdem kam es Augenzeugenberichten zufolge weiter zu Kämpfen. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Carsten Breuer, wollen heute in Wunstorf bei Hannover die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr in Empfang nehmen, die mehr als 700 Menschen aus dem nordostafrikanischen Land ausgeflogen haben.

Im Sudan kämpft de-facto-Präsident Abdel Fattah al-Burhan mithilfe des Militärs seit dem 15. April gegen seinen Stellvertreter Mohammed Hamdan Daglo. Dieser ist Anführer der einflussreichen paramilitärischen Gruppe Rapid Support Forces (RSF). Die beiden Generäle hatten die Führung des Landes mit rund 46 Millionen Einwohnern durch zwei gemeinsame Militärcoups 2019 und 2021 übernommen. Experten hatten gewarnt, dass der Machtkampf auch weitere regionale Konflikte erneut befeuern könnte. Weiterlesen

Wirbel um Bürgermeister-Wahl: Berlins Senat nimmt Arbeit auf

Berlin (dpa) – Nach der Bürgermeister-Wahl im dritten Anlauf will der neue Berliner Senat zum Tagesgeschäft übergehen. Die zehn Senatorinnen und Senatoren werden heute zu einer ersten Arbeitssitzung zusammenkommen. Zudem sollen die Amtsübergaben erfolgen.

Die Mitglieder des Senats waren gestern nach stundenlanger Verzögerung vereidigt worden. Grund war ein Abstimmungskrimi um den Posten des Regierenden Bürgermeisters. CDU-Landeschef Kai Wegner erreichte im Abgeordnetenhaus erst im dritten Wahlgang die Mehrheit, um als Nachfolger von Franziska Giffey (SPD) und als erster CDU-Politiker seit Eberhard Diepgen 2001 ins Rote Rathaus einzuziehen.

Gegenseitige Schuldzuweisungen

Zweimal war der 50-Jährige zuvor gescheitert – obwohl CDU und ihr Koalitionspartner SPD über genügend Mandate verfügen. Da die AfD erklärte, im dritten Wahlgang für Wegner gestimmt zu haben, gab es Spekulationen, der neue Regierungschef hätte von der Unterstützung der Partei abhängig gewesen sein können. Weiterlesen

Schnellerer Autobahnbau: Gegenwind für Wissing aus Ländern

Berlin (dpa) – Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) droht mit Plänen für einen schnelleren Bau bestimmter Autobahnprojekte von Ländern ausgebremst zu werden. Landesregierungen, in denen die Grünen mitregieren, wollen mehr Zeit, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergab. Wissing hatte den Ländern vor mehr als einer Woche eine Frist gesetzt. Sie sollten dem Bund bis Freitag mitteilen, ob sie ihr Einvernehmen zur gesetzlichen Festschreibung eines Projektes zur Engpassbeseitigung erklären.

Die Ampel-Koalition auf Bundesebene hatte sich Ende März darauf geeinigt, dass es eine Beschleunigung für Autobahnprojekte geben soll, die Stauschwerpunkte und Engstellen sind. Das sind insgesamt 145, zu denen aber auch Teilabschnitte eines Projekts gehören. Sie liegen vor allem in Nordrhein-Westfalen, Bayern, Baden-Württemberg und Hessen. Die Festschreibung eines überragenden öffentlichen Interesses solle aber im Einvernehmen mit dem jeweils betroffenen Land geschehen, hieß es in einem Beschlusspapier des Koalitionsausschusses. Weiterlesen

Elton John auf Abschiedstour: «Ich werde Euch vermissen»

Von Ute Wessels, dpa

München (dpa) – Mit ausgebreiteten Armen steht Elton John auf der Bühne der Münchner Olympiahalle – als wollte er sein Publikum zum Abschied noch einmal umarmen. Auf seiner musikalischen «Farewell Yellow Brick Road»-Reise um die Welt ist der Brite jetzt in Deutschland unterwegs. Mit seinen größten Hits – vom «Rocket Man» über «Candle In The Wind» bis zum «Crocodile Rock» – und bester Laune bietet der 76-Jährige am Donnerstagabend eine grandiose Show. Die Huldigungen der Fans lässt er gerne über sich ergehen.

Vorsichtigen Schrittes geht Elton John über die Bühne. Er hat eine Hüft-OP hinter sich. Am Mikrofon und am Piano haben seine Power und Dynamik jedoch nicht nachgelassen. Der Mann hat’s noch immer drauf! In silberglitzerndem Sakko und mit blauer Brille legt er los.

Musikalisches Ausnahmetalent und pure Lebensfreude

Auf der Videowand im Hintergrund zieht die raketenartige Karriere des Musikers auf Fotos und Filmsequenzen vorbei. Sie zeigen die Anfänge dieses musikalischen Ausnahmetalents und pure Lebensfreude, verpackt in die berühmt gewordenen, extravaganten Bühnenoutfits.

Während einer kurzen Pause wechselt der 76-Jährige seinen Anzug und trägt zudem jetzt eine rosafarbene Brille mit Glitzersteinchen. Es folgen unter anderem «Sorry Seems To Be The Hardest Word», «Don’t Let The Sun Go Down On Me», «The Bitch Is Back» und «I’m Still Standing».

An Elton Johns Seite steht auch an diesem Abend seine gewohnt exzellente Band. Schlagzeuger Nigel Olsson hat die fünf Jahrzehnte Elton John quasi live miterlebt. Er begleitet den Superstar seit dessen Karrierebeginn. Auch Gitarrist und Bandleader Davey Johnstone sowie Percussionist Ray Cooper sind seit Anfang der 70er Jahre dabei.

Als Elton John seine Bandmitglieder einzeln vorstellt, werden sie vom Publikum lautstark gefeiert. Bei Ray Cooper schwillt der Jubel um noch eine Umdrehung an. Denn, so ruft der Sänger: «Er lebt in München!»

Zugabe im pinkfarbenen Bademantel

Für die Zugaben kehrt er im pinkfarbenen Bademantel auf die Bühne zurück. Drei Stücke gibt’s noch: die Remix-Version von «Cold Heart», seinen allerersten Hit «Your Song» und natürlich «Farewell Yellow Brick Road».

«Ich werde Euch vermissen», ruft er zum Schluss ins Publikum. Und: «Danke für alles.» Ein Konzert, das Lust auf mehr macht und doch ein Abschied sein soll.

In Deutschland sind noch zehn Konzerte vorgesehen, und zwar in Hamburg, Berlin, Mannheim und Köln. Anschließend tourt John weiter durch Europa, unter anderem durch Spanien und Großbritannien. 2018 hatte er die Tournee begonnen. Verzögert wurde sie unter anderem durch die Corona-Pandemie.

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«Germany’s Next Topmodel»: Cassy und Marielena sind raus

Berlin/Los Angeles (dpa) – Bei der TV-Castingshow «Germany’s Next Topmodel» sind jetzt Studentin Cassy und Best-Ager-Kandidatin Marielena herausgeflogen. Die 23 Jahre alte Tanzlehrerin aus Hamburg und die 53 Jahre alte Flugbegleiterin aus Frankfurt/Main bekamen in der am Donnerstagabend ausgestrahlten ProSieben-Sendung von Heidi Klum beide den Laufpass. Weiterlesen

Rückenwind aus Rheinland-Pfalz für Autobahnbau-Pläne

Mainz (dpa/lrs) – Die rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt (FDP) befürwortet die von ihrem Parteikollegen und Bundesverkehrsminister Volker Wissing geplante Beschleunigung von Autobahn-Projekten. Die vorgesehene schnellere Beseitigung von Engpässen begrüße sie ausdrücklich, teilte Schmitt der Deutschen Presse-Agentur in Mainz mit. Die vom Bundesverkehrsministerium vorgeschlagene Liste an Projekten sei vollumfänglich zu befürworten. Andere Länder hatten die Pläne scharf kritisiert.

Schmitt betonte, es sei gut, dass sich die Ampel-Koalition im Bund auf die Beschleunigung des Ausbaus von Infrastruktur verständigt habe und davon auch rheinland-pfälzische Autobahn-Projekte profitieren sollten. Es brauche ein leistungsfähiges Infrastrukturnetz, dazu gehörten Straßen, Brücken, Schienen und Wasserstraßen. «Die Beschlüsse aus Berlin sind daher genau richtig und entscheidend für die Zukunft unserer Wirtschaftsstandorte.» Weiterlesen

Fair-Play-Preis: Zehnkämpfer Kaul und Ehammer ausgezeichnet

Wiesbaden (dpa) – Die Zehnkämpfer Niklas Kaul (Mainz) und Simon Ehammer (Schweiz) sind am Donnerstag im Wiesbadener Schloss Biebrich mit dem Fair-Play-Preis des deutschen Sports ausgezeichnet worden. «Sie haben den Teamgedanken auf das nächste Level gehoben. Ihr verkörpert Fair Play, Ehrgeiz, Wettkampf, Respekt und Freundschaft», sagte Thomas Weikert, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB), in seiner Laudatio auf die Preisträger. «Ihr seid ziemlich beste Konkurrenten.» Weiterlesen

Warum die Lust am Arbeitskampf hierzulande steigt

Von Erich Reimann, dpa

Düsseldorf (dpa) – Ausbleibende Busse und Bahnen, gecancelte Flüge und verschlossene Türen in kommunalen Kindergärten: Ungewohnt oft haben die Menschen in Deutschland in den vergangenen Monaten die Folgen von Warnstreiks am eigenen Leib zu spüren bekommen.

Dabei gelten die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland im internationalen Vergleich eigentlich als nicht sonderlich streikfreudig. Doch das könnte sich ändern.

«Möglicherweise werden wir in Zukunft mehr Streiks in Deutschland sehen», sagte Thorsten Schulten, Tarifexperte des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung der dpa. «Arbeitsniederlegungen könnten den Charakter des Außergewöhnlichen verlieren, den sie bislang noch haben, und einfach zu Tarifauseinandersetzungen dazugehören», sagte er.

Die Gründe sind für den Experten offensichtlich: «Wir haben eine ziemlich heftige Tarifrunde, weil wir in ziemlich heftigen Zeiten leben – mit hohen Preissteigerungen und der Frage, wer am Ende die Kosten der Inflation trägt.» Hinzu komme, dass die Beschäftigten spürten, dass sich der Arbeitsmarkt durch den Arbeitskräftemangel in vielen Bereichen verändert habe und die Beschäftigten sich nichts mehr gefallen lassen müssten.

Gewerkschaften «deutlich konfliktfreudiger»

Auch das arbeitgernahe Institut der deutschen Wirtschaft kam gerade erst in einer Untersuchung zu dem Ergebnis, dass die Gewerkschaften in diesem Jahr wieder «deutlich konfliktfreudiger» geworden seien. «Die Tarifverhandlungen werden in diesem Jahr wieder deutlich konfliktreicher geführt als 2022, und diese Entwicklung dürfte sich auch im weiteren Jahresverlauf weiter fortsetzen – nicht zuletzt wegen der Reallohnverluste in den vergangenen drei Jahren», sagte der IW-Tarifexperte Hagen Lesch.

Tatsache ist: Nach den jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes mussten die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland aufgrund der hohen Inflation allein im vergangenen Jahr Reallohneinbußen von 4 Prozent hinnehmen.

Schulten und Lesch warnten allerdings vor einer Überdramatisierung der jüngsten Arbeitskämpfe. Im langfristigen Vergleich sei die Entwicklung nicht dramatisch, meint IW-Experte Lesch. «Die Konfliktintensität war in den ersten drei Monaten dieses Jahres nicht höher als im langjährigen Durchschnitt.»

Es erscheine den Menschen nur so, weil von den Warnstreiks diesmal wichtige Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge wie der öffentliche Nahverkehr, der Luftverkehr, die Bahn und der öffentliche Dienst betroffen gewesen seien.

«Insgesamt ist Deutschland im internationalen Vergleich immer noch ein relativ streikarmes Land mit einem vergleichsweise restriktiven Streikrecht», heißt es auch in der am Donnerstag vom WSI veröffentlichten Arbeitskampfbilanz 2022.

2022 durchschnittliches Streikjahr

Danach gab es im vergangenen Jahr 225 Arbeitskämpfe, an denen insgesamt 930.000 Streikende teilnahmen. Rechnerisch fielen dadurch 674.000 Arbeitstage aus. Damit sei 2022 trotz der hohen Inflation und der damit verbundenen Reallohnverluste ein relativ durchschnittliches Streikjahr gewesen. Laut WSI verfügt nur etwa jeder sechste Beschäftigte in Deutschland (17 Prozent) über eigene Streikerfahrung.

Im internationalen Vergleich, bei dem die arbeitskampfbedingten Ausfalltage pro 1000 Beschäftigte miteinander verglichen werden, liegt Deutschland mit 18 ausgefallenen Tagen laut WSI weiterhin im Mittelfeld. Zum Vergleich: In Belgien zählten die WSI-Tarifexperten 96 Ausfalltage pro 1000 Beschäftigen und in Frankreich 92.

«Auch in Zukunft wird Deutschland nicht zu den Ländern gehören, in denen am meisten gestreikt wird», ist der WSI-Experte Schulten überzeugt. «Dass wir in Deutschlands französische Verhältnisse bekommen, was das Thema Streiks angeht, sehe ich nicht.»

Denn das deutsche Tarifmodell funktioniert ja durchaus noch. Das hätten die Arbeitskämpfe der vergangenen Monate gerade erst bewiesen. «Trotz aller Auseinandersetzungen ist es bisher in keiner Branche zu einem unbefristeten Erzwingungsstreik gekommen, sondern man hat einen Tarifkompromiss gefunden.»

Ohnehin sei es kein Automatismus, dass die Zahl der Streiks in Zukunft zunehme, sagte Schulten. «Es muss nicht so kommen, wenn die Arbeitgeber begreifen, dass sie in Zeiten des Fachkräftemangels den Beschäftigten entgegenkommen müssen.»

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24-Jähriger erhält Höchststrafe wegen Doppelmordes

Hannover (dpa) – Nach dem gewaltsamen Tod eines Ehepaares im niedersächsischen Wennigsen ist ein 24-Jähriger zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe wegen zweifachen Mordes verurteilt worden. Das Landgericht Hannover stellte am Donnerstag auch die besondere Schwere der Schuld fest. Damit ist eine vorzeitige Entlassung aus dem Gefängnis nach 15 Jahren nahezu ausgeschlossen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der angeklagte Iraker bestreitet die Tat. Seine Verteidigerinnen, die einen Freispruch gefordert hatten, wollen das Urteil anfechten. Weiterlesen

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