Verfassungsrichter stellen Sondervermögen auf den Prüfstand

Koblenz/Mainz (dpa/lrs) – Das erste Corona-Jahr 2020 hat zu schweren Verwerfungen für die Finanzen von Rheinland-Pfalz geführt. Die hohen Ausgaben zur Bewältigung der Pandemie zwangen das Land zu zwei Nachtragshaushalten und zur Aufnahme von Krediten in Rekordhöhe. Außerdem entschloss sich die Landesregierung ähnlich wie das CDU-geführte Hessen zu einem Corona-Sondervermögen, um den Ausgleich von Pandemie-Folgen längerfristig planbar zu machen. Der Landesrechnungshof und die Oppositionsparteien CDU und AfD kritisierten dieses Vorgehen. Am Freitag (4.3.) verhandelt der Verfassungsgerichtshof (VGH) Rheinland-Pfalz in Koblenz über einen Normenkontrollantrag der AfD-Fraktion zum Sondervermögen.

Ein Urteil verkündet der VGH laut einem Sprecher erst mehrere Wochen später. Das höchste Gericht in Rheinland-Pfalz sei bundesweit erst das zweite seiner Art, das in einem solchen Rechtsstreit eine Entscheidung treffe. Im Oktober 2021 hatte der Staatsgerichtshof in Wiesbaden das kreditfinanzierte hessische Corona-Hilfspaket für verfassungswidrig erklärt. Das rheinland-pfälzische Sondervermögen lasse sich aber keinesfalls direkt damit vergleichen, versicherte das Finanzministerium in Mainz seinerzeit. Es gebe Unterschiede in der intensiveren parlamentarischen Beteiligung in Rheinland-Pfalz, aber auch beim Finanzvolumen und hinsichtlich der vorgesehenen Maßnahmen.

Die rheinland-pfälzische AfD-Fraktion sieht in dem Sondervermögen einen «Schattenhaushalt, mit dem die Budgethoheit des Landtags teilweise ausgehebelt wird». Außerdem machte sie geltend, dass die Gesetze zum zweiten Nachtragshaushalt 2020 und zum Haushalt 2021 sowie das Gesetz zum Corona-Sondervermögen gegen die in Artikel 117 der Landesverfassung verankerte Schuldenbremse verstoße.

Auch CDU-Fraktionschef Christian Baldauf sah in der Bildung eines Sondervermögens einen Widerspruch zu Grundsätzen der Transparenz und der Haushaltsklarheit. Seine Fraktion halte die von der Landesregierung gewählte Konstruktion für verfassungsrechtlich höchst problematisch.

Der Landesrechnungshof befand, dass die Errichtung eines Sondervermögens das parlamentarische Budgetrecht berühre. Es sei nicht erkennbar, dass die für das Sondervermögen festgelegten Aufgaben «nicht ebenso gut im Rahmen des Landeshaushalts (Kernhaushalts) erfüllt werden können».

Im zweiten Nachtragshaushalt für 2020 wurde vorgesehen, dass 1,0953 Milliarden Euro zur Bewältigung von Corona-Folgen nicht über den regulären Landeshaushalt, sondern über ein Sondervermögen abgewickelt werden. Auf diese Weise kann das Land Geld für bestimmte Zwecke nicht nur für das aktuelle Haushaltsjahr, sondern auch darüber hinaus verteilen. Mittel aus dem Sondervermögen müssen bis Ende 2022 bewilligt und bis Ende 2023 ausgezahlt werden.

Würde das Geld für die Überwindung der Krise wie üblich in den Landeshaushalt eingestellt, würde dies «den besonderen Bedingungen der Corona-Pandemie weit weniger gerecht», erklärt das Finanzministerium in Mainz. Das über den Zeitraum des Haushalts hinausreichende Sondervermögen sei das bessere Instrument, «weil sich die Auswirkungen der Pandemie und die notwendigen Maßnahmen zur Gegensteuerung über einen längeren Zeitraum erstrecken». So könne auch «für die Betroffenen die in einer Krisenzeit notwendige Planungssicherheit hergestellt werden».

Das Sondervermögen, für das die Landesregierung ein eigenes Gesetz vorlegt, ist nicht etwa ein besonderes Konto, von dem die Mittel nach und nach abfließen. Das Geld liegt nicht da, sondern wird erst aufgenommen, wenn es gebraucht wird. Es ist also zunächst nur eine virtuelle Größe. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestags definiert: «Sondervermögen sind rechtlich unselbstständige Teile des Landesvermögens, die besonderen materiellen Zwecken gewidmet sind und deshalb getrennt vom sonstigen Landesvermögen verwaltet werden»

Die «besonderen materiellen Zwecke» des Sondervermögens sind zum Teil sehr allgemein formuliert wie die «Stabilisierung der rheinland-pfälzischen Wirtschaft» (bis zu 250 Millionen Euro) oder die «Pandemievorsorge im Gesundheitswesen» (bis zu 160 Millionen), zum Teil sehr konkret wie die «Stärkung der Universitätsmedizin» in Mainz (bis zu 45 Millionen) oder die «Beseitigung von Engpässen bei der Breitbandkapazität» (bis zu 122,3 Millionen).

 

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