Krankschreibungen wegen Atemwegserkrankungen auf Höchststand

Mainz (dpa/lrs). Die Zahl der Krankschreibungen wegen Atemwegsinfekten wie Corona, Grippe und Schnupfen hat in Rheinland-Pfalz zu Beginn des Jahres einen Höchstwert erreicht – zumindest bei den Versicherten der Barmer-Krankenkasse. Innerhalb der ersten zwölf Wochen 2023 waren demnach im Durchschnitt 418 von 10.000 Versicherten mit Krankengeldanspruch arbeitsunfähig, wie die Krankenkasse in Mainz mitteilte.

Das war der höchste Wert seit 2018. Bundesweit waren die Rheinland-Pfälzer nach dem Saarland (430) auch am stärksten betroffen. «In Zeiten von Fachkräftemangel können Firmen im Land nur hoffen, dass die Zahl der Atemwegserkrankungen im Jahresverlauf stark sinkt», sagte die Landesgeschäftsführerin der Krankenkasse, Dunja Kleis.

Im Vergleich zu den ersten zwölf Wochen im Corona-Jahr 2021 seien es rund viermal so viele Krankschreibungen gewesen (98). Sogar 2018, als die Grippe ungewöhnlich stark grassierte, seien es durchschnittlich nur 324 Krankschreibungen pro 10.000 Berechtigten im Vergleichszeitraum gewesen.

Die Barmer hat in Rheinland-Pfalz nach eigenen Angaben rund 440.000 Versicherte. Davon haben etwa 190.000 Menschen einen Anspruch auf Krankengeld.

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Forderungen nach mehr Personal in der Pflege

Mainz (dpa/lrs). Die Landespflegekammer, die Gewerkschaft Verdi und die Krankenhausgesellschaft warnen vor einem anhaltenden deutlichen Mangel an Pflegefachkräften in Rheinland-Pfalz. Im Land habe es im vergangenen Jahr 2354 unbesetzte Stellen in der Alten- und Krankenpflege gegeben, teilte Verdi-Gesundheitsexpertin Silke Steetskamp der Deutschen Presse-Agentur in Mainz mit. Der Mangel an Personal erstrecke sich über alle Bereiche der Pflege und Funktionsdienste und werde sich nach Prognosen von Forschungsinstituten noch verschärfen.

Der Personalmangel in der Branche bringe die Krankenhäuser durch die damit verbundenen Stationsschließungen und Erlösausfälle zusätzlich in massive Existenznot, mahnte die Gewerkschafterin. Stress, Überlastung und Überstunden des Pflegepersonals durch das ständige Arbeiten im Krisenmodus führten zu überdurchschnittlich hohen Ausfallzeiten in der Pflege.

Die Ausfallquoten würden durch den erheblichen Personalmangel noch verstärkt, berichtete auch ein Sprecher der Landespflegekammer. Auch in der Kinderkrankenpflege gebe es Mangelsituationen, die sich vor allem auf die Versorgung schwerstkranker Kinder wie in der onkologischen Versorgung auswirkten.

Die Mainzer Universitätsmedizin hatte jüngst mitgeteilt, dass Patientinnen und Patienten wegen zu wenigen Pflegekräften derzeit länger auf Termine bei planbaren Operationen warten müssten. Der seit Jahren bestehende Fachkräftemangel insbesondere in der Pflege habe sich unter anderem durch die Coronapandemie weiter verschärft, berichtete der Vorstandsvorsitzende Norbert Pfeiffer. Notfälle und andere nicht verschiebbare Eingriffe würden aber weiterhin zeitnah versorgt.

Konkrete Zahlen über die Höhe der fehlenden Pflegekräfte und Verschiebungen von Operationen wollte die Universitätsmedizin auf dpa-Anfrage wegen der starken Schwankungen nicht nennen.

Beim Fachkräftemangel in den Krankenhäusern handelt es sich jedoch nicht nur um ein Problem von Rheinland-Pfalz. Es seien Reformen auf Bundesebene erforderlich. Die Standortkampagne des Landes für mehr Fachkräfte werde sehr begrüßt.

Nach Angaben von Verdi fehlen an der Universitätsmedizin derzeit geschätzt 20 Prozent examiniertes Pflegepersonal. Die höchste Quote an externen Unterstützungskräften habe es bislang im OP- und Anästhesiebereich, in der Inneren Medizin, in der Hämatoonkologie, in der Notaufnahme sowie auf den Intensivstationen gegeben.

«Die Kliniken sind nach mehr als zwei Jahren Corona und den Folgen des Ukraine-Krieges immer noch vom Normalbetrieb entfernt», sagte der Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz, Andreas Wermter, auf dpa-Anfrage. «Die Universitätsmedizin Mainz ist hierfür ein aktuelles Beispiel.» Die Krankenhäuser benötigten mehr Personal in allen Bereichen. Dem steigenden Personalbedarf ständen sich verschärfende Personalengpässe gegenüber. Davon erfasst seien nicht nur Ärzte und Pflegekräfte, sondern auch die Vielzahl weiterer Spezialisten in allen Bereichen des Krankenhauses.

Viele Ärztinnen und Ärzte sowie das Pflegepersonal beklagten einen viel zu hohen Bürokratieaufwand in Verbindung mit ihrer Arbeit, erklärte der Geschäftsführer. Es sollte daher zu einem echtem Bürokratieabbau kommen. Um Fachpersonal zu halten, müsse es familienfreundlichere und flexible Arbeitszeitmodelle geben. Dazu sollten auch weiterhin Fachkräfte aus dem Ausland angeworben werden. Auch die Landespflegekammer mahnte bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege für mehr Attraktivität des Berufs sowie mehr Investitionsmittel für die Krankenhäuser an.

Arbeits- und Sozialminister Alexander Schweitzer (SPD) versicherte, dass sich das Land für gute Rahmenbedingungen, eine moderne Pflegeausbildung und eine zukunftsorientierte Weiterentwicklung des Pflegeberufs einsetze. «Wir wollen, dass noch mehr junge Menschen den Weg in die Pflege finden und Pflegekräfte lange und gesund in ihrem Beruf verweilen.»

Die Zahl der Ausbildungsbeginne in der Generalistik seien von 2277 im Jahr 2020 um sechs Prozent auf 2416 im Jahr 2021 gestiegen, berichtete Schweitzer auf dpa-Anfrage. Im Jahr 2022 sei die Zahl um 6,7 Prozent im Jahresvergleich auf 2254 zurückgegangen, bezogen auf das Jahr 2020 sei die Zahl damit aber nahezu konstant geblieben.

Der Minister verwies darauf, dass seit Juli vergangenen Jahres die Schulgeldfreiheit an den 15 privaten Gesundheitsschulen im Land gelte. Auszubildende in Berufen wie der Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, medizinisch-technischen Assistenz, pharmazeutisch-technische Assistenz, medizinische Bademeisterinnen und Bademeister sowie Masseurinnen und Masseure würden auf Antrag der privaten Schulträger von der Zahlung von Schulgeld befreit.

Rheinland-Pfalz übernehme die Kosten der derzeit rund 800 Ausbildungsplätze und zahle den Schulen pro besetzten Ausbildungsplatz eine monatliche Pauschale von 400 Euro, erklärte Schweitzer. Dafür stünden im Haushalt für dieses Jahr 4,5 Millionen Euro und für das Jahr 2024 insgesamt 4,9 Millionen Euro zur Verfügung.

Der Arbeits- und Sozialminister betonte auch die große Bedeutung der Zuwanderung von ausländischen Pflegekräften im Land. Dazu sei vom Land eine Beratungsstelle eingerichtet worden, die die Antragstellenden begleitet. Zudem soll es eine digitale Bildungsoffensive in der Pflege in Rheinland-Pfalz geben. «Wir wollen eine neue Digitalkultur in der Pflege anstoßen», hatte der Minister jüngst angekündigt.

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Nicht nur Schläge sind Gewalt

Von Gisela Gross, dpa

Berlin (dpa) – Schläge. Tritte. Spritzendes Blut. Mit solchen Bildern ist der Begriff Gewalt oft in erster Linie verbunden. Vor dem Tag der gewaltfreien Erziehung am Sonntag wollen Fachleute dafür sensibilisieren, dass weit mehr dahintersteckt. Der Kinderschutzbund teilt mit, das Thema psychische Gewalt mit Plakaten in Großstädten im Zuge der Kampagne «Gewalt ist mehr, als du denkst» in den Fokus zu rücken.

Als solche zu werten sind demnach etwa Demütigungen und Drohungen wie «Aus dir wird nie was.» Oder: «Wenn du jetzt nicht schläfst, dann knallt es!» Es geht aber nicht nur um Worte: Unter anderem werden auch längeres Anschweigen oder Ignorieren des Kindes, Isolieren zu Hause («Du hast zwei Wochen Hausarrest!») und extremer Leistungsdruck als psychische Gewalt eingestuft.

«Kinder nehmen nicht nur Schaden, wenn sie geschlagen werden», sagt Claudia Buß, Professorin am Institut für Medizinische Psychologie der Charité in Berlin. «Vernachlässigung und emotionaler Missbrauch können sich ebenfalls negativ auswirken.» Viele seien betroffen: Circa jedes dritte Kind werde Opfer von Misshandlung und/oder Vernachlässigung.

Nicht nur die Betroffenen tragen diese Erfahrungen oft ein Leben lang mit sich herum. Sie geben Risiken offenbar auch weiter. Forscher blickten auf die Gesundheit der Folgegeneration und fanden Zusammenhänge mit mütterlichen Missbrauchserfahrungen. Davon berichtete ein Team um Buß im Fachblatt «The Lancet – Public Health». Sie werteten Daten von über 4300 Mutter-Kind-Paaren aus.

Höhere Erkrankungsrisiken bei Kindern misshandelter Mütter

Die Nachkommen von Frauen, die als Kind missbraucht und/oder vernachlässigt worden waren, hatten laut der Studie ein höheres Risiko für verschiedene Erkrankungen: Vorstufen von Depression und Angststörungen, das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom ADHS, Autismus und Asthma. Bei Töchtern dieser Mütter wurde zudem häufiger Übergewicht festgestellt als bei deren Söhnen. Die Autoren können zwar nur Zusammenhänge feststellen, den Missbrauch also nicht als direkte Ursache der Erkrankungen nachweisen. Buß sieht die These der Weitergabe von Risiken über Generationen hinweg aber auch durch anderweitige Untersuchungen gestützt, etwa an Tieren.

«Die Forschung zeigt: Je schwerwiegender und je mehr verschiedene Missbrauchs- und Vernachlässigungserfahrungen ein Kind macht, umso schlimmer sind die gesundheitlichen Konsequenzen. Sowohl für das Opfer selbst als auch für die nächste Generation», sagt die Wissenschaftlerin. Sie fordert ein besseres Unterstützungssystem, um Überforderung bei Eltern zu erkennen und im Idealfall gleich zwei Generationen zu helfen. «Man weiß leider, dass Eltern, die ihre Kinder misshandeln oder vernachlässigen, das häufig selbst erlebt haben und damit überfordert sind. Statt ihnen die Schuld zuzuweisen, muss man schauen, wie man diese Menschen maximal unterstützen kann.»

Mehr Unterstützung schon vor der Schwangerschaft gefordert

Auch wenn die genauen Mechanismen der Übertragung des Risikos auf die folgende Generation noch nicht komplett entschlüsselt sind: Buß schweben Hilfen möglichst schon vor der Schwangerschaft vor. «Die Frage psychischer Belastungen müsste stärker in die generelle medizinische Versorgung einbezogen werden, etwa in der Gynäkologie und Kindermedizin.» So wie man Schwangeren zu gesunder Ernährung und zum Stillen rate, müssten werdende Eltern über die Bedeutung ihrer eigenen psychischen Gesundheit für eine gesunde Entwicklung des Kindes aufgeklärt werden. Gerade bei Frauen, die zum ersten Mal schwanger werden, könnten eigene Kindheitstraumata wieder hochkommen.

Bisher fehle der Raum, dies mit Fachkräften zu besprechen. «Wenn Vorbeugung nicht gelingt, muss man Missbrauchsopfer in der Kindheit so früh wie möglich erkennen und ihnen helfen. Je länger ein Kind in so einer Situation ist und je länger es unter chronischem Stress steht, desto schwerwiegender sind die Folgen», sagt Buß. Sie spricht von drohenden biologischen Narben: sich verändernden Hirnstrukturen und Veränderungen der langfristigen Regulation verschiedener Gene, die Grundlage sein könnten für spätere gesundheitliche Folgen.

Bisher noch wenig Bewusstsein – was Eltern tun können

Eine Studie des Uniklinikums Ulm zu Einstellungen zu Körperstrafen und elterlichem Erziehungsverhalten von 2020 zeigte, dass es in Deutschland noch an Bewusstsein für das Thema mangelt. «Dass ein moderner Gewaltbegriff auch emotionalen Druck, emotionale Herabwürdigung und Gesten, die vor allem demütigen (eine Ohrfeige oder ein Klaps auf den Po) miteinschließen, ist häufig nicht verstanden worden.» Dabei führe psychische Gewalt zu nicht weniger schlimmen Langzeitfolgen als körperliche und sexuelle Gewalt.

Für das Entstehen von Krankheiten jedoch müssen viele Faktoren zusammenkommen, macht Buß klar. «Es ist nicht davon auszugehen, dass ein Kind zerbricht oder krank wird, wenn es ab und zu erlebt, dass es den Eltern nicht so gut geht.» Eltern seien nicht unfehlbar. Wichtig sei ein Bewusstsein: «Wenn man als Eltern bemerkt, dass man sich im Ton vergriffen hat, kann man sich beim Kind entschuldigen und die Situation erklären.» Wer bei sich selbst eine dauerhafte Belastung bemerke, solle sich Hilfe holen.

Die Beobachtungsstudie jedenfalls zeigt: Längst nicht jedes Kind einer Mutter mit Misshandlungserfahrungen trägt gesundheitliche Folgen davon. Das deutet auf teils vorliegende schützende Umstände hin. Enge Bezugspersonen etwa, bei denen sich ein Kind sicher fühlt, können aus Expertensicht Negativfolgen abpuffern.

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Kassenärzte: Pläne für Long-Covid-Ankerzentren

Mainz (dpa/lrs) – Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) sieht die Pläne der rheinland-pfälzischen Landesregierung, fünf Ankerzentren für Menschen mit Long- oder Post-Covid einzurichten kritisch. «Wir wehren uns nicht dagegen», sagte der KV-Vorstandsvorsitzende Peter Heinz am Donnerstag, allerdings fehlten Ärzte, Geld und sinnvolle Behandlungen. Weiterlesen

Amtsärzte: Ende der Warnfunktion bei App gerechtfertigt

Berlin (dpa) – Das Ende der Warnungen über die Corona-App des Bundes zum 1. Mai ist aus Sicht der Amtsärzte gerechtfertigt. Die App sei «ein nützliches Instrument» gewesen, um rechtzeitig auf mögliche Infektionsübertragungen hinzuweisen und dann Tests zu veranlassen, erklärte der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur.

Gegenwärtig seien kaum schwere Krankheitsverläufe zu verzeichnen. Das Risiko, wegen einer Corona-Infektion intensivmedizinisch behandelt werden zu müssen, sei außerordentlich gering. «Insofern ist es gerechtfertigt, die Warnfunktion abzustellen.»

Wie es auch in einer Nutzerinformation in der App heißt, ist es nur noch bis einschließlich diesen Sonntag möglich, andere nach einem positiven Test zu warnen und Warnungen über «Risikobegegnungen» zu erhalten. Die App soll dann zum 1. Juni in einen «Schlafmodus» gehen und nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums vorerst nicht mehr aktualisiert werden. Man kann sie aber auf dem Handy behalten, um damit weiter elektronische Impfzertifikate zu nutzen. Weiterlesen

Bessere Versorgung mit Medikamenten: Brüssel legt Reform vor

Von Michel Winde, dpa

Brüssel (dpa) – Engpässe bei Medikamenten, überhöhte Preise und eine ungleiche Versorgung der EU-Staaten mit neuen Arzneimitteln sollen nach dem Willen der EU-Kommission der Vergangenheit angehören. Die Brüsseler Behörde schlug am Mittwoch eine umfassende Reform der 20 Jahre alten Pharma-Gesetzgebung für Europa vor. Ziel ist zugleich, die Entwicklung neuer Präparate anzukurbeln und die heimische Industrie wettbewerbsfähig zu halten.

«Dies ist ein historischer Tag für Bürger, Patienten und die Industrie», sagte Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides. Der europäische Verbraucherverband Beuc begrüßte die Vorschläge als Schritt in die richtige Richtung, forderte jedoch weitere Schritte insbesondere gegen Versorgungslücken und hohe Preise. Die großen Pharma-Konzerne hätten «wie verrückt Lobbyarbeit» betrieben, um ihre Gewinne zu schützen, beklagte Generaldirektorin Monique Goyens. Der Präsident des Europäischen Pharmaverbands (EFPIA), Hubertus von Baumbach, warnte dagegen, die Vorschläge gefährdeten die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Industrie.

Wie sehen die Vorschläge, über die die EU-Staaten und das Europaparlament nun verhandeln müssen, im Detail aus? 

Engpässe besser überwachen, Schwachstellen in Lieferketten angehen

Spätestens während der Corona-Pandemie wurde deutlich, wie abhängig Europa bei der Versorgung mit Medikamenten und Ausrüstung von anderen Teilen der Welt ist. Im Winter gab es dann Lieferengpässe bei Antibiotika, patentfreien Medikamenten wie Fiebersäften für Kinder und Krebsmedikamenten. Die Bundesregierung hat bereits ein Gesetz auf den Weg gebracht, nun soll auch etwas auf EU-Ebene geschehen.

Konkret plant die Kommission, eine Liste besonders wichtiger Präparate anzulegen. Schwachstellen in den Lieferketten dieser Medikamente sollen angegangen werden. Unternehmen sollen dazu verpflichtet werden, Versorgungslücken und den Rückruf von Medikamenten früher zu melden und Vorsorgepläne erstellen.

Präparate in der gesamten EU verfügbar machen

Die 27 EU-Staaten teilen zwar einen Binnenmarkt – bei der Versorgung mit Medikamenten gilt das allerdings längst nicht. In westlichen und größeren Ländern wie Deutschland hätten die Patienten Zugang zu 90 Prozent neuer Arzneimittel, sagte Kyriakides. In den östlichen und kleineren Staaten seien es nur 10 Prozent. Die EU-Kommission will nun mit Anreizen dafür sorgen, dass die Bürgerinnen und Bürger aller EU-Staaten Zugang zu neuen Medikamenten haben. Konkret soll der Kommission zufolge das System für den Schutz neuer Präparate vor der Konkurrenz durch Nachahmerprodukte wie Generika überarbeitet werden.

Bislang dürfen derlei Generika spätestens elf Jahre nach der Zulassung des ursprünglichen Präparats in Europa auf den Markt. Nach Vorstellung der Kommission könnten es künftig zwar bis zu zwölf Jahre werden. Der Standardschutz soll jedoch nur noch acht anstelle von zehn Jahren betragen. Für eine Verlängerung müssen die Unternehmen Kriterien erfüllen, die den Zielen der EU-Kommission entsprechen. So können etwa weitere zwei Jahre hinzukommen, wenn ein Unternehmen sein neues Medikament in allen EU-Staaten auf den Markt bringt. Allein dadurch könnten nach Angaben der EU-Kommission bis zu 67 Millionen weitere Menschen von einem neuen Medikament profitieren.

Auch die Entwicklung eines bislang fehlenden Medikaments soll mit einem weiteren halben Jahr Schutz belohnt werden. Zugleich will die EU-Kommission sicherstellen, dass Generika an Tag eins nach Ablaufen des Monopol-Schutzes auf den Markt kommen – und dass bürokratische Hürden die Zulassung nicht verzögern.

Die «stille Pandemie» – Was tun gegen Antibiotikaresistenzen? 

Nach EU-Schätzungen sterben jedes Jahr mehr als 35 000 Menschen in Europa aufgrund von Antibiotikaresistenzen. Damit handelt es sich um die drittgrößte Gefahr für die öffentliche Gesundheit – nach Erregern mit hohem Pandemiepotenzial sowie chemischen, biologischen oder nuklearen Bedrohungen. EU-Kommissionsvize Margaritis Schinas sprach von einer «stillen Pandemie».

Die Kommission schlug nun vor, die Entwicklung bahnbrechender Antibiotika attraktiver zu machen. Konkret könnten Unternehmen, die ein solches Präparat herstellen, künftig einen Gutschein über den Schutz der Daten eines Medikaments – also eines Monopols – für ein weiteres Jahr erhalten. Dieser Gutschein soll nicht an das neue Antibiotikum gebunden sein und könnte auch verkauft werden.

Die Kosten für einen solchen Gutschein für die nationalen Gesundheitssysteme liegen nach Angaben einer EU-Beamtin bei rund 500 Millionen Euro. Diese werden nach Angaben der Kommission jedoch weitgehend durch vermiedene Todesfälle und Krankheiten ausgeglichen. In der gesamten EU sollen innerhalb von 15 Jahren nicht mehr als 10 Gutscheine vergeben werden. Die EU-Kommission legte zudem nicht bindende Empfehlungen gegen die resistenten Erreger vor, die vor allem auf zurückhaltenden Gebrauch von Antibiotika abzielen.

Zulassung beschleunigen, Bürokratie abbauen und mehr Umweltschutz

Grundsätzlich sollen neue Medikamente nach dem Vorschlag der EU-Kommission künftig schneller zugelassen werden. Die Europäische Arzneimittelagentur EMA soll im Regelfall innerhalb von 180 statt 210 Tagen ihre Einschätzung abgeben, die Zulassung der EU-Kommission soll innerhalb von 46 statt 67 Tagen erfolgen. Unter anderem durch mehr Digitalisierung sollen bürokratische Verfahren entschlackt werden. Die öffentliche Finanzierung der Entwicklung neuer Medikamente soll transparenter werden. Zudem sollen bestehende Regeln zum Schutz der Umwelt durch Arzneimittel besser durchgesetzt werden.

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49-Euro-Ticket, Mindestlohn: Das ändert sich im Mai

Berlin (dpa) – Himmelfahrt, Pfingsten und 1. Mai – dank vieler Feiertage dürfen sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Mai auf lange Wochenenden freuen. Passend dazu startet ein Bahnticket, auf das viele gewartet haben. Was sich im Mai ändert:

49-Euro-Ticket

Nach langwierigen Diskussionen und Vorbereitungen geht am 1. Mai das 49-Euro-Ticket an den Start. Das im Abo erhältliche Angebot ermöglicht bundesweit Fahrten im öffentlichen Nahverkehr zum Einführungspreis von 49 Euro im Monat. Offiziell heißt es Deutschlandticket.

Corona-Warn-App

Die meisten Corona-Regeln sind inzwischen ausgelaufen, auch die für die Pandemie-Bekämpfung genutzte Corona-Warn-App der Bundesregierung wird immer weniger genutzt. Ab Mai können Nutzerinnen und Nutzer nach einem positiven Testergebnis über die App keine Warnungen mehr an andere Anwender verschicken. Weitere Funktionen sollen dann ab Juni in einen «Schlafmodus» gehen.

Warnstreiks in Verkehrsbranche

Unklar ist, wie sich die Tarifauseinandersetzungen in der Bahnbranche entwickeln (Stand: 26. April). Sollte es keine Einigungen geben, könnten auf Bahn- und Flugreisende auch im Mai Streichungen und Verspätungen zukommen.

Höherer Mindestlohn in Altenpflege

In der Altenpflege gelten vom 1. Mai an höhere Mindestlöhne. So steigt der Mindeststundenlohn für Hilfskräfte von 13,70 Euro auf 13,90 Euro. Für den 1. Dezember sind weitere Erhöhungen geplant.

Stiko: Covid-19-Impfempfehlung für gesunde Kinder entfällt

Berlin (dpa) – Für gesunde Kinder und Jugendliche in Deutschland will die Ständige Impfkommission (Stiko) angesichts der abgeschwächten Pandemie-Lage keine Corona-Impfung mehr empfehlen. Das kündigte Stiko-Mitglied Martin Terhardt in einer Videoschalte zu einem Beschlussentwurf des Expertengremiums an.

Dieser sollte am Dienstag in das sogenannte Stellungnahmeverfahren an die Bundesländer und Fachkreise gehen. Bis zur fertigen Stiko-Empfehlung können sich noch Änderungen ergeben. Das Gremium begründet den Schritt in einer Mitteilung mit der «Seltenheit schwerer Verläufe» bei Minderjährigen ohne Vorerkrankung und betont, keine Sicherheitsbedenken zu haben.

Für gesunde Fünf- bis Elfjährige sieht die bisherige Stiko-Empfehlung eine Corona-Impfstoffdosis vor, für Zwölf- bis 17-Jährige eine Grundimmunisierung plus eine Auffrischimpfung. Weiterlesen

Gericht weist Schadenersatz-Klage gegen Astrazeneca ab

Hof (dpa) – In einem Prozess um Schadenersatz wegen Beschwerden nach einer Corona-Impfung hat das Landgericht Hof eine Klage gegen den Impfstoffhersteller Astrazeneca abgewiesen. Das sagte eine Gerichtssprecherin am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. Die Entscheidung sei bereits am 3. Januar verkündet worden, die Klägerin habe danach Berufung beim Oberlandesgericht (OLG) Bamberg eingelegt. Der Zivilprozess dürfte zu den ersten gegen einen Corona-Impfstoffhersteller in Deutschland gehören. Weiterlesen

Mehr Hilfen für psychisch kranke Jugendliche gefordert

Von Christina Sticht, dpa

Hannover (dpa) – Zunächst bekommen oft selbst Familie und Freunde wenig von den Veränderungen mit. Jugendliche ziehen sich zurück, sprechen wenig, kommen morgens kaum aus dem Bett. Im Laufe der Pandemie nahmen psychische Störungen bei Jugendlichen deutlich zu. Statt sich der Mutter oder einer Freundin anzuvertrauen, beginnen einige damit, sich selbst zu verletzen – oft mit Rasierklingen an Armen und Beinen. Das sogenannte Ritzen ist vor allem bei Mädchen und Jungen mit psychischen Problemen beziehungsweise Krankheiten verbreitet.

Auch bei seinem Kind fing die «Ritzerei» im Corona-Lockdown 2020 an, wie ein Vater aus Niedersachsen im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur erzählt. Die Hausärztin beruhigte ihn zunächst, dass das viele Jugendliche mal ausprobierten. Doch in der Erstberatung einer Kinder- und Jugendtherapeutin wurde eine beginnende Depression festgestellt. Monatelang suchte die Familie daraufhin vergeblich nach einer Psychotherapeutin für eine ambulante Therapie, dazwischen kamen Klinikaufenthalte. Schließlich riss das Kind mit einem anderen Teenager von zuhause aus und wurde erst Tage später gefunden.

Zermürbende Suche nach Unterstützung

Wenn ein Kind psychisch erkrankt, gerät auch die Welt der Eltern und Geschwister aus den Fugen. Hinzu komme die zermürbende Suche nach Unterstützung, sagt der Vater. Er schrieb E-Mails und telefonierte Therapeuten und Kliniken ab. Er ging zum Jugendamt und bat in einem Brief Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) um Hilfe. «Man hat keinen Fahrplan und ist völlig alleingelassen», sagt er. Immer wieder gebe es bürokratische Hindernisse. Anderthalb Jahre habe die Familie dann eine Therapeutin privat bezahlt. Seine Odyssee schilderte er zuerst der «Celleschen Zeitung».

Mehrere Studien belegen, dass Kinder und Jugendliche in der Corona-Zeit besonders gelitten haben: Von heute auf morgen fielen Sport und Musik weg, Freunde durften nicht mehr getroffen werden. Wie aus Daten der Krankenkasse DAK hervorgeht, nahmen Depressionen und Essstörungen vor allem bei Mädchen im Alter zwischen 15 und 17 Jahren stark zu. Bei vielen blieben die Probleme bestehen.

Ängste im Alltag als Folge der Pandemie

Die Nachfrage nach Psychotherapeutinnen und -therapeuten, die Kinder und Jugendliche behandeln, lag noch im Sommer 2022 um 48 Prozent höher als in der Vor-Corona-Zeit. Das ergab eine Umfrage der Deutschen Psychotherapeutenvereinigung. Die Kinder- und Jugendlichentherapeutin Cornelia Metge aus Zschopau in Sachsen sieht in ihrer Praxis, dass viele Kinder als Folge der Pandemie massive Ängste im Alltag haben. «Wir haben als Gesellschaft die Verantwortung und die Verpflichtung, diese Kinder zu unterstützen», betont Metge, die sich im Vorstand der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) engagiert.

Metge beobachtet, dass auch wegen des Lehrkräftemangels in den Schulen neben der puren Wissensvermittlung wesentliche Dinge zu kurz kommen. «Schule sollte auch ein Ort der Begegnung sein; ein Ort, wo man auch erzählen kann, dass man Probleme und Schwierigkeiten hat zuhause. Dafür ist viel zu wenig Zeit», beklagt sie.

Zudem müsse die Prävention einen höheren Stellenwert bekommen. «Psychische Gesundheit sollte ein fester Bestandteil des Unterrichts werden», wünscht sich Metge. Schon mit jungen Kindern könne besprochen werden: Was macht mich fröhlich, was macht mich traurig? Bereits in der Kita und Grundschule könne es Kurse zur Stressreduktion oder zum Umgang mit Konflikten geben.

Maßnahmenpaket der Bundesregierung

Die Bundesregierung hat ein Maßnahmenpaket beschlossen, das die Folgen der Pandemie für Kinder und Jugendliche abfedern soll. Ein Schwerpunkt ist die psychische Gesundheit. Unter anderem sollen in einem Modellprojekt sogenannte Mental Health Coaches besonders belastete Schulen unterstützen.

Dieses befristete Modellprojekt werde den Anforderungen keineswegs gerecht, kritisiert der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP). Vielmehr müsse endlich der internationale Standard bei der Versorgung mit Schulpsychologen angestrebt werden.

«Ideal wäre es, wenn ein Schulpsychologe auf höchstens 1500 Schülerinnen und Schüler kommt, so wie in anderen europäischen Ländern», sagt Andrea Spies, Vorsitzende der Sektion Schulpsychologie im BDP. «Bei uns ist das Verhältnis 1 zu 5400, in manchen Bundesländern wie Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Brandenburg sogar noch weit schlechter.» Schulpsychologische Beratung werde derzeit so nachgefragt wie nie. «Die Psyche reagiert auf Krisen immer zeitversetzt und meist überdauernd», betont Spies.

Langes Warten auf einen Therapieplatz

Psychisch erkrankte Jugendliche müssen meist Monate auf einen Platz für eine ambulante Therapie warten. In der Corona-Zeit waren es laut einer Befragung der Universität Leipzig im Schnitt 25 Wochen. Die Bundespsychotherapeutenkammer fordert eine Änderung der Bedarfsplanung. Außerhalb von Ballungsräumen und im Ruhrgebiet seien insgesamt 1600 zusätzliche Psychotherapeutensitze notwendig. 20 Prozent von allen Sitzen müssen laut gesetzlicher Vorgabe für Kinder und Jugendliche reserviert sein.

Was sind die Risikofaktoren für eine psychische Erkrankung von Kindern und Jugendlichen? Häufig trifft es Kinder aus ärmeren Familien, mit allein erziehenden Müttern, psychisch belasteten Eltern oder solche, die in beengten Wohnverhältnissen leben. «Bei uns traf es eine intakte Familie ohne Geldprobleme», sagt der Vater aus Niedersachsen. Bei seinem Kind habe wohl auch Mobbing in der Schule vor Corona eine Rolle gespielt, im Lockdown seien die Handy- und Internet-Zeiten aus dem Ruder gelaufen, gleichzeitig fielen geliebte Hobbys und der Vereinssport weg.

Häufig sind psychische Erkrankungen der Grund dafür, dass Mädchen und Jungen keinen Schulabschluss schaffen, auch wegen der langen Fehlzeiten in den akuten Phasen. Wenn eine Krankheit chronisch wird, hat dies negative Auswirkungen auf das ganze Leben. «Die psychische Gesundheit wird in unserer Gesellschaft immer noch nicht ernst genommen und psychische Erkrankung tabuisiert», kritisiert Schulpsychologin Spies. «Kinder und Jugendliche haben in der Pandemie am meisten gelitten. Deshalb wäre die Politik gut beraten, jetzt einen Masterplan aufzusetzen.»

Tanja Brunnert, Vize-Sprecherin des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, sagt: «Insgesamt haben wir es auch heute in unserem normalen Praxisalltag häufiger mit psychischen Problemen der Kinder und Jugendlichen zu tun als vor der Pandemie.» Sinnvoll wären aus Sicht der Kinderärztin aus Göttingen mehr niedrigschwellige Angebote der Kommunen, also Familienberatungsstellen, wie sie in vielen Städten bereits existieren. Aber auch eine Stärkung der Angebote von Sportvereinen, Jugendfeuerwehren oder Pfadfindergruppen sei wichtig. «Diese bieten Kindern und Jugendlichen Struktur in ihrer Freizeit und fördern das Verhalten in einer Gruppe Gleichaltriger.»

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Kinder in der Pandemie: Forderungen nach mehr Unterstützung

Berlin (dpa) – Bundesfamilienministerin Lisa Paus hat gefordert, die Sorgen und Nöte von Kindern und Jugendlich mit Blick auf die Folgen der Corona-Pandemie ernst zu nehmen. «Die jungen Menschen im Land haben Solidarität mit den Alten gezeigt», sagte die Grünen-Politikerin im Bundestag. «Unsere Aufgabe ist es, ihre Unterstützung stärker in den Mittelpunkt unseres Handelns zu stellen.» Es dürfe nicht vom sozialen Status abhängen, wie gut junge Menschen durch die Krise kämen. Weiterlesen

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