Kredite fürs Klima: Weltbank will eine neue, grüne Rolle

Von Theresa Münch und Julia Naue, dpa

Washington/Berlin (dpa) – Klimaschutz gibt es nicht zum Nulltarif. Im Gegenteil: Billionen von Dollar werden gebraucht, um weltweit Öl, Gas und Kohle durch saubere Energien zu ersetzen. Um Hitzewellen, Überschwemmungen und andere Katastrophen abzufedern, die als Klimafolgen schon jetzt in manchen Ländern wüten – und ärmere Länder besonders hart treffen. Doch schon in reichen Staaten wie Deutschland wird politisch um jede Milliarde fürs Klima gerungen. Ärmere Länder, die ohnehin wegen hoher Zinsen und Inflation immer tiefer in ihren Schulden versinken, haben das Geld erst recht nicht.

Hier soll eine Reform der internationalen Finanzmärkte ansetzen, die in dieser Woche in Washington bei der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds IWF und der Weltbank diskutiert wird. Im Fokus: Die Weltbank, deren Hauptaufgabe bisher ist, armen Ländern Geld zu günstigen Konditionen zu leihen mit dem Ziel, deren Wirtschaft zu stärken und so die Armut zu reduzieren. Geht es nach einem Vorschlag von Deutschland und anderen großen Anteilseignern, soll die Weltbank nun einen neuen Kernauftrag bekommen: Eingreifen bei globalen Krisen wie Klimawandel und Artensterben.

Das Ziel: Die Weltbank soll ärmeren Ländern über ihre Darlehen zu billigem Geld verhelfen und die Finanzströme gleichzeitig dorthin lenken, wo sie zur Bekämpfung der Klimakrise benötigt werden. Experten sprechen von «shifting the trillions», einer Umverteilung von Billionen. Denn nach Schätzungen der UN sind bis 2050 weltweit Klima-Investitionen von 125 Billionen Dollar erforderlich, wenn die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzt werden soll.

Was soll mit der Reform erreicht werden?

Der Reforminitiative zufolge, die von Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) ausging, soll die Weltbank Ländern attraktive Zinskonditionen geben, die den Klimaschutz vorantreiben. «Diese Investitionen müssen günstiger sein», sagt Schulzes Staatssekretär Jochen Flasbarth. Die Summen, die die Weltbank zur Verfügung stellt, sollen erheblich steigen. Dafür müsse die Bank mutiger werden, ihr Eigenkapital besser nutzen und die bisher sehr konservative Herangehensweise lockern. Mehrere Milliarden Dollar könnten so zusätzlich mobilisiert werden.

Die Befürchtung, wenn die Weltbank mehr Geld für Klimaschutz gebe, bleibe weniger für die Armutsbekämpfung übrig, teilt Flasbarth nicht. «Wir müssen deutlich machen: Das ist keine Abkehr vom Entwicklungsfokus der Bank», betont er. Gerade unter den ärmsten Ländern litten viele am meisten unter dem Klimawandel, die Investitionen kämen ihnen also zugute. Außerdem solle das Geld der Weltbank nur der Hebel sein, um ein Vielfaches an privatem Kapital zu aktivieren. Dann könne man die staatliche Entwicklungshilfe wieder stärker auf die ärmsten Länder richten.

Doch genau da sehen Entwicklungsorganisationen auch eine Gefahr: Die Reform dürfe den reichen Ländern nicht den Druck nehmen, ihre Entwicklungsetats aufzustocken, warnt etwa Oxfam-Experte Jan Kowalzig. Die Hilfe der Weltbank sehe auf dem Papier zwar nach viel Geld aus, letztlich seien es aber nur Kredite. Und da komme es darauf an, ob etwa der Aufbau erneuerbarer Energien gefördert werde oder die Anpassung eines Landes an Überschwemmungen und Dürre.

Im Fall erneuerbarer Energien könnten die Kredite Wachstum antreiben und ein Land voranbringen. Bei Frühwarnsystemen gegen Unwetter, Häusern auf Pfählen, Dämmen oder Bewässerungssystemen gehe es aber um den Erhalt des Status quo – für so etwas müsse es Zuschüsse statt Kredite geben, fordert Kowalzig. «Ländern Geld zu leihen, um sich an Folgen einer Klimakrise anzupassen, die sie selbst am wenigsten verursacht haben, das ist aus dem Blickwinkel der Klimagerechtigkeit sehr problematisch.» Es treibe ärmere Länder nur noch tiefer in die Schuldenfalle. Außerdem unterstütze die Weltbank selbst aktuell noch massiv fossile Energien.

Welche Änderungen hat die Weltbank schon versprochen?

Das kritisieren auch Klimaaktivisten. Seit 2015 habe die Weltbank 15 Milliarden Dollar an privatem und öffentlichem Kapital etwa für den Ausbau von Kohle, Öl und Gas mobilisiert, heißt es in einem Bericht der NGO-Koalition The Big Shift Global. Hier verspricht die Weltbank bereits seit längerem Änderungen. Auch der Vorschlag der Bank, ihr Leitbild zu ändern, zielt darauf ab. Dabei geht es darum, den Fokus auf einen erweiterten Wohlstandsbegriff zu legen, der sich nicht nur an klassischen Parametern wie dem Bruttoinlandsprodukt orientiert. Es soll künftig neben der Beendigung der extremen Armut noch viel mehr darum gehen, den gemeinsamen Wohlstand durch eine «nachhaltige, widerstandsfähige und integrative Entwicklung» zu fördern.

«Wir müssen das Augenmerk weiter auf die ärmsten Ländern richten – aber wir brauchen einen integralen Ansatz», sagt Axel van Trotsenburg, der seit rund 35 Jahren für die Weltbank arbeitet und heute Senior Managing Director dort ist, beim Gespräch in Washington. «Eine Organisation, die sich statisch definiert, ist irrelevant», betont er. Deshalb sei es nach der Corona-Pandemie wichtig, zu reflektieren, was die aktuellen Herausforderungen seien. Eine Pandemie oder die Klimakrise würden arme Länder noch tiefer in die Armut stürzen. Die Weltbank argumentiert daher, dass es sinnvoll sei, derartige Krisen von vornherein mitzudenken.

Manager Ajay Banga wird neuer Weltbank-Chef

Doch so eine tiefgreifende Reform eines großen Tankers wie der Weltbank ist kein einfaches Unterfangen. «Eine Reform muss man managen», sagt Van Trotsenburg. Die Weltbank sei eine große multilaterale Organisation, Steuergeld sei involviert, es gebe Interessen – man müsse wissen, wie man das macht. «Aber wenn Sie einen Großbetrieb in Deutschland leiten, müssen Sie Ihr Geschäft auch kennen.» Wichtig sei, dass man Ambitionen habe. Und auch Van Trotsenburg macht deutlich: «Für die Weltbank ist es undenkbar, vom Ziel der Armutsbekämpfung abzurücken.»

Die Reform fällt nun genau in den Wechsel an der Spitze an der Bank. Weltbankchef David Malpass hat im Februar überraschend seinen Rücktritt angekündigt. Der US-Ökonom war wegen einer Äußerung zur Klimakrise in die Kritik geraten. Ihm soll nun mitten im Reformprozess der indisch-amerikanisch Manager Ajay Banga folgen. Van Trotsenburg betont: «Jeder neue Präsident wird wahrscheinlich neue Akzente setzen – und das ist auch gut so.»

Weiterlesen

Mediziner Trabert: Lindner fehlt Wille zur Armutsbekämpfung

Berlin/Mainz (dpa) – Der Mainzer Sozialmediziner Gerhard Trabert hat Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) fehlenden Willen bei der Armutsbekämpfung vorgeworfen. Mit Blick auf die Verteilungsgerechtigkeit sagte Trabert am Dienstag beim Kongress Armut und Gesundheit in Berlin: «Unser Finanzminister hat eben nicht Recht, wenn er behauptet, es seien zu wenig finanzielle Mittel in diesem Land vorhanden, um diese Form der Armutsbekämpfung zu finanzieren.» Und: «Er will einfach Armut nicht bekämpfen.» Weiterlesen

Kinder aus ärmeren Familien bei Kita-Betreuung im Nachteil

Wiesbaden (dpa) – Kinder aus ärmeren und weniger gebildeten Familien sind bei der Vergabe von Kita-Plätzen nach wie vor benachteiligt. Zudem ist der Betreuungsbedarf von Jungen und Mädchen, bei denen zu Hause überwiegend kein Deutsch gesprochen wird, zu einem größeren Teil ungedeckt, als bei Gleichaltrigen mit Deutsch als Familiensprache. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) in Wiesbaden.

Demnach hängt es auch zehn Jahre nach der Einführung eines Rechtsanspruchs auf einen Kitaplatz für Mädchen und Jungen ab dem vollendeten ersten Lebensjahr stark von den sozioökonomischen Verhältnissen der Eltern ab, ob ein Kind betreut wird oder nicht. Die Experten untersuchten unter anderem die Daten zur Kita-Nutzung von rund 96.000 Unter-Dreijährigen. Weiterlesen

«Winteraktion Saar» erreicht Tausende Hilfsbedürftige

Saarbrücken (dpa/lrs) – Mehr als zehntausend hilfsbedürftige Menschen sind nach Schätzungen des saarländischen Sozialministers Magnus Jung (SPD) bislang von der «Winteraktion Saar» erreicht worden. Das Land hatte das Programm mit unterschiedlichen Hilfsangeboten gemeinsam mit Sozialverbänden, Vereinen, Organisationen und kirchlichen Trägern im vergangenen November gestartet. Ziel war es unter dem Motto «Das Saarland rückt zusammen», angesichts steigender Preise für Energie und Lebensmittel zusätzlich und niedrigschwellig Unterstützung zu schaffen. Bis Ende März stehen dafür 1,7 Millionen Euro bereit.

«Unsere Hoffnung war, dass wir am Ende eine kleine Bürgerbewegung für Solidarität im Land lostreten», sagte Jung am Dienstag in Saarbrücken. Dies sei in einer Art und Weise gelungen, «die uns positiv überrascht und wirklich zufrieden gemacht hat mit dem vielen Engagement und Ideen, die ganz viele Menschen und Organisationen entwickelt haben». Weiterlesen

Fünf-Punkte-Plan gegen Obdachlosigkeit im Saarland

Saarbrücken (dpa/lrs) – Mit einem Fünf-Punkte-Plan will das saarländische Sozialministerium die Weichen zur Eindämmung von Obdachlosigkeit stellen. Man habe den Plan bereits zentralen Akteuren der Obdachlosenhilfe vorgestellt, teilte Sozialminister Magnus Jung (FDP) am Donnerstag mit. Eine Wiederholung von Situationen wie die der Räumung von Obdachlosen-Zelten in der Nähe einer Wärmestube Mitte Januar solle künftig vermieden werden. Unter anderem der Minister hatte die damalige Zwangsräumung der Stadt Saarbrücken kritisiert. Weiterlesen

Studie: Jedes fünfte Kind armutsgefährdet

Gütersloh (dpa) – Mehr als jedes fünfte Kind und jeder vierte junge Erwachsene in Deutschland sind einer Studie zufolge armutsgefährdet. Betroffen sind unter den Kindern vor allem Jungen und Mädchen in alleinerziehenden Familien oder in Mehrkindfamilien mit drei und mehr Heranwachsenden, wie aus einer am Donnerstag veröffentlichten Analyse der Bertelsmann Stiftung hervorgeht. Kinder- und Jugendarmut bleibe ein ungelöstes Problem.

Es gebe erhebliche regionale Unterschiede: Am höchsten falle die Armutsgefährdungsquote in Bremen aus, am niedrigsten in Bayern, das bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen liege etwa im Mittelfeld. Weiterlesen

Studie: Mehr als jedes fünfte Kind von Armut bedroht

Saarbrücken (dpa/lrs) – Im Saarland ist einer Studie der Bertelsmann Stiftung zufolge mehr als jedes fünfte Kind von Armut bedroht. Insgesamt waren 32.635 und damit rund 22 Prozent der Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren im Jahr 2021 armutsgefährdet, wie aus einer am Donnerstag veröffentlichten Analyse der Bertelsmann Stiftung hervorgeht. Besonders stark betroffen waren den Angaben zufolge Familien mit drei oder mehr Kindern (29,2) und Kinder von Alleinerziehenden (47,4 Prozent). Bei jungen Erwachsenen zwischen 18 und 24 Jahren waren rund 18 Prozent von Armut bedroht. Weiterlesen

Sozialminister kritisiert Zwangsräumung von Saarbrücken

Saarbrücken (dpa/lrs) – Der saarländische Sozialminister Magnus Jung (SPD) hat die Stadt Saarbrücken wegen der Zwangsräumung von Obdachlosen-Zelten in der Nähe einer Wärmestube am Montagmorgen kritisiert. «Insbesondere das Vorgehen der Stadt Saarbrücken in den frühen Morgenstunden, bei Dunkelheit und bei Regen eine Zwangsräumung durchzuführen, ist nicht in Ordnung», teilte Jung am Dienstag mit. «So geht man nicht mit hilfsbedürftigen Menschen um.» Weiterlesen

Oxfam: Konzerne und Superreiche sind Gewinner der Krisen

Davos (dpa) – Vor dem Start des Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos hat die Entwicklungsorganisation Oxfam mit Nachdruck vor steigender Ungleichheit in der Welt, aber auch in Deutschland gewarnt. Erstmals seit 25 Jahren hätten extremer Reichtum und extreme Armut zuletzt gleichzeitig zugenommen. Durch den deutlichen Anstieg der Lebensmittel- und Energiepreise im vergangenen Jahr seien Milliardäre noch reicher geworden. «Während Millionen Menschen nicht wissen, wie sie Lebensmittel und Energie bezahlen sollen, bringen die Krisen unserer Zeit gigantische Vermögenszuwächse für Milliardär*innen», sagte Oxfam-Referent Manuel Schmitt.

Wie aus dem Bericht der kapitalismuskritischen Organisation zur WEF-Jahrestagung in Davos hervorgeht, haben 95 Lebensmittel- und Energiekonzerne weltweit ihre Gewinne im Jahr 2022 mehr als verdoppelt. Sie erzielten demnach 306 Milliarden US-Dollar an Zufallsgewinnen und schütteten 257 Milliarden US-Dollar (84 Prozent) davon an Aktionärinnen und Aktionäre aus. Oxfam definiert hier Gewinne als Zufallsgewinne, wenn sie den Durchschnitt der Jahre 2018 bis 2021 um 10 Prozent oder mehr übersteigen. Weiterlesen

Biden reist an US-Südgrenze – Gouverneur übt scharfe Kritik

El Paso (dpa) – Überschattet von tiefen politischen Spannungen ist US-Präsident Joe Biden erstmals seit Beginn seiner Amtszeit an die Südgrenze der USA im Bundesstaat Texas gereist. Biden traf gestern bei seinem mehrstündigen Besuch in der Stadt El Paso Grenzbeamte und ging entlang der Grenzmauer zu Mexiko.

Der Demokrat wurde zuvor am Flughafen der Grenzstadt kühl von dem texanischen Gouverneur Greg Abbott empfangen. Der Republikaner überreichte Biden einen Brief, in dem er der Regierung schwere Vorwürfe machte. Der Besuch komme zwei Jahre zu spät, Bidens «Versagen» sei für das «Chaos» an der Grenze verantwortlich. El Paso hatte sich zuletzt zu einem Schwerpunkt der Migration in die USA entwickelt – im Dezember hatte sich die Situation dramatisch zugespitzt. Weiterlesen

Tafeln in Großbritannien erleben größte Nachfrage

London (dpa) – Angesichts steigender Verbraucherpreise und wachsender Armut erleben die Tafeln in Großbritannien nach eigenen Angaben die größte Nachfrage ihrer Geschichte. «Das ist die geschäftigste Zeit, die unabhängige Tafeln in Großbritannien jemals erlebt haben, und vielen bereitet die wachsende Nachfrage Probleme», sagte Sabine Goodwin, die Chefin der Dachorganisation Independent Food Aid Network, der Deutschen Presse-Agentur.

«Es ist deutlich wie nie, dass gemeinnützige Hilfe als Antwort auf die eskalierende Armut weder nachhaltig noch akzeptabel ist», so Goodwin. Vielmehr bräuchten die Menschen Unterstützungszahlungen sowie Löhne, mit denen sie Lebensmittel für sich und ihre Familien bezahlen könnten.

Die Inflation in Großbritannien lag zuletzt bei rund elf Prozent, auf Lebensmittel beschränkt sogar noch höher. Die britische Wirtschaft steckt in einer Rezession und hat sich im Vergleich zu anderen Ländern kaum von dem Pandemie-Tief erholt. Der Brexit hat den Handel mit dem größten Markt vor der Haustür – der Europäischen Union – drastisch einbrechen lassen. Weiterlesen

Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen
Eifelzeitung E-Paper Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen