Ackermann: Corona-Pandemie macht Menschen dünnhäutiger

Trier (dpa/lrs) – Nach fast zwei Jahren Corona-Pandemie sieht Triers Bischof Stephan Ackermann eine Veränderung des gesellschaftlichen Klimas. «Es gibt eine Ermüdung: Man merkt, die Menschen werden dünnhäutiger. Man wird auch unduldsamer miteinander», sagte der Trierer Bischof der Deutschen Presse-Agentur. «Natürlich ist da Spaltpotenzial. Das spürt man. Und das ist nicht zu unterschätzen, weil sich Positionen verhärten» Der Ton werde rauer, vor allem rund um strittige Themen wie Impfpflicht oder Anti-Corona-Maßnahmen.

Auch die Anfälligkeit für Verschwörungstheorien werde größer, sagte der Bischof. «Da sind so abstruse Dinge darunter, wo man wirklich staunt, dass Menschen sie für wahr halten» Wie auch bei Impfgegnern stehe bei den Anhängern solcher Theorien womöglich etwas anderes dahinter: «Sie haben das Gefühl, zu wenig gehört zu werden, nichts bewirken zu können, ohnmächtig zu sein» Daher seien ihre Reaktionen oft eine Art Ventil, um Widerstand zu zeigen, sagte Ackermann. Deshalb sei es wichtig, Gelegenheiten zu schaffen, um über die tieferliegenden Themen zu sprechen.

Es sei richtig, dass die Politik die allgemeine Impfpflicht als letztes Mittel im Kampf gegen die Pandemie ansehe. «Ich setze auch auf Überzeugungsarbeit. Auch wir deutschen Bischöfe appellieren an Vernunft und soziale Verantwortung», sagte Ackermann. Die Impfpflicht sei «ein starker Eingriff in die individuelle Freiheit des Einzelnen und daher Ultima Ratio»

Die Pandemie habe aber auch Positives gezeigt: «Es gibt doch bei allen Schwierigkeiten in der Breite der Bevölkerung nach wie vor Bereitschaft zur Solidarität», sagte der Bischof. Wenn man zudem an die Flutkatastrophe vom Sommer an Ahr, Mosel und in der Eifel denke, wo sich unzählige Bürger für in Not geratene Menschen einsetzten, könne man sagen: «Es ist ein großes soziales Kapital da. Das ist stark»

Der Kirche hat die Corona-Pandemie laut Ackermann «einen großen Schub» bei der digitalen Vernetzung gegeben. «Formen, sich miteinander zu treffen, Dinge zu besprechen, sich zu beraten, auch international – die haben sich verändert», sagte er. «Digitalität gibt es jetzt ja in einer Selbstverständlichkeit, die wäre vorher undenkbar gewesen»

Dennoch: Das Digitale stoße auch an Grenzen. Zum Beispiel bei Gottesdiensten, die ja auch teils live im Internet gestreamt werden: «Der Kirchgang ist ja auch immer ein soziales Ereignis», sagte der Bischof. «Leute treffen sich vorher und nachher, das kann ich digital nicht machen» Und: Bei der Arbeit von Gruppen und Gremien seien die Einbußen ohne physische Treffen groß gewesen.

Es werde künftig «sicherlich Entfremdungen vom Gottesdienst» geben. «Menschen haben sich entwöhnt», sagte er. Immer noch gebe es Hürden beim Besuch: Man müsse sich meist vorher anmelden. Es sei aber noch zu früh, «um einen Summenstrich» zu ziehen, wie sich Kirche verändert habe. «Wir haben die Pandemie ja noch nicht hinter uns, sondern sind immer noch mittendrin»

 

 

 

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