Lindner: Ampel hat an Legitimation verloren

Berlin/Hannover (dpa) – Der Wahlausgang in Niedersachsen stellt aus Sicht des FDP-Vorsitzenden Christian Lindner ein Problem für die gesamte Ampel-Koalition in Berlin dar. «Die Ampel insgesamt hat an Legitimation verloren», sagte Lindner am Montag in Berlin. Die Verluste von SPD und FDP würden nicht aufgewogen durch die Zugewinne bei den Grünen. «Insofern hat nicht die FDP ein Problem, sondern die Ampel insgesamt muss sich der Herausforderung stellen, für ihre Politik mehr Unterstützung in Deutschland zu erreichen.»

Lindner betonte: «Aus unserer Sicht müssen wir über die Balance von sozialem Ausgleich, ökonomischer Verantwortung und wirtschaftlicher Vernunft neu nachdenken, damit die Ampel insgesamt wieder reüssieren kann.»

Der FDP gelinge es gegenwärtig nicht, für ihr klares Profil hinreichend Unterstützung zu bekommen, sagte Lindner. Die FDP stelle sich der Herausforderung, das als richtig erkannte Profil «jetzt herauszuarbeiten und zu stärken». Dafür nehme sie sich Zeit. Es gehe darum, «wie wir die Positionslichter der FDP anschalten». Änderungen an den Grundpositionen seiner Partei lehnte Lindner ab. So bekräftigte er auch die Forderung, die noch verbliebenen drei Atomkraftwerke angesichts der Energiekrise am Netz zu lassen. «Das ist nicht Politik, sondern Physik.»

Klingbeil sieht Ampel nicht in Gefahr

SPD-Chef Lars Klingbeil sieht die Ampel-Koalition in Berlin nach der Wahlschlappe der FDP in Niedersachsen nicht in Gefahr. «Ich mache mir keine Sorgen um die Regierungsfähigkeit der Ampel oder eines einzelnen Partners der Ampel», sagte Klingbeil am Montag auf einer Pressekonferenz mit dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil in Berlin. Er rief alle Ampel-Koalitionspartner zur Geschlossenheit auf. «Die Antwort darauf ist nicht, dass wir uns beharken, sondern die Antwort ist, dass wir uns unterhaken.»

Klingbeil verwies auf die Herausforderungen, vor denen die Koalition im Zuge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine steht. Diese müssten nun «sehr konzentriert und fokussiert» abgearbeitet werden. Der SPD-Chef rief dazu auf, den offenen Streit in der Koalition der vergangenen Wochen zu beenden. Man müsse zum Geist der Koalitionsverhandlungen zurückkehren, die im Zeichen eines gemeinsamen Aufbruchs gestanden hätten. «Das ist am Ende das Beste für dieses Land, wenn die Regierung vernünftig zusammenarbeitet, und deswegen erwarte ich das.»

Nouripour hofft auf Ende des «Entscheidungsstaus»

Der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour hofft nach der Niedersachsen-Wahl auf ein Ende des «Entscheidungsstaus» der bisherigen großen Koalition in dem Bundesland. «Wir haben in Niedersachsen eine Groko gehabt, sie haben nicht entschieden», sagte er bei NDR-Info.

Nach dem guten Abschneiden der Grünen würden sie in Koalitionsgesprächen mit der SPD besonderen Wert auf die Themen Verkehrswende, Soziales und Belange der Kinder legen. «Die Leute sind unter Druck, haben in diesen Zeiten große Sorgen», betonte Nouripour.

Grüne für schnelle Verhandlungen

Niedersachsens Grüne rechnen nicht mit zähen Koalitionsverhandlungen mit der SPD. «Es gibt in der Verfassung die Verpflichtung, binnen sieben Wochen einen Ministerpräsidenten zu wählen. Aber traditionell geschieht das in Niedersachsen schon mit der Konstituierung des neuen Landtages, also spätestens am 8. November. Insofern werden die Verhandlungen nicht lange dauern», sagte Spitzenkandidatin Julia Willie Hamburg der Deutschen Presse-Agentur in Hannover. «Heute werden unsere Parteigremien tagen. Ich gehe davon aus, dass wir diese Woche das erste Mal reden und dann zügig mit Verhandlungen starten.»

Lies sieht sehr gute Chancen für Rot-Grün

Niedersachsens Vize-SPD-Chef Olaf Lies (SPD) sieht nach der Landtagswahl sehr gute Chancen für die angestrebte rot-grüne Regierung. «Ich bin überzeugt, dass das gelingt», sagte Lies in Hannover. SPD und Grüne hätten ungemein viele Schnittmengen und Gemeinsamkeiten auch aus der gemeinsamen Regierungszeit in den Jahren 2013 bis 2017. Angesichts der drängenden Energiekrise und der Sorgen der Menschen wäre es gut, wenn die neue Koalition bereits vor der konstituierenden Sitzung des neuen Landtags Anfang November unter Dach und Fach sei.

Ein vorrangiges Ziel sei, das von Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) in Aussicht gestellte niedersächsische Rettungspaket für Firmen und Haushalte schnell auf den Weg zu bringen. Zu seiner eigenen Rolle in der künftigen Regierung hielt sich Lies, der zuletzt als Umwelt- und Energieminister im Kabinett saß, bedeckt. Der Posten des Wirtschaftsministers, den er zuvor innehatte, habe ihm aber mehr zugesagt, betonte er. Wie viele Ministerposten bei einer solchen Koalition die SPD und die Grünen erhalten sollen, sagte Lies nicht.

Niedersachsens CDU-Chef will genaue Analyse

Niedersachsens CDU-Chef Bernd Althusmann fordert nach seiner Niederlage bei der Landtagswahl eine offene Analyse seiner Partei auch über die Politik der CDU im Bund. «Wir werden das Ergebnis sehr genau analysieren. Dabei werden wir nicht nur auf diese Wahl schauen, sondern auch auf die Bundestagswahl 2021 und die vergangenen 16 Jahre ebenso wie auf die eine oder andere Schwäche des Wahlkampfs. Wir müssen klären, warum es der CDU nicht ausreichend gelingt, mit ihren eigenen Themen durchzudringen», sagte Althusmann am Montag der Deutschen Presse-Agentur in Hannover. Die frühere Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte 16 Jahre regiert.

Althusmann sagte, Kernthemen der CDU wie die Sicherheit hätten im Wahlkampf kaum eine Rolle gespielt. Die Partei müsse sich aber auch intensiv mit der veränderten Arbeitswelt sowie Energiefragen auseinandersetzen. «Der CDU wird auch im Bereich der erneuerbaren Energien nicht ausreichend Kompetenz zugeschrieben. Das müssen wir ändern und auch darüber innerhalb der Parteigremien beraten.»

Bei der Landtagswahl am Sonntag hatte die CDU mit 28,1 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis in Niedersachsen seit den 1950er Jahren eingefahren. Stärkste Kraft wurde die SPD mit 33,4 Prozent, die Grünen verbesserten sich auf 14,5 Prozent, die AfD erreichte 10,9. Die FDP mit 4,7 Prozent und die Linke mit 2,7 Prozent verpassten den Landtag.

 

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