«Kollision war unvermeidbar»: Prozess um Raserunfall

Frankenthal (dpa/lrs) – Auf dem Satellitenbild von Google Maps folgt die Richterin dem Verlauf der Straße von einem Weingut in Richtung Unglücksstelle. Umgeben von Weinbergen macht die Landstraße K1 nach einigen Schlenkern einen Knick nach rechts. Dort befindet sich der Unfallort bei Weisenheim am Berg im Kreis Bad Dürkheim, an dem im September 2020 drei Menschen starben.

Zu Beginn des Prozesses vor dem Landgericht Frankenthal um den fatalen Unfall räumte der mutmaßliche Verursacher am Dienstag ein, genau an dieser Stelle zu schnell unterwegs gewesen zu sein. Wegen des hohen Tempos von wohl mehr als 120 Stundenkilometern geriet er mit seinem PS-starken Wagen in der Rechtskurve auf die Gegenfahrbahn.

Ein entgegenkommendes Fahrzeug konnte den gutachterlichen Feststellungen zufolge noch ausweichen. Als der 29-jährige Angeklagte aus Biblis in Südhessen dann aber beim Gegenlenken die Kontrolle verlor, hatte eine entgegenkommende Fahrerin keine Chance. Die beiden Autos stießen frontal zusammen.

«Die Kollision war unvermeidbar», erläuterte ein Sachverständiger vor Gericht. «500 Meter weiter hätte das ABS den Wagen wieder stabilisieren können. Aber am Ende war zu wenig Platz.» Mit ABS ist das Antiblockiersystem gemeint, das ein Auto beim Bremsen in der Spur halten soll. Die Fahrerin des anderen Fahrzeugs, die Beifahrerin und ein 15 Monate alter Junge starben noch am Unfallort. Ein einmonatiges Mädchen überlebte. Der 29 Jahre alte Angeklagte sowie sein Beifahrer blieben nahezu unverletzt.

Angeklagt ist der 29-Jährige wegen fahrlässiger Tötung, vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs und verbotenem Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge. Zu schnell gefahren sei er «aus Spaß an der Beschleunigung und ohne Rücksicht auf andere Verkehrsteilnehmer», so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft.

Den Tränen nahe schilderte ein 30-jähriger Zeuge, wie er als Ersthelfer zu dem Auto gerannt sei, dass der Angeklagte gerammt hatte. Drei Personen hätten kein Lebenszeichen von sich gegeben. Nur ein Baby habe er schreien hören. Er und zwei junge Frauen hätten schon in einem Weingut zufällig in der Nähe des Angeklagten und seines Beifahrers gesessen und dieses zeitgleich verlassen. Der Angeklagte habe dort mit seinem Sportwagen trotz noch freier Parkplätze direkt vor dem Eingang des Weinguts geparkt und sei ihr deshalb direkt aufgefallen, sagt eine der Frauen.

Beim Einbiegen auf die Unfallstraße, so sagte es ihr Mitfahrer aus, habe der Angeklagte voll durchbeschleunigt. Die Hinterachse habe sich deutlich abgesenkt, Kurven habe er ganz am äußeren Rand genommen. Laut Sachverständigem dauerte die Fahrt des Angeklagten vom Weingut aus bis zum Unfallort drei Minuten und 27 Sekunden.

Seinen mit mehreren Hundert PS ausgestatteten Wagen sei der 29-jährige Angeklagte im «Sportmodus» gefahren. Der Angeklagte dagegen beteuerte, nur an der Unfallstelle zu schnell gewesen zu sein. Ansonsten habe er «keine Intention gehabt, schneller zu fahren». Insgesamt sprach er oft zögerlich und mit leiser Stimme.

«Ich habe nicht empfunden, dass ich übermäßig schnell war», sagte er in Bezug auf die übrige Fahrt. Warum er an der Unfallstelle schneller gefahren sei, wisse er nicht.

Ob dies stimmt, wird eine entscheidende Frage der Beweisaufnahme sein. Denn nicht jeder Raser kann nach aktueller Rechtsprechung wegen «verbotenem Kraftfahrzeugrennen» verurteilt werden. Der Bundesgerichtshof spricht nur dann von einem solchen «Rennen gegen sich selbst», wenn ein Angeklagter nicht nur in einer einzelnen Verkehrssituation schnellstmöglich zu fahren versucht, sondern dies auf einer «nicht ganz unerheblichen Wegstrecke» zu tun beabsichtigt.

Vereinfacht gesagt lautet die zu klärende Frage: War die Fahrt zumindest zeitweise ähnlich gefährlich wie ein klassisches Autorennen? Im Gesetz steht nur, dass bestraft wird, wer «sich als Kraftfahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen».

Sollte das Gericht nach der Beweisaufnahme den Straftatbestand als erfüllt ansehen, würde sich dies massiv auf das mögliche Strafmaß auswirken. Aus Vergehen würde Verbrechen. Dem Angeklagten drohten dann zwischen einem und zehn Jahren Freiheitsstrafe. Die fahrlässige Tötung sieht hingegen nur maximal fünf Jahre Gefängnis vor.

 

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