Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Kiew (dpa) – Die Ukraine hofft auf weitere Rettungsaktionen für bedrohte Zivilisten aus der von Russland fast vollständig eroberten Hafenstadt Mariupol.

Das russische Militär kündigte für Donnerstag, Freitag und Samstag jeweils Feuerpausen an, damit die Menschen das dort belagerte Stahlwerk Azovstal verlassen können. In Kiew sicherte Präsident Wolodymyr Selenskyj dasselbe für die ukrainische Seite zu. «Wir hoffen, weiterhin Menschen aus Azovstal, aus Mariupol retten zu können», sagte er in seiner abendlichen Videoansprache am Mittwoch.

Mit schweren Raketenangriffen auf Bahnanlagen in der Ukraine versuchten russische Truppen am Mittwoch weiter, die Nachschubwege für westliche Waffen zu zerstören. In der polnischen Hauptstadt Warschau soll am Donnerstag eine internationale Geberkonferenz Geld für humanitäre Hilfe in der kriegsgeplagten Ukraine sammeln.

Kämpfe und Feuerpausen am Stahlwerk Azovstal

Nach Angaben des ukrainischen Militärs haben die russischen Truppen erneut versucht, das Stahlwerk Azovstal in der Hafenstadt Mariupol zu erstürmen. «Mit Unterstützung der Luftwaffe hat der Gegner seinen Angriff mit dem Ziel erneuert, das Fabrikgelände unter seine Kontrolle zu bringen», teilte der ukrainische Generalstab am Donnerstagmorgen in seinem Lagebericht mit.

In dem Stahlwerk haben neben den ukrainischen Kämpfern Schätzungen zufolge auch noch bis zu 200 Zivilisten Zuflucht gesucht. Für die nächsten Tage hat Russland eine tägliche, auf mehrere Stunden begrenzte Feuerpause angekündigt, damit diese Menschen sich in Sicherheit bringen können.

Einen Erfolg meldete der Generalstab von der Südfront: Demnach sei es dort gelungen, dem Gegner die Kontrolle über mehrere Ortschaften an der Grenze zwischen den Gebieten Cherson und Mykolajiw zu entreißen. Details und Ortsnamen nannte die Kiewer Militärführung dabei nicht. Von unabhängiger Seite lassen sich die Angaben nicht überprüfen.

Kremlbeamter zeigt neue russische Macht in Mariupol

Wenige Tage vor dem 9. Mai, dem «Tag des Sieges» über Hitler-Deutschland, demonstrierte Moskau seine neu gewonnene Macht mit einem Besuch des ranghohen Kremlbeamten Sergej Kirijenko in Mariupol. Der frühere Regierungschef organisiert für Präsident Wladimir Putin die russische Innenpolitik. Den Angaben zufolge besuchte er in Mariupol das Ilitsch-Stahlwerk und den Hafen und war auch zu Gast in Wolnowacha, einer Stadt in der Separatistenrepublik Donezk.

Die Menschen in der Volksrepublik Donezk verstünden Kirijenkos Besuch als Symbol, «dass Russland für immer hierher zurückgekehrt ist», schrieb Denis Puschilin, Chef der Donezker Separatisten. Kurz vor dem Angriff auf die Ukraine hatte Russland die 2014 abgespaltenen sogenannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk als unabhängig anerkannt. In Moskau wird spekuliert, ob Putin bei der traditionellen Parade zum Tag des Sieges die weitere Richtung im Ukraine-Krieg verkünden wird. Der Kreml dementierte aber, dass Putin eine allgemeine Mobilmachung verkünden werde.

In der Exklave Kaliningrad an der Ostsee übte die russische Armee Angriffe mit dem atomwaffenfähigen Raketensystem Iskander-M. Etwa 100 Soldaten rückten mit 20 Fahrzeugen aus, wie das Militär am Mittwoch mitteilte. Dann seien einzelne oder massenhafte Starts simuliert worden, um gegnerische Raketensysteme, Flugplätze, Bunker oder Truppen zu treffen. Iskander-M kann mit Marschflugkörpern oder Raketen bis zu 500 Kilometer weit schießen. Von Kaliningrad aus liegen damit Warschau, Berlin und andere Hauptstädte in Reichweite.

Tote und Verletzte nach Raketenbeschuss

Nach dem massiven Beschuss mehrerer ukrainischer Städte im Donbass melden die örtlichen Behörden viele Tote und Verletzte unter der Zivilbevölkerung. «Nach einem Raketeneinschlag in Kramatorsk gibt es 25 Verletzte, beschädigt wurden 9 Wohnhäuser, die Schule und Objekte der zivilen Infrastruktur», teilte der Leiter der Militärverwaltung des Gebiets Donezk, Pawlo Kyrylenko, am Donnerstag auf seinem Telegram-Kanal mit. Nach Kyrylenkos Angaben wurden auch Tschasiw Jar, Marjinka und Awdijiwka beschossen. Dabei habe es in Tschasiw Jar mindestens einen Toten gegeben.

Der Gouverneur der ebenfalls schwer umkämpften Region Luhansk, Serhij Hajdaj, sprach von mindestens fünf Toten durch den Beschuss der Städte Sjewjerodonezk, Lyssytschansk, Hirske und Popasna. Über die Anzahl der Verletzten machte er keine Angaben. Auch hier seien Wohnhäuser und Infrastruktur schwer beschädigt worden, teilte Hajdaj mit.

Raketen treffen Bahnanlagen in Dnipro

Die wiederholten russischen Raketenangriffe auf Eisenbahnanlagen haben den Zugverkehr in der Ukraine empfindlich gestört. Nach einem Überblick der Bahngesellschaft Ukrsalisnyzja vom Mittwochabend waren etwa 20 Fernzüge mit Verspätungen von bis zu zwölf Stunden unterwegs.

«Russland versucht, unsere Logistik zu ruinieren, weil sie uns im Felde nicht besiegen können», schrieb der Leiter des ukrainischen Präsidialamtes, Andrij Jermak, auf Telegram. Er bestätigte den Angriff auf ein Objekt der Eisenbahn mitten in der Stadt Dnipro.

Nicht verifizierte Videos im Internet ließen vermuten, dass dort eine Eisenbahnbrücke über den breiten Strom Dnipro getroffen worden war. Der Zugverkehr an der Stelle sei eingestellt worden, teilten örtliche Behörden mit. Wegen der russischen Raketen herrschte auch in der Nacht zu Donnerstag in fast allen Teilen der Ukraine Luftalarm.

Trotz der Angriffe gelangten die gelieferten Waffen in die Hände der Ukraine, sagte John Kirby, Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, in Washington. Der Sender CNN berichtete, von 90 zugesagten Haubitzen aus den USA seien etwa 80 bereits in der Ukraine. Auch 90.000 von 144.000 zugesagten Geschossen Munition hätten ihr Ziel erreicht.

Das bringt der Tag

Am Donnerstag, dem 71. Tag des Krieges, tritt in Polen eine internationale Geberkonferenz zusammen. Sie soll Geld für humanitäre Hilfe in der Ukraine sammeln. Die Veranstaltung in Warschau wird von Polen und Schweden gemeinsam organisiert. Partner der Konferenz sind die Präsidenten der Europäischen Kommission und des Europäischen Rates. Auch die Vereinten Nationen beteiligen sich.

 

 

 

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