München trennt sich von Dirigent Gergijew

Ukraine-Krieg
Von Britta Schultejans, dpa

München (dpa) – Es sind deutliche Worte, die der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) am Dienstag wählt: «Ich hätte mir erwartet, dass er seine sehr positive Einschätzung des russischen Machthabers überdenkt und revidiert. Das hat er nicht getan»

Das Schweigen von Waleri Gergijew hat Konsequenzen. Nun ist Schluss für den russischen Star-Dirigenten als Chef der Münchner Philharmoniker. «Es wird damit ab sofort keine weiteren Konzerte der Münchner Philharmoniker unter seiner Leitung geben», teilte Reiter mit. Seine Nähe zu Wladimir Putin – bislang nur ein latentes Imageproblem – wird dem 68-Jährigen nach dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine endgültig zum Verhängnis. Nicht nur in München – weltweit sagen renommierte Häuser seine Auftritte ab.

Reiter hatte Gergijew am Freitag ein Ultimatum gestellt. Doch der Dirigent habe sich trotz der Aufforderung, «sich eindeutig und unmissverständlich von dem brutalen Angriffskrieg zu distanzieren, den Putin gegen die Ukraine und nun insbesondere auch gegen unsere Partnerstadt Kiew führt», nicht geäußert, heißt es in der Mitteilung der Stadt.

«In der aktuellen Situation wäre aber ein klares Signal für das Orchester, sein Publikum, die Öffentlichkeit und die Stadtpolitik unabdingbar gewesen, um weiter zusammenarbeiten zu können. Nachdem dies nicht erfolgt ist, bleibt nur eine sofortige Trennung» Gergijews Vertrag liefe eigentlich noch bis Juli 2025

Seit 2015 war Gergijew Chefdirigent der Münchner Philharmoniker, eines Orchesters der Stadt München. Die Freundschaft mit dem russischen Machthaber Putin brachte ihm schon seit Jahren immer wieder Kritik ein. Im Jahr 2014 unterschrieb er einen Künstler-Appell zur Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland und bekannte sich damit offiziell zur Politik Putins.

Am Wochenende schon hatte sich Gergijews Münchner Künstleragentur von ihm getrennt. Auch andere Institutionen wollen nicht mehr mit ihm zusammenarbeiten: Die Hamburger Elbphilharmonie sagte Konzerte mit Gergijew «infolge des anhaltenden Schweigens zur russischen Invasion in der Ukraine» ab, wie das Konzerthaus am Dienstag mitteilte. Zu Ostern waren dort zwei Konzerte mit Gergijew und dem Orchester des St. Petersburger Mariinski-Theaters geplant. Auch die Pariser Philharmonie strich am Dienstag geplante Konzerte mit Gergijew im April. In Edinburgh trat Gergijew nach erheblichem Druck am Montagabend als Ehrenpräsident des renommierten Edinburgh International Festivals zurück. Das Kuratorium des jährlichen Festivals in Schottland hatte die Aufforderung zum Rücktritt mit «Sympathie und zur Unterstützung» der Bürger von Kiew begründet – Kiew und Edinburgh sind Partnerstädte.

Auch die New Yorker Metropolitan Opera kündigte als Reaktion auf den russischen Einmarsch in die Ukraine an, vorerst nicht mehr mit Künstlern oder Institutionen zusammenarbeiten zu wollen, die Putin unterstützen. Das solle gelten, bis «die Invasion und das Töten zu Ende sind, Ordnung wieder eingeführt wurde und Restitutionen vorgenommen wurden». Konkrete Künstler oder künstlerische Einrichtungen nannte das Opernhaus nicht. In der Vergangenheit hatte es aber immer wieder mit Gergijew zusammengearbeitet.

Neben Gergijew steht auch die russische Operndiva Anna Netrebko wegen ihrer Nähe zu Putin in der Kritik. Sie hatte im vergangenen Jahr im Kremlpalast in Moskau mit einer großen Gala, bei der auch Glückwünsche Putins verlesen wurden, ihren 50. Geburtstag gefeiert. Im Gegensatz zu Gergijew erklärte sie öffentlich, dass sie gegen diesen Krieg sei, betonte aber auch, keine «politische Person» zu sein. Auch Gergijew hatte sich – wenn er in der Vergangenheit wegen seiner Nähe zu Putin kritisiert wurde – immer wieder unpolitisch gegeben und betont, er sei nur Musiker und Künstler.

 

 

 

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