Bürgermeister: Keine Pläne für Auflösung von Streiklager

Weiterstadt (dpa/lhe) – Der Bürgermeister von Weiterstadt, Ralf Möller (SPD), ist von Plänen einer möglichen Auflösung der Versammlung streikender Lastwagenfahrer an der Raststätte Gräfenhausen abgerückt. «Es gab die Idee, wenn sich immer mehr Fahrer der Versammlung anschließen und es keinen Platz mehr für andere gibt, die ihre Ruhezeiten einhalten müssen», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. «Gerade kurz vor Ostern war klar, dass wegen des Fahrverbots an den Feiertagen ein gewisser Parkdruck entsteht.»

Nach einem Besuch am Donnerstag bei den vor allem aus Georgien und Usbekistan stammenden Fahrern, die mit ihrem Streik an der A5 ausstehenden Lohn von einem polnischen Speditionsunternehmen fordern, seien diese Überlegungen vom Tisch, sagte Möller. Gräfenhausen ist ein Ortsteil von Weiterstadt.

«Es ist genügend Platz da, die Streikenden weisen Parkende ein, andere Fahrer zeigen bei der Fahrt auf die Autobahn eine solidarische Faust – das ist eine ganz tolle Stimmung», sagte der Bürgermeister über den seit nunmehr drei Wochen dauernden Protest, dem sich bereits mehr als 60 Fahrer angeschlossen haben. «Das finde ich gar nicht schlecht, dass die auch bessere Bedingungen an den Raststätten fordern», sagte er. In Gräfenhausen etwa gebe es 130 Stellplätze für Lastwagen, aber nur eine Dusche.

In Warschau gab es am Freitag vor der deutschen Botschaft eine Solidaritätskundgebung, mit der Vertreter der Gewerkschaftsinitiative OZZIP die Fahrer unterstützten. «Bezahl die Gelder!» riefen sie, an den polnischen Unternehmer gerichtet, für dessen drei Speditionen die Fahrer im Einsatz sind. Außerdem skandierten sie «Diebe, Banditen!»

Unterstützung mit Lebensmitteln und andere Sachspenden erhalten die streikenden Fahrer, die nach eigenen Angaben teilweise seit Monaten auf ihren Lohn warten, auf der südhessischen Raststätte auch von Gewerkschaftern und spontanen Helfern. In den nächsten Tagen werde zudem ein Spendenkonto der Katholischen Arbeitnehmerbewegung im Bistum Trier eingerichtet, kündigte der Betriebsseelsorger Michael Ohlemüller aus dem Bistum Mainz an.

Bürgermeister Möller hat aus der Begegnung mit den Streikenden neue Überlegungen mitgenommen: «Im Gespräch habe ich festgestellt: Die interessiert durchaus der Ort hinter der Raststätte. Das weckt natürlich das Interesse des Bürgermeisters.»

Auf der Raststätte übernachteten in den Lastwagen vermutlich im Jahr mehr Fernfahrer als Urlauber im eher überschaubaren Übernachtungsgewerbe der Stadt. «Das ist ein Klientel, das wir bisher überhaupt nicht auf dem Schirm haben», so Möller. «Da rattert gerade viel bei mir, was können wir tun, um deren Lebensbedingungen am Wochenende zu verbessern? Ob alte Fundfahrräder, mit denen Ausflüge zu einem Naherholungsgebiet gleich hinter der Autobahn unternommen werden können, ob Fahrten mit dem Anrufsammeltaxi zum örtlichen Einzelhandel – «wenn nur jeder Zehnte das Angebot annimmt, haben wir doch auch etwas davon.»

«Wir haben die Raststätte nicht im Blick gehabt – das hat sich mit dem Streik geändert», sagte Möller, der jetzt mit Vereinen und Organisationen der Stadt über mögliche Angebote reden will. «Wenn uns das deutschlandweit gelingt, Raststätten mit in den Fokus zu nehmen mit niederschwelligem Angebot – dann haben wir alle gewonnen.»

Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen
Eifelzeitung E-Paper Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen