Berliner Verfassungsricht entscheidet über Wahlwiederholung

Berlin (dpa) – In Berlin müssen womöglich drei Wahlen wiederholt werden – ein bislang beispielloser Vorgang. Für die Bundestagswahl liegt bereits ein Wiederholungsbeschluss vor. Am Mittwoch entscheidet nun der Verfassungsgerichtshof des Landes über die Gültigkeit der Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen. Fragen & Antworten dazu.

Was war passiert?

Am 26. September 2021 wurden in Zeiten der Corona-Pandemie in Berlin der Bundestag, das Abgeordnetenhaus und die zwölf Bezirksparlamente neu gewählt. Hinzu kam ein Volksentscheid zur Enteignung großer Wohnungskonzerne. Nebenher lief außerdem der Berlin-Marathon.

Folge dieser Ballung und schlechter Vorbereitung waren Pannen und massive organisatorische Probleme. Dazu zählten falsche, fehlende oder eilig kopierte Stimmzettel, zu wenige Wahlurnen, lange Schlangen mit teils stundenlangen Wartezeiten. Vielfach stimmten Wähler nach 18.00 Uhr ab, teils noch Stunden nach der offiziellen Schließungszeit.

Wer entscheidet nun worüber?

Über die Gültigkeit der Wahl zum Abgeordnetenhaus sowie damit zusammenhängend der Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen entscheidet nach mehreren Einsprüchen der Verfassungsgerichtshof des Landes. Das Urteil wird am Mittwoch verkündet.

Muss die Wahl zum Abgeordnetenhaus komplett wiederholt werden?

Damit ist zu rechnen. Denn in einer mündlichen Verhandlung am 28. September hatte das Gericht sehr deutlich eine komplette Wiederholung in Betracht gezogen. Bei der Vorbereitung und Durchführung der Wahl habe es viele schwere Wahlfehler gegeben, so Gerichtspräsidentin Ludgera Selting. Diese seien mandatsrelevant gewesen – sie hatten nach vorläufiger Wertung des Gerichts also Auswirkungen auf die Zusammensetzung des Parlaments und die Verteilung der Mandate.

Wann würde die Wahl wiederholt?

Nach dem Urteil muss die Wahlwiederholung innerhalb von 90 Tagen stattfinden. Landeswahlleiter Stephan Bröchler legt den Termin fest und machte schon deutlich, dass es auf den 12. Februar 2023 hinauslaufen dürfte, den letzten Sonntag innerhalb der Frist.

Und was ist mit der Bundestagswahl?

Die muss nach einem am 10. November gefassten Beschluss des Bundestages auf Basis einer Empfehlung seines Wahlprüfungsausschusses teilweise wiederholt werden. Konkret geht es um 327 von 2256 Wahlbezirke sowie um 104 von 1507 mit ihnen verbundene Briefwahlbezirke.

Die fraglichen Wahlbezirke liegen in allen zwölf Berliner Bundestagswahlkreisen, Wähler sollen dort Erst- und Zweitstimmen erneut abgeben können. Allerdings wird damit gerechnet, dass dies noch nicht das letzte Wort ist und am Ende das Bundesverfassungsgericht entscheidet. Denn diejenigen, die gegen die Bundestagswahl Einspruch eingelegt haben, könnten nun Karlsruhe anrufen.

Könnten alle Wahlwiederholungen an einem Termin stattfinden?

Das hängt davon ab, ob das Bundesverfassungsgericht in der Frage einer Wiederholung der Bundestagswahl mit ins Spiel kommt. Falls ja, benötigt es wohl einige Zeit, um eine derart bedeutsame Entscheidung treffen zu können. In dem Fall würden im Februar zunächst wohl nur das Berliner Abgeordnetenhaus und die Bezirksparlamente erneut gewählt, der Bundestag dann zu einem späteren Zeitpunkt.

Beginnt mit einer Wiederholungswahl die Legislaturperiode in Berlin neu?

Nein, sie endet weiterhin fünf Jahre nach der Wahl vom September 2021, also im Herbst 2026. Denn es handelt sich nicht um eine Neuwahl, sondern um eine Wiederholungswahl, bei der als Direktkandidaten sowie auf den Landes- oder Bezirkslisten der Parteien dieselben Bewerber antreten wie 2021.

Bleiben Abgeordnete und Senat bis zur Wiederholung im Amt?

Ja. Der Verfassungsgerichtshof hatte bei der mündlichen Verhandlung dazu erklärt, dass alle bis zum Urteil erlassenen Rechtsakte des Abgeordnetenhauses wirksam bleiben. Dieses sei bis zum Abschluss einer Wiederholungswahl zur Sicherstellung der Kontinuität staatlichen Handelns weiter berechtigt, seine Aufgaben wahrzunehmen. Das dürfte auch für den Senat gelten.

Was ändert sich nach der Wahl?

Zunächst einmal die Mehrheitsverhältnisse im Parlament. Das kann zur Folge haben, dass eine andere Koalition gebildet wird, bei der etwa die bisherige Oppositionspartei CDU ein Wörtchen mitredet. Sollten die bisherigen Koalitionäre SPD, Grüne und Linke zusammen weiter eine Mehrheit haben, könnten sie – wenn sie dies wollten – weitermachen.

Spannend dürfte dann aber sein, was passiert, wenn die Grünen statt der SPD stärkste Partei werden. Letzten Umfragen zufolge ist das nicht unrealistisch. Dann hätten die Grünen Anspruch auf den Rathaussessel. Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) müsste Platz machen für ihre bisherige Stellvertreterin, Umwelt- und Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch (Grüne).

Was wurde getan, um die Wahlen besser zu organisieren?

Mit dem Verwaltungswissenschaftler Bröchler hat Berlin seit dem 1. Oktober einen neuen Landeswahlleiter. Um einen «reibungsarmen» Ablauf zu sichern, wie er es formulierte, sollen in jedem Wahllokal mehr Kabinen bereitstehen. Statt 34.000 Wahlhelfern sollen mindestens 38.000 im Einsatz sein.

Ihre Entschädigung, das «Erfrischungsgeld», wurde von 60 auf bis zu 240 Euro erhöht. Zudem sind bessere Schulungen geplant. Papier und Stimmzettel sollen in höherem Maße als 2021 geordert werden.

Was kostet das Ganze?

Für die Berliner Wiederholungswahlen auf Bundes-, Landes- und Bezirksebene sind 39 Millionen Euro veranschlagt. Das ist die dreifache Summe wie 2021.

 

 

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