«Verraten und vergessen?» – Frauen aus Afghanistan und Iran

Von Anne-Beatrice Clasmann, dpa

Berlin (dpa) – Laut und wütend schreien sie gegen die Unterdrückung und gegen das Vergessen an. Die Demonstrantinnen, die einander am Weltfrauentag in Berlin unterhaken, stammen aus dem Iran und aus Afghanistan – zwei Länder, in denen Frauen aktuell verfolgt, entrechtet und aus dem öffentlichen Raum gedrängt werden.

Eine von ihnen ist Frozan Darwish. Die 38-jährige Menschenrechtsaktivistin war kurz nach der Machtübernahme durch die militant-islamistischen Taliban im August 2021 aus der afghanischen Hauptstadt Kabul geflohen. Zunächst ging es für drei Wochen nach Pakistan, Anfang Dezember kam sie mit Hilfe der Bundesregierung zusammen mit ihrem Ehemann und den vier Kindern nach Deutschland.

«Am Anfang war es in Deutschland sehr schwierig, wir lebten in einem Wohnheim und jeden Tag kamen schlechte Nachrichten aus der Heimat», sagt die Frauenrechtlerin. Vor allem der Gedanke an die Situation ihrer Eltern und der beiden Brüder, die keine Chance auf Ausreise gehabt hätten, plage sie bis heute. Auch die Situation der verzweifelten jungen Frauen in Afghanistan, von denen viele Suizidgedanken hätten, lasse sie nicht los.

Unterstützung aus dem Ausland

Dennoch habe sie es mit ärztlicher Hilfe geschafft, aus der Depression herauszufinden, einen Deutschkurs zu besuchen und ihren Plan, im Ausland «eine Stimme für mein Volk zu sein», in die Tat umzusetzen, sagt die Juristin, die zur ethnischen Minderheit der Hazara gehört.

Mit ihrer Familie lebt die ernste Frau mit dem locker sitzenden Kopftuch inzwischen in Niedersachsen. Nach Berlin ist sie an diesem trüben Märztag gekommen, um an einer von Pro Asyl und anderen Nichtregierungsorganisationen organisierten Veranstaltung mit dem Titel «Verraten und vergessen? Frauen in Afghanistan nach der Machtübernahme der Taliban» teilzunehmen.

Sajia Behgam ist aus Frankfurt am Main angereist. Sie ist seit Oktober 2021 in Deutschland und setzt sich dafür ein, dass auch Afghaninnen und Afghanen, die in Nachbarstaaten oder in die Türkei geflohen sind, über das von der Bundesregierung aufgelegte Aufnahmeprogramm Afghanistan nach Deutschland kommen dürfen. Vor allem im Iran und in der Türkei gerieten die Flüchtlinge aus Afghanistan immer mehr unter Druck.

Die Teilnehmerinnen der Konferenz sind sich einig, dass die desolate Situation der Frauen und Mädchen, die aus dem Erwerbsleben gedrängt und in ihren Bildungschancen beschnitten werden, nicht durch verstärkte Kontakte oder gar eine Anerkennung der Taliban-Regierung besser würde. Dass mehrere Staaten, darunter der Iran, inzwischen die dort ansässigen diplomatischen Vertretungen Afghanistans an die Taliban übergeben haben, empfinden sie deshalb als weiteren Schlag ins Gesicht.

«Keine Solidarität zwischen Männern und Frauen»

Nachdenklich macht die Afghaninnen, dass Männer im Iran Frauenrechtlerinnen bei ihren Straßenprotesten aktiv unterstützt haben. Etwas Vergleichbares habe es in Afghanistan nie gegeben, sagen sie. «Afghanische Frauen waren immer unter Druck», sagt Frozan Darwish. Dieser Druck gehe auch von männlichen Familienmitgliedern aus. «Wir haben keine Solidarität zwischen Männern und Frauen in Afghanistan», pflichtet ihr Sajia Behgam bei. «Wenn die Frauen bei uns auf die Straße gehen, um für ihre Rechte zu kämpfen, dann befürchten die Männer, dass sie selbst ihre Autorität verlieren könnten, wenn die Frauen stärker werden.»

Mehrfach geht es in den Gesprächen der Frauen um das deutsche Bundesaufnahmeprogramm. Die Unzufriedenheit ist groß. Der Prozess, den das Auswärtige Amt und das Bundesinnenministerium gemeinsam mit in Afghanistan vernetzten Nichtregierungsorganisationen im vergangenen Herbst aufgesetzt haben, gestaltet sich kompliziert und zäh. «Da werden die Antragsteller aufgefordert, einen Nachweis hochzuladen, dass sie von den Taliban verfolgt werden, so als würden die einem das schriftlich geben», empört sich Fereshta Hussein, die 2000 aus Afghanistan nach Deutschland kam und aktuell Vorsitzende des Migrantenbeirats der Stadt Potsdam ist.

Sicher, es sei keine Lösung, alle demokratisch und fortschrittlich denkenden Menschen aus Afghanistan außer Landes zu bringen, meint Alema Alema, Afghanistanreferentin bei Pro Asyl. Doch manchmal gebe es keinen anderen Weg wie etwa bei einer jungen Aktivistin aus der Provinz Ghor, der die Taliban mit Zwangsverheiratung gedroht hätten und die nun in Deutschland lebe. Dass Afghaninnen und Iranerinnen in Berlin am Weltfrauentag gemeinsam demonstrieren, findet sie nur folgerichtig. Sie sagt: «Letzten Endes ist es die gleiche Denkweise, gegen die sich die Frauen in beiden Ländern wehren müssen.»

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Hohenzollern wollen auf Entschädigung verzichten

Potsdam/Berlin (dpa) – Im jahrelangen Streit um Entschädigung in Millionenhöhe zwischen der öffentlichen Hand und den Nachfahren des letzten deutschen Kaisers zeichnet sich eine Lösung ab. Die Hohenzollern wollen auf eine gerichtliche Entscheidung verzichten.

Georg Friedrich Prinz von Preußen werde die Klagen in zwei Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Potsdam zurückziehen, erfuhr die dpa am Mittwoch von Seiten der in Potsdam sitzenden Generalverwaltung des Hauses. Von Preußen werde seine Entscheidung während einer am Donnerstag in Berlin geplanten Veranstaltung zur Geschichte der Familie bekannt geben, hieß es.

Der Bund sowie die Länder Brandenburg und Berlin verhandeln mit den Hohenzollern seit 2014 über die Rückgabe von zahlreichen Kunstobjekten und über Entschädigungen. Die Gespräche ruhen, nachdem Brandenburg einen seit 2015 laufenden Prozess um enteignete Immobilien wie das Schloss Rheinsberg, das Krongut Bornstedt und etliche Villen in Potsdam wieder aufgenommen hat. Das Land hatte eine Entschädigung auf Basis des Einigungsvertrages abgelehnt. Dagegen klagen die Hohenzollern. Es geht um 1,2 Millionen Euro. Weiterlesen

EU-Sanktionen gegen Mutter von Wagner-Chef nicht rechtens

Luxemburg (dpa) – Das Gericht der Europäischen Union hat EU-Sanktionen gegen die Mutter des Chefs der russischen Privatarmee Wagner, Jewgeni Prigoschin, für nichtig erklärt. Wie das Gericht heute in Luxemburg mitteilte, reicht ein Verwandtschaftsverhältnis nicht aus, um Strafmaßnahmen gegen sie zu rechtfertigen.

Violetta Prigoschina sei zum Zeitpunkt der Verhängung der Sanktionen offensichtlich nicht wie von der EU behauptet Eigentümerin von Unternehmen mit Verbindungen zu ihrem Sohn gewesen. Weiterlesen

Büdenbender an Frauen: Traut Euch und folgt Euren Wünschen

Berlin (dpa) – Elke Büdenbender hat Mädchen und Frauen ermutigt, selbstbewusst und konsequent ihren Weg zu gehen – notfalls auch gegen Widerstände. «Ich weiß um meine privilegierte Situation», sagte die Frau von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier der Deutschen Presse-Agentur in Berlin zum Internationalen Frauentag.

Und sie wisse auch um die furchtbare Situation, in der viele Mädchen und Frauen in Kriegs- und Krisengebieten rund um den Globus lebten. «Aber ich möchte dennoch Frauen auch hier zurufen: Traut Euch, Euren Wünschen zu folgen und Eure Träume zu verfolgen.» Weiterlesen

Einsamkeit kann schmerzhaft und gesundheitlich riskant sein

Von Anja Sokolow, dpa

Berlin (dpa) – Wenn der Freundeskreis schrumpft, Partner sterben, die Gesundheit nicht mehr mitmacht oder auch das Geld für Kino und Restaurantbesuche fehlt, können vor allem ältere Menschen schnell in die Einsamkeit abrutschen. Ein Gefühl, das auch Helga Müller aus Berlin-Tempelhof kennt. Ihre Tochter lebt in Athen, die Freunde sind krank, verstorben oder weggezogen. «Ich gehe zwar jeden Tag raus, kaufe ein und mache meine Gymnastik, aber zum Reden fehlt mir jemand», sagt die 85-Jährige.

Seit fast zwei Jahren kann sich die Rentnerin immerhin auf ein ausgiebiges Gespräch pro Woche freuen. Der in verschiedenen Großstädten aktive Verein «Freunde alter Menschen» hat ihr Jan Römmler, einen Besuchspaten, vermittelt. «Ich möchte meine Zeit sinnvoll nutzen und anderen schenken», sagt der 50-jährige gelernte Koch und Frührentner. Man sieht Helga Müller die Freude an. Sie strahlt, als Römmler sie zum Spaziergang abholt.

Familienministerin will Thema stärker beleuchten

Das Thema Einsamkeit rückt immer mehr in den Fokus von Politik und Wissenschaft. Im Juni 2022 gab Familienministerin Lisa Paus (Grüne) den Startschuss für eine «Strategie gegen Einsamkeit». «Ziel ist es, das Thema in Deutschland stärker zu beleuchten und Einsamkeit stärker zu begegnen», erklärt Axel Weber vom «Kompetenznetz Einsamkeit» (KNE), das das Ministerium wissenschaftlich unterstützt.

In einer Studie des KNE heißt es, dass vor der Covid-19 Pandemie rund 14 Prozent der Menschen in Deutschland einsam waren. Während der Pandemie sei der Anteil auf 42 Prozent im Jahr 2021 gestiegen. Allerdings wurden alle Menschen mitgezählt, die angaben, sich mindestens manchmal einsam zu fühlen.

«Wirklich dauerhaft einsam fühlt sich eine Minderheit. Die meisten Menschen fühlen sich geborgen», sagt Einsamkeitsforscherin Maike Luhmann von der Ruhr-Universität Bochum. Sie geht von etwa fünf Prozent an chronisch einsamem Menschen in der Bevölkerung aus.

Wie sich die Zahl der Einsamen seit der Corona-Pandemie entwickle, wisse man noch nicht. Statistiken seien generell schwierig. «Es gibt keine messbare Definition. In der Wissenschaft wird Einsamkeit als ein Zustand definiert, bei dem die sozialen Beziehungen nicht den Erwartungen der Menschen entsprechen. Dieser Punkt ist für jede Person irgendwo anders», so Luhmann.

Einsamkeitsforschung steckt noch in den Kinderschuhen

Es lasse sich auch nicht sagen, dass sich die Zahl der Einsamen in den vergangenen Jahrzehnten erhöht habe. «Wir wissen nicht, wie einsam die Menschen vor 20, 30 oder 50 Jahren waren», so Luhmann. Die Einsamkeitsforschung stecke in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Heute lebten zwar viele Menschen allein. Das bedeute aber nicht automatisch, dass sie sich auch einsam fühlten.

Das KNE will das bestehende Wissen über Einsamkeit bündeln und neues Wissen generieren. Unter anderem erarbeiten die Wissenschaftler laut Weber ein Einsamkeitsbarometer, um Daten über das Phänomen in verschiedenen Bevölkerungsgruppen zu gewinnen, die sich auch über den Zeitverlauf vergleichen lassen.

Einsamkeit kann krank machen: «Einsamkeit tut weh. Bei chronischer Einsamkeit werden im Gehirn dieselben Areale aktiviert wie bei Schmerz», so Psychologin Luhmann. Es gebe zwar keine klinische Diagnose im klassischen Sinne für das Gefühl und auch keine Therapien oder Medikamente. Man wisse aber, dass Einsamkeit mit großen Risiken einhergehe. So könne chronische Einsamkeit sowohl psychische als auch physische Erkrankungen wie Depressionen, koronare Herzerkrankungen, Schlaganfälle oder Herzinfarkte begünstigen.

Dauerstress in ständiger Alarmbereitschaft

«Wir sind soziale Tiere und dafür gemacht, in Gruppen mit anderen zu leben und dort besonders gut zu funktionieren. Einsamkeit ist gar nicht programmiert in unseren Körpern und unseren Seelen», ergänzt Eva Peters, Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der Universität Gießen. Das Gefühl der Einsamkeit bedeute Dauerstress für den Körper, da er sich in ständiger Alarmbereitschaft befinde. Es fehle das soziale Umfeld als Puffer für mögliche Gefahrensituationen.

Eine weitere Gefahr bestehe in der fehlenden intellektuellen Herausforderung. «Wenn keine Interaktion und Reize kommen, verkümmert das Gehirn wie ein unbenutzter Muskel. Das kann der Beginn von Alzheimer und Demenz sein», so Peters.

«Einsamkeit kann einen Menschen von innen regelrecht auffressen», beobachtet Besuchspate Jan Römmler. So habe Helga Müller in der ersten Zeit einen verkümmerten Eindruck gemacht. «Inzwischen ist sie richtig aufgeblüht», so die Einschätzung Römmlers.

Politik ist gefragt

Eine der wichtigsten Maßnahmen gegen Einsamkeit aus Luhmanns Sicht: Prävention. «Gerade bei Älteren muss man viel in diese Richtung denken, sie ermutigen, dass sie sich, wenn sie es noch können, um ihre sozialen Beziehungen kümmern, sich ein Netz aufbauen.»

Vor allem auch die Politik sei gefragt, etwa bei der Gestaltung des öffentlichen Raumes. «Orte und Gebäude müssten so konzipiert sein, dass sie allen Menschen zugänglich sind. Es geht letztlich immer um Teilhabe». Bei Älteren sehe sie auch eine große Chance in der Digitalisierung, so Luhmann. Helga Müller zum Beispiel besitzt aber weder Smartphone noch Internet. Auf den Verein Freunde alter Menschen wurde sie durch einen Artikel in einem Mieter-Magazin aufmerksam.

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Stone: «Basic Instinct»-Rolle kostete mich Sorgerecht

Los Angeles (dpa) – US-Schauspielerin Sharon Stone sieht sich im Sorgerechtsstreit um ihren Sohn vor fünfzehn Jahren aufgrund ihrer «Basic Instinct»-Rolle vorverurteilt. Der Richter habe ihren Sohn («meinen winzigen kleinen Jungen») damals gefragt: «Weißt du, dass deine Mutter Sex-Filme dreht?», sagte die 64-Jährige in dem Podcast «Table for Two». Man habe darüber geurteilt, was für eine Art Mutter sie sei, weil sie diesen Film gedreht habe, sagte Stone – und bezeichnete das als «eine Art Missbrauch durch das System». Weiterlesen

Massive Warnstreiks in Kitas: Verdi droht mit Eskalation

Berlin (dpa) – Die aktuellen Warnstreiks im öffentlichen Dienst betreffen heute schwerpunktmäßig Kindertagesstätten und soziale Einrichtungen. In vielen Städten Deutschlands waren Ausstände angekündigt, die Einschränkungen bei der Kinderbetreuung zur Folge haben.

Die Warnstreiks begannen am Morgen etwa an kommunalen Kitas in Nordrhein-Westfalen, wie Verdi-Sekretär Tjark Sauer bestätigte. In Bayern öffneten viele Kindertagesstätten nach Angaben eines Gewerkschaftssprechers nicht. Verdi will mit den Warnstreiks den Druck auf die Arbeitgeber der Kommunen und des Bundes erhöhen.

Weibliche Beschäftigte im Fokus

Zum Internationalen Frauentag sind vor allem die überwiegend weiblichen Beschäftigten in den Sozial- und Erziehungsdiensten zu Warnstreiks aufgerufen. Es waren mancherorts aber auch Aktionen in anderen Bereichen geplant – in Bayern teilweise etwa in Kliniken. Der Schwerpunkt liegt aber auch im Freistaat auf Kitas, unter anderem in München und Umgebung, Augsburg, Kempten, Ingolstadt, Schweinfurt und Oberfranken. Weiterlesen

Klare Mehrheit der Frauen sieht keine Gleichberechtigung

Berlin (dpa) – Fast drei Viertel der Frauen in Deutschland empfinden einer Umfrage zufolge keine Gleichberechtigung von Frauen und Männern. Das geht aus einer heute veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov hervor. Weiterlesen

Kindergrundsicherung: Finanzierung sorgt für Streit

Von Stella Venohr, dpa

Berlin (dpa) – Die sogenannte Kindergrundsicherung ist eines der größten sozialpolitischen Vorhaben der Ampel. Sie soll staatliche Leistungen für Kinder bündeln – einem Konzept von Familienministerin Lisa Paus (Grüne) zufolge kostet die Umsetzung etwa zwölf Milliarden Euro. Geld, das Finanzminister Christian Lindner (FDP) wegen der Verschuldung der letzten Jahre nicht ausgeben will.

Eckpunkte der Kindergrundsicherung

Bei der Kindergrundsicherung sollen ganz unterschiedliche Leistungen gebündelt werden. Darunter fallen beispielsweise das Kindergeld, der Kinderzuschlag und auch finanzielle Unterstützung für Klassenfahrten. Oftmals wissen Familien bislang nicht, dass sie diese Leistungen beantragen können. Zudem erscheinen die bürokratischen Hürden zu hoch.

Um das zu beheben ist ein einfach zu bedienendes «Kindergrundsicherungsportal» geplant. Über einen «Kindergrundsicherungs-Check» sollen Familien auch aktiv darauf hingewiesen werden, dass sie möglicherweise Ansprüche auf weitere Zahlungen haben. Aus der bisherigen Holschuld der Bürger soll eine Bringschuld des Staates werden, lautet das Motto im Familienministerium.

Kindergeld soll zu Garantiebetrag werden

Ein sogenannter Garantiebetrag soll künftig Teil der Kindergrundsicherung sein und damit das heutige Kindergeld ersetzen. Dies liegt bei 250 Euro pro Monat und Kind. Damit Kinder aus armen Familien besonders unterstützt werden, soll gestaffelt nach finanzieller Lage der Berechtigten ein Zusatzbetrag obendrauf kommen. Sobald die Kinder volljährig sind und nicht mehr bei ihrer Familie wohnen, soll das Geld direkt an sie gehen, um Ausbildung oder Studium zu bezahlen.

Streit um die Finanzierung

Die Ampel-Regierung hatte im Koalitionsvertrag vereinbart, mit der Kindergrundsicherung mehr Kinder aus der Armut holen zu wollen. «Diese Leistung soll ohne bürokratische Hürden direkt bei den Kindern ankommen und ihr neu zu definierendes soziokulturelles Existenzminimum sichern», heißt es in dem Papier. Doch die Auslegung der Formulierung bietet nun Spielraum: Die Grünen und Familienministerin Paus wollen die individuellen Leistungen für Kinder erhöhen. Aus ihrer Sicht braucht es insgesamt etwa zwölf Milliarden Euro für das Projekt Kindergrundsicherung.

Finanzminister Lindner rechnet aber mit deutlich geringeren Kosten. «Es gibt Einvernehmen, dass wir die den Familien zustehenden Leistungen automatisiert, digitalisiert zur Verfügung stellen», sagte Lindner. Alleine die Bewilligungen für berechtigten Familien zu automatisieren, werde 2025 schätzungsweise zwei bis drei Milliarden Euro kosten.

Kindergrundsicherung soll 2025 kommen

Am Gesetz dafür arbeitet die Ampel momentan. Ein Gesetzentwurf ist für Herbst geplant, 2025 könnte die Kindergrundsicherung eingeführt werden. Abzuwarten bleibt, was aus dem Streit in der Koalition bei dem Thema wird – nach Ansicht von Lindner liegt noch Arbeit vor der Ampel. Doch die Bündelung von staatlichen Leistungen für Familien sei ja auch erst für 2025 vorgesehen, bremste der FDP-Chef zuletzt.

Armut bei Familien

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fordert mit Blick auf die Armutsgrenze eine höhere Kindergrundsicherung als die heutigen Sätze für Kinder beim Bürgergeld. «Die Leistungen des Bürgergeldes für Familien liegen unter der offiziellen Armutsgrenze – ein nicht akzeptabler Skandal, der auf dem Rücken armer Kinder stattfindet», sagte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel.

Ein Rechenbeispiel des DGB macht deutlich, dass das Armutsrisiko bei der derzeitigen Inflation noch mal gestiegen ist: Der Bürgergeldanspruch einer Alleinerziehenden mit einem 14-jährigen Kind liege 174 Euro unterhalb der Armutsgrenze für diesen Haushaltstyp, teilte der DGB der Deutschen Presse-Agentur mit. Berücksichtigt man nun die aktuelle Preisentwicklung des Jahres 2023 liegen die Leistungen nach Berechnungen des DGB für eine Alleinerziehende mit einem 14-jährigen Kind sogar 415 Euro unter der Armutsgrenze.

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Antifeminismus-Meldestelle: «Zahl der Meldungen sehr hoch»

Berlin (dpa) – Sexistische Anfeindungen, Hasskommentare, Drohungen: Rund 700 verifizierte Eingaben hat die neue Meldestelle für Antifeminismus in den ersten Wochen seit ihrem Start am 1. Februar registriert.

Etwa ein Drittel beziehe sich auf Antifeminismus als organisierte politische Bewegung, ein weiteres Drittel auf Sexismus und geschlechtsspezifische Gewalt, sagte Leiterin Judith Rahner der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Das letzte Drittel seien Hassbotschaften gegen die Stelle selbst.

«Die Zahl der Meldungen ist sehr hoch, das hat uns schon überrascht», sagte Rahner in einem Interview zum Frauentag am 8. März. «Wir haben damit gerechnet, dass wir viel mehr Aufklärungsarbeit machen müssen. Aber das ist das Gute an einem Shitstorm.» Denn die neue Webseite der Amadeu-Antonio-Stiftung in Berlin hatte große Aufmerksamkeit auf sich gezogen und war teils als «Petz-Portal» kritisiert worden. Weiterlesen

IKRK-Präsidentin: Lage von Frauen in Konflikten beobachten

Von Christiane Oelrich, dpa

Genf (dpa) – Als erste Frau an der Spitze des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) will Mirjana Spoljaric den Blick auf die Situation von Frauen in Konflikten schärfen. «Es ist meine Aufgabe, darauf hinzuweisen, wenn Frauen in einer Konfliktsituation stärker benachteiligt sind als Männer», sagte sie der Deutschen Presse-Agentur und dem ARD-Hörfunk.

Sie habe einen spezifischen Blick auf die Frauen. «Das war möglicherweise bei meinen Vorgängern nicht so stark der Fall, auch, weil sie oft gar keinen Zugang zu den Frauen hatten», sagte sie. In Flüchtlingslagern könne sie leichter auf Frauen zugehen. Spoljaric räumte auch ein, dass das IKRK wegen Kritik aus der Ukraine einen Imageschaden habe.

Es geht um Gesundheit, Bildung und Schutz vor Gewalt

«Tatsache ist: Frauen sterben in Konfliktgebieten bei der Geburt. Frauen haben weniger Mittel, um sich bei der Flucht oder in einer Konfliktsituation zu schützen oder in sicherere Zonen zu retten. Frauen, vor allem kleine Mädchen, werden schneller aus den Schulen rausgenommen. Kleine Mädchen werden in Konfliktgebieten schneller verheiratet. Sie werden zum Teil ja auch verkauft, um die Familie zu retten», sagte Spoljaric, die seit dem 1. Oktober IKRK-Präsidentin der 1863 gegründeten Organisation ist. «Sexuelle Gewalt ist ein großes Problem in Konflikten und auch hier müssen wir mehr tun.» Frauen würden in Konflikten gezielt missbraucht, misshandelt und verschleppt.

Die Bundesregierung hatte in Berlin vor kurzem Leitlinien für eine feministische Außenpolitik vorgestellt. Außen- und Entwicklungspolitik sollen sich künftig an der Verwirklichung von Frauenrechten ausrichten.

Die Situation in Afghanistan ist für Hilfsorganisationen besonders schwierig. Dort schließen die militant-islamistischen Taliban Frauen immer weiter vom Gesellschaftsleben aus und verbieten ihnen etwa die Arbeit für Nichtregierungsorganisationen. Die IKRK-Programme liefen aber weiter, sagte Spoljaric. «Wir halten unseren vertraulichen und bilateralen Dialog mit den Behörden aufrecht, um sicherzustellen, dass wir unsere humanitäre Arbeit weiterhin in vollem Umfang durchführen können.» Das sei nur mit den Bemühungen aller Mitarbeiter, «einschließlich der Frauen» möglich.

Völkerrechtsverstöße im Ukraine-Krieg

Der vertrauliche Dialog und die strikte Neutralität ohne öffentliche Kritik an Regierenden bringen dem IKRK oft negative Schlagzeilen. Die Regierung in Kiew beschwert sich seit langem, das IKRK tue nicht genug, um Ukrainer in russischer Kriegsgefangenschaft zu besuchen. Nach dem weltweit gültigen humanitären Völkerrecht müssten alle Länder dem IKRK Zugang zu allen Gefangenen gewähren. Russland gibt aber oft nicht die nötigen Sicherheitsgarantien für IKRK-Mitarbeiter. «Wir haben nicht den umfassenden Zugang, den wir möchten, aber wir sind die Einzigen, die überhaupt Zugang haben», sagte Spoljaric. In 4000 Fällen seien Kontakte mit Familien hergestellt worden.

«Wir sind unbewaffnet. Das heißt, wir fordern Zugang zu allen Kriegsgefangenen, aber wir können es nicht erzwingen», sagte sie. «Die Verpflichtung zur Einhaltung des humanitären Völkerrechts liegt bei den Staaten.» Nun sei es aber auch so, dass vor allem Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht bekannt würden. Aber das IKRK arbeite jeden Tag erfolgreich in rund 100 Konfliktgebieten. Wie überall komme es auch in der Ukraine wegen seiner besonderen Aufgabe immer näher an die Frontlinie als alle anderen Organisationen. «Das können wir tun, weil die Konfliktparteien uns diese Rolle auch weiterhin zugestehen.»

Die Kritik aus der Ukraine macht dem IKRK zu schaffen, räumte sie ein: «Der Imageschaden ist sicher ein Problem für uns.» Allerdings gehöre das zum Geschäft: «Wenn man dort ist, um zu helfen, wird man auch kritisiert, weil man nie alle erreichen kann.»

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