Internationale Geber sammeln Spenden für Erdbebenopfer

Brüssel (dpa) – Zur Unterstützung der Erdbebenopfer in der Türkei und in Syrien richtet die EU heute eine internationale Geberkonferenz aus. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der schwedische Regierungschef Ulf Kristersson haben nach Brüssel eingeladen, um Spenden für Hilfs- und Wiederaufbaumaßnahmen nach der Katastrophe zu sammeln. Schweden hat derzeit den Vorsitz der EU-Staaten inne.

Am 6. Februar hatten zwei Erdbeben der Stärke 7,7 und wenig später der Stärke 7,6 die Südosttürkei und den Norden Syriens erschüttert. Insgesamt kamen mehr als 50.000 Menschen ums Leben und Millionen wurden obdachlos. Millionen Menschen leben in Notunterkünften. Weiterlesen

Evaluation von «Gemeindeschwester plus» wird präsentiert

Mainz (dpa/lrs) – Es startete im Jahr 2015, nach und nach wurde das Projekt «Gemeindeschwester plus» auf immer mehr Kommunen ausgeweitet – und bis 2026 soll es nach dem Willen der rheinland-pfälzischen Landesregierung ein flächendeckendes Angebot geben. An diesem Montag (9.30 Uhr) wird Sozialminister Alexander Schweitzer (SPD) gemeinsam mit dem Institut für angewandte Versorgungsforschung einen Evaluationsbericht vorstellen. Weiterlesen

Streit um künftigen Mindestlohn – Teuerung erhöht den Druck

Von Basil Wegener, dpa

Berlin (dpa) – Angesichts der hohen Inflation ist Streit um die nächste Mindestlohnerhöhung in Deutschland entbrannt. Der Sozialverband Deutschland forderte eine kräftige Erhöhung von 12 auf 14,13 Euro pro Stunde. Die Arbeitgeber warnten vor «unrealistischen Höhen». Doch auch von den Gewerkschaften und aus der SPD kommt der Ruf nach stärkerer Entlastung der Beschäftigten.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) machte deutlich, dass Fürsprecher einer kräftigen Steigerung nicht erneut direkte Hilfe der Politik erwarten dürfen. Zuständig ist wieder die Mindestlohnkommission. Hinter ihren verschlossenen Türen startet nun das Ringen um den Mindestlohn 2024.

Sprunghafter Anstieg gefordert

Mehr als sieben Jahre nach Einführung – 2015 mit 8,50 Euro je Stunde – erhöhte die Ampel-Koalition die Lohnuntergrenze erstmals per Gesetz. Der Mindestlohn stieg zum Oktober 2022 von 10,45 Euro auf 12 Euro. Doch als die SPD dafür im Bundestagswahlkampf 2021 geworben hatte, ahnte niemand die folgenden Preissprünge vor allem infolge des russischen Kriegs in der Ukraine. Damit ist es noch nicht vorbei: Die Verbraucherpreise lagen im Februar wie im Januar um 8,7 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Nach einem Jahr Krieg mit seinen Folgen müsse die Inflation bei der Mindestlohnerhöhung Anfang 2024 stärker ausgeglichen werden, sagte die Chefin des Sozialverbands Deutschland, Michaela Engelmeier, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. «Dafür müsste der Mindestlohn nach unseren Berechnungen auf 14,13 Euro steigen.» Denkbar sei, «dass der Mindestlohn schrittweise auf diesen Wert angehoben wird», so der Verband in einer der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Stellungnahme.

DGB will kräftig ausgleichen

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) nennt keine Zahl – aber räumt ein: «Ja, die Inflation frisst die letzte Mindestlohnerhöhung weitgehend auf», wie DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell der Deutschen Presse-Agentur sagte. «Wir werden uns in der Mindestlohnkommission für einen kräftigen Ausgleich einsetzen.» Vor allem Geringverdienerinnen und -verdiener litten unter Preissteigerungen. Körzell verweist zudem auf die EU: Ihre neue Mindestlohnrichtlinie schreibe eine entschiedene Berücksichtigung der Kaufkraft vor. Auch der SPD-Abgeordnete Sebastian Roloff sagte: «Wir müssen weiter diejenigen besonders entlasten, die von der Inflation am stärksten betroffen sind.» Die Erhöhung des Mindestlohns wäre dafür effektiv, so der SPD-Linke zum «Handelsblatt». Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, hatte in der Zeitung bereits gefordert, die Politik müsse über eine erneute Erhöhung des Mindestlohns nachdenken.

Arbeitgeber in Alarmstimmung

Bei Deutschlands Arbeitgebern schrillen da die Alarmglocken. «Die jüngst erhobenen Forderungen, die Anpassung in unrealistische Höhen zu schrauben, erweist sich als wiederholter Versuch eines Anschlags auf die Tarifautonomie», sagte der Hauptgeschäftsführer ihres Verbands BDA, Steffen Kampeter, der dpa. «Die anstehende Anpassung des Mindestlohns darf keinesfalls erneut für politische Eingriffe missbraucht werden.» Bereits vergangenes Jahr hatte die BDA vehement dagegen protestiert, dass der Gesetzgeber die Lohnuntergrenze anhob. Normalerweise verhandeln Vertreterinnen und Vertretern von Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie der Wissenschaft darüber – in der Mindestlohnkommission. Bis zu diesem Freitag hatten die maßgeblichen Verbände Zeit, dem Gremium ihre Stellungnahmen zu schicken. Das brachte die neue Debatte überhaupt erst ins Rollen.

Scholz stellt Verfahren klar

Prompt meldete sich Kanzler Scholz zu Wort. «Es ist sehr gut, dass wir im Oktober letzten Jahres den Mindestlohn auf 12 Euro angehoben haben», sagte er nach einem Spitzengespräch der deutschen Wirtschaft in München. «Klar verbunden mit dieser Aussage war das Versprechen, dass das eine einmalige durch Gesetz geschaffene Erhöhung ist.» Und dass dann zum regelmäßigen Erhöhungsmechanismus zurückgekehrt werde – also zur Kommission. Auch Kampeter (BDA) und Körzell (DGB) treffen hier direkt aufeinander. Die Linke-Sozialexpertin Susanne Ferschl bemängelte, dass das Gremium «allein im stillen Kämmerlein» berate. Als zentraler Maßstab für die Beratungen hat das Gremium laut Gesetz die Entwicklung der Tariflöhne zu nehmen – also unter anderem auch wie viel etwa Verdi unter erhöhtem Warnstreik-Druck im öffentlichen Dienst herausholt. Aber die Kommission muss auch darauf achten, dass zu hohe Mindestlöhne nicht Beschäftigung gefährden – und zu niedrige den gebotenen Mindestschutz für die Beschäftigten nicht verfehlen.

Wirkung gegen Inflation sinkt

Doch wie gut wirkt der Mindestlohn gegen die Inflation? Ganz ordentlich – bisher. So lässt sich eine neue Studie des Instituts WSI der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung zusammenfassen. Nur rund jedes zweite EU-Land konnte demnach vergangenes Jahr mit höheren Mindestlöhnen die hohe Inflation ausgleichen – «vergleichsweise gut» auch Deutschland. Zwischen Anfang 2022 und Anfang 2023 hätten Menschen mit Mindestlohn inflationsbereinigt um 12,4 Prozent höhere Stundenlöhne bekommen. «Da die nächste Mindestlohnanpassung erst zum Januar 2024 vorgesehen ist, werde ein Teil des Zuwachses durch die weiterhin hohe Inflation in diesem Jahr aufgezehrt», so die Forscher aber. In Frankreich, den Niederlanden oder Belgien steige die Lohngrenze dagegen auch im Jahr 2023.

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Kinder aus ärmeren Familien bei Kita-Betreuung im Nachteil

Wiesbaden (dpa) – Kinder aus ärmeren und weniger gebildeten Familien sind bei der Vergabe von Kita-Plätzen nach wie vor benachteiligt. Zudem ist der Betreuungsbedarf von Jungen und Mädchen, bei denen zu Hause überwiegend kein Deutsch gesprochen wird, zu einem größeren Teil ungedeckt, als bei Gleichaltrigen mit Deutsch als Familiensprache. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) in Wiesbaden.

Demnach hängt es auch zehn Jahre nach der Einführung eines Rechtsanspruchs auf einen Kitaplatz für Mädchen und Jungen ab dem vollendeten ersten Lebensjahr stark von den sozioökonomischen Verhältnissen der Eltern ab, ob ein Kind betreut wird oder nicht. Die Experten untersuchten unter anderem die Daten zur Kita-Nutzung von rund 96.000 Unter-Dreijährigen. Weiterlesen

Entspannung fürs Konto: Erste Studierende bekommen 200 Euro

Berlin (dpa) – Ein halbes Jahr nach Ankündigung der 200-Euro-Energiepreispauschale für Studierende und Fachschüler wird ab heute für die ersten Betroffenen das Geld überwiesen. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus dem Bundesbildungsministerium und dem Digitalministerium in Sachsen-Anhalt. «Die ersten Antragsteller werden die Einmalzahlung in Kürze auf ihrem Konto haben», sagte Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) der dpa.

Eine Testphase der entsprechenden Antragsplattform im Internet mit Hochschulen und Fachschulen in mehreren Bundesländern ist den Angaben zufolge erfolgreich verlaufen. «Die Testphase ist technisch geglückt», sagte Sachsen-Anhalts Digitalministerin Lydia Hüskens (FDP). Etwa 12.800 Antragsteller hätten ihre Bewilligungsbescheide erhalten. Heute werde der Bund die Energiepreispauschale anweisen. Weiterlesen

Spanier muss Ex-Frau für Hausarbeit rund 200.000 Euro zahlen

Madrid (dpa) – Für 25 Jahre Hausarbeit muss ein Mann in Spanien seiner Ex-Frau eine Entschädigung von gut 204.000 Euro zahlen. Das habe ein Richter in Vélez-Málaga entschieden, berichteten die Zeitung «La Vanguardia» und andere Medien. Freuen darf sich nicht nur die 48 Jahre alte Ivana Moral, die sich vor Gericht durchsetzte. «Es ist ein Urteil, das Klagen anderer Frauen die Tür öffnet», stellte «La Vanguardia» fest.

Sie sei «sehr verliebt» gewesen, als sie mit 20 geheiratet habe, erzählte Moral «La Vanguardia». Doch schon bald habe sie gemerkt, dass ihre Ehe alles andere als ein Rosengarten sein würde. «Ich habe mich getreten, unterdrückt und missbraucht gefühlt», erzählte sie. Sie habe sich nicht nur um Haushalt und Kinder kümmern, sondern auch in den Fitnessstudios ihres Mannes arbeiten müssen. Mindestens zehn Stunden pro Tag habe sie geschuftet. Dafür habe sie aber weder finanzielle noch moralische Anerkennung erhalten. Weiterlesen

Oben-Ohne-Baden künftig auch für Frauen in Berlins Bädern

Von Marion van der Kraats, dpa

Berlin (dpa) – Verboten war es ohnehin nicht – aber nun sollte Oben-Ohne-Baden in Berlins Schwimmbädern für Frauen auch nicht mehr zum Problem werden. In einer internen Anweisung sei klargestellt worden, dass das Schwimmen «oben ohne» für alle Personen gleichermaßen erlaubt sei, teilte eine Sprecherin der Berliner Bäderbetriebe (BBB) am Donnerstag mit. Das Unternehmen werde die Haus- und Badeordnung künftig «geschlechtergerecht» anwenden, hatte zuvor die Senatsverwaltung für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung am Donnerstag mitgeteilt. Hintergrund ist laut Senatsverwaltung eine erfolgreiche Beschwerde bei der für das Antidiskriminierungsgesetz des Landes Berlin (LADG) zuständige Ombudsstelle.

Eine Frau hatte sich demnach beschwert, weil sie nicht – wie Männer – «oben ohne» in einem Berliner Bad schwimmen durfte. Ein weiterer Fall in Berlin hatte bundesweit für Schlagzeilen gesorgt: Wegen ihres nackten Oberkörpers wurde eine Frau im Sommer 2021 eines Wasserspielplatzes im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick verwiesen. Aus Sicht der Ombudsstelle stellte dies eine Diskriminierung dar. Eine Klage gegen das Land Berlin auf finanzielle Entschädigung dafür blieb jedoch erfolglos. Das Landgericht Berlin sah dafür im September 2022 keine Grundlage nach dem Antidiskriminierungsgesetz (Az. 26 O 80/22).

Badebekleidung für die primären Geschlechtsorgane

Nach Angaben von Klägeranwältin Leonie Thum wurde Berufung gegen das Urteil eingelegt. Ihre Mandantin hatte wenigstens 10.000 Euro vom Land Berlin verlangt. Auf Empfehlung der Ombudsstelle hatte der Wasserspielplatz allerdings seine Nutzungsordnung ergänzt. Danach gilt für alle Geschlechter, dass die Badebekleidung die primäre Geschlechtsorgane vollständig bedecken muss. Die weibliche Brust gilt als sekundäres Geschlechtsorgan.

Nun folgte die Klarstellung bei den Bäderbetrieben. Zwar mache die Haus- und Badeordnung seit Jahren keine geschlechtsspezifischen Vorschriften in Bezug auf die Badebekleidung, hieß es. «Allerdings wurde das von unseren Gästen und je nach Bad bislang zum Teil unterschiedlich ausgelegt und gehandhabt», so die Sprecherin.

Die Ombudsstelle begrüße die Klarstellung, teilte deren Leiterin Doris Liebscher mit. Die Entscheidung schaffe «gleiches Recht für alle Berliner*innen, ob männlich, weiblich oder nicht-binär». Zudem schaffe sie Rechtssicherheit für das Personal in den Bäderbetrieben. «Jetzt geht es darum, dass die Regelung konsequent angewendet wird und keine Platzverweise oder Hausverbote mehr ausgesprochen werden», betonte Liebscher.

Keine Selbstverständlichkeit

Oben-ohne-Baden ist in Deutschland keine Selbstverständlichkeit für Frauen. Einige Bäder hatten dies jedoch im Sommer 2022 erlaubt – etwa im niedersächsischen Göttingen oder in Siegen in Nordrhein-Westfalen.

Wie eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur damals ergeben hatte, befürworten viele Erwachsene, Frauen das Oberteiltragen nicht unbedingt vorzuschreiben. 37 Prozent finden es demnach positiv, wenn etwa im Freibad der klare Dresscode – Frauen müssen Bikini oder Badeanzug tragen, Höschen reicht nicht – aufgehoben wird. Allerdings fanden bundesweit 28 Prozent das Oben-ohne-Baden von Frauen «nicht gut».

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Männerfreier Tag auf Jahrmarkt? Frauenbeauftragte winkt ab

Bremen (dpa) – Die Bremer Landesfrauenbeauftragte Bettina Wilhelm sieht den Vorschlag der Bremer Jusos für einen männerfreien Tag auf Jahrmärkten kritisch. Die Forderung setze am falschen Ende an und komme einer Kapitulation gleich, sagte Wilhelm der dpa. «Vielmehr braucht es tragfähige Präventionsmaßnahmen seitens der Veranstaltenden, der Ordnungskräfte und der öffentlichen Hand, damit Frauen vor sexuellen Übergriffen auf den Festen effektiv geschützt werden.» Weiterlesen

Statistik: Anteil an Drittgeburten auf Höchststand

In Thüringen hat der Anteil an Drittgeborenen und weiteren Kindern einen neuen Höchststand erreicht. Als drittes oder weiteres Kind kamen im Jahr 2021 insgesamt 3116 Kinder lebend zur Welt, wie das Landesamt für Statistik am Donnerstag mitteilte. Dies sei ein Anteil von 20,3 Prozent an allen Lebendgeborenen des Jahres und der höchste Wert seit der erstmaligen Erfassung dieser Zahl im Jahr 2008. 13 Jahre zuvor kamen als drittes und weiteres Kind insgesamt 2438 Kinder zur Welt (Anteil: 14,1 Prozent). Weiterlesen

Binz berichtet über Pakt gegen sexualisierte Gewalt

Mainz (dpa/lrs) – Im Koalitionsvertrag hat sich die Ampelregierung darauf verständigt, einen Pakt gegen sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen in Rheinland-Pfalz zu schließen. Familienministerin Katharina Binz (Grüne) will diese heute Vereinbarung vorstellen. Sie will auch die Arbeitsweise des Betroffenenrates und der interdisziplinären Fachkommission erläutern, die Handlungsempfehlungen für die Landesregierung entwickeln soll. Mit der Einrichtung des achtköpfigen Betroffenenrats auf Landesebene nimmt Rheinland-Pfalz laut Ministerium eine Vorreiterrolle in Deutschland ein.

Trägt sie einen BH? – Was Frauen in der deutschen Politik aushielten

Von Anna Eube, dpa

Sie sind «Die Unbeugsamen»: Eine Dokumentation erzählt von Frauen in der Bonner Republik. Für sie gab es vieles zu tun und einiges zu ertragen. Wie den ungenierten «BH-Test» eines männlichen Kollegen.

Männer, überall Männer. Sie schütteln Hände, stehen am Rednerpult, posieren auf der Treppe für Pressefotografen. Es sind Archivaufnahmen der deutschen Politik nach 1945 – auf denen keine einzige Frau zu sehen ist. Mit dieser Leerstelle beginnt die Doku «Die Unbeugsamen» über Frauen in der Bonner Republik, die 3sat zum Internationalen Frauentag am 8. März um 20.15 Uhr zum ersten Mal im deutschen Fernsehen zeigt. Regisseur Torsten Körner hat dafür bekannte Politikerinnen wie Rita Süssmuth (CDU) oder Christa Nickels (Grüne) vor die Kamera geholt und lässt sie ihre aus heutiger Sicht teils unfassbaren Erlebnisse im Bundestag schildern.

Wie die Sache mit dem BH-Test. CSU-Mann Richard Stücklen fuhr Helga Schuchardt von der FDP nach einer ihrer Reden mit dem Daumen über den Rücken – er habe mit Parteikollegen gewettet, ob sie einen BH trage. Und ja, sie trage keinen. Als der Vorfall in die Presse gelangt war, freute sich Stücklen sogar: Das habe sein «liberales Image gestärkt», sagte er damals zu Schuchardt, wie sich diese erinnert.

Der Sexismus war in den 1970er und 1980er Jahren parteiübergreifend: Als der Grünen-Politiker Klaus Hecker 1983 drei Frauen an die Brüste grapschte, wurde Waltraud Schoppe (ebenfalls Grüne) im TV-Interview gefragt, ob es nicht besser sei, «solche Konflikte menschlich zu lösen, als gleich die politische Keule zu schwingen?» Mit anderen Worten: Ob man da ein Fass aufmachen muss? Doch derartige Übergriffe waren und sind keine Lappalie, sondern machen gesellschaftliche Probleme sichtbar, das sah Schoppe schon 1983 ähnlich.

«Die Unbeugsamen», 2021 im Kino, befasst sich dankenswerterweise nicht nur mit der Frage, was engagierten Frauen geschehen kann – sondern auch damit, was sie dem Politikbetrieb geben können. Über Jahrzehnte hinweg scheuten sich Journalisten nicht, diesen Aspekt in die immer gleiche Frage zu gießen: «Machen Frauen andere Politik?» Ja, fand nicht nur Grünen-Ikone Petra Kelly: Es sei was Verbindendes zwischen Frauen da, keine Parteigrenzen sprengende Harmonie zwar, aber doch – «weil sie dem Alltagsleben viel näher verbunden sind».

Denn was sich seit damals kaum geändert hat: Noch immer sind es Frauen, die die meiste «Care-Arbeit» übernehmen, die sich schlicht kümmern, um Kinder, Pflegebedürftige, Hausarbeit. So lassen sich einige Errungenschaften weiblicher Politikerinnen in Deutschland wohl am besten mit zugewandt überschreiben. Rita Süssmuth etwa setzte sich in ihrer Zeit als Gesundheitsministerin Ende der 1980er Jahre für eine breite Aufklärungskampagne über HIV ein. Einige ihrer Parteikollegen plädierten in dieser Zeit noch für eine Art Kasernierung der Erkrankten.

Die Doku hat das Potenzial, Zuschauerinnen und Zuschauer aufgewühlt zurückzulassen. Nicht nur wegen des Kapitels über Petra Kelly und Hannelore Kohl, die Ehefrau von CDU-Kanzler Helmut Kohl. Beide starben auf erschütternde Weise: Kelly wurde 1992 von ihrem Lebensgefährten Gert Bastian im Schlaf erschossen, Kohl beging 2001 Suizid. Sondern auch, weil sich einiges an der Lage von Politikerinnen partout nicht zu ändern scheint. BH-Tests mag heute keiner mehr machen, doch die teils obszönen Zwischenrufe, die Frauen vor 40 Jahren im Parlament erdulden mussten, sind geblieben.

Heute kommen sie aus dem Internet, von anonymen Kommentatoren. Das Magazin «Spiegel» hatte im Wahlkampf 2021 Hasskommentare gegen die Spitzenkandidaten ausgewertet. Annalena Baerbock (Grüne) wurde laut der Analyse mit Abstand am häufigsten attackiert – als einzige Frau, die sich um den Posten als Bundeskanzlerin beworben hatte.

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