“Der eine Fehler zu viel”: Graichen muss gehen

Patrick Graichen (Grüne) (Foto: Kay Nietfeld, dpa)

Berlin (dpa) – Nach knapp drei Wochen erhitzter Diskussionen um Fehlverhalten eines seiner wichtigsten Mitarbeiter versucht Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) den Befreiungsschlag: Staatssekretär Patrick Graichen muss gehen – auch wenn dafür am Ende nicht die Trauzeugen-Affäre den Ausschlag gibt. Weiterlesen

Habeck trennt sich endgültig von seinem Staatssekretär

Das fragwürdige Verhalten seines Top-Mitarbeiters Patrick Graichen hat Wirtschaftsminister Robert Habeck in die Bredouille gebracht. Jetzt zieht Habeck die Reißleine – wegen weiterer Vorwürfe.

Wirtschaftsstaatssekretär Patrick Graichen muss wegen wiederholter Interessenkonflikte zwischen Berufs- und Privatleben gehen. Grund seien neue Erkenntnisse aus internen Prüfungen, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (beide Grüne) am Mittwoch in Berlin. Hintergrund ist demnach die geplante finanzielle Förderung eines Projekts des BUND-Landesverbands Berlin, in dessen Vorstand die Schwester Graichens, Verena Graichen, ist. Der Staatssekretär soll in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden. Er sei sich mit Graichen einig gewesen, dass die gemeinsame Arbeit nicht fortgesetzt werden solle, sagte der Minister. Er wolle Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier um die Entlassung Graichens bitten.

Habeck sagte, er wisse seit Dienstag vergangener Woche von dem Vorgang. Eine erste kursorische Einschätzung sei aber entlastend ausgefallen – was sich mit einer gründlicheren Prüfung geändert habe. So habe Graichen im November 2022 eine Liste mit «Projektskizzen» gebilligt. Bei einer davon sei es um ein Vorhaben des Landesverbands Berlin des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) gegangen mit einer Summe von knapp 600 000 Euro. Verena Graichen sei laut Vereinsregister bis Mai 2022 Landesvorsitzende beim BUND in Berlin gewesen.

Das Projekt sei als förderwürdig eingestuft worden, eine finale Entscheidung damit nur noch Formsache gewesen. Geld sei aber noch nicht geflossen, sagte Habeck. Der Vorgang hätte Graichen weder vorgelegt werden dürfen, noch hätte er ihn abzeichnen dürfen. Es handle sich um einen Compliance-Verstoß, also einen Verstoß gegen interne Verhaltensregeln. «Es muss schon allein der Anschein der Parteilichkeit vermieden werden, und das ist hier nicht eingehalten worden.»

«Es ist der eine Fehler zu viel», sagte Habeck. Deshalb habe er heute diese Entscheidung getroffen. «Das ist eine weitreichende, schwere Entscheidung – weitreichend für mein Haus, schwer für mich und sehr hart für Patrick Graichen. Es geht aber darum, das Vertrauen in die Arbeit dieses Hauses als Institution zu schützen. Es geht darum, die politische Handlungsfähigkeit zu wahren.»

Graichen war zuletzt wegen seiner Beteiligung an der Auswahl seines Trauzeugen für den Chefposten der bundeseigenen Deutschen Energie-Agentur (Dena) in die Kritik geraten. Sowohl Graichen als auch Habeck sprechen mittlerweile von einem Fehler. Das Verfahren zur Personalauswahl soll neu aufgerollt werden.

Nach einer gemeinsamen Befragung in den Ausschüssen für Energie sowie Wirtschaft und Klimaschutz am vergangenen Mittwoch hatte Habeck noch an Graichen festgehalten, aber erklärt, es laufe eine beamtenrechtliche Prüfung, da gegen Vorgaben des Wirtschaftsministeriums sei «erkennbar verstoßen worden» sei.

Neben der Förderentscheidung gebe es einen zweiten Vorgang, der nach Einschätzung Habecks «in einem Graubereich» liegt, erklärte Habeck nun. So sei Felix Matthes vom Öko-Institut in eine Expertenkommission zur Energiewende berufen worden. «Auch hier kommt nun die vertiefte Prüfung, die seit gestern vorliegt, zu dem Schluss, dass der Anschein der Parteilichkeit besser hätte vermieden werden sollen», sagte Habeck.

Matthes war bereits von der Vorgängerregierung in mehrere Gremien berufen worden. Allerdings gibt es spätestens mit dem Antritt Habecks und einer Reihe von Mitarbeitern auch personelle Verflechtungen mit dem Öko-Institut, einer ökologisch ausgerichteten Forschungseinrichtung, die Aufträge vom Bund bekommt. Graichens Schwester, verheiratet mit dessen Staatssekretärs-Kollegen Michael Kellner, arbeitet wie auch ihr Bruder dort. Das Ministerium hatte bisher betont, Kellner und Graichen seien nicht an Ausschreibungen beteiligt gewesen, auf die sich das Öko-Institut hätte bewerben können.

Allerdings war Graichen in die Kritik geraten, weil er an der Auswahl seines Trauzeugen Michael Schäfer zum Chef der bundeseigenen Deutschen Energie-Agentur (Dena) beteiligt war. Um «den einen schweren Fehler» verteidigen zu können, habe er sicher sein müssen, «dass die Compliance Brandmauer, die wegen der Verwandtschaftsverhältnisse gezogen wurde, keine Risse hat», sagte Habeck. «Diese Risse hat sie nun. In der Gesamtschau hat sich Patrick Graichen damit zu angreifbar gemacht, sein Amt noch wirkungsvoll ausüben zu können.»

Habeck verteidigte erneut die Arbeit Graichens bei der Abwendung einer noch schwereren Energiekrise als Folge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und bei der Energiewende. Er beklagte aber auch persönliche Anfeindungen und Lügen über Graichen und seine Familie, die «von mitunter rechtsextremen Accounts» verbreitet «und von prorussischen Accounts weiter gepusht» worden seien.

Habeck kündigte an, er wolle zügig einen Nachfolger für Graichen finden und die hausinternen Verhaltensregeln auf den Prüfstand stellen. Am Zeitplan für das Gebäudeenergiegesetz, das den schrittweisen Heizungstausch ab dem kommenden Jahr vorsieht, hielt Habeck fest. Kanzler Olaf Scholz (SPD) sagte am Mittwoch im isländischen Rekjavik, er habe vom Rückzug Graichens «heute» erfahren. «Mit Herrn Graichen selbst habe ich gut zusammengearbeitet und ich gehe davon aus, dass der Wirtschaftsminister jetzt seine Arbeit mit voller Kraft fortsetzt.» Die Politische Geschäftsführerin der Grünen, Emily Büning, bezeichnete die Entscheidung gegenüber der dpa als «konsequent und richtig». Sie erklärte: «Wir wünschen Patrick Graichen alles Gute und danken ihm für seinen Einsatz und seine Leistungen für unser Land.»

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