Steinmeier in Riga an der Wiege der Reformation im Baltikum Bundespräsident

Riga (dpa) – Angela Merkel war schon oben – nun will es Frank-Walter Steinmeier ihr gleichtun und in Riga hoch hinaus. Um genau zu sein: auf 70 Meter. In dieser Höhe befindet sich die Aussichtsplattform auf dem Turm der höchsten Kirche in der lettischen Hauptstadt: die Petrikirche.

Es bietet sich eine wunderschöne Aussicht auf die Ostseemetropole. Die damalige Bundeskanzlerin hatte das Rundpanorama während ihrer Riga-Visite 2010 bei strahlendem Sonnenschein genossen. Nun kann auch der Bundespräsident bei seinem Besuch an diesem Dienstag seinen Blick über die Dächer der Altstadt schweifen lassen.

Doch ist Steinmeier nicht aus touristischen Gründen zum inzwischen elften Mal in seiner langen politischen Karriere als deutscher Außenminister und Staatschef nach Riga gereist. Mehr als 75 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges wird das Gotteshaus an eine gemeinsame Stiftung der Lettischen Evangelisch-Lutherischen Kirche und der deutschen St.-Petri-Gemeinde übergeben. Gemeinsam mit seinem lettischen Kollegen Egils Levits wird der Bundespräsident an einem Dankgottesdienst und der offiziellen Schlüsselübergabe teilnehmen.

«Dies ist hohe Wertschätzung für uns und ein Zeichen, dass man sich der gemeinsamen Geschichte bewusst ist», sagte Stefan Meissner, der Vorstandsvorsitzende der Stiftung St. Petrikirche, der Deutschen Presse-Agentur. Die Petrikirche ist in Lettland ein architektonisches Denkmal von nationalem Rang. Doch sie hat auch für Deutschland historische Bedeutung.

Reformation schwappte von Deutschland schnell ins Baltikum

Denn in ihr nahm vor einem halben Jahrhundert die Reformation im heutigen Lettland und darüber hinaus im ganzen Baltikum ihren Ausgang – nur wenige Jahre nach dem überlieferten Thesenanschlag Martin Luthers 1517 in Wittenberg. Dies machte Riga zu einer der ersten Städte außerhalb Deutschlands, in der sich der Protestantismus verbreitete. Das setzte auch entscheidende Impulse für die Entwicklung des lettischen Schrifttums und das Bildungswesen. Großen Anteil daran hatten deutsche Pastoren.

Das Schwarzhäupterhaus (r.) und die Petrikirche (l.) auf dem Rathausplatz der lettischen Hauptstadt Riga. Foto: Uwe Zucchi/dpa-Zentralbild/dpa

Eingeführt wurden die reformatorischen Ideen von Pastor Andreas Knöpken (1468-1539). Der Geistliche aus Brandenburg disputierte am 12. Juni 1522 in der Petrikirche mit Anhängern der alten Lehre über 24 von ihm aufgestellte Thesen. Daran erinnert seit ein paar Jahren auch eine Gedenktafel, die 2017 Steinmeiers Vorgänger Joachim Gauck enthüllte. Ihm wurde damals auch das Faksimile eines historischen Schreiben Luthers überreicht, der sich Überlieferungen zufolge in 17 Briefen an seine Anhänger in dem Handels- und Missionsvorposten an der Ostsee wandte.

500 Jahre später ist das Luthertum in Lettland heute die zahlenmäßig stärkste Konfession – fast 25 Prozent der 1,9 Millionen Einwohner des baltischen EU-Landes bekennen sich dazu. Viele Gläubige besuchen regelmäßig die Gottesdienste in der Petrikirche. Daran soll sich auch künftig nichts ändern. «Wir werden die Kirche mit kirchlichem Leben füllen und die Grundsanierung sicherstellen, um die Kirche für die nächsten Generationen zu erhalten», betonte Meissner, der auch dem Kirchengemeinderat der deutschen Gemeinde vorsteht.

Besitzverhältnis sorgt für Sanierungsstau

Mit der Rückübertragung wurde ein Schlussstrich unter eine sich über Jahrzehnte hinziehende öffentliche Debatte gezogen, wer Eigentümer der Kirche aus dem 13. Jahrhundert ist. Anders als andere kirchliche Gebäude wurde die Petrikirche nach der wiedererlangten Unabhängigkeit Lettlands von der Sowjetunion 1991 nicht an eine religiöse Organisation zurückübertragen. Stattdessen wurde sie der Stadt Riga anvertraut – bis zur Verabschiedung eines gesonderten Gesetzes.

Doch dies ließ lange auf sich warten – und die auch als touristisches Objekt, Museum und Veranstaltungsort genutzte Kirche blieb im Besitz der Stadtverwaltung. Dies füllte nach lettischen Medienberichten in nicht geringem Umfang den Hauptstadtsäckel. Angesichts der unklaren Eigentumsverhältnisse wanderten die Erlöse aber nur teils in den Erhalt des Gotteshauses. Risse in Wänden und Böden, Dachschäden, Schimmel, Ziegelerosion – der Inspektionsbericht der Nationalen Denkmalbehörde aus dem Frühling vergangenen Jahres weist auf erhebliche Mängel hin.

Wichtigste Aufgabe der neuen alten Hausherren ist daher die Sanierung des in seiner langen Geschichte mehrfach umgebauten und zerstörten Sakralbaus, der mit seinem 123 Meter hohen Turm der Hauptkirche Sankt Katharinen in Hamburg ähnelt. Dabei kann die Gemeinde auch auf deutsche Unterstützung setzen: Der Bundestag hat bereits Mittel für den Erhalt und die Restauration der Petrikirche bewilligt.

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