Kirche: «Kreativitätsexplosion» bei digitalen Gottesdiensten

Von Jens Albes, dpa

Limburg/Mainz (dpa) – Nach drei Jahren Corona-Pandemie mit Lockdowns bewerten die Kirchen die erzwungene Verlagerung ihres Wirkens ins kontaktlose Internet überwiegend positiv. «Insgesamt haben die digitalen Gottesdienste geradezu zu einer Kreativitätsexplosion geführt. Die Feiern wurden durch den digitalen Einsatz interaktiver, lebendiger und jünger», erklärt etwa Pfarrer Volker Rahn von der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) in einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur. Mit dem Abflauen der Pandemie setzen die Kirchen wieder auf traditionelle Gottesdienste, wollen aber vereinzelt auch an Übertragungen festhalten – dann meist als hybrides Format mit gestreamten Zusammenkünften in Präsenz.

Das katholische Bistum Limburg, das wie die EKHN sowohl in Hessen als auch in Rheinland-Pfalz liegt, hat seine wöchentlichen Livestreams vom Domberg der gleichnamigen Stadt beendet. Seit März 2020 übertrug es nach eigenen Angaben mehr als 260 Gottesdienste aus der Kapelle des Bischofshauses und dem Dom auf Youtube und Facebook und erreichte so insgesamt gut zwei Millionen Menschen – durchschnittlich 3000 pro Gottesdienst, an Ostern und Weihnachten jeweils mindestens 10 000. Der Rekord war laut dem Bistum die Übertragung der Osternacht 2020 mit fast 35 000 Zuschauern zu Hause. Künftige besondere Gottesdienste in Präsenz im Limburger Dom sollen weiterhin gestreamt werden.

Die Diözese erklärt: «Im Laufe der Zeit ist eine lebendige, virtuelle Gottesdienstgemeinschaft entstanden. Im Chat formulierten Userinnen und User Anliegen, stellten ihre Fragen und interagierten untereinander und mit den Verantwortlichen für die Streams im Bistum.»

Auch das katholische Bistum Mainz, das zu zwei Dritteln in Hessen liegt, sieht nach eigenen Worten in Übertragungen von Gottesdiensten ins Netz «ein zusätzliches Angebot, dass gerne von vielen Menschen wahrgenommen wird». Auch noch die Osternacht und der Gottesdienst an Ostersonntag in diesem Jahr im Mainzer Dom mit Besuchern vor Ort seien zusätzlich auf mehreren Kanälen gestreamt worden – mit 3250 (Osternacht) und rund 2500 Aufrufen (Ostersonntagsgottesdienst) alleine bei Youtube.

Pfarrer Rahn von der EKHN verweist unter anderem auf Videoplattformen für die Übertragung von Gottesdiensten. «Inzwischen gibt es auch Multi-Streams, bei denen parallel auf mehreren Kanälen gestreamt wird, um die Reichweite zu erhöhen», ergänzt er. In der Corona-Zeit seien Tausende EKHN-Gottesdienste im Netz übertragen worden. Es seien aber auch «aufwendige Video-Produktionen beispielsweise mit prominenten Gästen oder externen Musikgruppen vorab produziert und dann gezeigt» worden.

Faszinierend fand Rahn nach eigener Aussage Gottesdienste, «bei denen sich mehrere Gemeinden zusammenschalteten und der Stream von Kirche zu Kirche wechselte – auch weltweit. In der Pandemie gab es immer wieder auch “Global Prayer” (weltweites Gebet) mit Hessen-Nassaus Partnerkirchen von USA bis Korea.» Dies solle beibehalten werden.

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Polizei kontrolliert Gladbach-Fans auf Anreise: Kritik

Ginsheim-Gustavsburg (dpa) – Vor dem Bundesligaspiel von Eintracht Frankfurt gegen Borussia Mönchengladbach in Frankfurt sind Fans der Gäste im Bahnhof Mainz-Gustavsburg von der Polizei kontrolliert worden. Seit etwa 16.30 Uhr stellten die Beamten die Identität einiger Fans aus einem Zug in Richtung Frankfurt fest, wie der Sprecher der Bundespolizeidirektion Koblenz, der vor Ort am Einsatz beteiligt war, auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mitteilte. Die «Fanhilfe Mönchengladbach» kritisierte die Maßnahmen in den sozialen Medien.

Grund für die polizeilichen Maßnahmen sei ein Vorfall im Bonner Raum, bei dem die Polizei aufgrund von schwerer Körperverletzung, Körperverletzung und Landfriedensbruch ermittele. Weitere Details zu diesem Vorfall gab die Bundespolizei zunächst nicht bekannt.
Fans der Gladbacher, die erst in Mainz in den Zug gestiegen waren, und andere Reisende wurden den Angaben zufolge «vor Ort entlassen». Fans, die vorher zugestiegen seien, seien «auf gefährliche Gegenstände hin abgetastet» worden, erklärte der Sprecher. Weiterlesen

Dresdnerinnen verlieren zweites Viertelfinalspiel

Dresden (dpa/sn) – Die Volleyballerinnen des Dresdner SC haben den vorzeitigen Einzug ins Playoff-Halbfinale verpasst. Nach dem 3:0-Auftaktsieg unterlagen die Schützlinge von Trainer Alexander Waibl im zweiten Viertelfinalspiel vor 2811 Zuschauern in heimischer Halle dem VC Wiesbaden mit 0:3 (22:25, 20:25, 20:25). Damit fällt die Entscheidung in der «Best-of-three»-Serie im dritten Spiel am kommenden Mittwoch in Wiesbaden. Weiterlesen

Esa-Sonde zum Jupiter gestartet – «fantastische Mission»

Von Oliver Pietschmann, dpa

Darmstadt/Kourou (dpa) – Große Freude im Kontrollzentrum der europäischen Raumfahrtagentur Esa: Die Jupiter-Sonde<<Juice>> ist am Freitag zum bislang am weitesten entfernten Ziel der europäischen Raumfahrt gestartet. An Bord einer Ariane-5-Trägerrakete hob sie um 14.14 Uhr (MESZ) vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch Guayana ab. Sie wird nach Angaben des Esa-Flugbetriebsdirektors Andrea Accomazzo in den kommenden Jahren rund sechs Milliarden Kilometer unterwegs sein. Am Vortag musste der Start wegen der Gefahr eines Gewitters verschoben werden.

Sie ist nun mit Umwegen auf der Reise zum Hunderte Millionen Kilometer entfernten Gasgiganten Jupiter, dem größten Planeten im Sonnensystem. «Juice» soll mit zehn Instrumenten an Bord vor allem einen Blick auf die großen Monde werfen. Dort wird Wasser unter einem dicken Eispanzer und damit Voraussetzungen für Leben vermutet.

«Keiner von uns glaubt, dort einen Wal oder Delfin zu finden», sagte der Leiter des Missionsbetriebes im Esa-Kontrollzentrum in Darmstadt, Simon Plum, vor dem Start. Von dort wird in den kommenden Jahren die Wissenschaftmission gelenkt. «Wir suchen nicht nach Leben», sagte Plum. Man schaue, ob dort Leben möglich sein könnte. Der Esa-Wissenschaftler Olivier Witasse sprach von einer «fantastischen Mission». Kamera, Spektrometer, Radar, Magnetometer: Mit seinen Instrumenten an Bord, biete «Juice» umfassende Möglichkeiten.

Ohne Energie «taub und blind»

Der erste kritische Moment nach dem Start sollte Plum zufolge das Ausklappen der 85 Quadratmeter großen Solarpaneele von «Juice» am Nachmittag sein. Wenn sie ihre Energie verliere, werde sie «taub und blind». Dann sei die Mission gescheitert. Zudem wurden nach dem Abkoppeln von der Rakete Schalldruck und Vibration gemessen. Die Sonde muss auf ihrer Reise Temperaturunterschiede von bis zu 500 Grad aushalten.

Bei der über eine Milliarde Euro teuren Mission wollen die Wissenschaftler nach der Ankunft bei Jupiter 2031 unter anderem einen Blick auf die Monde «Europa», «Kallisto» und «Ganymed» werfen. Mit den zehn Instrumenten, neun von europäischen Partnern und eines der US-Raumfahrtagentur Nasa, sind verschiedene Untersuchungen möglich, unter anderem Radar- und Lasermessungen. Die Technische Universität Braunschweig steuerte zum Beispiel ein selbstentwickeltes Magnetfeld-Messgerät und eine Kamera-Datenverarbeitungseinheit bei. Die Technik aus dem Institut für Geophysik und Extraterrestrische Physik helfe bei Messungen der Magnetfelder im Jupiter-System insbesondere in der Nähe der Jupiter-Monde.

«Natürlich könnte die Esa das alleine stemmen», sagte Plum zu der Vielzahl an Instituten und Organisationen, die an der Verwirklichung beteiligt waren. Die Frage sei aber, warum sollte sie das tun. «Zusammen können wir mehr erreichen.»

Mit dem Radar können auch unter der Eisschicht Daten gesammelt werden. Mit dem Laser Altimeter «Gala» (Ganymede Laser Altimeter) soll die Oberfläche «Ganymeds» vermessen werden. Zusammen mit den Daten und mit Bildern der Kamera «Janus» kann später auch ein digitales 3-D-Modell des komplett mit Eis bedeckten Mondes erstellt werden.

Bevor die Sonde ihre Arbeit am Jupiter aufnehmen kann, hat sie noch eine lange Strecke vor sich. Sie muss bei ihrer achtjährigen Reise erst noch einmal um die Venus und drei Mal um die Erde fliegen, um Geschwindigkeit aufzunehmen. Ein späteres Bremsmanöver am Jupiter wird den Esa-Verantwortlichen zufolge ein weiterer kritischer Moment. Gelingt dies nicht, fliegt «Juice» am größten Planeten des Sonnensystems vorbei.

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Bürgermeister: Keine Pläne für Auflösung von Streiklager

Weiterstadt (dpa/lhe) – Der Bürgermeister von Weiterstadt, Ralf Möller (SPD), ist von Plänen einer möglichen Auflösung der Versammlung streikender Lastwagenfahrer an der Raststätte Gräfenhausen abgerückt. «Es gab die Idee, wenn sich immer mehr Fahrer der Versammlung anschließen und es keinen Platz mehr für andere gibt, die ihre Ruhezeiten einhalten müssen», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. «Gerade kurz vor Ostern war klar, dass wegen des Fahrverbots an den Feiertagen ein gewisser Parkdruck entsteht.»

Nach einem Besuch am Donnerstag bei den vor allem aus Georgien und Usbekistan stammenden Fahrern, die mit ihrem Streik an der A5 ausstehenden Lohn von einem polnischen Speditionsunternehmen fordern, seien diese Überlegungen vom Tisch, sagte Möller. Gräfenhausen ist ein Ortsteil von Weiterstadt.

«Es ist genügend Platz da, die Streikenden weisen Parkende ein, andere Fahrer zeigen bei der Fahrt auf die Autobahn eine solidarische Faust – das ist eine ganz tolle Stimmung», sagte der Bürgermeister über den seit nunmehr drei Wochen dauernden Protest, dem sich bereits mehr als 60 Fahrer angeschlossen haben. «Das finde ich gar nicht schlecht, dass die auch bessere Bedingungen an den Raststätten fordern», sagte er. In Gräfenhausen etwa gebe es 130 Stellplätze für Lastwagen, aber nur eine Dusche. Weiterlesen

Anklage im Auschwitz-Prozess vor 60 Jahren

Von Eva Krafczyk, dpa

Frankfurt/Main (dpa) – Dass er vor dem Prozess seines Lebens stehen würde, das ahnte der junge Staatsanwalt Gerhard Wiese nicht, als ihm der Leiter der Frankfurter Staatsanwaltschaft im Spätsommer 1962 mitteilte, dass er das sogenannte Auschwitz-Team verstärken sollte: Jenes Juristenteam, das den Frankfurter Auschwitz-Prozess vorbereitete, der im Dezember 1963 begann.

Doch bereits am 16. April 1963 war mit der Einreichung der 700 Seiten langen Anklageschrift gegen 23 frühere SS-Angehörige und einen Funktionshäftling der erste Schritt für den historischen Prozess getan.

Denn der erste Frankfurter Auschwitzprozess war der größte Strafprozess der Nachkriegszeit in Deutschland und ein wichtiger Schritt der Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen in der noch jungen Bundesrepublik. Die Akten sind heute im Hessischen Staatsarchiv gelagert, 2017 wurden sie ins Weltdokumentenerbe der UN-Kulturorganisation Unesco aufgenommen.

Selbst ehemals verfolgter Jude während der Nazizeit

«Die Vorgabe von Fritz Bauer war, dass er eine Anklage quer durch das Lager haben wollte, vom Kommandanten bis zum Häftlingskapo», erzählt Wiese, der inzwischen 94 Jahre alt ist. Fritz Bauer war der damalige hessische Generalstaatsanwalt, der die Auschwitz-Prozesse erst zustande gebracht hat – und selbst ehemals verfolgter Jude während der Nazizeit war. Er sei «der Mann im Hintergrund» gewesen, so Wiese. Es habe natürlich Besprechungen und Gespräche über den Prozess gegeben. Im Verfahren selbst sei Bauer aber nicht aufgetreten. Und noch etwas sei dem Ankläger wichtig gewesen: «Er hat dafür gesorgt, dass junge Staatsanwälte das machen und keine Staatsanwälte, die vor 1945 schon im Amt waren.»

Wiese ist trotz seines vorgerückten Alters aufgeschlossen für moderne Technik – vor ihm liegt ein Tablet, auf dem Schreibtisch steht ein Laptop. Solche Möglichkeiten hätte er vor 60 Jahren auch gerne gehabt, schmunzelt Wiese. Doch damals hätten die Staatsanwälte ihre etwa 60 Aktenbände und die Hefte mit den Vernehmungen, Dokumenten und Aussagen zu jedem der Beschuldigten bearbeitet und die Anklage diktiert. «Unsere Schreibdamen haben das dann mit mechanischen Schreibmaschinen übertragen, zum großen Teil auf Papier, das zog sich ziemlich hin», erinnert sich Wiese an die Prozessvorbereitung. «Die Anklageschrift, letztlich 700 Seiten, haben wir in einem Rundgang um einen großen Tisch Packen für Packen zusammengesetzt.»

Folter, Brutalität und schwere Misshandlungen

Damals sei ihm nicht bewusst gewesen, dass er an einem historischen Verfahren beteiligt war, so Wiese, der die Anklage gegen «die beiden schlimmsten SS-Männer» Oswald Kaduk und Wilhelm Boger führte. Folter, Brutalität und schwere Misshandlungen von Häftlingen wurden den beiden unter anderem vorgeworfen.

«Ich habe auch nicht geahnt, dass ich bis zum heutigen Tage damit befasst bin. Das war so für mich nicht voraussehbar», sagt Wiese. Im Laufe des Verfahrens habe er dann begriffen, welche Dimension das Verfahren auch für die deutsche Gesellschaft bekam. «Doch, das war schon der Prozess meines Lebens.»

Über Auschwitz-Birkenau, das größte der deutschen Konzentrations- und Vernichtungslager, habe er vor seiner Mitarbeit im Prozessteam wenig gewusst. «Ich wusste natürlich, das war ein Lager – aber ich kannte wenig Einzelheiten.» Seine Kollegen, die das Verfahren schon seit 1958 bearbeitet hatten, hätten das frühere Lager während der Ermittlungen besichtigt. Wiese bekam nach eigenen Angaben während der Arbeit an der Anklageschrift «ein ungefähres Bild von dem, was da in Auschwitz und in Birkenau vor sich gegangen war.»

Mindestens 1,1 Millionen meist jüdische Häftlinge wurden in Auschwitz ermordet, starben an den Folgen von Zwangsarbeit, Hunger, Krankheiten, Misshandlungen oder den unmenschlichen Lebensbedingungen des Lagers. Bis heute ist «Auschwitz» für viele ein Synonym für den Holocaust. In Israel wird die heutige Gedenkstätte als größter jüdischer Friedhof der Welt bezeichnet – ein Friedhof ohne Gräber.

Die Angeklagten habe Wiese als eine «Ansammlung bürgerlicher Mitbürger» erlebt. «Dass sie in Auschwitz waren, konnte keiner bestreiten.» Schuld hätten sie allerdings von sich gewiesen. Vor allem manche Zeugenaussage habe die Hölle von Auschwitz verdeutlicht – nicht nur den Prozessbeteiligten, sondern auch den Besuchern des Verfahrens, darunter viele Schulklassen. Oft sei der Zuschauerraum bis zum letzten Platz gefüllt gewesen.

Als Zeitzeuge ist er aber nach wie vor gefragt

In einer Zeit, in der viele Menschen einen Schlussstrich unter die Vergangenheit ziehen wollten, kamen nun die Verbrechen von Auschwitz zur Sprache. Für sechs der Angeklagten gab es bei der Urteilsverkündung lebenslange Freiheitsstrafen, drei Angeklagte wurden freigesprochen. Um wegen Mordes verurteilt zu werden, musste die Anklage persönliche Beteiligung an Morden nachweisen. Das bestritten die Angeklagten in dem Verfahren wiederholt – oder sie gaben an, nur Befehle befolgt zu haben.

Wiese bedauert noch heute, dass sich das Gericht im Auschwitz-Prozess – und auch lange in späteren Verfahren – nicht der Ansicht der Staatsanwaltschaft angeschlossen habe, «dass jeder, der da (in Auschwitz) war, wenigstens Beihilfe geleistet hat.» Das habe sich erst in den vergangenen Jahren geändert. «Aber da war so viel Zeit ins Land gegangen, dass die Angeklagten alle über 90 waren. Und da konnte nicht mehr viel mehr rauskommen. Wenn das früher gekommen wäre, hätte es noch viele Einzelverfahren gegeben», betont Wiese.

Der frühere Ankläger ist zwar schon seit Jahrzehnten im Ruhestand, als Zeitzeuge ist er aber nach wie vor gefragt, spricht vor Schülern über den Prozess seines Lebens und die juristische Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen.

Nachdenklich schüttelt er den Kopf, als die Rede auf den aktuellen Rechtsextremismus und rechten Terror wie in Hanau oder Halle kommt, den Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. «Ich sehe das mit großem Bedauern,» sagt Wiese. Den Prozess gegen den zu lebenslanger Haft verurteilten Lübcke-Mörder habe er mitverfolgt, auch wenn der mittlerweile auf einen Rollator angewiesene Jurist nicht selbst im Gericht war: «Ich habe eine gute Bekannte, die diese Prozesstage mitverfolgt hat und mir dann authentisch aus dem Gerichtssaal berichtet hat.»

Streikende Fahrer wollen für Arbeit Geld sehen

Von Eva Krafczyk, dpa

Gräfenhausen (dpa) – Die Hose des jungen Georgiers Tornike ist fadenscheinig und gerissen, aber das ist nicht dem modischen «shredded look» geschuldet. Der Job als Fernfahrer, für den er vor knapp vier Monaten seine Arbeit in einem Metallbetrieb aufgab, erwies sich bisher als Verlustgeschäft. «Ich habe bisher 50 Euro ausgezahlt bekommen», erzählt der schmale junge Mann mit dem dunklen Bart, dessen Lächeln ein wenig schüchtern wirkt, der Deutschen Presse-Agentur. Wovon er denn in der Zeit gelebt habe? «Meine Familie hat mir Geld geschickt, um auszuhelfen.»

Seit fast drei Wochen harren auf der Raststätte Gräfenhausen in Südhessen an der A5 mittlerweile fast 60 Lastwagenfahrer vor allem aus Georgien und Usbekistan aus, die von ihrem polnischen Auftraggeber ausstehenden Lohn fordern. Unterstützt werden sie nicht nur von deutschen und niederländischen Gewerkschaftern sowie Beratern des Netzwerks «Faire Mobilität». Der georgische und der usbekische Konsul waren schon mehrmals vor Ort, seit einigen Tagen sind auch zwei Vertreter des georgischen Gewerkschaftsverbandes da.

Solidaritätsvideo aus Südkorea

Der Fahrerstreik an der Autobahnraststätte hat eine internationale Dimension bekommen – nicht nur wegen des Solidaritätsvideos südkoreanischer Lastwagenfahrer, das über soziale Medien verbreitet wurde. «In Tbilisi (Tiflis) fand eine Kundgebung vor dem polnischen Generalkonsulat statt, an der auch Familien der Fahrer teilnahmen», sagt Raisa Liparteliani, die Vizepräsidentin des Georgischen Gewerkschaftsverbands. «Wir haben auch einen Livestream hierher organisiert von dem Protest.»

Zusammen mit dem niederländischen Gewerkschafter Edwin Atema verhandelt Liparteliani im Auftrag der Fahrer mit dem polnischen Spediteur. Sie habe auch versucht, mit polnischen Gewerkschaften Kontakt aufzunehmen. «Aber bis jetzt haben wir noch keine Antwort bekommen.» Für sie als Georgierin, die die Zukunft ihres Landes in Europa sehe, sei der Umgang mit den georgischen Fahrern enttäuschend. «Ich hoffe, diese Praxis hat keine Zukunft.»

Der Anwalt des polnischen Speditionsunternehmens hat unterdessen bei der Staatsanwaltschaft Darmstadt Anzeige erstattet. In der Anzeige gehe es um die mutmaßliche Unterschlagung von 39 Lastwagen, teilte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft am Donnerstag mit. Eine Anzeige wegen unterbliebener Lohnzahlungen sei hingegen bisher nicht bekannt.

Bis jetzt haben die Fahrer weder Geld erhalten, noch hat der Arbeitgeber Dokumente vorgelegt, die Lohnabzüge untermauern können, die bislang völlig intransparent sind, sagt Anna Weirich, Beraterin von «Faire Mobilität». Sie verweist auf ein Gesetz mit dem sperrigen Namen Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz. Dieses weist den Unternehmen die Verantwortung für ihre gesamte Lieferkette zu – auch wenn diese dank zahlreicher Subunternehmen häufig sehr intransparent sei, so auch in diesem Fall. «Die Kunden sind multinationale, große Unternehmen», sagt Weirich, die auch diese Unternehmen in der Verantwortung für die Bezahlung der Fahrer sieht.

Die Fahrer in Gräfenhausen bekommen dank ihres Streiks gerade viel Aufmerksamkeit, doch ein Einzelfall sind sie nicht, betont Weirich. «Das ist grundsätzlich ein Problem der gesamten Branche. Egal, auf welchen Parkplatz sie fahren – die Fahrer der Lastwagen mit polnischen, litauischen oder rumänischen Kennzeichen erhalten den Mindestlohn dieser Länder.»

Und dieser Mindestlohn liegt deutlich unter dem deutschen Mindestlohn. Bereits Ende 2020 war Polen vor dem Europäischen Gerichtshof mit einer Klage gegen die Entsenderichtlinie gescheitert, deren Grundsatz «Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am selben Ort» lautet.

Doch die Realität sieht nicht nur in Gräfenhausen anders aus. «Keiner dieser Fahrer arbeitete je in Polen», betont Weirich. «Die werden mit Minibussen von der Basis in Polen hierher gebracht und fahren monatelang im Westen.» Dabei leben sie quasi durchgehend in ihren Fahrzeugen, viele der Fahrer haben ihre Familien seit Monaten nicht gesehen.

Polnischer Unternehmer reagiert nicht

Seinen Job als Fernfahrer hat sich Tornike jedenfalls anders vorgestellt: Arbeit in Westeuropa, gutes Geld verdienen, auf dem heimischen Dorf am Fuß des Kaukasus ein Haus bauen, ein gutes Leben haben, eine Familie gründen. Das sind ähnliche Träume, wie sie die meisten Fahrer auf der Raststätte schildern. Die Gespräche mit dem polnischen Speditionsunternehmer hatten sie so verstanden, dass er sich um Arbeitspapiere für Deutschland, Österreich, Italien oder andere Länder im Westen kümmern würde.

Auf Anfragen zu einer Stellungnahme hat der polnische Unternehmer nach wie vor nicht reagiert. Seit er am Karfreitag mit einer Sicherheitsfirma vergeblich versucht hatte, die Lastwagen in Besitz zu nehmen, hat er sich in Gräfenhausen auch nicht mehr blicken lassen. «Mit so einem Kommando zu kommen, das sind Mafia-Methoden. Da hat er sein wahres Gesicht gezeigt», sagt Atema. Die Polizei ermittelt inzwischen wegen des Vorfalls.

Gawron aus Usbekistan steht vor seinem Lastwagen und bemüht sich um eine Hotspot-Verbindung. Zu Hause in Samarkand sind seine Frau und seine Kinder, drei und sechs Jahre alt. «Ich habe sie seit drei Monaten nicht gesehen», sagt er traurig. «Vor allem der Kleine kann das nicht verstehen.» Er fühlt sich getäuscht vom polnischen Unternehmer. «Ich habe hart gearbeitet, ich habe nichts gegen harte Arbeit. Aber dafür will ich auch das Geld, das mir zusteht. Vertrag ist Vertrag!»

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Durchsuchungen bei mutmaßlichen Schleusern: Zwei Festnahmen

Frankfurt/Main (dpa) – Im Kampf gegen Schleuserkriminalität haben Ermittler in vier Bundesländern Wohnungen und Geschäftsräume durchsucht und zwei Menschen festgenommen. Unterlagen, Datenträger und Computer seien sichergestellt worden und würden nun ausgewertet, teilten die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt und die Bundespolizei am Donnerstag mit. Im Zentrum stehe ein Rechtsanwalt aus Frankfurt am Main, der gemeinsam mit weiteren Beschuldigten Scheinfirmen gegründet haben soll, um die Ausländerbehörden zu täuschen. Durchsucht wurde in Hessen, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und dem Saarland.

Menschen unter anderem aus China, Vietnam, dem Iran, dem Irak, dem Sudan und der Türkei sollen mittels angeblicher Beschäftigungsverhältnisse in den Scheinfirmen sowie Scheinwohnsitzen Aufenthaltstitel erhalten haben. In Rheinland-Pfalz und dem Saarland seien dazu mehrere Wohn- und Gewerbeimmobilien angemietet worden, die als Briefkastenanschriften dienten, erklärte die Generalstaatsanwaltschaft. Weiterlesen

Arztmobil betreut streikende Lkw-Fahrern in Südhessen

Weiterstadt/Mainz (dpa) – Das Arztmobil des Mainzer Vereins «Armut und Gesundheit in Deutschland» hat die auf einer südhessischen Autobahn-Raststätte streikenden Lastwagenfahrern medizinisch betreut. Es seien am Mittwoch etwa Fahrer mit Bandscheiben-Problemen, Bluthochdruck oder Zahnerkrankungen gekommen, berichtete der Sozialmediziner Gerhard Trabert, Gründer des Vereins, nach der Aktion auf der Raststätte Gräfenhausen an der Autobahn 5 der Deutschen Presse-Agentur. Dort protestieren seit Tagen osteuropäische und zentralasiatische Lastwagenfahrer, die von ihrem polnischen Auftraggeber ausstehenden Lohn fordern. Unterstützt werden sie vom Beratungsnetzwerk Faire Mobilität und Gewerkschaftern. Weiterlesen

Entenfamilie sorgt für kurzzeitige Sperrung von Autobahn

Rüsselsheim/Mainz (dpa) – Eine Entenfamilie hat am Mittwoch für eine kurzzeitige Sperrung der A67 bei Rüsselsheim gesorgt. Die Enteneltern wollten nach Angaben der Polizei mit ihren vier Küken die Autobahn im Bereich des Übergangs zur A60 in Richtung Mainz überqueren. Besorgte Autofahrer hätten das beobachtet und daraufhin die Ordnungshüter alarmiert. Die Autobahn sei für die Rettungsaktion für etwa 15 Minuten gesperrt gewesen.

Junger Feuerwehrmann räumt Brandstiftungen ein

Kassel (dpa) – Ein junger Feuerwehrmann aus Nordhessen hat vor Gericht eingeräumt, selbst drei Brände gelegt zu haben, um später beim Löschen zu helfen. Er habe damit seiner neuen Feuerwehr-Gruppe seine Teamfähigkeit beweisen wollen, sagte der 19-Jährige am Mittwoch vor dem Amtsgericht Kassel. Da er die Taten als Heranwachsender begangen hatte, wurde der Fall vor dem Jugendschöffengericht verhandelt. Weiterlesen

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