Rosneft vs. Bundesrepublik: Ein heikler Präzedenzfall

Von Wolf von Dewitz und Verena Schmitt-Roschmann, dpa

Leipzig (dpa) – Die Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine vor einem Jahr haben den Energiemarkt in Deutschland kräftig durchgeschüttelt. Die Bundesregierung hatte es plötzlich eilig, die milliardenschweren Ölimporte aus Russland zu kappen. Dafür griff der Bund in drastischer Weise in den Markt ein. War das rechtens? Das Bundesverwaltungsgericht verhandelt darüber in Leipzig (Aktenzeichen: BVerwG 8 A 2.22).

Worum geht es in dem Verfahren?

Das staatliche russische Unternehmen Rosneft – der Mutterkonzern in Moskau und ein Ableger in Luxemburg – klagt dagegen, dass der Bund im September 2022 die Kontrolle über die beiden deutschen Tochterfirmen Rosneft Deutschland GmbH und RN Refining & Marketing GmbH übernahm. Die Kläger halten das für rechtswidrig.

Konkret stellte die Bundesregierung die Rosneft-Töchter unter Treuhandverwaltung der Bundesnetzagentur. Diese berief eine neue Geschäftsführung. Rosneft ist rechtlich weiter Eigentümer der deutschen Töchter, kann aber nicht mehr mitbestimmen. Sollten die Töchter Gewinn machen, bleibt dieser als Rücklage bei ihnen in Deutschland. Der Bund verdient nicht mit, Russland aber auch nicht. Ein Sprecher der Bundesnetzagentur sagt es so: «Unter der Treuhand ist sichergestellt, dass keine Zahlungen der Unternehmen nach Russland erfolgen, es sei denn, dies ist durch den Treuhänder in Einzelfällen autorisiert.»

Warum übernahm der Bund die Kontrolle?

Im Zuge von EU-Sanktionen sagte Deutschland zu, ab 2023 ganz auf russisches Rohöl zu verzichten. Die Rosneft-Töchter importierten und verarbeiteten aber zum Großteil russisches Öl. Zugleich hatten sie einen erheblichen Marktanteil: Sie hielten nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums über Beteiligungen an drei Raffinerien zwölf Prozent der Kapazität zur Erdölverarbeitung in Deutschland.

Zentral war die Mehrheitsbeteiligung von 54 Prozent an der PCK-Raffinerie im brandenburgischen Schwedt, die Nordostdeutschland mit Benzin, Diesel und anderen Produkten versorgt. Sie hing am russischen Rohöl aus der Druschba-Leitung. Rosneft hatte nach Worten von Wirtschaftsminister Robert Habeck kein Interesse, das zu stoppen.

Wie begründet der Bund die Treuhandlösung?

Rechtlich argumentierte das Ministerium im Bundesanzeiger so: Wegen Unsicherheiten bei den Folgen der EU-Sanktionen hätten Vertragspartner die Zusammenarbeit mit Rosneft eingeschränkt. Mitarbeiter seien dabei abzuwandern. Damit sei der Betrieb kritischer Infrastruktur in Gefahr.

Im Falle PCK kam laut Ministerium hinzu: Um die Raffinerie ohne russisches Öl wirtschaftlich weiter zu betreiben, brauche sie Lieferungen von Tankeröl über den Hafen Danzig. Dies sei nach polnischen Angaben erst denkbar, wenn russische Gesellschafter nicht mehr beteiligt seien, hieß es im Bundesanzeiger weiter.

Wie begründet Rosneft die Klage?

Die Kläger führen drei wesentliche Gründe an: Es habe vor der Treuhandlösung keine Anhörung gegeben, die gesetzlichen Voraussetzungen für eine solche Treuhandverwaltung seien nicht gegeben und es fehle eine Rechtsgrundlage für ein Embargo leitungsgebundenen russischen Rohöls seit dem 1. Januar 2023. Gemeint sind die Lieferungen über die Druschba-Leitung. Diese sind nicht vom EU-Ölembargo gegen Russland erfasst, sondern nur Tankeröl. Deutschland verzichtete per EU-Protokollnotiz zusätzlich auf das Pipeline-Öl.

Wieso durfte der Bund da eigentlich zugreifen?

Die Ampel-Koalition hatte 2022 das Energiesicherungsgesetz entsprechend geändert. Paragraf 17 sieht die Option einer Treuhandverwaltung für Betreiber von kritischer Infrastruktur im Energiesektor vor. Sie greift, «wenn die konkrete Gefahr besteht, dass ohne eine Treuhandverwaltung das Unternehmen seine dem Funktionieren des Gemeinwesens im Sektor Energie dienenden Aufgaben nicht erfüllen wird, und eine Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit droht».

Warum ist das Verfahren in Leipzig wichtig?

Mit der rechtlichen Konstruktion der staatlichen Treuhandverwaltung einer privatwirtschaftlichen Firma mit ausländischem Eigentümer betrat der Bund juristisches Neuland. Zuerst wurde Gazprom Germania unter die Treuhandverwaltung der Bundesnetzagentur gestellt, dann die Rosneft-Töchter. Möglich ist, dass das Bundesverwaltungsgericht die Treuhandverwaltung aufhebt – dann wären die deutschen Tochterfirmen wieder unter russischer Kontrolle. Für den Bund wäre das eine herbe Niederlage. Sollte Rosneft vor Gericht scheitern, wäre das eine Bestätigung für Berlin.

Wie könnte es weiter gehen mit Rosneft?

Die Treuhandverwaltung wurde zunächst auf sechs Monate befristet, also bis zum 15. März. Sie dürfte verlängert werden – wenn der Bund in Leipzig gewinnt. Habeck hat zudem Pläne, die Optionen zum Verkauf von Energieunternehmen in Treuhandverwaltung wie im Fall Rosneft zu erweitern. Derzeit ist dies nur zulässig, wenn es zum Werterhalt des Unternehmens erforderlich ist. Künftig soll ein Verkauf auch «zur Sicherung des Funktionierens des Gemeinwesens im Sektor Energie und zur Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit» erlaubt sein. Das könnte auf die Pläne des Bundes für die Rosneft-Töchter hindeuten.

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Rosneft vs. Bundesrepublik: Ein heikler Präzedenzfall

Von Wolf von Dewitz und Verena Schmitt-Roschmann, dpa

Leipzig (dpa) – Die Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine vor einem Jahr haben den Energiemarkt in Deutschland kräftig durchgeschüttelt. Die Bundesregierung hatte es plötzlich eilig, die milliardenschweren Ölimporte aus Russland zu kappen. Dafür griff der Bund in drastischer Weise in den Markt ein. War das rechtens? An diesem Mittwoch verhandelt darüber das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig (Aktenzeichen: BVerwG 8 A 2.22).

Worum geht es in dem Verfahren?

Das staatliche russische Unternehmen Rosneft – der Mutterkonzern in Moskau und ein Ableger in Luxemburg – klagt dagegen, dass der Bund im September 2022 die Kontrolle über die beiden deutschen Tochterfirmen Rosneft Deutschland GmbH und RN Refining & Marketing GmbH übernahm. Die Kläger halten das für rechtswidrig.

Konkret stellte die Bundesregierung die Rosneft-Töchter unter Treuhandverwaltung der Bundesnetzagentur. Diese berief eine neue Geschäftsführung. Rosneft ist rechtlich weiter Eigentümer der deutschen Töchter, kann aber nicht mehr mitbestimmen. Sollten die Töchter Gewinn machen, bleibt dieser als Rücklage bei ihnen in Deutschland.

Der Bund verdient nicht mit, Russland aber auch nicht. Ein Sprecher der Bundesnetzagentur sagt es so: «Unter der Treuhand ist sichergestellt, dass keine Zahlungen der Unternehmen nach Russland erfolgen, es sei denn, dies ist durch den Treuhänder in Einzelfällen autorisiert.»

Warum übernahm der Bund die Kontrolle?

Im Zuge von EU-Sanktionen sagte Deutschland zu, ab 2023 ganz auf russisches Rohöl zu verzichten. Die Rosneft-Töchter importierten und verarbeiteten aber zum Großteil russisches Öl. Zugleich hatten sie einen erheblichen Marktanteil: Sie hielten nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums über Beteiligungen an drei Raffinerien zwölf Prozent der Kapazität zur Erdölverarbeitung in Deutschland.

Zentral war die Mehrheitsbeteiligung von 54 Prozent an der PCK-Raffinerie im brandenburgischen Schwedt, die Nordostdeutschland mit Benzin, Diesel und anderen Produkten versorgt. Sie hing am russischen Rohöl aus der Druschba-Leitung. Rosneft hatte nach Worten von Wirtschaftsminister Robert Habeck kein Interesse, das zu stoppen.

Wie begründet der Bund die Treuhandlösung?

Rechtlich argumentierte das Ministerium im Bundesanzeiger so: Wegen Unsicherheiten bei den Folgen der EU-Sanktionen hätten Vertragspartner die Zusammenarbeit mit Rosneft eingeschränkt. Mitarbeiter seien dabei abzuwandern. Damit sei der Betrieb kritischer Infrastruktur in Gefahr.

Im Falle PCK kam laut Ministerium hinzu: Um die Raffinerie ohne russisches Öl wirtschaftlich weiter zu betreiben, brauche sie Lieferungen von Tankeröl über den Hafen Danzig. Dies sei nach polnischen Angaben erst denkbar, wenn russische Gesellschafter nicht mehr beteiligt seien, hieß es im Bundesanzeiger weiter.

Wie begründet Rosneft die Klage?

Die Kläger führen drei wesentliche Gründe an: Es habe vor der Treuhandlösung keine Anhörung gegeben, die gesetzlichen Voraussetzungen für eine solche Treuhandverwaltung seien nicht gegeben und es fehle eine Rechtsgrundlage für ein Embargo leitungsgebundenen russischen Rohöls seit dem 1. Januar 2023.

Gemeint sind die Lieferungen über die Druschba-Leitung. Diese sind nicht vom EU-Ölembargo gegen Russland erfasst, sondern nur Tankeröl. Deutschland verzichtete per EU-Protokollnotiz zusätzlich auf das Pipeline-Öl.

Wieso durfte der Bund da eigentlich zugreifen?

Die Ampel-Koalition hatte 2022 das Energiesicherungsgesetz entsprechend geändert. Paragraf 17 sieht die Option einer Treuhandverwaltung für Betreiber von kritischer Infrastruktur im Energiesektor vor. Sie greift, «wenn die konkrete Gefahr besteht, dass ohne eine Treuhandverwaltung das Unternehmen seine dem Funktionieren des Gemeinwesens im Sektor Energie dienenden Aufgaben nicht erfüllen wird, und eine Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit droht».

Warum ist das Verfahren in Leipzig wichtig?

Mit der rechtlichen Konstruktion der staatlichen Treuhandverwaltung einer privatwirtschaftlichen Firma mit ausländischem Eigentümer betrat der Bund juristisches Neuland. Zuerst wurde Gazprom Germania unter die Treuhandverwaltung der Bundesnetzagentur gestellt, dann die Rosneft-Töchter.

Möglich ist, dass das Bundesverwaltungsgericht die Treuhandverwaltung aufhebt – dann wären die deutschen Tochterfirmen wieder unter russischer Kontrolle. Für den Bund wäre das eine herbe Niederlage. Sollte Rosneft vor Gericht scheitern, wäre das eine Bestätigung für Berlin.

Wie könnte es weiter gehen mit Rosneft?

Die Treuhandverwaltung wurde zunächst auf sechs Monate befristet, also bis zum 15. März. Sie dürfte verlängert werden – wenn der Bund in Leipzig gewinnt. Habeck hat zudem Pläne, die Optionen zum Verkauf von Energieunternehmen in Treuhandverwaltung wie im Fall Rosneft zu erweitern. Derzeit ist dies nur zulässig, wenn es zum Werterhalt des Unternehmens erforderlich ist.

Künftig soll ein Verkauf auch «zur Sicherung des Funktionierens des Gemeinwesens im Sektor Energie und zur Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit» erlaubt sein. Das könnte auf die Pläne des Bundes für die Rosneft-Töchter hindeuten.

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Bund: Ölversorgung auch nach Embargo gesichert

Potsdam (dpa) – Die Treibstoffversorgung an Tankstellen in großen Teilen Ostdeutschlands ist aus Sicht der Bundesregierung trotz des Öl-Embargos für die PCK-Raffinerie in Schwedt ab Januar gesichert. «Wir haben Versorgungssicherheit in der Region gegeben», sagte der Parlamentarische Wirtschaftsstaatssekretär Michael Kellner (Grüne) heute in Potsdam.

Er verwies auf zugesagte alternative Öllieferungen für Schwedt aus Polen. «Wir werden weiter daran arbeiten, die Zahlen nach oben zu bringen. Auch da gibt es positive Signale.» Zudem soll Öl aus Kasachstan kommen – wie viel, ist zunächst offen. Nicht vorgesehen sei, strategische Ölreserven freizugeben.

Das Öl-Embargo für Pipelines soll wie geplant zum 1. Januar kommen, sagte der Staatssekretär. «Im Januar erwarte ich erste Lieferungen aus Polen nach Schwedt.» Von keinem Anteilseigner der beiden ostdeutschen Raffinerien Schwedt und Leuna werde ab 1. Januar mehr russisches Rohöl bestellt. Kellner geht nicht von Preissprüngen für Treibstoff infolge der alternativen Lieferungen aus. «Mit der Aufstellung, die wir gefunden haben, bin ich nicht besorgt, dass wir jetzt riesige Preisausschläge sehen», sagte der Staatssekretär. Er gehe aber davon aus, «dass wir eine Veränderung sehen werden».

Deutschland und Polen hatten im Mai in einer Protokollerklärung freiwillig auf Öl aus Pipelines verzichtet – ab 1. Januar 2023 soll wegen des Ukraine-Kriegs kein russisches Öl mehr fließen. Davon sind die PCK-Raffinerie in Schwedt in Brandenburg und die Raffinerie in Leuna in Sachsen-Anhalt betroffen. PCK wird seit Jahrzehnten über die Druschba-Pipeline mit russischem Öl beliefert. Die Raffinerie versorgt große Teile des Nordostens mit Treibstoff.

Öl-Embargo hat keinen Einfluss auf Beschäftigung

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sieht auch Sicherheit für die Mitarbeiter der Raffinerie in Schwedt. «Die Beschäftigung am Standort wird auch über den Jahreswechsel hinaus gesichert sein», sagte Woidke nach der Sitzung der Task Fore (Arbeitsgruppe) zur PCK-Raffinerie. PCK-Chef Ralf Schairer habe in einer Videoschalte gesagt, jeder Mann und jede Frau würden gebraucht. Der Bund hatte eine solche Garantie gegeben – unabhängig davon, ob ein Beschäftigter auch in der Raffinerie Arbeit hat.

Die Bürgermeisterin von Schwedt/Oder, Annekathrin Hoppe (SPD), zeigte sich zuversichtlich. «Es ist heute ein sehr hoffnungsvoller Tag für Schwedt», sagte Hoppe. Es gebe die Sicherheit, dass die Arbeitsplätze bei PCK erhalten blieben, ab Januar die Raffinerie weiterlaufe und die Versorgung der Region gesichert bleibe. Kellner überreichte einen Bescheid über Fördermittel in Höhe von 6,25 Millionen Euro für die Gründung eines Start-up-Labors in Schwedt. Dazu kam ein Bescheid von Regierungschef Woidke für Hoppe in Höhe von 5 Millionen Euro.

Polen hatte nach Angaben der Bundesregierung zugesagt, ab Januar ausreichende Ölmengen für PCK zu liefern, die der Raffinerie eine komfortable Auslastung von rund 70 Prozent ermöglichten. Zugleich verhandelten die Anteilseigner der Raffinerie über eigene Verträge mit Kasachstan, die weitere Mengen ab Januar ermöglichen.

Region bekommt kräftige Finanzspritze vom Bund

Bund und Länder haben vereinbart, insgesamt rund 1,3 Milliarden Euro in die Sicherung und umweltfreundliche Umstellung der ostdeutschen Raffinerien zu investieren – wie viel genau auf Schwedt entfällt, ist noch unklar. Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider (SPD), sagte, neben der Lausitz gebe es keine weitere Region in Deutschland, die so viele öffentliche Mittel in diesem Jahr zur Stärkung der Wirtschaftskraft zugesagt bekommen habe.

Bis zu 55 Prozent des Ölbedarfs der Raffinerie sollen über Tanker nach Rostock und von dort über eine bestehende Pipeline nach Schwedt gebracht werden. «Für Januar kommen sechs Schiffe in Rostock an», sagte Kellner. Mehr schafft die Leitung derzeit nicht. Der Ostbeauftragte Schneider sagte: «Wir werden die Frage des Pipelinebaus – Ertüchtigung oder Neubau – sehr zügig entscheiden.»

Halle soll Standort für Zukunftszentrum werden

Halle (dpa) – Halle an der Saale soll Standort für das geplante Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation werden. Das schlägt eine Auswahlkommission vor, wie die Deutsche Presse-Agentur am Dienstagabend erfuhr. Fünf Bewerbungen waren im Rennen. Neben Halle waren das Frankfurt (Oder), Eisenach, Jena sowie das Duo Leipzig und Plauen.

Die Vorsitzende der Auswahljury, die SPD-Bundestagsabgeordnete Katrin Budde, teilte am Abend offiziell mit: «Die Jury hat mehrheitlich entschieden, Halle/Saale als Standort für das “Zukunftszentrum Deutsche Einheit und Europäische Transformation” vorzuschlagen.»

Die Entscheidung für Halle löste in Sachsen-Anhalt große Freude aus. «Halle ist ein idealer Ort für dieses Zentrum. Das wissenschaftliche und kulturelle Umfeld der Stadt genügt höchsten Ansprüchen», erklärte Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) in einem Tweet. Weiterlesen

Ostbeauftragter: Windkraftausbau Vorteil für Ostdeutschland

Berlin (dpa) – Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider, rechnet mit Wettbewerbsvorteilen für Ostdeutschland aufgrund des Ausbaus der Windkraft. «Die Unternehmen sitzen in Zukunft dort, wo der Strom produziert wird. Grüner Strom kann damit zu einem großen Standortvorteil für den Osten werden», sagte der SPD-Politiker der Bild am Sonntag (BamS). «Anders als in Bayern haben wir den Ausbau der erneuerbaren Energien nicht verschlafen.» Die «wirtschaftliche Landkarte Deutschlands» werde deshalb gerade neu gezeichnet. Weiterlesen

Neuer Rückzugsort für Reichsbürger? Unruhe in der Uckermark

Von Monika Wendel, dpa

Lychen (dpa) – Hauptstädter haben die dünn besiedelte Uckermark längst als Naturidyll entdeckt, brandenburgische Wälder und Seen zum Runterkommen. Das Flößerstädtchen Lychen, das noch ein wenig im Winterschlaf liegt, gilt im Sommer als Eldorado für Paddler. Auch das kleine Straßendorf Rutenberg, das zu Lychen gehört, heißt Touristen und stressgeplagte Berliner in Wochenendhäuschen willkommen. Doch jetzt könnte dort ein Rückzugsort für Reichsbürger entstehen.

Die Unruhe ist groß, seit bekannt wurde, dass sich die Organisation, die sich «Königreich Deutschland» nennt, womöglich auch in Brandenburg ansiedeln will. Zuletzt kaufte die Gruppierung, die die geltende Rechts- und Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland ablehnt, zwei Schlösser in Sachsen.

Bürger wehren sich gegen «völkische Landnahme»

Der brandenburgische Verfassungsschutz warnt vor Gefahren für die innere Sicherheit und befürchtet, dass Anhänger um den selbst ernannten Monarchen «Peter I.» auch in Rutenberg Fuß fassen. Die Bürger wollen sich gegen eine «völkische Landnahme», wie es auf Flugblättern hieß, stemmen und schließen sich in einer Bürgerinitiative zusammen. «Es ist unangenehm, wenn man weiß, dass hier Leute sind mit solchem Unsinn im Kopf», sagt Martin Hansen, der neben der mittelalterlichen Kirche in Rutenberg wohnt. «Wir können nur verhindern, dass es immer mehr werden.»

Das «Königreich Deutschland», das 2012 in Wittenberg in Sachsen-Anhalt ausgerufen wurde, wirbt im Internet mit einer «goldenen Zukunft» und eigenem Staatsgebiet. 2022 sei das Königreich stark gewachsen, sagt der Sprecher der Gruppierung, Marco Ginzel, in einem Video. Es sollen autarke «Gemeinwohldörfer» entstehen, was Verfassungsschützer in Sachsen seit einiger Zeit wachsam sein lässt.

Peter Fitzek, Kopf der Gruppe, sagt: «Meine Vision ist, dass wir ein eigenversorgtes Dorf hinbekommen, wo wir eigentlich alles das machen können, was man da draußen nur schwerlich tun kann.» Spielt das brandenburgische Rutenberg an der nordwestlichen Ecke der Uckermark dafür eine wichtige Rolle?

Es geht um mehr als 40 Hektar Land

Fitzek, der sich auch Menschensohn nennt, wurde an den weiten Feldern am Rande des Dorfes entdeckt, wie in einem Video und Beitrag des ARD-Magazins «Kontraste» zu sehen war. Vor allem aber ein Strohmann hielt laut Verfassungsschutz für das «Königreich» Ausschau nach Land und Immobilien. Es geht in Rutenberg vor allem um mehr als 40 Hektar Land, das einer Agrar-Genossenschaft «Am Eichengrund» gehört. Ein Genossenschaftsmitglied betreibt einen landwirtschaftlichen Hof und gilt dem Verfassungsschutz zufolge als Anhänger der Gruppierung. Zudem ist auf einer – wenn auch unfertigen – Internetseite im Zusammenhang mit Rutenberg vom «Staatsbetrieb im KRD» zu lesen.

Der Sprecher des «Königreichs», Ginzel, antwortet auf Fragen schriftlich: «Der Gemeinwohlstaat Königreich Deutschland ist daran interessiert, mit verschiedenen Kooperationspartnern Projekte zur Lebensmittelversorgung zu initiieren, die die verfassungskonforme Lebensmittelproduktion zur Versorgung der Menschen im Königreich Deutschland ermöglichen.» Es handle sich um Bio-Landwirtschaft. Die Ängste der Menschen in Rutenberg halte er für unbegründet, die Organisation stehe aber für Gespräche zur Verfügung.

Experten warnen davor, die Gruppe, die nicht nur im Osten Deutschlands Projekte anstrebt, als Spinner und harmlose Esoteriker abzutun. Der Leipziger Fachreferent für Verschwörungsideologien bei der Amadeu Antonio Stiftung, Benjamin Winkler, spricht von einer «Verschleierungstaktik». Es werde vorgegeben, dass die Gemeinschaft nur Lebensmittel produzieren und alternative Wohnkonzepte ausprobieren wolle.

Klar antisemitische Äußerungen

Das «Königreich Deutschland»» verfolge eine perfide Strategie, sagt auch der brandenburgische Verfassungsschutzchef Jörg Müller der dpa. Fitzek, der sich klar antisemitisch äußere, wolle die Menschen psychisch abhängig machen und lebe davon, Leute auch finanziell auszunehmen.

Die Sicherheitsbehörden sprechen von einer sektenähnlichen Struktur und «pseudo-legitimierten Parallelstrukturen». Sie rechneten dem Milieu der «Reichsbürger und «Selbstverwalter» in Deutschland im Jahr 2022 insgesamt 23.000 Personen zu – das waren 2000 Anhänger mehr als 2021. In Brandenburg sollen es um die 650 sein.

Das verbindende Element in der Szene sei die fundamentale Ablehnung der Legitimität der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtsordnung, heißt es im Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Gerade auch in Krisenzeiten könnten solche Gruppen mehr Menschen anlocken, die etwa auf Sinnsuche seien, glaubt der Experte bei der Amadeu Antonio Stiftung, Winkler. «Man greift psychische Probleme von Menschen auf und bietet ihnen ein vermeintlich besseres Leben an.»

Die Künstlerin und Fotografin Marieken Verheyen, die in dem 180-Einwohner-Ort Rutenberg wohnt, ist über Demokratiefeinde empört. «Das Dorf will das so nicht haben», sagt sie. Alteingesessene leben dort schon länger zusammen mit Zugezogenen. Hofläden mit Bio-Lebensmitteln, Hühner, Schafe, Pferde gehören zum typischen Bild. Bewohner zeigen sich auch besorgt, dass Dutzende Anhänger des «Königreichs» die komplette Dorfgemeinschaft kippen könnten.

Eingreifmöglichkeiten begrenzt

Rainer Dewies, der etwa 2,5 Kilometer entfernt vom Dorfkern einen landwirtschaftlich Betrieb hat und aus dem Rheinland stammt, sagt dagegen: «Ich bin nicht beunruhigt.» Er glaube, dass solche Vorhaben auf Dauer keinen Erfolg haben. «Irgendwann zerstreiten die sich immer.»

Die Behörden in der Uckermark jedenfalls scheinen aufgerüttelt, wenngleich Möglichkeiten, einzugreifen, wahrscheinlich begrenzt sind. «Wir können nicht verhindern, dass ein Reichsbürger ein Gebäude kauft», sagt Verfassungsschützer Müller. Die Ämter versuchen vielmehr über das Bau- und Ordnungsrecht aktiv zu werden.

Bei einem «Runden Tisch» noch im Februar wollen Experten mit Verantwortlichen von der Stadt Lychen und von Ministerien über den weiteren Umgang mit den Reichsbürgern beraten. Landrätin Karina Dörk (CDU) sagt, auch die Schulpflicht für Kinder, die den staatlichen Einrichtungen entzogen werden, solle endlich durchgesetzt werden. «Aber wir müssen unsere Entscheidungen völlig unabhängig davon treffen, wie sympathisch oder unsympathisch, wie nachvollziehbar oder krude ihre Theorien sind. Wir haben nach geltendem Recht zu bewerten und zu entscheiden. Das tun wir.»

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PCK Schwedt bekommt genug Öl für 70 Prozent Auslastung

Schwedt/Oder (dpa) – Nach dem Importstopp für russisches Pipeline-Öl bekommt die PCK-Raffinerie Schwedt nach Angaben aus Regierungskreisen inzwischen genug Ersatz für eine Auslastung von 70 Prozent. Entsprechende Ölmengen kämen per Tanker über Rostock und den polnischen Hafen Danzig in die Anlage in Brandenburg, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus dem Bundeswirtschaftsministerium.

Über zusätzliche Mengen aus Kasachstan seien die Anteilseigner der Raffinerie in Verhandlungen. Eine erste Lieferung von dort sei noch für Februar anvisiert, hieß es.

Deutschland verzichtet seit Jahresbeginn auf russisches Rohöl, das bis dahin über die Druschba-Leitung in die großen ostdeutschen Raffinerien im brandenburgischen Schwedt und in Leuna in Sachsen-Anhalt floss. Die beiden Anlagen brauchen deshalb Ersatz. Leuna hat sich frühzeitig Lieferungen über den Hafen Danzig gesichert. Schwedt wird zum Teil mit Öl über eine Pipeline aus dem Hafen Rostock versorgt und bekommt nun zusätzliche Mengen über Danzig. Weiterlesen

RBB: Die letzten Direktoren der Schlesinger-Leitung gehen

Berlin (dpa) – Der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) hat sich von den letzten verbliebenen Mitgliedern der umstrittenen Geschäftsleitung um die fristlos entlassene Intendantin Patricia Schlesinger getrennt. In einer Mitteilung an die Sendermitarbeiter im betriebseigenen Intranet, die der Deutschen Presse-Agentur vorlag, schrieb der öffentlich-rechtliche ARD-Sender am Freitag, man habe offiziell die Trennung von Hagen Brandstäter als Verwaltungsdirektor und Christoph Augenstein als Produktions- und Betriebsdirektor vollzogen.

Interims-Intendantin Katrin Vernau wurde mit den Worten zitiert: «Das ist eine Zäsur und wird uns beim Neuanfang im RBB helfen.» Gründe und Details der Trennung wurden dort nicht genannt. Auch auf Anfrage gab der Sender keinerlei Stellungnahme ab und verwies auf rechtliche Gründe. Weiterlesen

Lothar Wieler wird Sprecher am Hasso-Plattner-Institut

Potsdam (dpa) – Nach seinem Ausscheiden als Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI) wird Lothar Wieler zum 1. April ans Hasso-Plattner-Institut (HPI) in Potsdam wechseln. Er wird dort Sprecher des neuen Clusters Digital Health, in dem es um die Digitalisierung von Medizin und Gesundheitswesen geht, wie das HPI und die Hasso-Plattner-Stiftung am Dienstag mitteilten. Weiterlesen

Warum die Energiewende lahmt

Von Verena Schmitt-Roschmann und Christopher Hirsch, dpa

Berlin/Lubmin (dpa) – Die Dinger sind gigantisch. 138 Meter hoch, mit freiem Blick übers flache Land. Auf der einen Seite liegen die grünen Felder Richtung Brandenburg, auf der anderen Seite das Häusermosaik der Hauptstadt. «Pyro» nennen die Planer des Ingenieurbüros Teut das Gelände einer alten Feuerwerksfirma in Berlin-Pankow, wo sich ihre beiden Windräder drehen – zwei von insgesamt sechs auf Berliner Boden. Vier Jahre hat es gedauert, bis die Anlagen standen. Und nach Lage der Dinge war das noch ziemlich fix.

Zum 1. Februar greift ein neues Gesetz, das vor allem die Planung von Windkraftanlagen beschleunigen soll. Wieder eins, könnte man sagen – «Deutschland-Tempo» heißt nun das Mantra. Beim Ausbau der Erneuerbaren Energien ist ein Turbo tatsächlich dringend nötig, will man die ambitionierten Ziele für grünen Strom bis 2030 schaffen. Allein die Windkraft an Land soll sich von 58 Gigawatt im Jahr 2022 auf 115 Gigawatt bis 2030 verdoppeln. Das sind noch sieben Jahre.

Als leuchtendes Beispiel gilt der Aufbau der Flüssiggas-Terminals an der Küste seit Beginn des Ukraine-Kriegs. Geht doch, hieß es, als jetzt die ersten LNG-Landepunkte nach nur wenigen Monaten in Betrieb gingen. Jetzt bitte einfach dasselbe bei Wind und Solar. Aber ist das möglich? Was half bei LNG und was steht bei Erneuerbaren im Weg?

Doch, doch, im Grunde macht die Energiewende Spaß

Ingenieur Elias Brunken und Umweltplaner Daniel Deppe haben dazu einiges zu erzählen. Die beiden jungen Planer sind Überzeugungstäter in Sachen Ökostrom. Bei Teut arbeiten sie daran, in Berlin und Brandenburg Windräder ans Netz zu bekommen. Und sie versichern: doch, doch, im Grunde mache das wirklich großen Spaß mit der Energiewende. «Extrem, ich mache das richtig gerne», sagt Deppe. Nur: «Man muss schon Bock haben auf Diskutieren und ein dickes Fell.»

Also, mal angenommen man hat ein großes Grundstück in Brandenburg – oder anderswo, es ist ja nur ein Beispiel – und möchte ein Windrad bauen, was muss man tun? Brunken und Deppe holen tief Luft.

Windkraft geht natürlich sowieso nur im «Eignungsgebiet» beziehungsweise im «Vorranggebiet». Der Bund hat die Länder gerade gesetzlich verpflichtet, dafür schrittweise bis 2032 mindestens zwei Prozent ihrer Fläche auszuweisen. Aber obwohl diese Areale eigens für den Zweck gedacht sind, beginnt bei jedem Windrad die Prüfung neu. Ist der Standort weit genug weg von Wohnhäusern? Groß genug für eine 250 Meter hohe Anlage mit 85 Meter langen Rotorblättern? Alle Eigentums- und Nutzungsrechte geklärt? Dann kann es losgehen mit der Kartierung.

Eiswurf, Schall, Schattenwurf

Dabei werden Biotope, Fledermäuse, Brut- und Zugvögel gezählt, und da die Vögel zu unterschiedlichen Jahreszeiten vorbei schauen, dauert das logischerweise mindestens ein ganzes Jahr. Dann kommen die Gutachten. Standsicherheit, Brandschutz, Eiswurf, Schall, Schattenwurf. Das fließt alles in den Genehmigungsantrag. Derzeit sind das nach Angaben der Planer in der Regel vier Aktenordner und zwölf Daten-CDs, die an 16 verschiedene Stellen gehen – Landkreis, Naturschutzbehörde, Denkmalschutzbehörde und so weiter.

Für die Bearbeitung brauchen die Behörden, wenn alles glatt läuft, etwa ein bis eineinhalb Jahre, so erzählen es Brunken und Deppe. Geht es um mehrere Windräder, ist meist eine Umweltverträglichkeitsprüfung nötig. Ist das der Fall, zieht sich das Verfahren nach Daten der Fachagentur Wind im Schnitt 24 Monate. Die Genehmigung ist für die Planer dann ein großes Ding. In ihrem Besprechungsraum im Keller stehen zur Feier Sektflaschen bereit, jeweils eine mit dem Kürzel der Anlage. Im Moment warten da MÜRIII, NKD1 und NKD2.

Negativrekord: 18 Jahre

Aber damit ist noch nicht Schluss. Nun folgt erstmal die Ausschreibung. Windkraftanbieter bewerben sich um Mengen im Rahmen der Ausbauziele und müssen dabei einen von der Bundesnetzagentur vorgegebenen Preisdeckel einhalten. Es gewinnt der Bewerber mit dem niedrigsten Preis. Ist auch diese Hürde genommen, wird das Windrad bestellt. Lieferzeit ist nach Angaben der Ingenieure im Moment rund 18 Monate, Materialmangel und hohe Stahlpreise schlagen auch hier durch.

Läuft also wirklich alles wie am Schnürchen, sind schon mehr als vier Jahre ins Land gegangen, bevor sich der erste Tieflader mit den Riesenflügeln zum Bauplatz der neuen Windmühle in Gang setzt – auch das natürlich nicht ohne Genehmigung. Voraussetzung ist, dass niemand Einspruch erhebt, niemand klagt, die Behörde nicht überlastet ist und sich das vor Jahren ersonnene Projekt zum Zeitpunkt x noch rechnet. Statistisch dauert der Bau einer Windkraftanlage heute im Schnitt fünf bis sieben Jahre. Der Negativrekord liegt bei 18 Jahren.

Der Kanzler dreht den Gashahn auf

Und bei LNG, dem seit Beginn des Ukraine-Kriegs so begehrten und aus aller Welt importierten Flüssiggas? Als Bundeskanzler Olaf Scholz Mitte Januar symbolisch den Gashahn am Flüssigerdgas-Terminal in Lubmin an der Ostsee aufdrehte, war seit dem ersten Antrag des Unternehmens Deutsche Regas gerade mal ein halbes Jahr vergangen. «Das ist Rekordtempo», sagt Jan Bonhage von der Kanzlei Hengeler Mueller, die das Projekt betreut. Normalerweise hätte man gern auch mit zwei bis fünf Jahren rechnen können.

Zustande kam das neue «Deutschland-Tempo» unter dem Druck der Gaskrise und des Horrorszenarios, dass Millionen Bürger im Winter in eiskalten Wohnungen frieren müssten. Auch hier gab es ein eigenes Beschleunigungsgesetz, das LNGG. Aber was genau befeuerte den Turbo? Bonhage hält fünf Punkte für entscheidend.

Fünf Punkte für den Planungsturbo

Als erstes nennt der Fachanwalt die Festlegung, dass ein überragendes öffentliches Interesse an den Terminals bestehe. «Das darf man nicht unterschätzen», sagt der Fachmann. Das spiele eine wichtige Rolle, wenn eine Behörde so oder anders entscheiden könne und Interessen abzuwägen habe. Das «überragende öffentliche Interesse» steht inzwischen auch im Erneuerbare-Energien-Gesetz, die Auslegung auf Landesebene ist aber nach Angaben der Planer nicht überall eindeutig.

Zweiter Punkt laut Bonhage: verkürzte Fristen etwa bei der öffentlichen Beteiligung. Statt ein Monat Auslegung der Pläne und ein Monat Einwendungsfrist gilt hier jeweils eine Woche. Der dritte Faktor ist für den Fachmann der Verzicht auf eine Umweltverträglichkeitsprüfung. Umwelt- und Naturschutzrecht seien trotzdem einzuhalten, versichert er. Nur falle ein langwieriges zusätzliches Verfahren weg.

Punkt vier: Wenn Gegner des Projekts Widerspruch erheben oder klagen, hat das keine aufschiebende Wirkung. «Also wenn Sie die Genehmigung bekommen, dürfen Sie sofort loslegen», erklärt Bonhage. Fünftens erleichtere das Gesetz den vorzeitigen Beginn von Bauvorbereitung oder eines Testbetriebs.

«Beschlüsse reichen für die Ziele nicht aus»

Dieser Fünf-Punkte-Katalog entspricht ziemlich genau dem, was sich auch Windkraftplaner wünschen. Aber die Realität ist davon ein Stück entfernt. «Die bisher von der Ampel-Koalition beschlossenen Maßnahmen gehen zwar in die richtige Richtung», sagt Simon Müller, Deutschland-Direktor der Denkfabrik Agora Energiewende. «Aber sie reichen selbst in der Summe nicht aus, um die Verfahren in dem Maße zu beschleunigen, wie es für die 2030-Zielerreichung notwendig ist.»

Das zum 1. Februar kommende Beschleunigungsgesetz ist aus Müllers Sicht nur ein kleiner Schritt. Damit würden Planungsverfahren «etwas weniger anfällig gegen Klagen», sagt der Experte. Größere Erwartungen hat er an eine EU-Notverordnung vom Dezember: «Sie sagt im Wesentlichen: Liegt für die Fläche eines Windparks eine strategische Umweltverträglichkeitsprüfung vor, auch mit Blick auf den Artenschutz, dann muss sie nicht mehr zusätzlich für jedes einzelne Windrad wiederholt werden. Das hat Potenzial für eine erhebliche Beschleunigung.»

Außerdem könnte man aus Müllers Sicht, ähnlich wie bei LNG-Terminals, Projekte vorläufig genehmigen und dann bereits mit dem Bau beginnen. Oder Betreiber könnten sogar – wie im Fall des US-Autoherstellers Tesla in Brandenburg – auf eigenes Risiko ohne Genehmigung loslegen. Wird die dann doch nicht erteilt, könnte ein Risikofonds den Ausfall absichern, schlägt Müller vor. Für schnellere Verfahren brauche man zudem mehr Personal und Digitalisierung bei Genehmigungsbehörden.

Umweltschützer haben Bedenken

Vielen Natur- und Umweltschützern ist so viel Beschleunigung nicht geheuer. So fordert etwa die Deutsche Umwelthilfe die Rücknahme des LNG-Gesetzes. Sie kritisiert, dass Bürgerbeteiligung und Klagerechte zu stark beschnitten würden und der Umweltschutz zu kurz komme. LNG- wie auch Windkraftplaner halten dagegen, die immer detaillierteren Vorgaben seien einfach zu langwierig. Bei Windrädern solle nicht der Schutz jedes einzelnen Vogels Ziel sein, sondern der Erhalt der Art.

Unterm Strich geht es, wie fast immer, um eine Konkurrenz der Interessen, oder freundlicher gesagt: um eine Abwägung. Und bei LNG flutschte es auch deshalb, weil es politisch zur obersten Priorität erklärt wurde und das allen Beteiligten klar war. Ein am LNG-Terminal Lubmin Beteiligter – die Deutsche Regas – berichtet, dass sich Verantwortliche wöchentlich in großer Runde getroffen hätten. E-Mails vom Amt kamen plötzlich auch außerhalb der üblichen Bürozeiten.

Windkraftplaner Brunken sieht das genauso: «Der größte Unterschied zum LNG ist der politische und auch gesellschaftliche Wille, das umzusetzen. Der gefühlte Handlungsdruck war an dieser Stelle einfach viel größer.» Absehbar braucht es aus seiner Sicht denselben politischen Eifer bei der Energiewende – sonst bleibe sie Illusion.

«Wenn jetzt alle Rädchen ineinandergreifen, erreichen wir das Ziel», sagt Agora-Fachmann Müller über die anvisierten 115 Gigawatt Windkraft bis 2030. «Aber das erfordert Mut, Konsequenz und umfassende Maßnahmen, die in dieser Form noch fehlen.»

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Faktencheck: Clips im Netz zeigen keine Lieferung an

Berlin/Senftenberg/Guben (dpa) – Kaum hat die Bundesregierung die Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine angekündigt, tauchen in den sozialen Netzwerken Videos auf, die den Transport von Panzern zeigen. Tenor: Hier, schaut – die Lieferung für Kiew ist quasi schon unterwegs. Was es mit den Clips tatsächlich auf sich hat.

Behauptung: Es stehen in Deutschland bereits Züge mit Panzern zum Abtransport in die Ukraine bereit.

Bewertung: Falsch.

Fakten: Ein mit Panzern beladener Zug hält an einem schneebedeckten Gleis. Das Video soll an einem Bahnhof der brandenburgischen Stadt Senftenberg entstanden sein. Im Vergleich der Aufnahmen mit Bildern von Online-Kartendiensten zeigt sich, dass es sich in der Aufnahme tatsächlich um den Bahnhof im Ortsteil Hosena handelt. Auch die Wetterbedingungen passen zur aktuellen Situation dort: Zwischen dem 18. und 23. Januar hat es dort mehrfach geschneit. Das spricht dafür, dass die Aufnahme des Panzer-Transports wirklich aktuell ist. Weiterlesen

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