Schuss bei «Reichsbürger»-Razzia: Diskussion um Waffenrecht

Stuttgart/Berlin (dpa) – Nach einem Schuss auf einen Polizisten bei Durchsuchungen im «Reichsbürger»-Milieu ist die Diskussion um eine Verschärfung des Waffenrechts lauter geworden. «Wir müssen sicherstellen, dass bei Anzeichen für eine Gefährlichkeit der jeweiligen Person Waffenerlaubnisse gar nicht erst erteilt oder rechtzeitig entzogen werden», sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

Auch Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl sprach sich für eine Verschärfung aus. Es sei höchste Zeit, dass das, was man in der Innenministerkonferenz im Dezember besprochen habe, nun endlich umgesetzt werde, sagte der CDU-Politiker in Stuttgart.

Baden-Württemberg hatte sich Ende vergangenen Jahres mit den CDU-geführten Ländern Sachsen-Anhalt und Hessen auf der Innenministerkonferenz dafür eingesetzt, dass Mitglieder verfassungsfeindlicher Vereinigungen unter keinen Umständen mehr an Pistolen und Gewehre kommen.

Staatsanwaltschaft ermittelt: Versuchter Mord

Am Mittwoch hatte es im Zusammenhang mit der «Reichsbürger»-Szene Durchsuchungen in acht Bundesländern und der Schweiz gegeben. Ein Beamter eines Spezialeinsatzkommandos (SEK) wurde dabei in Reutlingen angeschossen und am Arm verletzt. Der Schütze wurde festgenommen und sitzt in Untersuchungshaft. Die Bundesanwaltschaft ermittelt unter anderem wegen des Verdachts des mehrfachen versuchten Mordes.

«Wir haben es nicht mit harmlosen Spinnern zu tun, sondern mit gefährlichen Extremisten, die von gewaltsamen Umsturzfantasien getrieben sind und viele Waffen besitzen», sagte Faeser. Der mutmaßliche «Reichsbürger», der in Reutlingen auf einen Polizisten geschossen haben soll, soll nach bisherigen Erkenntnissen der Ermittler jede Menge Waffen legal besessen haben. Auf seiner Waffenbesitzkarte waren nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur 22 Waffen eingetragen.

Bereits nach der Amoktat in Hamburg mit acht Toten hatte Faeser angekündigt, das Waffenrecht zu verschärfen. Ihr Vorhaben sieht unter anderem ein Verbot von kriegswaffenähnlichen, halbautomatischen Langwaffen für Privatleute vor. Wer eine Erlaubnis zum Besitz einer Waffe beantragt, soll zudem künftig seine psychische Gesundheit nachweisen müssen. Das ist bisher nur für Menschen bis 25 Jahre vorgeschrieben.

Waffenverbot wird unterwandert

Bislang darf nur Waffen besitzen, wer als rechtlich zuverlässig gilt. Das Waffengesetz unterscheidet dabei die sogenannte Regelunzuverlässigkeit und die absolute Unzuverlässigkeit. Bei letzterem darf unter keinen Umständen eine Erlaubnis erteilt werden. Das gilt etwa für Menschen, die in den vergangenen zehn Jahren wegen eines Verbrechens verurteilt wurden.

Für eine aktuelle oder ehemalige Mitgliedschaft in einem verbotenen Verein, einer verfassungswidrigen Partei oder verfassungsfeindlichen Vereinigung wird bislang die Regelunzuverlässigkeit attestiert. Oft legten Extremisten dagegen Widerspruch ein und unterwanderten damit das Waffenverbot, so das Ministerium.

Laut einer am Donnerstag veröffentlichten Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung zeigt sich bei der Gruppe der «Reichsbürger» und deren Sympathisanten ein «deutlich erhöhtes Gewaltpotenzial im Vergleich zum Bevölkerungsdurchschnitt».

Großangelegte Razzien bei «Reichsbürgern»

«Reichsbürger» und «Selbstverwalter» zweifeln die Legitimität der Bundesrepublik an. Sie weigern sich oft, Steuern zu zahlen. Die Durchsuchungen am Mittwoch standen im Zusammenhang mit einer Groß-Razzia Anfang Dezember, die sich unter anderem gegen den Unternehmer Heinrich XIII. Prinz Reuß als mutmaßlichen Rädelsführer gerichtet hatte.

Nach Angaben der Bundesanwaltschaft hat sie im Zuge dieser Ermittlungen neben den bisher 25 Hauptverdächtigen fünf neue Beschuldigte im Visier. Gegen sie bestehe der Verdacht der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, die das politische System in Deutschland stürzen wollte.

Die fünf neuen Beschuldigten kommen aus Bayern, Niedersachsen, Sachsen und der Schweiz. Daneben wurden am Mittwoch die Räumlichkeiten von 14 weiteren Personen durchsucht, die nicht als verdächtig gelten. Unter ihnen sind nach Informationen aus Sicherheitskreisen ein Polizist und ein Angehöriger der Bundeswehr. Weitere Festnahmen gab es laut Bundesanwaltschaft nicht.

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