Patientenmörder als Zeuge im Kreuzverhör

Oldenburg (dpa) – Der 2019 wegen 85-fachen Mordes verurteilte Patientenmörder Niels Högel hat am Mittwoch erneut als Zeuge in einem Prozess gegen frühere Klinik-Vorgesetzte ausgesagt.

Über Stunden wurde der 45-Jährige von der Kammer und den Anwälten zu verschiedensten Themen befragt. Es gab mehrere prozessuale Anträge, die Richter und Kammer zurückwiesen. Teilweise wurden selbst vernehmungstaktische Details in Anwesenheit des Zeugen erörtert, der auch für den nächsten Verhandlungstag am 8. März geladen wird.

Durch intensive Befragung durch die Verteidiger erfuhren Zuschauer und Journalisten am Mittwoch unter anderem die exakte Medikamentierung Högels, der Arzneien gegen zu hohe Blutfettwerte und morgens und abends Antidepressiva nimmt, dass der Zeuge eine Schutzweste trägt und warum er Respekt vor einigen anwesenden Anwälten hat. Breiten Raum nahm der Umgang des in der JVA Oldenburg inhaftierten Deutschen mit einer Medienfirma und einem entsprechenden Vertrag ein.

Högel hatte im Juni 2021 ein Telefoninterview gegeben. Ein entsprechender Medienvertrag dazu wurde am Dienstag in seiner Zelle beschlagnahmt. Die Verteidiger wollen nun klären, ob Högels Angaben zu dem Vertrag und möglichen Geldflüssen korrekt sind. Dies sei wichtig für die Glaubwürdigkeit des Zeugen, argumentierte einer der Anwälte: «Sie sind ursächlich für den Tod von mehr Menschen als hier im Saal sitzen. Die Glaubwürdigkeit des Zeugen bedarf schon genauer Überprüfung»

Der Zeuge war bereits am Dienstag über mehrere Stunden vernommen worden. Dabei schilderte er unter anderem, wie er seine Opfer tötete. Den nun Angeklagten wird in unterschiedlichem Umfang Beihilfe zum Totschlag beziehungsweise versuchten Totschlag jeweils durch Unterlassen vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, trotz Hinweisen nichts unternommen zu haben, um die Verbrechen zu unterbinden.

In der Verhandlung müssen alle Beweise und Vorwürfe neu eingebracht, geprüft, bewertet und möglichst widerlegt oder bestätigt werden. Die Vorwürfe beziehen sich konkret auf drei Morde im Oldenburger Klinikum sowie drei Morde und zwei Mordversuche in Delmenhorst. Für die Angeklagten gilt die Unschuldsvermutung. Die Kammer betonte mehrfach, die Uhren würden auf Null gestellt.

Am Mittwoch ging der Ex-Pfleger auch auf das Arbeitsklima auf der Herzchirurgischen Intensivstation in Oldenburg ein, wo er zahlreiche Menschen tötete. Dort seien die Arbeitsbeziehungen gut und freundlich gewesen. «Ablehnung habe ich nie erlebt», sagte Högel. Anfangs habe er noch alles unternommen, um nicht entdeckt zu werden, sagte er mit Blick auf die Morde. Später habe er das nicht mehr getan.

Högel brachte erst in Oldenburg und dann in Delmenhorst in den Jahren 2000 bis 2005 wehrlose Patienten um, indem er ihnen nicht verordnete Medikamente spritzte. Der Deutsche wurde 2019 zu lebenslanger Haft verurteilt und verbüßt seine Strafe in der JVA Oldenburg. Bei den Angeklagten handelt es sich um drei Ärzte, drei leitende Pflegerinnen und Pfleger und einen Ex-Klinik-Geschäftsführer der Kliniken Oldenburg und Delmenhorst.

Für den Prozess sind bis Ende November insgesamt 42 Verhandlungstage angesetzt. Der 8. März ist der vierte Prozesstag. Gegen einen weiteren Angeklagten, einen Pflegeleiter aus Delmenhorst, wurde das Verfahren aus gesundheitlichen Gründen abgetrennt.

 

 

 

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