Landtag streitet um Tarifbindung bei öffentlichen Aufträgen

Was tun gegen Fachkräftemangel und Tarifflucht von Unternehmen: Darüber hat der Landtag am Donnerstag munter gerungen. Es war der letzte reguläre Sitzungstag vor der Landtagswahl am 8. Mai. 

Kiel (dpa) – Am letzten regulären Sitzungstag vor der Landtagswahl am 8. Mai hat sich Schleswig-Holsteins Parlament eine von Wahlkampf geprägte Debatte über Tarifbindung und Fachkräftemangel geliefert. SPD und SSW forderten am Donnerstag, dass öffentliche Aufträge nur noch an Betriebe mit Tarifvertrag vergeben werden. Widerspruch kam nicht nur von Koalitionsabgeordneten, sondern auch von der AfD. Das sogenannte Tariftreuegesetz hatte die Koalition aus CDU, Grünen und FDP in der zu Ende gehenden Wahlperiode abgeschafft.

Energie, Lebensmittel, Miete, viele Preise gingen derzeit durch die Decke, sagte SPD-Fraktionschefin Serpil Midyatli. «Der beste Schutz vor Armut sind vernünftige Löhne.» Weniger als die Hälfte der Beschäftigen im Land habe in den Betrieben einen Tarifvertrag. «Das ist erschreckend.» Mit Blick auf die Abschaffung des Tariftreuegesetzes sagte sie in Richtung der Koalition: «Sie nennen das Entbürokratisierung, wir nennen das Entsolidarisierung.» Die Politik dürfe nicht die schützen, die Dumpinglöhne zahlten.

Die SPD schlug auch rund ein Dutzend Maßnahmen vor, um mehr Fachkräfte auf den Markt zu bekommen, darunter mehr Frauenförderung im Handwerk und eine gebührenfreie Meisterausbildung. Das Ausbildungswerk müsse Azubis denselben Rückenwind geben wie das Studentenwerk, beispielsweise durch günstige Wohnungen, sagte Midyatli. «Ausbildung hat in Schleswig-Holstein eine schlechte Lobby.»

Unterstützung im Parlament erhielt sie vom SSW. Das Land dürfe keine Aufträge mehr an Unternehmen vergeben, die keine Tariflöhne zahlten, sagte Fraktionschef Lars Harms. «Leute, das geht so nicht.»

Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP) und Vertreter der Koalition wiesen die Forderungen vehement zurück. «Die geringste Tarifbindung gibt es in den Ländern mit den schärfsten Tariftreue- und Vergabegesetzen», sagte Buchholz. Diese hätten keine höhere Tarifbindung der Unternehmen erreicht. Ein solches Gesetz schaffe nur «überbordenden Bürokratismus» für mittelständische Unternehmen. «Das wird nicht stattfinden.»

Grundsätzlich stimme er der SPD aber darin zu, dass kreative Ideen für die Gewinnung von Fachkräften nötig seien. Mehr enthalte deren Antrag aber nicht. Viele Vorschläge würden bereits angegangen. «Der zweite Teil ist die Kategorie unrealistisch: Gebührenfreie Meisterausbildung.» Auch er sei für günstige Wohnungen für Auszubildende. «Aber ich weiß nicht, wie das bezahlbar sein soll.» Den Menschen vor der Wahl das Blaue vom Himmel zu versprechen, helfe nicht.

Der CDU-Wirtschaftspolitiker Lukas Kilian sprach von alten Kamellen. «Was wir heute haben, ist eine reine Wahlkampfshow.» Die SPD lege keinen Gesetzentwurf vor, sondern lediglich Anträge. «Sie unterteilen unseren Mittelstand in Gut und Böse.» Sein Grünen-Kollege Joschka Knuth forderte, das Vergaberecht müsse künftig Anreize für Tarifbindung und Klimaschutz schaffen. Es sei aber zu einfach, dass nicht erfolgreiche Tariftreuegesetz einfach wiedereinzuführen.

Der AfD-Abgeordnete Volker Schnurrbusch sprach von verstaubten Anträgen und warf der SPD «hartnäckige Realitätsverweigerung» vor.

 

 

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