Pannen bei Flucht: Häftling nicht sofort europaweit gesucht

Stuttgart (dpa). Bei den beiden erfolgreichen Fluchtversuchen von Häftlingen während sogenannter Ausführungen soll es nach Angaben von Baden-Württembergs Justizministerin Marion Gentges (CDU) mehrere Pannen gegeben haben. Von den Gefangenen aus den Justizvollzugsanstalten (JVA) Mannheim und Bruchsal fehlt nach wie vor jede Spur. Sie hatten einen Ausflug an einen Baggersee im rheinland-pfälzischen Germersheim sowie einen Arzttermin in Ludwigshafen zur Flucht genutzt.

Vor allem im Fall des seit Ende Oktober flüchtigen Bruchsaler Gefangenen könnte eine ungenaue Absprache zwischen den Behörden auch eine schnelle europaweite Fahndung verhindert haben. Denn nach Angaben von Gentges stellte die Polizeiinspektion Germersheim nach der Flucht zwar eine Fahndung in das polizeiliche Informationssystem Inpol ein, den elektronischen Datenverbund zwischen Bund und Ländern. «Eine Ausschreibung im Schengener Informationssystem wurde zunächst aber nicht initiiert», sagte Gentges am Mittwoch im Stuttgarter Landtag. Das Landeskriminalamt (LKA) Baden-Württemberg habe die vorläufige europaweite Fahndung einen Tag nach der Flucht ausgelöst.

Nach Angaben des Mainzer Innenministeriums wurde das zuständige Polizeipräsidium Pforzheim allerdings noch am Tag der Flucht informiert und um die Ausschreibung einer schengenweiten Fahndung ersucht. Nur die aktenführende Dienststelle könne dies in Auftrag geben, sagte eine Sprecherin der Deutschen Presse-Agentur. Der Schritt sei mit den LKA Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg abgestimmt gewesen. Das zuständige Stuttgarter Innenministerium teilte am Mittwoch mit, das Polizeipräsidium Pforzheim sei am Abend des Fluchttages vom Polizeipräsidium Rheinpfalz informiert worden.

Dem Häftling war es am Mittag des 30. Oktober beim Ausflug an den Baggersee gelungen, den beiden begleitenden JVA-Mitarbeitern zu entkommen und seine elektronische Fußfessel mithilfe eines Werkzeugs zu knacken. Vom Baggersee in Germersheim zur französischen Grenze sind es lediglich etwas mehr als 30 Kilometer.

Nach Angaben von Gentges laufen Disziplinarverfahren gegen die beiden am Baggersee eingesetzten Bediensteten. «Die Bewachung muss ständig und so unmittelbar erfolgen, dass der Gefangene sofort greifbar ist», sagte Gentges bei einer von der SPD einberufenen Debatte im baden-württembergischen Landtag. «Die Flucht in dem konkreten Fall legt nahe, dass die beiden Bediensteten dem nicht entsprochen haben, also ein Individualverschulden vorliegt.

Ebenfalls weiterhin spurlos verschwunden bleibt ein verurteilter Häftling, dem am Donnerstag vergangener Woche die Flucht nach einem Arzttermin in Ludwigshafen gelungen war. Auch bei diesem Fall sind wie es scheint nicht alle Vorschriften eingehalten worden. Neben den erfahrenen Vollzugs- und Vorführbeamten sei nur ein auszubildender Justizwachtmeister eingeteilt worden und kein zweiter Justizvollzugsbeamter – «entgegen ausdrücklicher Vorgaben», wie Gentges betonte. «Das stellt einen Regelverstoß dar, dem wir weiter nachgehen.» Ausschlaggebend für die Flucht sei dies aber nicht gewesen.

Der Häftling hatte einen Arztbesuch im Klinikum der Nachbarstadt Ludwigshafen zur Flucht genutzt. Bei dem Termin am Krankenhaus hatte nach Polizeiangaben ein zweiter Mann auf einem Roller gewartet. Der Vermummte habe den Justizbeamten mit einer Pistole gedroht und in die Luft geschossen. Der an den Händen gefesselte Häftling sei auf den Roller gesprungen, beide seien gemeinsam geflüchtet. Der Mann war im Oktober 2022 vom Landgericht Mannheim unter anderem wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung und räuberischer Erpressung zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt worden.

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