Ampel geht auf Bauern zu: «Wir ziehen nichts durch»

Von Michael Fischer, Silke Nauschütz und Oliver von Riegen, dpa

Berlin.  Nach tagelangen Protesten gegen die geplanten Agrar-Kürzungen geht die Ampel-Koalition auf die Bauern zu. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) äußerte Verständnis für die Proteste und bot den Landwirten einen Dialog an. Die Spitzen der Koalitionsfraktionen luden die Vorsitzenden der acht Bauernverbände für Montag zu einem Gespräch nach Berlin ein. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich machte deutlich, dass er die Diskussion ergebnisoffen führen wolle.

Nicht nur Olaf Scholz, sondern auch die Mehrheit der Bürger in Deutschland zeigen Verständnis für die Bauernproteste. 68 Prozent haben dafür Verständnis, wie aus einer am Freitag veröffentlichten repräsentativen Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF-«Politbarometer» hervorgeht. 30 Prozent sind demnach der Meinung, dass diese Proteste zu weit gehen.

Rund 500 Demonstranten empfangen Scholz

Die Ampel-Regierung hat mit ihren Plänen für den Abbau der Steuervergünstigungen für Agrardiesel einen Proteststurm der Bauern ausgelöst, der auch durch Zugeständnisse der Regierung nicht gestoppt werden konnte. Das bekam der Kanzler beim Besuch eines neuen Bahnwerks in Cottbus auch direkt zu spüren.

Die Polizei leitete vor seiner Rede eine Kolonne mit Traktoren am Veranstaltungsort vorbei. Dabei war lautes Hupen zu hören. Viele der rund 500 Demonstranten trugen grüne Westen mit der Aufschrift «Ohne uns kein Essen». «Wir leben ja in aufgeregten Zeiten, ein bisschen haben wir das auch gehört», kommentierte Scholz die Proteste. «Und auch das gehört zur Demokratie dazu, dass man sich seine Meinung sagt.»

Landesbauernpräsident: Dialogangebot «leider viel zu spät»

Scholz traf sich am Rande der Veranstaltung mit Brandenburgs Landesbauernpräsident Henrik Wendorff. Nach Angaben der Landwirte machte er dabei das Angebot im Dialog zu bleiben, machte aber keine Zugeständnisse.

«Es ist erkannt worden, dass jetzt – leider viel zu spät – in einen Dialog eingetreten wird, den wir schon lange, lange erwartet haben», sagte Wendorff nach dem Gespräch mit dem Kanzler. Scholz habe ihm gesagt, er werde mit Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) sprechen. Mit dem Angebot eines Dialogs zur Suche nach Lösungen werde er aber die Landwirte nicht von heute auf morgen von den Straßen bekommen. «Das reicht nicht.»

Einladung der Fraktionschefs für Haupttag der Proteste

Die Proteste der Bauern sollen ihren Höhepunkt am Montag mit einer Demo in Berlin haben. Am Rande wollen sich die Spitzen der Ampel-Fraktionen mit den Bauernverbänden treffen. Eine Einladung dazu verschickten die Fraktionschefs Rolf Mützenich (SPD), Britta Haßelmann (Grüne) und Christian Dürr (FDP) bereits am Mittwochnachmittag.

«Bei den aktuellen Demonstrationen wird deutlich, dass es Ihrem Berufsstand jedoch nicht nur um finanzielle Belastungen geht, sondern auch um fehlende Planungssicherheit und wirtschaftliche Perspektiven für die landwirtschaftlichen Betriebe», heißt es in dem Schreiben, das der Deutschen-Presse-Agentur vorliegt. «Uns ist es wichtig, zu diesen Fragen mit Vertreterinnen und Vertretern der Landwirtschaft in direktem Dialog zu bleiben.»

Mützenich: Schauen uns alle Vorschläge der Regierung an

Mützenich machte mit Blick auf das Treffen seine Kompromissbereitschaft deutlich. «Wir schauen uns jetzt alle Vorschläge der Bundesregierung an. Das ist nicht nur Tradition, sondern wohlverstandenes Eigeninteresse», sagte er. «Am Ende werden Entscheidungen in einer Demokratie von denjenigen getroffen, die der Souverän für vier Jahre mit diesem Mandat ausgestattet hat. Und dafür stehe ich auch ein.»

Das parlamentarische Verfahren zur Schließung des Milliardenlochs im Bundeshaushalt 2024 beginnt erst anschließend. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte noch am Montag gesagt, dass die Regierung trotz der Proteste zu ihren Kürzungsvorschlägen stehe. Mützenich erinnerte nun daran, dass der Bundestag dabei das letzte Wort habe.

Positive Reaktion auf Gesprächsangebot

Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) begrüßte in einer ersten Reaktion die Initiative der Ampel. Ihr Vorsitzender Martin Schulz rief die Regierung und die Fraktionsspitzen dazu auf, «das Ruder in der Agrarpolitik endlich herumzureißen».

Der Bauernverband gibt sich mit der von der Regierung vorgenommene Entschärfung der Subventionskürzungen weiterhin nicht zufrieden. Präsident Joachim Rukwied setzt nun auf das noch bevorstehende parlamentarische Verfahren. «Jetzt ist es an der Bundesregierung und an den Fraktionen im Deutschen Bundestag, diese Proteste zu beenden», sagte er der dpa. «Ein fauler Kompromiss, wie er derzeit auf dem Tisch liegt, kann keine Lösung sein – denn der wird keinen Traktor von der Straße holen.»

Esken macht Bauern keine Hoffnung

Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken machte den Bauern keine Hoffnung darauf, dass sich die Regierungskoalition noch bewegen wird. «Wir haben uns jetzt darauf verständigt, diese Subvention beim Agrardiesel Schritt für Schritt abzuschmelzen – da sollten wir auch bei bleiben», sagte Esken im RTL/ntv-«Frühstart». Es gehe darum, klimaschädliche Subventionen abzubauen. Dies gelte unter dem Eindruck des Haushalts, es sei aber auch ein generelles Ziel der Koalition.

Lindner will sich Bauern in Berlin stellen

Bundesfinanzminister Christian Linder will sich den protestierenden Landwirten stellen. Der FDP-Politiker plant einen Auftritt bei der Bauern-Demonstration am Montag am Brandenburger Tor, wie ein Ministeriumssprecher sagte. Zuvor hatte die Düsseldorfer «Rheinische Post» (online) darüber berichtet. Die Demonstration vor dem Berliner Wahrzeichen am 15. Januar soll nach dem Willen der Veranstalter der Höhepunkt der laufenden Aktionswoche werden.

Özdemir äußert Kritik an vorheriger Regierung

Bundesagrarminister Cem Özdemir kritisiert seiner Vorgängerin Julia Klöckner. «Der Karren ist so tief im Dreck, um mal bildlich zu sprechen, dass wir alle miteinander arbeiten sollten und jetzt nicht so sehr Parteipolitik machen sollten, wie es meine Vorgängerin vorher gemacht hat», sagte der Grünen-Politiker im ZDF-«Morgenmagazin».

«Ich weiß natürlich, dass die Bauern sagen, das reicht nicht. Ich glaube aber, dass es gar nicht so sehr um den Agrardiesel nur geht», sagte Özdemir. «Der Agrardiesel alleine hat nicht den Zorn ausgelöst, sondern was den Zorn ausgelöst hat, ist, dass jahrzehntelang den Bauern Dinge versprochen wurden von wechselnden Regierungen, die dann nur zum Teil oder gar nicht gehalten worden sind.» Der Bundesagrarminister betonte: «Landwirte denken in Generationen, wir denken in Legislaturperioden – und das ist das Problem.» (dpa)

 

 

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