Haldenwang sieht AfD auf Weg nach rechtsaußen

Von Anne-Beatrice Clasmann, dpa

Berlin (dpa) – Die AfD steuert aus Sicht des Verfassungsschutzes inzwischen nahezu ungebremst in Richtung rechtsaußen. «Kräfte, die versuchen, die extremistischen Tendenzen aus der Partei zu verdrängen, nehmen wir kaum noch wahr», sagte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Er verwies in diesem Zusammenhang auch auf die Parteiaustritte des früheren AfD-Vorsitzenden Jörg Meuthen und der Bundestagsabgeordneten Joana Cotar.

Zudem sei in diesem Jahr zu beobachten gewesen, «dass Rechtsextremisten wie Björn Höcke einen starken Einfluss auf die Partei bekommen haben». Obwohl Höcke beim Bundesparteitag im Juni nicht alle seiner «völkisch geprägten Anträge» habe durchsetzen können, «so trieb er die Partei doch sichtlich vor sich her».

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte die AfD im März 2021 als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft – eine Einschätzung, die rund ein Jahr später in erster Instanz durch das Verwaltungsgericht Köln bestätigt wurde. Die Partei setzt sich dagegen juristisch zur Wehr. Das Verfahren beim Oberverwaltungsgericht in Münster läuft noch.

Üblicherweise prüft der Verfassungsschutz bei einem Verdachtsfall nach etwa zwei Jahren, ob sich der Verdacht erhärtet hat oder nicht. Im Fall der AfD ist nicht zu erwarten, dass diese Entscheidung vor Abschluss des Gerichtsverfahrens fallen wird. «Ohne eine Prognose hinsichtlich unserer nächsten Prüfung abzugeben, bleibt gegenwärtig ein gewisser Trend erkennbar: Es geht weiter nach rechtsaußen», sagte der Verfassungsschutz-Präsident der dpa.

Zurückhaltung beim Einsatz von V-Leuten

Bereits die Einstufung als Verdachtsfall ermöglicht seiner Behörde den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel. Dazu zählen unter anderem die Observation und das Einholen von Auskünften über Informanten aus der jeweiligen Szene. Beim Einsatz solcher V-Leute ist man allerdings, was Parteien angeht, inzwischen sehr zurückhaltend und vorsichtig. Denn das erste von zwei erfolglosen Verbotsverfahren gegen die rechtsextremistische NPD war 2003 wegen der zahlreichen V-Leute, die der Verfassungsschutz auch in der Führungsriege der Partei hatte, eingestellt worden.

Dass «die rechtsextremistischen Strömungen» in der AfD stetig an Bedeutung gewännen, sei aber auch ohne solche Methoden augenfällig, betonte Haldenwang. Er sagte: «Da brauche ich gar nicht so sehr über die Ergebnisse unserer nachrichtendienstlichen Bemühungen zu sprechen, schon das, was mit öffentlichen Mitteln wahrnehmbar ist, bestätigt diese Einschätzung.» Der Verfassungsschutz beobachte hier allerdings Unterschiede zwischen den verschiedenen Ebenen der Partei. Auf Bundesebene vermeide man eher klare rechtsextremistische Äußerungen, «je tiefer man aber in die Parteistrukturen blickt, desto sichtbarer werden die fremdenfeindlichen, antisemitischen, völkischen und die Würde von Menschen verletzenden Äußerungen».

Mit Blick auf die jüngsten Festnahmen in der «Reichsbürger»-Szene erklärte der Chef des Inlandsgeheimdienstes, es sei besorgniserregend, wie schnell es diesem Zusammenschluss gelungen sei, sich bundesweit zu vernetzen. Zu der «heterogenen Mischszene», die hier zu beobachten sei, zählten sogenannte Reichsbürger und Selbstverwalter, teilweise auch Rechtsextremisten, aktive oder ehemalige AfD-Mitglieder, Anhänger verschiedener Verschwörungserzählungen sowie Menschen, die dem vom Verfassungsschutz im April 2021 eingerichteten neuen Phänomenbereich «Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates» zuzurechnen seien. «Die einigende Klammer der Akteure ist die Ablehnung und Überwindung des Systems der Bundesrepublik Deutschland», stellte Haldenwang fest.

«Reichsbürger» debattierten über Auslöser für Tag X

Die Bundesanwaltschaft hatte am 7. Dezember bei einer Großrazzia 25 Menschen festnehmen lassen. 22 von ihnen wirft sie vor, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein, die das politische System stürzen wollte. Bei den drei anderen geht es um Unterstützung. In dem Verfahren gibt es laut Bundesinnenministerium bislang 54 Beschuldigte. Unter den Festgenommenen ist die Richterin und frühere AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann. Gegen sie läuft inzwischen ein Disziplinarverfahren, das vom Landgericht Berlin eingeleitet wurde.

Er rechne damit, dass noch weitere Menschen ermittelt würden, die der Gruppierung zuzurechnen seien, sagte Haldenwang. Es wäre übertrieben, hier von der sprichwörtlichen Spitze des Eisbergs zu sprechen. Doch die Ermittlungen ließen vermuten, dass es weitere Beteiligte gebe.

Die Gruppe habe intern diskutiert, was den Umsturz am sogenannten Tag X auslösen sollte, berichtete Haldenwang. Die einen hätten auf ein Naturereignis gewartet, andere auf die Eskalation eines militärischen Konflikts. Wieder andere hätten gemutmaßt, der Tod der britischen Königin Elisabeth II. könne ein Zeichen sein. «Und insofern entstand eine gewisse Unruhe in der Gruppe. Wann geht es endlich los?»

Haldenwang: Diese Gruppe ist gefährlich

Der Verfassungsschutz-Chef warnte davor, die Gruppe aufgrund ihrer kruden Ideen zu verharmlosen. Er sagte: «Schon wegen ihrer Irrationalität und des Zugangs zu Waffen ist diese Gruppe gefährlich.» Nicht in dem Sinne, dass man ernsthaft Sorge hätte haben müssen, ein Putsch hätte gelingen können – «dazu waren es zu wenig Leute mit den falschen Mitteln». Doch auch ein versuchter Umsturz hätte schon «enorm schlimme Konsequenzen» haben können.

Der Verfassungsschutz richte seinen Blick auch auf Siedlungsbestrebungen von Rechtsextremisten, die sich um die «Schaffung eines autarken Rückzugsgebiets für ein Leben unter Gleichgesinnten» sowie um die «Anschlussfähigkeit der eigenen ideologischen Vorstellungen» bemühten. Zu beobachten sei der Ankauf entsprechender Liegenschaften in einigen ostdeutschen Flächenländern sowie in Norddeutschland. Einige dieser Kollektive seien geprägt von diffus-esoterischen Vorstellungen, teilweise stünden aber auch «klare rechtsextremistische Ideologien» dahinter. Auch «aktionsorientierte Rechtsextremisten oder Akteure der Neuen Rechten» bemühten sich um die Vereinnahmung von einzelnen Ortschaften oder Regionen. Dabei seien oft «rassistische oder antisemitische Narrative» festzustellen.

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Karlsruhe verhandelt über neue Analyse-Software der Polizei

Karlsruhe (dpa) – Das Bundesverfassungsgericht steht vor einem wichtigen Urteil zu neuartigen Ermittlungsmöglichkeiten der Polizei mit einer speziellen Analyse-Software. Das Computersystem, das große Datenmengen durchforstet, um Strukturen und Netzwerke von Verdächtigen zu identifizieren, ist schon in ersten Bundesländern im Einsatz – und andere könnten bald folgen.

Die Klägerinnen und Kläger warnten in der Verhandlung in Karlsruhe davor, dass auf diese Weise auch unbescholtene Menschen ins Visier geraten. Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) hingegen warb für die Technik: Die Sicherheitsorgane müssten mit der Digitalisierung Schritt halten. Weiterlesen

Karlsruhe: Was darf die Polizei mit neuer Analyse-Software?

Karlsruhe (dpa) – Ein Klick – und eine spezielle Software fügt aus vielen kleinen Einzelinformationen das Profil eines Verdächtigen zusammen: Was der Polizei die Arbeit massiv erleichtern soll, alarmiert Bürgerrechtler und Datenschützer. Beim Bundesverfassungsgericht sind bereits mehrere Verfassungsbeschwerden gegen das sogenannte Data Mining anhängig. Heute werden zwei davon vor dem Ersten Senat in Karlsruhe verhandelt.

Angestoßen hat das die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), die mögliche Grundrechts-Verletzungen gezielt vor Gericht bringt. Verfahrenskoordinatorin Sarah Lincoln vergleicht die automatisierte Datenauswertung mit einem «hyperintelligenten Google für Polizisten». Die Software durchforste riesige Datenbestände, um neue Ermittlungsansätze und Verdachtsmomente zu generieren. Weiterlesen

Ku’damm-Raser von 2016: Es bleibt Mord

Karlsruhe (dpa) – Fast sieben Jahre nach einem schlimmen Raser-Unfall auf dem Berliner Ku’damm ist der wegen Mordes verurteilte Fahrer mit einer Verfassungsbeschwerde gescheitert. Die angegriffenen Entscheidungen verletzten den Kläger nicht in seinen verfassungsmäßig garantierten Rechten, teilte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am Freitag mit. (Az. 2 BvR 1404/20) Weiterlesen

Verfassungsklage wegen Entschädigung: Kohls Witwe scheitert

Karlsruhe (dpa) – Es bleibt dabei: Die Witwe von Helmut Kohl hat keinen Anspruch auf eine dem Altkanzler kurz vor dessen Tod zugesprochene Entschädigung von einer Million Euro. Eine Verfassungsbeschwerde von Maike Kohl-Richter gegen entsprechende Gerichtsurteile blieb erfolglos, wie das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am Donnerstag mitteilte. (Az. 1 BvR 19/22 u.a.) Weiterlesen

Verfassungsbeschwerde wegen Euro-Rettungsfonds ESM erfolglos

Karlsruhe (dpa) – Anderthalb Jahre nach den Abstimmungen im Bundestag und Bundesrat kann Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ein Gesetz zur Änderung des Euro-Rettungsfonds ESM prüfen und gegebenenfalls unterzeichnen. Das Bundesverfassungsgericht verwarf nach Angaben vom Freitag eine Beschwerde von sieben FDP-Bundestagsabgeordneten als unzulässig. Auf Bitten des höchsten deutschen Gerichts hatte Steinmeier die Prüfung im Sommer 2021 ausgesetzt. Seine Unterschrift ist nötig, damit ein Bundesgesetz in Kraft treten kann.

Die Kläger hätten nicht ausreichend dargelegt, warum ihre Rechte verletzt sein sollten, erläuterte das Gericht in Karlsruhe. Auch hätten sie nicht erklärt, warum mit den Änderungen Hoheitsrechte auf den ESM oder die Europäische Union übertragen würden. Eine rein faktische Änderung stelle jedenfalls in aller Regel keine solche Übertragung von Hoheitsrechten dar. Weiterlesen

Alleinstehende in Flüchtlingsheimen bekommen wieder mehr Geld

Von Anja Semmelroch, dpa 

Asylsuchenden, die allein in einer Sammelunterkunft leben, werden seit einigen Jahren die Sozialleistungen gekürzt. Begründung: Die Bewohner könnten ja sparen, indem sie gemeinsam einkaufen und kochen. Jetzt setzt Karlsruhe der umstrittenen Praxis ein Ende.

Karlsruhe (dpa) – Geflüchtete, die in einer Gemeinschaftsunterkunft wohnen, bekommen wieder genauso viel Geld zum Leben wie andere alleinstehende Asylsuchende. Ihnen waren die Sozialleistungen 2019 pauschal um zehn Prozent gekürzt worden, weil sie angeblich durch gemeinsames Einkaufen und Kochen bei den Ausgaben sparen können – aber das verstößt gegen das Grundgesetz. «Der existenznotwendige Bedarf der Betroffenen ist damit derzeit nicht gedeckt», teilte das Bundesverfassungsgericht am Donnerstag mit. (Az. 1 BvL 3/21)

Die «Sonderbedarfsstufe» für Alleinstehende in Flüchtlingsheimen war zum 1. September 2019 von der damaligen Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD eingeführt worden. Der gekürzte Satz entspricht dem für Menschen, die verheiratet sind oder mit einem Partner zusammenleben. Weiterlesen

Karlsruhe stoppt Kürzungen für Alleinstehende in Flüchtlingsheimen

Asylsuchende, die allein in einer Sammelunterkunft leben, bekommen seit einigen Jahren weniger Geld. Begründet wird das mit möglichen Einsparungen: Die Bewohner könnten zum Beispiel gemeinsam einkaufen und kochen. Unrealistisch, sagt jetzt das Bundesverfassungsgericht.

Karlsruhe (dpa) – Alleinstehenden Asylsuchenden dürfen nicht länger die Sozialleistungen pauschal um zehn Prozent gekürzt werden, weil sie in einem Flüchtlingsheim leben. Es sei nicht erkennbar, dass dort tatsächlich Einsparungen durch gemeinsames Wirtschaften erzielt würden oder werden könnten, teilte das Bundesverfassungsgericht am Donnerstag mit. Die zum 1. September 2019 eingeführte «Sonderbedarfsstufe» verstoße gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. (Az. 1 BvL 3/21)

Die damalige Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD war der Ansicht, dass in den Sammelunterkünften ein Zusammenwirtschaften «erwartet werden» könne. Einspareffekte bestünden zum Beispiel beim Essen, «indem Lebensmittel oder zumindest der Küchengrundbedarf in größeren Mengen gemeinsam eingekauft und in den Gemeinschaftsküchen gemeinsam genutzt werden», wie es in der Gesetzesbegründung heißt. Deshalb wurde der Satz gekürzt – entsprechend dem für Menschen, die verheiratet sind oder mit einem Partner zusammenleben. Weiterlesen

Sind Kürzungen für Alleinstehende in Flüchtlingsheimen rechtens?

Asylsuchende, die allein in einer Sammelunterkunft leben, bekommen seit einigen Jahren weniger Geld. Begründet wird das mit möglichen Einsparungen: Die Bewohner könnten zum Beispiel gemeinsam einkaufen und kochen. Jetzt hat Karlsruhe die Kürzungen überprüft.

Karlsruhe (dpa) – Seit 2019 bekommen alleinstehende Geflüchtete weniger Geld, wenn sie in einer Sammelunterkunft leben – zu wenig, sagen Kritiker. Sie haben die Frage vors Bundesverfassungsgericht gebracht. Jetzt sind die Karlsruher Richterinnen und Richter in dem Verfahren zu einer Entscheidung gekommen. Der Beschluss wird an diesem Donnerstag (9.30 Uhr) veröffentlicht.

Hintergrund ist, dass vor drei Jahren die damalige Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD eine «besondere Bedarfsstufe» für die Betroffenen einführte. Sie bekommen zehn Prozent weniger – entsprechend dem Satz für Menschen, die verheiratet sind oder mit einem Partner zusammenleben. Weiterlesen

Sind Kürzungen für alleinstehende Flüchtlinge rechtens?

Karlsruhe (dpa) – Seit 2019 bekommen alleinstehende Geflüchtete weniger Geld, wenn sie in einer Sammelunterkunft leben – zu wenig, sagen Kritiker. Sie haben die Frage vors Bundesverfassungsgericht gebracht. Jetzt sind die Karlsruher Richterinnen und Richter in dem Verfahren zu einer Entscheidung gekommen. Der Beschluss wird heute veröffentlicht. Aktuell bekommen Menschen in einer Sammelunterkunft 330 Euro im Monat. Anderen alleinstehenden Asylbewerbern stehen 367 Euro zu.

Hintergrund ist, dass vor drei Jahren die damalige Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD eine «besondere Bedarfsstufe» für die Betroffenen einführte. Sie bekommen zehn Prozent weniger – entsprechend dem Satz für Menschen, die verheiratet sind oder mit einem Partner zusammenleben. Weiterlesen

Ampelfraktionen dringen auf Wahlalter 16 in Rheinland-Pfalz

Mainz (dpa/lrs) – Nach der Herabsetzung des Wahlalters für die Europawahl wollen die regierenden Fraktionen auch in Rheinland-Pfalz das Wahlalter auf 16 Jahre senken. «Ich kann weder verstehen noch irgendjemandem erklären, warum Jugendliche in Rheinland-Pfalz dann 2024 zwar das Europaparlament wählen dürfen, aber nicht den eigenen Ortsgemeinderat», sagte die SPD-Fraktionsvorsitzende Sabine Bätzing-Lichtenthäler am Montag in Mainz. SPD, Grüne und FDP bringen am Donnerstag einen entsprechenden Gesetzentwurf zur Änderung der Landesverfassung auf die Tagesordnung.

Bätzing-Lichtenthäler appellierte an die CDU, ihre ablehnende Haltung aufzugeben und den Jugendlichen ab 16 bei Kommunal- und Landtagswahlen eine Stimme zu geben. Für eine Verfassungsänderung ist eine Zweidrittelmehrheit im Landtag erforderlich. Allerdings hat sich die CDU-Fraktion erst in diesem Jahr erneut dagegen ausgesprochen, das Wahlalter auf 16 Jahre zu senken. Sie verwies dabei auf Umfragen, wonach ein früheres Wahlalter von einer Mehrheit der Jugendlichen in diesem Alter nicht gewünscht werde. Weiterlesen

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