Populismus oder seriöse Idee? Söders neuster Atom-Wunsch

Von Marco Hadem, Christoph Trost, Ute Wessels, Michael Donhauser, dpa

München/Berlin (dpa) – Schenkt man den Worten von CSU-Chef Markus Söder Glauben, ist seine Forderung nach einem bayerischen Alleingang in Sachen Kernkraft nur eine Reaktion auf bundespolitisches Versagen. Mit der Abschaltung der Atomenergie gehe die Zukunft Deutschlands verloren und «das Wohlstandseis» des Landes werde jeden Tag etwas dünner, sagt er am Montag in der Münchner CSU-Zentrale. Mehr noch: Die Umsetzung des Atomausstiegs sei ein schwerer Fehler und ein «sturer Beschluss gegen die Mehrheit der Bevölkerung».

Kritiker werfen Söder ein populistisches Wahlkampfmanöver vor, denn im Oktober wird in Bayern gewählt. Doch was steckt hinter dem Plan, den 35 Jahre alten Atommeiler Isar 2 in bayerischer Eigenregie weiterlaufen zu lassen? Wichtige Fragen und Antworten im Überblick:

Wie stellt sich Söder den Landesbetrieb konkret vor?

Bereits vor dem Atomausstieg sei der Betrieb der Meiler – nicht nur in Bayern – eine reine Länderangelegenheit gewesen. «Die Bundesländer sorgen allein für die Sicherheit», betonte Söder. «Insofern wäre das alles kein Problem.»

Braucht es für den Landesbetrieb eine Verfassungsänderung?

Das Grundgesetz regelt die alleinige Zuständigkeit des Bundes für die Nutzung der Atomkraft. Für eine Länderzuständigkeit zur Weiterführung müsste also das Grundgesetz geändert werden. Dies ist aber nur mit einer Zweidrittelmehrheit des Bundestages und des Bundesrates möglich. Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) lehnte bereits eine Verlagerung der Kompetenzen ab. Den Antrag auf die Änderung könnte Bayern aber auch direkt in die Länderkammer einbringen oder die CSU beziehungsweise andere Parteien in den Bundestag.

Was ist mit dem Atomgesetz und weiteren Rechtsgrundlagen?

Auch das Atomgesetz müsste in jedem Fall novelliert werden. Die aktuelle Fassung verbietet seit dem 16. April 2023 einen Betrieb von Kernkraftwerken. Mit dem erfolgten Atomausstieg ist die bisherige Berechtigung zum Leistungsbetrieb der Meiler unwiederbringlich erloschen. Für einen Weiterbetrieb setzt das EU-Recht auch eine gründliche Prüfung, die üblicherweise mehrere Jahre dauert, voraus. Faktisch bräuchte Isar 2 also eine neue Genehmigung, die ihrerseits den aktuellen Stand von Forschung und Technik voraussetzt.

Warum will Söder weiter die Kernenergie in Bayern nutzen?

Der bayerische Ministerpräsident ist der Meinung, dass ein Verzicht auf die Kernkraft nicht mit dem wachsenden Energiehunger in Deutschland aber auch in seinem Bundesland vereinbar ist. Nach seinen Worten muss jedes Fitzelchen Energie genutzt werden, auch um die Netzstabilität zu gewährleisten.

Für wie lange will Söder weiter auf die Kernkraft setzen?

In der Pressekonferenz sprach er von weiteren drei bis fünf Jahren, vor einigen Tagen nannte er den Zeitkorridor bis zum Ende des laufenden Jahrzehnts. Faktisch betont er dabei immer wieder, dass es solange notwendig sei, bis die Energiewende abgeschlossen und eine grundlastfähige Versorgung mit den Erneuerbaren sichergestellt ist.

Was bedeutet die Forderung für die Suche nach einem Endlager?

Aus Söders Sicht keine. Bereits jetzt lagert der angefallene Atommüll an den jeweiligen Kraftwerken, aber nur in oberirdischen Zwischenlagern – die Menge, die ein Weiterbetrieb zusätzlich mit sich brächte, sei «keine echte Herausforderung». Bayern werde sich zudem weiter an der bundesweiten Suche beteiligen – er sehe aber nicht, dass Bayern nun «den Müll der anderen quasi übernehmen würde».

Wie steht Söder grundsätzlich zum Thema Atommüll-Endlagerung?

Söder macht keinen Hehl daraus, das bisherige Endlagerkonzept, die Suche nach einer unterirdischen Lagerstätte für die nächsten eine Million Jahre, skeptisch zu sehen. «Es ist aus meiner Sicht ein typische Eindruck einer eher dystopischen, forschungsfeindlichen Sicht, nicht zu erkennen, dass es heute in der Welt, auch in Deutschland zum Teil Forschungsfortschritte gibt, mit Reaktoren, die das Thema Müll umwandeln in quasi neue Energie.» Dies sei am Ende auch «der viel klügere Weg», «als irgendwelche Läger und Lager zu planen für eine Million Jahre».

Ist Söders Plan aus Sicht des Betreibers überhaupt möglich?

Der Werksleiter von Isar 2, Carsten Müller, betonte wiederholt, dass Preußen Elektra als Betreiber prinzipiell gesprächsbereit sei, wenn die Politik es wolle. Für einen Weiterbetrieb sei aber nicht nur Brennstoff notwendig, der laut Müller «noch da» wäre. Es gehöre aber mehr dazu, eine Anlage zu betreiben. Ab wann der Weiterbetrieb wegen des Rückbaus nicht mehr möglich sei, könne laut Müller nicht gesagt werden: «Es gibt viele Schritte, die jetzt durchgeführt werden und wir werden genau zu dem Zeitpunkt prüfen, wenn die Frage an uns gestellt wird, ob ein Wiederbetrieb möglich ist und welche Notwendigkeiten umgesetzt werden müssen, damit ein Wiederanfahren technisch und funktionell funktioniert.»

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Verfassungsschutz darf Bayern-AfD vorerst weiter beobachten

München (dpa) – Das bayerische Landesamt für Verfassungsschutz darf die Landes-AfD vorerst weiter beobachten. Das Verwaltungsgericht München lehnte entsprechende Anträge der Partei am Montag ab. Demnach darf der Landesverband auf Basis offen zugänglicher Informationen bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren beobachtet werden. Wann diese erfolge, lasse sich bisher nicht sagen.

Nach Äußerungen von AfD-Mitgliedern «lägen tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen vor, nämlich die Menschenwürde von Muslimen und das Demokratieprinzip außer Geltung zu setzen», teilte das Gericht mit. «Die Äußerungen zeigten eine fortgesetzte Agitation gegen die Institutionen und Repräsentanten des Staates und gegen die demokratischen Parteien.» Auch wenn die Äußerungen nur von einem Teil der Mitglieder stammten und nicht klar sei, ob sie die Meinung der gesamten Partei abbildeten, seien sie «jedenfalls Ausdruck eines parteiinternen Richtungsstreits». Weiterlesen

Orthopäde gesteht heimliche Bildaufnahmen von Frauen

Schweinfurt (dpa) – Ein Arzt aus Unterfranken hat gestanden, Patientinnen und Angestellte heimlich etwa auf der Toilette oder bei Behandlungen in seiner Praxis gefilmt zu haben. «Ich schäme mich zutiefst dafür», ließ der Orthopäde von seinem Verteidiger vor dem Landgericht Schweinfurt erklären. Er entschuldige sich bei den Frauen, sagte einer seiner beiden Rechtsanwälte. Weiterlesen

Söder zum Spitzenkandidaten für Landtagswahl nominiert

München (dpa) – Der CSU-Vorstand hat Ministerpräsident Markus Söder einstimmig als Spitzenkandidaten für die Landtagswahl im Herbst nominiert. Dies erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Montag aus Teilnehmerkreisen. «Wir haben einen bewährten, dynamischen und unglaublich fleißigen Ministerpräsidenten, der bewiesen hat, wie gut er das Land voranbringen kann», zitierten Sitzungsteilnehmer Landtagspräsidentin und CSU-Oberbayernchefin Ilse Aigner. Söder habe «eine unglaubliche Präsenz» und ein tolles Gespür für Themen. Weiterlesen

Lemke gegen AKW in Länderregie – FDP ätzt gegen Söder

Berlin (dpa) – Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) hat den Vorstoß von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), die Zuständigkeit für die Atomkraft den Ländern zu übertragen, zurückgewiesen. Bei der FDP, die sich vor der Abschaltung der letzten Meiler in Deutschland für längere AKW-Laufzeiten eingesetzt hatte, sorgte Söders Forderung für Verwunderung und Kritik. Zuspruch bekam der CSU-Chef aus der CDU.

Die letzten drei verbliebenen deutschen AKW waren am späten Samstagabend abgeschaltet worden, darunter Isar 2 in Bayern. Söder forderte in der «Bild am Sonntag», das Atomgesetz noch einmal zu ändern und den Ländern die Zuständigkeit zu geben, damit Bayern den Meiler in eigener Regie weiterbetreiben kann.

Lemke pochte auf die Zuständigkeit des Bundes für die Atomkraft und verwies darauf, dass die Länder bei dem Thema im Bundesauftrag handelten. «Es ist geradezu bedrückend, wie ein Ministerpräsident genehmigungs- und verfassungsrechtliche Fragen und Aspekte der nuklearen Sicherheit so leichtfertig ignoriert», sagte die Grünen-Politikerin der «Süddeutschen Zeitung» und der «Bild»-Zeitung (Montag). «Selbst wenn man den Reaktor, wie Herr Söder es offensichtlich will, wieder ans Netz bringen möchte, reicht es dazu nicht, ihm eine neue Laufzeit rechtlich einzuräumen. Es bedürfte quasi einer Neugenehmigung des Reaktors.» Weiterlesen

Schloss Neuschwanstein wird wieder beleuchtet

Schwangau (dpa) – Auf dem Höhepunkt der Energiekrise sollte es ein Signal zum Stromsparen sein: Viele Städte schalteten die Scheinwerfer ab, mit denen ihre Sehenswürdigkeiten beleuchtet wurden.

Mit dem Auslaufen der Verordnung des Bundes für kurzfristige Energiesparmaßnahmen gehen nun einige Lichter wieder an. Seit diesem Sonntag erstrahlt auch das Schloss Neuschwanstein nachts wieder dank nun eingeschalteter Beleuchtung. Weiterlesen

Irreguläre Migration: Faeser verlängert Grenzkontrollen

Berlin (dpa) – Die punktuellen Grenzkontrollen an der deutsch-österreichischen Landgrenze sollen um ein weiteres halbes Jahr verlängert werden. Das geht aus einem Schreiben von Bundesinnenministerin Nancy Faeser an die EU-Kommission hervor, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Darin schreibt die SPD-Politikerin, absehbar sei nicht mit einem nachhaltigen Rückgang des irregulären Migrationsgeschehens nach Mittel- und Westeuropa zu rechnen. «Besorgniserregend ist, dass im Jahr 2022 ein Höchstwert der festgestellten irregulären Migration an den EU-Außengrenzen seit 2016 zu verzeichnen war.» Deutschland sei auch im vergangenen Jahr wieder Hauptzielland in Europa gewesen, fährt Faeser in ihrem Schreiben fort.

Angesichts des zunehmenden Migrationsgeschehens habe sich die Unterbringungssituation in deutschen Ländern und Kommunen weiter verschärft. Deshalb sehe sich sich gezwungen, an der Hauptroute irregulärer Migration nach Deutschland mit Wirkung zum 12. Mai Binnengrenzkonrollen für weitere sechs Monate anzuordnen. Weiterlesen

Ingo Zamperoni moderiert «Tagesthemen» aus AKW

Landshut (dpa) – Angesichts des historischen Ausstiegs Deutschlands aus der Nuklear-Energie werden die ARD-«Tagesthemen» am Freitag (22.15 Uhr) live aus dem Atommeiler Isar 2 bei Landshut gesendet. «In dieser besonderen Ausgabe der «Tagesthemen» teilen Moderator Ingo Zamperoni und Reporter Philip Kuntschner (BR) in einer Reportage ihre exklusiven Bilder und Eindrücke aus dem Inneren des Kraftwerks. Im Umfeld des AKW haben sie mit Gegnern und Befürwortern der Atomenergie gesprochen», teilten Norddeutscher Rundfunk und Bayerischer Rundfunk in Hamburg und München mit.

Für gewöhnlich geht das «Tagesthemen»-Team aus einem Studio in Hamburg auf Sendung. Es gab aber schon mehrere Ausnahmen, bei denen das Nachrichtenmagazin vollständig oder in Teilen auswärts moderiert wurde. So begleitete Zamperoni 2018 den Ausstieg aus der Steinkohle mit einer Ausgabe von unter Tage in einer Zeche im Ruhrgebiet. 2020 gab es eine «Tagesthemen»-Sendung aus Washington anlässlich der US-Wahlen, 2022 eine Sendung live aus dem ukrainischen Kiew. Weiterlesen

Wirecard: Sonderprüfer berichtet von Druck und Drohung

München (dpa) – Im Wirecard-Prozess hat ein Wirtschaftsprüfer am Donnerstag über Behinderungen und Beeinflussungsversuche bei der Sonderprüfung der Wirecard-Bilanzen berichtet. Der ehemalige Vorstandschef Markus Braun habe auch versucht, die Prüfgesellschaft KMPG unter Druck zu setzen und mit rechtlichen Schritten gedroht, sagte KPMG-Vorstand Sven-Olaf Leitz vor dem Landgericht München.

Der Zahlungsdienstleister Wirecard brach im Juni 2020 zusammen, weil angeblich auf Treuhandkonten in Asien verbuchte 1,9 Milliarden Euro nicht auffindbar waren. Laut Anlage gab es das Geld nie. Die Staatsanwaltschaft wirft Braun und zwei Mitangeklagten vor, einen Großteil der Geschäfte erfunden und Banken um drei Milliarden Euro betrogen zu haben. Braun bestreitet das. Ein Mitangeklagter hat gestanden und tritt als Kronzeuge auf. Weiterlesen

Söder will Forschung zur Kernfusion in Bayern

München (dpa) – Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) denkt über den Bau eines Reaktors zur Erforschung der Kernfusion in Bayern nach. Das sagte der CSU-Parteichef in einem Interview des «Focus».

Die Chance, die sich nach einem Durchbruch von US-Forschern ergebe, dürfe nicht verspielt werden. «Daher wird Bayern in die Forschung zur neuen Kernfusion einsteigen», sagte Söder. Weiterlesen

«Versöhnungsgespräch» oder Last? Wenn Kinder beichten sollen

Von Kathrin Zeilmann, dpa

München (dpa) – Wer sein Kind katholisch taufen lässt, schickt es später meist auch zur Erstkommunion. Das betont die Deutsche Bischofskonferenz (DBK): «Katholisch getaufte Kinder gehen laut Statistik fast ausnahmslos zur Erstkommunion», heißt es im jährlich veröffentlichten Zahlenwerk zur Situation der Kirche in Deutschland.

Vor der Erstkommunion, die meist in den Wochen nach Ostern gefeiert wird, müssen die Kinder jedoch etwas tun, was den meisten erwachsenen Mitgliedern der katholischen Kirche längst fremd geworden ist – nämlich zur Beichte gehen. «Nach vorheriger sakramentaler Beichte», so heißt es im Kirchenrecht, folgt die Erstkommunion. Grundschüler der dritten Klasse, meist neun oder zehn Jahre alt, sollen also einem fremden Mann, dem Priester, beichten, was sie so falsch gemacht haben in ihrem bisherigen Leben. Und das natürlich alleine, so dass niemand zuhört.

Können Kinder sündigen?

Auch Seelsorgende sehen dieses Thema zunehmend kritisch, wie Helmut Heiss, Leiter des Fachbereichs Sakramentenpastoral im Erzbischöflichen Ordinariat München-Freising, sagt. Das Kirchenrecht sei gar nicht so eindeutig, wie es der erste Blick vermuten lässt. An anderer Stelle heiße es, die Beichte sei nur bei schweren Sünden vorgeschrieben. «Es ist sehr strittig, inwieweit acht- oder neunjährige Kinder zu schweren Sünden fähig sind.» In zwei Erstkommunion-Konzepten, die er mitverfasst habe, werde der Akzent aber beim Thema Versöhnung gesetzt, betont Heiss. Es werde beispielsweise Wert auf die Versöhnungskultur in der Familie gelegt. «Versöhnung muss geübt und gelernt werden», heißt es darin.

Die Beichte ist besonders für Kinder in den vergangenen Jahren zunehmend kritisch hinterfragt worden. Eine Rolle hierbei spielt der Missbrauchsskandal, der die katholische Kirche seit nun schon mindestens 13 Jahren erschüttert

Harald Dreßing, Leiter des Bereichs Forensische Psychiatrie am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim, hat die sogenannte MHG-Studie geleitet, die sexualisierte Gewalt von Priestern und Diakonen in den deutschen Diözesen untersucht hat. Die Studie habe gezeigt, dass auch der Beichtstuhl Tatort für Missbrauch gewesen ist, sagt er. Die Beichte wurde demnach auch genutzt, um die Straftaten zu planen und vorzubereiten. «Kinder wurden ausgefragt und als potenzielle Opfer ausgespäht.»

Beichte und Missbrauch als «toxische Mischung»

Viele Menschen hätten später beispielsweise von unpassenden Fragen durch die Priester bei der Beichte berichtet. «Die Situation wurde perfide ausgenutzt. Das war eine toxische Mischung.» Beim sexuellen Missbrauch gehe es um Macht – und das potenziere sich im Beichtstuhl, wo der Beichtvater die Macht habe, von Sünden loszusprechen. «Das ist eine hochgradig ängstigende Situation.»

Daraus leite sich auch die grundsätzliche Frage ab, ob Kinder unter 14 überhaupt beichten sollten, sagte Dreßing. Aus entwicklungspsychologischer Sicht sei die Kinderbeichte kein geeignetes Format. Kinder könnten im Alter der Erstkommunion die Themen Schuld und Sünde noch gar nicht erfassen. Das setze erst mit etwa 14 Jahren ein. So werde die Beichte entweder zum inhaltslosen Ritual – oder schüre Ängste. Die Kirche jedoch argumentiere: Die Beichte sei ein Sakrament und deshalb unantastbar. Allerdings gebe es Auslegungsspielraum. Es gebe eine Reihe von Priestern, die die Kinderbeichte als problematisch ansehe.

Beichte nicht mehr ganz so zentral

Die Missbrauchsstudie des Bistums Münster listet zahlreiche Fallbeispiele auf, bei denen es im Kontext der Beichte zu Missbrauch kam oder dieser vorbereitet wurde. «Während heute die Beichte für zahlreiche Katholik:innen eine randständige Bedeutung einnimmt, war sie bis in die 1980er Jahre ein zentraler und regelmäßiger Bestandteil der Glaubenspraxis», heißt es in der Mitte 2022 veröffentlichten Studie eines Teams um den Historiker Thomas Großbölting.

Mit dem Bedeutungsverlust der Beichte dürfte das Setting aber auch beim Thema Missbrauch heute eine unwichtigere Rolle spielen: «Da die Beichte in den letzten vier Jahrzehnten massiv an Bedeutung für die Glaubenspraxis verloren hat, ist zu vermuten, dass auch die absolute Zahl von Missbrauchstaten, die durch dieses Setting angebahnt und in diesem Kontext begangen wird, zurückgegangen ist.»

Viele Gemeinden bemühen sich darum, das Thema Beichte möglichst kindgerecht anzupacken. Es wird mit Symbolen und Bildern gearbeitet, unförmige Steine werden durch die Beichte in Edelsteine verwandelt. Vom «Versöhnungsgespräch» ist etwa in einer Broschüre der Gemeindekatechese des Bistums Eichstätt in Bayern zu lesen.

Ruf nach allgemeinem Schutzkonzept

Und was das Thema Prävention betrifft: Alle Pfarreien müssten sich zu einem Schutzkonzept bekennen, das von der Stabsstelle Prävention auch genehmigt werden musste, betont Helmut Heiss aus dem Münchner Ordinariat. Es sei zum Beispiel sinnvoll, dass auch die Möglichkeit zur Beichte in einem nicht-sakralen Raum besteht bei geöffneter Tür.

Vertrauenspersonen könnten so in Sicht-, aber nicht in Hörweite bleiben. Das Kind habe auch die Möglichkeit, den Raum zu verlassen, wenn es sich unwohl fühlt. «Der Sensibilität der Seelsorgenden gegenüber den Eltern in Bezug auf die Erstbeichte ist sehr groß.» Ein Sichtkontakt werde in der Regel immer ermöglicht, wenn dies gewünscht werde.

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