Höhere Corona-Impfquote erwünscht: Studie macht Empfehlungen

Pandemie
Von Ira Schaible, dpa

Mainz (dpa/lrs) – Mangelndes Vertrauen in Politik, Justiz, Polizei, demokratische Institutionen, Medien und die Gesellschaft eint einer Studie zufolge die meisten ungeimpften Menschen in Rheinland-Pfalz. Rund 87 Prozent derjenigen, die nicht gegen das Coronavirus geimpft sind, werden demnach von Verschwörungsnarrativen oft auch mit antisemitischen Begleittönen beeinflusst. Das sagte Studienleiterin Jana Faus von der Berliner Agentur pollytix am Dienstag in Mainz. Nur eine Minderheit von etwa 13 Prozent sei noch für eine Spritze gegen das Coronavirus und damit eine Impfkampagne offen. Welche Schlüsse zieht die Landespolitik? Ein Überblick:

Wer wurde gefragt?

pollytix hat im Auftrag des rheinland-pfälzischen Gesundheitsministeriums von März bis Mai 8620 Menschen in Rheinland-Pfalz online und telefonisch befragt. Davon waren sechs Prozent oder 463 Menschen nicht gegen Corona geimpft. Nicht berücksichtigt wurden bei der Frage nach der Einstellung Menschen, die aus medizinischen Gründen den Piks nicht bekommen haben. Zu der Befragung kamen noch zwölf Stunden Diskussionen mit Impfgegnern.

Was sind die Argumente und Haltungen gegen eine Impfung?

Die Impfung stellt für Ungeimpfte nach der Studie ein nicht vertretbares Risiko dar und erscheint als größere Gefahr als die Erkrankung. 76 Prozent haben demnach Sorge vor Impfschäden. 61 Prozent glauben, die Impfung sei gefährlicher als eine Corona-Infektion. 91 Prozent sagten, der Impfstoff sei nicht ausreichend erforscht. 41 Prozent glaubten, die Impfung könne zu Unfruchtbarkeit führen.

59 Prozent waren überzeugt, dass sie mit der Unterschrift auf dem Impf-Merkblatt selbst für Impfschäden haften, wie Faust berichtete. Ein für Landesimpfkoordinator Daniel Stich besonders überraschendes Ergebnis. «Das ist natürlich nicht wahr.» Von rund 9,1 Millionen Impfungen gegen das Coronavirus seien in drei Fällen Impfschäden anerkannt worden, sagte der SPD-Politiker. Dazu kämen rund 250 noch nicht entschiedene Anträge.

Wer gehört laut Studie zu den 87 Prozent kaum noch erreichbaren Ungeimpften?

Die Impfgegner fänden sich in allen Berufs-, Altersgruppe und Bevölkerungsschichten, sagte Faus. Die Impfgegner zögen sich in Gruppen Gleichgesinnter zurück und suchten den Bruch zum übrigen sozialen Umfeld. Leicht überrepräsentiert seien AfD-Wähler, aber auch Nicht-Wähler sowie Menschen mit osteuropäischen Migrationshintergrund.

Nur etwa ein Drittel der Impfgegner sei bei der Befragung der Überzeugung gewesen, das demokratische System funktioniere noch, und 60 Prozent hätten der Aussage zugestimmt, Deutschland ähnele mehr einer Diktatur als einer Demokratie. 13 Prozent hätten Gewalt gegen Politiker befürwortet oder toleriert.

Etwa 52 Prozent der Ungeimpften attestiert die Studie eine starke Verschwörungsnähe. Das sind etwa 107.000 bis 232.000 Menschen. Weitere 35 Prozent oder 72.000 bis 156.000 Rheinland-Pfälzer sind möglicherweise noch zum Teil erreichbar.

Wer sind die für eine Kampagne noch empfänglichen 13 Prozent Ungeimpften?

Vor allem junge Frauen nennt Faus. Aber auch Eltern und Menschen, die in Städten leben mit einem eher höheren Bildungsniveau. In absoluten Zahlen seien dies ungefähr 27.000 bis 58.000 Menschen.

Was empfiehlt die Studie?

35 Prozent würden eine Impfung in Erwägung ziehen, wenn es unabhängige Langzeitstudien über die Impfstoffe gäbe, haben die Forscher herausgefunden. Daraus leiten sie die Empfehlung ab, unabhängige Wissensdatenbanken einzurichten. Dabei komme es auf verständliche Sprache an.

24 Prozent würden der Studie zufolge eine Impfung in Erwägung ziehen, wenn es ein Beratungsgespräch gäbe, nach dem sie sich selbst frei entscheiden könnten. «Individuelle Beratungsangebote» lautet daher die zweite Empfehlung von pollytix. Zentrale Botschaft einer Impf-Kampagne müsse die «selbstbestimmte und informierte Entscheidung sein», betont Faus. «Nicht das Gefühl der Bevormundung verstärken!»

Was will die Landesregierung tun?

Das Impfangebot mit Bussen, Apothekern und niedergelassenen Medizinern ist nach Einschätzung von Stich niedrigschwellig genug. Eine Diskussion um weitere Anreize wie eine Bratwurst überflüssig.

Die unbegründete Sorge vor Unfruchtbarkeit müsse jungen Frauen gemeinsam mit Gynäkologen genommen werden und Thema bei der Vorsorge werden. Die Befürchtung vor dem angeblichen Haftungsausschluss nach einer Impfung gegen das Coronavirus müsse in der Beratung angesprochen und niedergelassene Ärzte sowie Impfzentren dafür sensibilisiert werden. Möglicherweise sei darüber hinaus noch eine weitere objektive Beratung sinnvoll, um die Impfquote zu erhöhen und so besser aus der Pandemie in die Endemie zu kommen. Als Beispiel nannte Stich ein Angebot der Landeszentrale für Gesundheitsförderung.

Wie viele Menschen sind in Rheinland-Pfalz geimpft?

Etwa 85 Prozent der Erwachsenen und 75 Prozent aller Rheinland-Pfälzer sind Stich zufolge inzwischen geimpft. Diese Quote sei in einigen europäischen Ländern aber noch höher. Und von der vierten Impfung (zweiter Booster) hätten erst knapp 338 500 Menschen Gebrauch gemacht, deutlich weniger als die empfohlene Gruppe.

 

 

 

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