Kritik an Ampel-Plan für schnellere Asylverfahren

Berlin (dpa) – Asylbewerber sollen künftig nicht mehr jahrelang auf die endgültige Entscheidung über ihr Schutzersuchen warten müssen – das ist das erklärte Ziel der Bundesregierung. Doch darüber, wie dieses Ziel am besten erreicht werden kann, gibt es durchaus geteilte Meinungen.

Der frühere Verwaltungsrichter Wolfgang Bartsch hält die Pläne der Ampel-Koalition für eine Beschleunigung von Asylverfahren für unausgegoren. Vor allem die in ihrem Gesetzentwurf enthaltene Idee, Asylklageverfahren dadurch zu verkürzen, dass das Bundesverwaltungsgericht künftig Entscheidungen zu bestimmten Herkunftsländern und Gefährdungsgründen treffen dürfen soll, werde nicht den gewünschten Effekt haben. Das sagte der frühere Präsident des Verwaltungsgerichts Braunschweig der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Bisher steigt das Gericht in Leipzig nicht so tief in die Inhalte der Asylklagen ein. Die Koalitionäre erhoffen sich von der geplanten Regelung eine Vereinheitlichung der Rechtsprechung.

Der Jurist warnte jedoch: «Wenn es dann eine Leitsatz-Entscheidung des Bundesverwaltungsgericht gibt, etwa zur Situation der Kurden in Nordsyrien, kann der Kläger jederzeit sagen, diese Entscheidung sei veraltet, die Situation im Herkunftsland habe sich geändert. Eine Zeitersparnis ist daher nicht zu erwarten.»

Fehlentscheidungen befürchtet

Kritisch sieht Bartsch auch die im Gesetzentwurf vorgesehene Möglichkeit für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf), einen Asylbewerber per Videocall zu den Gründen für sein Schutzersuchen zu befragen. Er befürchtet: «Das wird nicht zu einer Beschleunigung führen, sondern zu Fehlentscheidungen. Denn eine vertrauensvolle Gesprächsatmosphäre lässt sich per Video nicht herstellen, und ob jemand die Wahrheit sagt, findet man auch besser im direkten Kontakt heraus.»

Über den von SPD, Grünen und FDP vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung der Asylgerichtsverfahren und Asylverfahren wird diese Woche erneut im Bundestag beraten. Der frühere Verwaltungsgerichtspräsident aus Braunschweig hatte den Mitgliedern des Innenausschusses in der vergangenen Woche geraten, künftig auch in Eilverfahren – in denen es meist um eine drohende Abschiebung geht – Beschwerden zuzulassen. Und in Klageverfahren von allgemeiner Bedeutung sollten die Verwaltungsgerichte eine Berufung zulassen dürfen. Er sagte: «Die gegenwärtige Beschränkung von Rechtsmittelmöglichkeiten sollte der Verfahrensbeschleunigung dienen.» Eingetreten sei aber das Gegenteil. «Sowohl in einstweiligen Rechtsschutzverfahren als auch in Hauptsacheverfahren mangelt es an Leitentscheidungen der Obergerichte, an denen sich die Verwaltungsgerichte orientieren können.»

Auch die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Andrea Lindholz (CSU), glaubt nicht an den Beschleunigungseffekt der nun vorgelegten Pläne. Sie sagt: «Es werden zu viele neue Hürden in die Verfahren eingebaut und wichtige Kontrollmechanismen abgebaut.» Sie vermutet: «Die geplanten Leitentscheidungen durch das Bundesverwaltungsgericht werden in der Praxis dazu führen, dass die übrigen Gerichte ähnlich gelagerte Verfahren aussetzen.» Das würde eine Vielzahl von Verfahren verlangsamen, vermutet die Innenpolitikerin.

Laut Bundesregierung dauern die Asylklageverfahren bei den Verwaltungsgerichten aktuell im Schnitt 26,6 Monate. Zum 31. Juli dieses Jahres waren laut Bundesinnenministerium bundesweit 135 603 erstinstanzliche Verfahren anhängig.

 

 

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