Was steckt hinter den tödlichen Attacken auf Fahrgäste?

Von Anne-Beatrice Clasmann, dpa

Berlin (dpa) – Die tödliche Messerattacke in einem Regionalzug in Schleswig-Holstein erinnert an ähnliche Bluttaten der vergangenen Jahre. In einigen dieser Fälle spielten psychische Erkrankungen eine Rolle, in anderen eine islamistische Ideologie – oder auch beides zusammen. Manchmal blieb das Motiv diffus.

Die Täter sind oft Menschen, die als Asylbewerber nach Deutschland gekommen sind, ohne in ihrer neuen Umgebung richtig Fuß zu fassen. Es sind Menschen am Rande der Gesellschaft, die mit den für andere Schutzsuchende passenden standardmäßigen Integrationsangeboten nicht erreicht werden, die durch Gewalttätigkeit auffallen und oft auch nach Jahren in öffentlichen Einrichtungen leben.

Die Opfer sind Fahrgäste, scheinbar wahllos ausgewählte Passanten. Es sind Menschen, deren Lebensgeschichte und Namen der in der Regel männliche Täter nicht kennt.

Mehrere Fälle in den vergangenen Jahren

Nicht nur der staatenlose Palästinenser, der am Mittwoch in einem Zug zwei ihm offensichtlich unbekannte junge Menschen getötet und fünf weitere Fahrgäste verletzt hat, ist so ein Fall. Wegen mehrerer Straftaten saß er im Gefängnis. 2021 erhielt er Hausverbot in einer Kieler Gemeinschaftsunterkunft.

Auch der junge, psychisch kranke Somalier, der im Sommer 2021 – etwa sechs Jahre nach seiner Ankunft in Deutschland – in Würzburg drei Frauen erstach, war bereits zuvor gewalttätig geworden, lebte zuletzt in einer Obdachlosenunterkunft. Wie der radikale Islamist, der im Oktober 2020 in Dresden ein schwules Paar attackierte und einen der beiden Männer tötete, war auch der Angreifer aus dem Regionalzug erst kurz vor der Tat aus der Haft entlassen worden.

Enttäuschte Hoffnungen?

Schaut man die Biografien der Täter an, so fällt auf, dass viele von ihnen aus Kriegs- oder Konfliktregionen stammen, eher jung und kinderlos sind, zum Zeitpunkt der Tat keiner Erwerbstätigkeit nachgingen und nicht mit einer Partnerin oder Angehörigen zusammenleben. Fundierte Forschung zu dieser Tätergruppe gibt es aber bislang – mit Ausnahme der Betrachtung islamistisch motivierter Verbrechen – kaum. Beispielsweise zu der Fragestellung, mit welchen Hoffnungen und Vorstellungen die Betroffenen gekommen sind – und wie sie später auf die deutsche Gesellschaft und die Möglichkeiten, die sie ihnen bietet oder auch nicht bietet, blicken. Auch das bundesweite Lagebild zur Kriminalität im Kontext von Zuwanderung hilft hier nicht viel weiter.

Einsamkeit oder Isolation sei grundsätzlich ein Faktor, sagt der Kriminologe Rafael Behr. Beides könne sowohl kriminelle Energie, die in der Sozialisation des Täters begründet sei, verstärken als auch psychische Probleme. Zudem sei bei Menschen, die nicht in ein familiäres Umfeld oder einen Freundeskreis eingebunden seien, das Risiko höher, dass psychische Erkrankungen unentdeckt blieben.

«Integration funktioniert nie hundertprozentig»

Womöglich sei nach der sogenannten Flüchtlingswelle von 2015 aber auch die Chance verpasst worden, ausreichende Ressourcen für Integrationsmaßnahmen zu mobilisieren, anstatt das Geld für mehr Polizei auszugeben. Gleichzeitig müsse allen klar sein: «Integration funktioniert nie hundertprozentig», sagt Behr. «Ein paar Randständige wird es immer geben.»

Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer kommentiert auf seiner Facebook-Seite den Angriff im Zug mit den Worten: «Wer zur Gefahr für ein Land wird, das Hilfe gegen Gefahr leistet, darf nicht bleiben.» Doch in der Praxis ist das oft nicht umzusetzen. Da gibt es Staaten wie Syrien, in die schon seit Jahren niemand mehr abgeschoben werden kann. Bei Staatenlosen ist die Situation besonders kompliziert.

Bei den Behörden in Nordrhein-Westfalen, wo der Angreifer aus Brokstedt zunächst gewohnt hatte, gab der Festgenommene an, er stamme aus dem Gazastreifen. «Rückführungen in die palästinensischen Autonomiegebiete waren in der Vergangenheit sehr selten», teilt ein Sprecher des Bundesinnenministeriums auf Anfrage mit. Und: «Rückführungsmöglichkeiten sind vor dem Hintergrund der Komplexität vorab genau zu prüfen.»

Dem Messerangreifer aus dem Regionalzug war 2017 subsidiärer Schutz gewährt worden – jener Schutz also, der greift, wenn weder der Flüchtlingsschutz noch die Asylberechtigung gewährt werden kann und dem Menschen im Herkunftsland ernsthafter Schaden droht. 2021 war ein Verfahren auf Widerruf des subsidiären Schutzes eingeleitet worden. Ob der Grund für dieses Verfahren das umfangreiche Strafregister des 33-Jährigen war, teilten die Behörden in Schleswig-Holstein bislang nicht mit.

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Wüst: Integrationsprobleme nicht nur bei Migranten

Düsseldorf (dpa) – Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sieht Integrationsprobleme in Deutschland nicht auf Menschen mit Migrationshintergrund beschränkt. Das Phänomen der Respektlosigkeit von Kindern gegenüber Lehrkräften sei zum Beispiel nicht nur auf einen Personenkreis begrenzt, sagte Wüst am Dienstag in Düsseldorf. Weiterlesen

Merz nach Pascha-Aussage in der Kritik

Berlin (dpa) – CDU-Chef Friedrich Merz hat mit einer Aussage über Migrantenkinder und deren Gehorsam gegenüber Lehrerinnen und Lehrern für Aufregung gesorgt. Im Kontext der Krawalle in der Silvesternacht hatte Merz in der ZDF-Sendung <<Markus Lanz>> über den Umgang mit Lehrerinnen und Lehrern gesagt: «Und dann wollen sie diese Kinder zur Ordnung rufen und die Folge ist, dass die Väter in den Schulen erscheinen und sich das verbitten. Insbesondere, wenn es sich um Lehrerinnen handelt, dass sie ihre Söhne, die kleinen Paschas, da mal etwas zurechtweisen.»

Mit dem Begriff «Pascha» werden umgangssprachlich besonders Männer bezeichnet, die sich wie selbstverständlich von einer Frau bedienen lassen. Weiterlesen

Sicht auf Einwanderung und Integration wird positiver

Berlin (dpa) – Die Haltung zu Fragen rund um Einwanderung und Integration in Deutschland fällt positiver aus als in den vergangenen Jahren. Das geht aus einer Untersuchung hervor, die der Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) am Mittwoch in Berlin vorstellte.

Angesichts der jüngsten Herausforderungen sei das nicht unbedingt zu erwarten gewesen, erklärte die SVR-Vorsitzende Petra Bendel anlässlich der Vorstellung der Ergebnisse des SVR-Integrationsbarometers 2022. «Die Corona-Pandemie, aber auch die Folgen des Ukraine-Kriegs mit erneuten Fluchtbewegungen sowie die Energieversorgungs- und -preiskrise haben den Daten zufolge keinen erkennbaren negativen Einfluss auf das Zusammenleben im Einwanderungsland Deutschland.» Weiterlesen

Sicht auf Einwanderung und Integration verbessert

Die Haltung zu Fragen rund um Einwanderung und Integration in Deutschland fällt positiver aus als in den vergangenen Jahren. Das geht aus einer Untersuchung hervor, die der Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) am Mittwoch in Berlin vorstellte. Angesichts der jüngsten Herausforderungen sei das nicht unbedingt zu erwarten gewesen, erklärte die SVR-Vorsitzende Petra Bendel anlässlich der Vorstellung der Ergebnisse des SVR-Integrationsbarometers 2022. «Die Corona-Pandemie, aber auch die Folgen des Ukraine-Kriegs mit erneuten Fluchtbewegungen sowie die Energieversorgungs- und -preiskrise haben den Daten zufolge keinen erkennbaren negativen Einfluss auf das Zusammenleben im Einwanderungsland Deutschland.» Weiterlesen

Kritik an Reform des Staatsbürgerschaftsrechts

Berlin (dpa) – Nach der Kritik am Regierungsvorhaben einer beschleunigten Einbürgerung stoßen auch erste Pläne für die erleichterte Fachkräftezuwanderung bei der Opposition auf Vorbehalte. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), warnte in Berlin davor, «dass man flächendeckend mit dem deutschen Pass um sich wirft». Dem angepeilten Punktesystem für eine vereinfachte Fachkräftezuwanderung erteilte er ebenfalls eine Absage.

An diesem Mittwoch will das rot-grün-gelbe Bundeskabinett ein Eckpunktepapier verabschieden. Es formuliert Maßnahmen, um den Fachkräftemangel verstärkt durch Zuwanderung aus dem Ausland bekämpfen zu können. Anerkannte Fachkräfte mit einem gültigen Arbeitsvertrag sollen einfacher als bisher nach Deutschland kommen können. Auf der Basis eines Punktesystems sollen zudem auch Fachkräfte ohne Arbeitsvertrag einreisen dürfen, wenn sie bei bestimmten Auswahlkriterien wie Sprachkenntnissen oder Berufserfahrung besonders gut abschneiden. Weiterlesen

«Wirtschaftsweise» und Verband für schnellere Einbürgerungen

Berlin (dpa) – Die Vorsitzende der «Wirtschaftsweisen», Monika Schnitzer, hat sich hinter die von der Bundesregierung geplante Reform des Staatsbürgerschaftsrechts gestellt. Eine erleichterte Einbürgerung stärke die Integration der in Deutschland lebenden und arbeitenden Ausländerinnen und Ausländer, sagte die Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung den Zeitungen der Funke Mediengruppe. «Angesichts des demografischen Wandels und des steigenden Fachkräfte- und Arbeitskräftemangels ist das unbedingt zu begrüßen.»

Auch der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) befürwortete die Pläne. Der Abbau bürokratischer Hürden bei der Einbürgerung von Softwareingenieuren und Pflegekräften könne sich langfristig als wichtiger Standortvorteil für Deutschland erweisen, sagte Bundesgeschäftsführer Markus Jerger dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die Opposition bekräftigte derweil ihre Kritik an dem Vorhaben. Weiterlesen

Kritik an Ampel-Plan für schnellere Asylverfahren

Berlin (dpa) – Asylbewerber sollen künftig nicht mehr jahrelang auf die endgültige Entscheidung über ihr Schutzersuchen warten müssen – das ist das erklärte Ziel der Bundesregierung. Doch darüber, wie dieses Ziel am besten erreicht werden kann, gibt es durchaus geteilte Meinungen.

Der frühere Verwaltungsrichter Wolfgang Bartsch hält die Pläne der Ampel-Koalition für eine Beschleunigung von Asylverfahren für unausgegoren. Vor allem die in ihrem Gesetzentwurf enthaltene Idee, Asylklageverfahren dadurch zu verkürzen, dass das Bundesverwaltungsgericht künftig Entscheidungen zu bestimmten Herkunftsländern und Gefährdungsgründen treffen dürfen soll, werde nicht den gewünschten Effekt haben. Das sagte der frühere Präsident des Verwaltungsgerichts Braunschweig der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Bisher steigt das Gericht in Leipzig nicht so tief in die Inhalte der Asylklagen ein. Die Koalitionäre erhoffen sich von der geplanten Regelung eine Vereinheitlichung der Rechtsprechung. Weiterlesen

Ukraine-Flüchtlinge: Integrationsbeauftragte zufrieden

Berlin (dpa) – Die Aufnahme und Integration der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine hat aus Sicht der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung bislang gut funktioniert und sollte deshalb als Vorbild dienen.

Die SPD-Politikerin Reem Alabali-Radovan sagte der Deutschen Presse-Agentur, mit sofortigem Zugang zu Arbeitsmarkt und Integrationskurs sowie mit Leistungen aus einer Hand von den Jobcentern sei das Ankommen insgesamt gut gelungen. «Das muss Blaupause für unsere Migrations- und Integrationspolitik sein, damit wir ein Einwanderungs- und Integrationsland auf der Höhe der Zeit sind.» Weiterlesen

Berlin: Kaum noch freie Plätze für Flüchtlinge

Berlin (dpa) – Die zuletzt ohnehin angespannte Situation bei der Unterbringung von Flüchtlingen in Berlin hat sich dramatisch zugespitzt. Weil nur noch wenige Plätze zu Verfügung stehen, soll nun ein Notfallplan in Kraft gesetzt werden, wie Integrationssenatorin Katja Kipping (Linke) heute der Deutschen Presse-Agentur sagte.

Geplant sei unter anderem, ein großes Zelt mit rund 900 Schlafplätzen zu öffnen, das bislang als Reserve auf dem Gelände des Ukraine- Ankunftszentrums in Tegel steht. Geprüft werde auch die Anmietung von Übernachtungsplätzen in Hostels oder die Aufstellung weiterer Zelte. Weiterlesen

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