Warnstreiks? Bahn und Gewerkschaft ringen um Tarifvertrag

Von Christine Schultze und Fabian Nitschmann, dpa

Fulda/Berlin (dpa) – Warnstreiks bei der Post, in Kitas und an Flughäfen – und bald auch bei der Deutschen Bahn? Zum Start der Tarifverhandlungen für die rund 180.000 Beschäftigten am (heutigen) Dienstag wachsen die Sorgen vor möglichen Warnstreiks mit Verspätungen und Zugausfällen für Pendler und Bahn-Reisende.

Die Gewerkschaft EVG und die Deutsche Bahn sowie 50 weitere Branchenunternehmen verhandeln in Fulda über neue Tarifverträge. Erwartet wird ein hartes Ringen mit Eskalationspotenzial. Angesichts von Inflation, Energiekrise und Personalmangel verlangt die EVG kräftige Einkommenserhöhungen und will schon in der ersten Runde ein Angebot von dem Konzern sehen. Dass die Deutsche Bahn eines vorlegt, ist unwahrscheinlich.

Welche Forderungen stellt die EVG?

Mindestens 650 Euro will die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft für die rund 180.000 Beschäftigten durchsetzen. Die unteren Einkommensgruppen sollen überproportional gestärkt werden, daher hat sich die Gewerkschaft für eine Forderung mit Festbetrag entschieden.

Bei den höheren Entgelten will die Gewerkschaft eigenen Angaben zufolge eine Steigerung um zwölf Prozent erreichen. Für die Nachwuchskräfte fordert die EVG 325 Euro. Die Laufzeit soll zwölf Monate betragen. Nach EVG-Einschätzung profitierten gut 90 Prozent der Beschäftigten eher von einer Erhöhung um 650 Euro, nur für die oberen rund zehn Prozent ist die prozentuale Forderung relevant.

Es ist die bisher höchste prozentuale Forderung der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft und auch für die beiden Gewerkschaften Transnet und GDBA, aus deren Zusammenschluss die EVG 2010 hervorgegangen war. Wie für die Deutsche Bahn soll sie auch für alle anderen Unternehmen gelten, für die die EVG verhandelt.

Wie begründet die Gewerkschaft ihre Forderungen?

Eine historisch hohe Inflation und gestiegene Energiepreise, die die Einkommen der Beschäftigten deutlich schmälern, die Folgen der Pandemie mit Maskenkontrollen und zahlreichen Krankheitsfällen, zunehmende Übergriffe auf Bahnmitarbeiter – aus EVG-Sicht müssen die Beschäftigten immer höhere Belastungen schultern und haben sich deshalb einen deutlichen Einkommenszuschlag verdient. Sonst drohe eine weitere Abwanderung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, mahnte EVG-Tarifvorstand Kristian Loroch kürzlich in Fulda.

Beim Thema Fachkräfte steuere man in eine «Totalkatastrophe» – und das, obwohl die Bahn in diesem Jahr unter dem Strich eigentlich 9000 Beschäftigte hinzugewinnen will.

Wie hat die Deutsche Bahn reagiert?

Die Bahn betonte zuletzt ebenfalls, dass sie mit sehr schwierigen Tarifgesprächen rechne. Die Gewerkschaft habe 57 Forderungen gestellt, die im Schnitt 25 Prozent mehr Lohn für die Beschäftigten bedeuteten, hieß es am Freitag aus Kreisen des Konzerns. Neben mehr Geld seien auch zahlreiche strukturelle Themen aufgeworfen worden, etwa Höhergruppierungen und Neueingruppierungen oder eine Angleichung regionalisierter Tarifverträge auf das jeweils höchste Niveau. Insgesamt handele es sich um einen hochkomplexen Forderungskatalog.

Im Schnitt bedeute allein die Lohnforderung eine Steigerung von 18 Prozent, in einzelnen Bereichen um mehr als 30 Prozent, hieß es aus DB-Kreisen. «Wir setzen auf Verhandlungen, aber unsere Spielräume sind begrenzt», sagte Fernverkehrsvorstand Michael Peterson dem «Tagesspiegel» (Montag).

Die nicht-bundeseigenen Bahnunternehmen hätten derweil mit einem Aufruf zur Mäßigung auf die Forderungen reagiert und das Argument der Inflation abgewiegelt, verlautete aus Gewerkschaftskreisen. Man sehe sich an Verträge gebunden, die Steigerungen in dieser Höhe nicht vorsähen und die man nicht bezahlen könne. Die Gewerkschaft will dies nicht gelten lassen – dann müssten die Unternehmen eben auf die Aufgabenträger zugehen und diese in die Pflicht nehmen, hieß es.

Wann könnte es zu Warnstreiks kommen?

Die EVG hat bereits zum Beschluss ihrer Tarifforderungen deutlich gemacht, dass sie Aktionen schon früh in Betracht zieht. Auch am Montag rief sie die Deutsche Bahn erneut zu einem Angebot und zu konkreten Gesprächen über ihre Forderungen bereits in der ersten Runde auf. «Das ist unsere Erwartungshaltung, dass wir in die Inhalte tatsächlich einsteigen mit einem Angebot», sagte EVG-Verhandlungsführerin Cosima Ingenschay.

«Wenn das nicht passiert, dann gucken wir uns an, wie das bei den anderen Unternehmen aussieht, und dann werden wir einen Strich drunter setzen und eben entscheiden, wie wir die Lage einschätzen, ob das schon einen Warnstreik zum Beispiel notwendig macht oder nicht», sagte Ingenschay. Dabei könnte sich die EVG auch mit der Gewerkschaft Verdi abstimmen, die derzeit unter anderem in Tarifverhandlungen für die rund 2,5 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst beim Bund und den Kommunen steht.

Vor welchen Herausforderungen steht die Deutsche Bahn?

Das bundeseigene Unternehmen transportiert immer mehr Menschen auf einem Streckennetz, das viele Jahre vernachlässigt wurde – und inzwischen sehr anfällig ist. Für die Fahrgäste am deutlichsten wird das derzeit in der Pünktlichkeit, die im Fernverkehr 2022 bei gerade 65 Prozent lag. Der Sanierungsbedarf ist riesig und soll in den kommenden Jahren mit Generalsanierungen auf besonders wichtigen Strecken angegangen werden – was viel Geld kosten wird.

Die DB-Vertreter werden also absehbar darauf setzen, dass nicht auch noch die Personalkosten durch einen allzu hohen Tarifabschluss in die Höhe springen. Aus Sicht der Gewerkschaft lassen sich Personal- und Infrastrukturkosten aber nicht miteinander vermischen. So kämen die Gelder für die Sanierung aus anderen Töpfen, etwa vom Bund.

Klar ist, dass die Bahn attraktiv bleiben muss für neue Mitarbeiter angesichts des Fachkräftemangels. «Die Mitarbeiter haben einen tollen Job gemacht, wir sind gut miteinander durch die Krise gekommen. Da ist von unserer Seite klar, dass wir das auch anerkennen wollen», sagte Personalvorstand Seiler im Januar. «Wir müssen da eine gute Balance finden zwischen kurzfristiger Anerkennung und dem, was wir auch langfristig leisten können, ohne dass wir die Mobilitätswende in irgendeiner Form belasten.»

Warum will die EVG mit so vielen Unternehmen gleichzeitig verhandeln und wie soll das ablaufen?

Nach eigenen Angaben will die EVG für einheitliche Tarifbedingungen in der Branche sorgen und dafür auch die größere Schlagkraft durch die Bündelung von Forderung und Verhandlungen nutzen. Das dürften die Unternehmen, aber auch die Fahrgäste nicht zuletzt bei möglichen Arbeitskampfmaßnahmen zu spüren bekommen.

Die Gewerkschaft erwartet, dass die kleineren Bahnunternehmen dem Branchenführer DB AG folgen. «Gemeinsam geht mehr», lautet dazu passend das Motto der Tarifrunde. Nach dem Start mit der DB am 28. Februar soll mit jedem einzelnen der anderen rund 50 Branchenunternehmen gesprochen werden – was voraussichtlich bis Ende März dauern wird, bevor es in die zweite Runde geht.

Wie steht es um die zweite Bahner-Gewerkschaft, die GDL?

Die Lokführergewerkschaft mit ihrem Bundesvorsitzenden Claus Weselsky wird im Herbst mit der Bahn in Tarifverhandlungen gehen. Die GDL ist deutlich schwächer innerhalb der DB vertreten als die EVG, hat sich in der Vergangenheit aber immer wieder als sehr streikbereit präsentiert. Streiks der GDL wurden öffentlich zuletzt als wirksamer und dramatischer für die Fahrgäste wahrgenommen.

Der Grund: Ohne Lokführer kann keine Bahn fahren. Sollte sich die EVG zu Warnstreiks entscheiden, könnte die Durchschlagskraft aber sogar deutlich höher sein, da je nach Ausmaß dann entscheidende Posten in der Infrastruktur, etwa in einem Stellwerk, betroffen sein könnten.

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Wissing stemmt sich gegen geplantes Verbrenner-Aus in EU

Berlin (dpa) – Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) droht, dem ab 2035 in der Europäischen Union geplanten Aus für Neuwagen mit Verbrennungsmotor nicht zuzustimmen. Die Nutzung von synthetischen Kraftstoffen (E-Fuels) für Autos müsse nach 2035 möglich sein, sagte Wissing der «Bild»-Zeitung (Dienstag).

«Vor dem Hintergrund der enormen Bestandsflotte an Pkw, die wir alleine in Deutschland haben, kann es für die FDP nur einen Kompromiss bei den Flottengrenzwerten geben, wenn auch der Einsatz von E-Fuels möglich wird», bekräftigte Wissing. Sonst könne Deutschland bei den anstehenden Abstimmungen nicht zustimmen. Weiterlesen

Warnstreik an größten NRW-Flughäfen beendet

Düsseldorf/Köln (dpa) – Nach einem 24-stündigen Warnstreik sind die Flughäfen Düsseldorf sowie Köln/Bonn am Dienstagmorgen wieder in den Normalbetrieb zurückgekehrt. Am Flughafen Düsseldorf habe man den Streik gegen 3.00 Uhr beendet, sagte Verdi-Sprecher Peter Büddicker. Mit weiteren Einschränkungen für Passagiere rechne er nicht. Weiterlesen

VW hält an umstrittenen Werk im Westen Chinas fest

Peking/Wolfsburg (dpa) – Der Volkswagen-Konzern will auch nach einem Besuch seines China-Vorstands Ralf Brandstätter in dem umstrittenen Werk in der Region Xinjiang an dem Standort festhalten. «Natürlich kennen wir die kritischen Berichte, wir nehmen das sehr ernst», sagte der Manager zu Darstellungen, denen zufolge es in der Westprovinz eine systematische Unterdrückung der muslimischen Uiguren geben soll. «Aber wir haben keine Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen in diesem Werk – das hat sich nach meinem Besuch nicht geändert.»

Brandstätter war Mitte Februar für zwei Tage in die Stadt Ürümqi gereist, um sich in der örtlichen Fabrik umzusehen. «Ich habe keine Widersprüche festgestellt», meinte Volkswagens China-Chef. «Ich habe keinen Grund, an den Informationen und meinen Eindrücken zu zweifeln. Ungeachtet dessen schauen wir natürlich trotzdem weiter hin.» Weiterlesen

Deutsche Bauern halten Mercosur-Abkommen für bedrohlich

Düsseldorf (dpa) – Der Deutsche Bauernverband ist besorgt über die Folgen, die das geplante Handelsabkommen der EU mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten haben könnte. «Die deutsche Landwirtschaft wäre vor allem durch zusätzlichen Importdruck bei Fleisch und Zucker betroffen. Das Mercosur-Abkommen ist für die Bauern mit Schweine-, Geflügel- und Rinderhaltung eine große Bedrohung», sagte Bauernpräsident Joachim Rukwied der «Rheinischen Post». Weiterlesen

Zügige Einigung auf Kindergrundsicherung gefordert

Berlin (dpa) – Der Paritätische Gesamtverband warnt Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) davor, die geplante Kindergrundsicherung scheitern zu lassen.

«Es wäre verwerflich, den Kampf gegen Kinderarmut gegen Rüstung auszuspielen», sagte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider der «Stuttgarter Zeitung» und den «Stuttgarter Nachrichten» mit Blick auf Forderungen nach mehr Militärausgaben. «Es führt kein Weg an der Kindergrundsicherung vorbei. Und es ist Aufgabe des Finanzministers, die Mittel dafür zu besorgen.»

Vorgesehen ist, Leistungen vom Kindergeld über den Kinderzuschlag bis zur finanziellen Unterstützung für Klassenfahrten und Freizeit zu bündeln. Viele Familien beantragen Leistungen bislang nicht – wegen Unkenntnis oder bürokratischer Hürden. Familien und ihre Kinder sollen ab 2025 von der Grundsicherung profitieren. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) hat ein Konzept vorgelegt, dessen Umsetzung etwa zwölf Milliarden Euro kosten würde. Weiterlesen

Patientenschützer kritisieren Wegfall von Corona-Regeln

Berlin (dpa) – Vor dem Wegfall weiterer staatlicher Corona-Beschränkungen am 1. März kommt Kritik von der Deutschen Stiftung Patientenschutz. «Absurd ist, dass Besucher in Pflegeheimen und Kliniken eine Maske tragen müssen, das Personal aber nicht», sagte Vorstand Eugen Brysch den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Wieder einmal täten Bundesregierung und Gesundheitsminister so, als wären Angehörige die größte Infektionsgefahr für Pflegebedürftige und Patienten. «Doch seit Beginn der Pandemie schleppen auch medizinisch-pflegerische Mitarbeiter das Virus in die Einrichtungen.» Weiterlesen

Gutachter: Angeklagter in Dreifachmord-Prozess voll schuldfähig

Der Angeklagte im Prozess um den dreifachen Mord in Rövershagen nahe Rostock ist nach Ansicht eines psychiatrischen Gutachters voll schuldfähig. Er habe bei dem Angeklagten keine Merkmale für eine Schuldminderung oder die Aufhebung der Schuldfähigkeit feststellen können, sagte Stefan Orlob am Montag vor dem Landgericht Rostock. Der Angeklagte leide weder an einer Psychose, noch an einer Depression, so der Sachverständige weiter. Orlob betonte jedoch, dass er den Angeklagten nicht in einem persönlichen Gespräch habe befragen können. Weiterlesen

Winterliches Wetter mit viel Sonne zum Frühlingsanfang

Offenbach (dpa) – Hoch «Hazal» sorgt zum meteorologischen Frühlingsanfang für ruhiges und sonniges, aber auch winterliches Wetter in Deutschland. «Eine sehr ruhige Phase des (Spät-)Winters steht uns bevor – die sogar bis weit in die zweite Hälfte der kommenden Woche andauert und somit bis in den Beginn des meteorologischen Frühlings, der ja am 1. März Einzug hält», erklärte Martin Jonas vom Deutschen Wetterdienst (DWD) am Montag in Offenbach. Und: «Es ist der Jahreszeit entsprechend durchaus winterlich mit leichtem bis mäßigem Frost in den Nächten.»

Am Dienstag soll sich der Himmel überwiegend sonnig zeigen, dabei bleibt es trocken. Die Temperaturen steigen laut Vorhersage auf 0 bis 8 Grad. Im Südwesten und in höheren Mittelgebirgslagen kann zeitweise stark böig auffrischender Nordostwind mit einzelnen steifen Böen aufziehen. In der Nacht zum Mittwoch bleibt es demnach niederschlagsfrei bei Tiefstwerten von minus 1 bis minus 7 Grad. Weiterlesen

Regierung setzt konzertierte Aktion aus

Berlin (dpa) – Die Bundesregierung setzt die wegen der hohen Inflation begründete konzertierte Aktion mit Gewerkschaften und Arbeitgebern aus. Angesichts der verbesserten Lage werde ein für März angesetztes Treffen nicht stattfinden, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner am Montag in Berlin. «Die beschlossenen Maßnahmen wirken.» Zuvor hatte das «Handelsblatt» darüber berichtet.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte den Austausch mit den Sozialpartnern sowie Vertreterinnen und Vertretern von Wissenschaft und Bundesbank im vergangenen Sommer aufgenommen. Beraten werden sollten Wege gegen die hohen Preissteigerungen. Die Spitzenrunde kam drei Mal zusammen, zuletzt im Oktober. Büchner verwies auf die daraufhin beschlossene Gas- und Strompreisbremse und die Inflationsausgleichsprämie. «Sie ist mittlerweile Teil einer Vielzahl von Tarifabschlüssen.» Dabei können Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ihren Beschäftigten steuer- und abgabenfrei einen Betrag bis zu 3000 Euro gewähren. Weiterlesen

Regierung setzt konzertierte Aktion aus

Heftige Preissteigerungen setzte die Regierung im vergangenen Jahr unter Handlungsdruck. Sie reagierte unter anderem mit einem Instrument, das viele nur aus den Geschichtsbüchern kannten. Nun soll damit Schluss sein – vorerst.

Die Bundesregierung setzt die wegen der hohen Inflation begründete konzertierte Aktion mit Gewerkschaften und Arbeitgebern aus. Angesichts der verbesserten Lage werde ein für März angesetztes Treffen nicht stattfinden, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner am Montag in Berlin. «Die beschlossenen Maßnahmen wirken.» Zuvor hatte das «Handelsblatt» darüber berichtet. Weiterlesen

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