Ex-Audi-Chef Stadler wegen Betrugs verurteilt

München (dpa). Das Landgericht München hat den ehemaligen Audi-Chef Rupert Stadler zu einem Jahr und neun Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Die Kammer sprach ihn nach 171 Verhandlungstagen des Betrugs schuldig.

Auch die beiden Mitangeklagten – der frühere Chef der Motorentwicklung und spätere Porsche-Vorstand Wolfgang Hatz sowie der Ingenieur P. – erhielten Bewährungsstrafen wegen Betrugs. Es sind die ersten strafrechtlichen Urteile in Deutschland im 2015 aufgedeckten Diesel-Skandal, der die ganze Branche erschüttert und Milliardenschäden verursacht hat.

Die Staatsanwaltschaft hatte den Bewährungsstrafen für Stadler und P. im Rahmen einer Verständigung bereits zugestimmt und nur im Fall von Hatz eine Gefängnisstrafe ohne Bewährung gefordert. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig.

Die Strafen im Detail

Hatz wurde von der Kammer um den Vorsitzenden Richter Stefan Weickert zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt, P. zu einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung. Zudem müssen alle drei Angeklagten hohe Bewährungsauflagen an die Landesjustizkasse Bamberg sowie an verschiedene gemeinnützige Vereine zahlen: Stadler 1,1 Millionen Euro, Hatz 400.000 und P. 50.000 Euro.

Sie müssen auch die Kosten des Verfahrens in Millionenhöhe tragen. Das Verfahren gegen einen vierten Angeklagten, der als Kronzeuge früh gestanden hatte, wurde bereits im April gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt.

Stadler ist als ehemaliger Audi-Chef zwar der prominenteste der drei Verurteilten, die Vorwürfe gegen Hatz und P. wiegen allerdings schwerer: Nach eigenem Geständnis hatten sie dafür gesorgt, dass die großen Dieselmotoren die Grenzwerte zwar auf dem Prüfstand einhalten, nicht aber auf der Straße.

Ziel war es, sich den nachträglichen Einbau größerer Adblue-Tanks für die Abgasreinigung zu sparen, nachdem sich die Techniker des Konzerns verrechnet hatten. Abteilungsleiter P. soll damals von seinen Mitarbeitern «intelligente Lösungen» gefordert haben, um die kaum erfüllbaren Erwartungen von oben zu erfüllen.

Staatsanwaltschaft zufrieden

Die Staatsanwaltschaft ist mit dem Bewährungsurteil gegen Ex-Audi-Chef Stadler «sehr zufrieden». Das Gericht habe sich im Rahmen der im Prozessverlauf getroffenen Verständigung bewegt und sei «nur wenige Monate» vom Antrag der Staatsanwaltschaft abgewichen, sagte Sprecherin Andrea Grape kurz nach Urteilsverkündung.

Beim zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilten ehemaligen Chef der Motorentwicklung Wolfgang Hatz ist die Abweichung größer: Hier hatte die Staatsanwaltschaft eine Haftstrafe von drei Jahren und zwei Monaten gefordert. Sie will deswegen die Urteilsbegründung prüfen, bevor sie über Rechtsmittel entscheidet.

Stadler bleibt frei

Stadler hatte jahrelang seine Unschuld beteuert. Erst nach dem Hinweis des Gerichts auf eine drohende Gefängnisstrafe gestand der 60-Jährige im Mai, nach dem Auffliegen des Skandals 2015 in den USA den Verkauf von Autos mit manipulierten Abgaswerten in Deutschland viel zu spät gestoppt zu haben: Angesichts der Hinweise auf Tricksereien auch bei den europäischen Modellen hätte er als Vorstandschef sorgfältiger sein, für Aufklärung sorgen und eingreifen müssen.

Nun ist er zwar als Betrüger verurteilt, kann aber das Gericht als freier Mann verlassen. Die Haftbefehle gegen alle drei Angeklagten, die bisher unter Auflagen außer Vollzug waren, wurden aufgehoben.

Stadler war 2007 Chef der Ingolstadter VW-Tochter geworden, als Nachfolger von Martin Winterkorn, der damals an die Konzernspitze wechselte. Unter Stadlers Führung hatte Audi Umsatz und Betriebsgewinn verdoppelt und Mercedes bei den Verkaufszahlen überholt.

Die US-Behörden hatten Ende 2015 die Tricksereien bei VW-Dieselmotoren, wenig später auch bei großen Audi-Dieselmotoren bei den Modellen für den US-Markt aufgedeckt. Trotz zunehmender Hinweise auf Manipulationen auch bei den in Europa verkauften Modellen ließ Stadler den Verkauf hier aber bis Ende 2017 weiterlaufen. Ab Juni 2018 saß er wegen Verdunkelungsgefahr in Untersuchungshaft – vier Monate lang, bis zu seinem Rücktritt als Audi-Chef und VW-Vorstandsmitglied. An den Volkswagen-Konzern hat er inzwischen 4,1 Millionen Euro Schadenersatz wegen Pflichtverletzung gezahlt.

Staatsanwalt Nico Petzka sieht die drei Angeklagten nicht als die Hauptverantwortlichen für den Dieselskandal. Es sei zweifelhaft, ob es überhaupt den oder die Hauptverantwortlichen geben könne, «wenn im Unternehmen so viele Beteiligte in die falsche Richtung laufen», hatte er in seinem Schlussplädoyer gesagt.

Ähnliche Fälle

In Braunschweig stehen seit September 2021 vier frühere Topmanager des Volkswagen-Konzerns wegen möglichen Betrugs in der Dieselaffäre vor Gericht. Das Verfahren gegen Winterkorn liegt krankheitsbedingt auf Eis.

Die Münchner Staatsanwaltschaft hat schon 2020 vier weitere ehemalige Audi-Manager angeklagt – drei ehemalige Vorstandskollegen Stadlers und den langjährigen Leiter der Hauptabteilung Dieselmotoren bei Audi. Ob und wann dieser Prozess beginnt, ist noch offen. Er könnte vor derselben Kammer von Richter Weickert stattfinden. Gegen neun weitere Beschuldigte ermittelt die Münchner Staatsanwaltschaft noch.

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