Ende der Ahrtal-Ermittlungen: Hinterbliebene wehren sich

Nahaufnahme von Ralph Orth. Hinterbliebener der Ahrtal-Flut.

Koblenz. Die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen zur tödlichen Flutkatastrophe im Ahrtal eingestellt, doch die Hinterbliebenen wollen das nicht akzeptieren. In zwei Fällen habe er Beschwerde gegen die Entscheidung eingelegt, sagte der Anwalt einiger Hinterbliebener, Christian Hecken. Er vertritt unter anderem die Familie Orth, deren Tochter Johanna bei der Flut starb, und Werner Minwegen, der beide Eltern verlor. Die Beschwerde für diese beiden Fälle sei am Montag eingelegt worden, hieß es.

Was geschah bisher?

Nahaufnahme von Ralph Orth. Hinterbliebener der Ahrtal-Flut.
Ralph Orth, Vater eines Opfers, spricht zu den Ermittlungsergebnissen der Staatsanwaltschaft. Foto: Thomas Frey/dpa/Archivbild

Die Staatsanwaltschaft Koblenz hatte am Donnerstag verkündet, die Ermittlungen zur Flutkatastrophe 2021 einzustellen. Zuvor hatte sie gegen den Ex-Landrat Jürgen Pföhler (CDU) und einen Mitarbeiter des Krisenstabs unter anderem wegen der fahrlässigen Tötung durch Unterlassen ermittelt.

Die Behörde kam nach umfangreichen Ermittlungen unter anderem zu dem Schluss, dass es sich um eine außergewöhnliche Naturkatastrophe gehandelt habe, deren extremes Ausmaß für die Verantwortlichen des Landkreises Ahrweiler nicht konkret vorhersehbar gewesen sei. Es gebe keinen hinreichenden Tatverdacht gegen die beiden. Damals kamen in Rheinland-Pfalz 136 Menschen ums Leben, Tausende Häuser wurden zerstört, Straßen und Brücken weggespült. Ein Mensch gilt weiterhin als vermisst.

Wie geht es nun weiter?

Rechtlich gibt es klare Vorgaben: Die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz muss nun über die Beschwerde der Hinterbliebenen entscheiden. Eine solche Beschwerde könne an zwei Punkten ansetzen, erklärte der Professor für Strafrecht an der Universität Düsseldorf, Till Zimmermann, der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag. „Man kann zum einen sagen, die Fakten sind nicht richtig bewertet worden oder die Fakten sind nicht richtig gesammelt worden.“ Das sei etwa der Fall, wenn ein Zeuge übersehen oder ein Gutachter ignoriert worden sei. „Und eine andere Möglichkeit wäre, dass man sagt, die rechtliche Würdigung ist falsch. Dass man sagt, ihr habt das vielleicht richtig ermittelt, aber ihr habt die falschen rechtlichen Schlüsse daraus gezogen“, sagte der Strafrechtsprofessor.

Lehnt die Generalstaatsanwaltschaft die Beschwerde ab, bleibt den Hinterbliebenen noch eine Möglichkeit. Sie können mit einem sogenannten Klageerzwingungsverfahren vor das Oberlandesgericht Koblenz ziehen.

Wie sind die Erfolgsaussichten der Beschwerde?

„Man kann es sicherlich auch anders sehen, als die Staatsanwaltschaft in Koblenz“, sagte Zimmermann zum Ermittlungsergebnis. Daher sei es auch nicht ausgeschlossen, dass es bei einer Beschwerde zu einem anderen Ergebnis komme. „Aber es ist schon relativ gründlich ermittelt worden.“ Generell hätten sogenannte Klageerzwingungsverfahren nur minimale Erfolgsaussichten, sagte der Strafrechtsexperte. „Erfolge sind verdammt selten.“

Die Straftaten, um die es in diesem Fall gehe, verjähren nach zehn Jahren, erklärte Zimmermann. Um das zu verhindern, müsse es innerhalb der zehn Jahre zumindest ein Urteil geben. „Wenn das nicht passiert, dann muss man sofort einstellen, egal, wie überzeugt man jetzt von der Schuld ist oder nicht.“

Was sagen die Betroffenen – und was die Politik?

Schon am Donnerstag war das Unverständnis bei den Menschen im Ahrtal und den Hinterbliebenen groß. Ralph Orth, dessen Tochter bei der Flut gestorben ist, hatte nach der Pressekonferenz der Staatsanwaltschaft gesagt: „Bis zuletzt haben wir gehofft, dass hier noch jemand für Recht und Ordnung sorgt. Das ist offensichtlich nicht geschehen.“

Sie sehen laut Hecken auch den rheinland-pfälzischen Justizminister Herbert Mertin (FDP) in der Verantwortung. Ihn hatten sie zuvor aufgefordert, die Pressekonferenz der Staatsanwaltschaft zu verhindern.

Am Dienstag stand das Thema auf der Tagesordnung des Rechtsausschusses im Landtag in Mainz. Dort erwarte man vom Justizminister „weitere Ausflüchte und Ausreden“, sagte Hecken. Mertin gab auf Nachfrage vor dem Ausschuss am Nachmittag kein Statement ab. Ein Sprecher teilte lediglich mit, dass es den Betroffenen auch nach Ansicht des Justizministers selbstverständlich freistehe, „alle zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe (…) vollumfänglich auszuschöpfen“. (dpa)

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