Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Kiew (dpa) – Die Ukraine will nach den Worten von Präsident Wolodymyr Selenskyj alle von Russland besetzten Landesteile in den Staatsverband zurückholen – einschließlich der Krim. Das betonte Selenskyj gestern zum Jahrestag der Besetzung der Schwarzmeer-Halbinsel durch russische Truppen.

An den Fronten im Osten der Ukraine bleibt die Lage indes statisch, während der Luftwaffenchef um weitere Waffen für die Flugabwehr bittet.

Selenskyj will Krim zurückholen

«Im Jahr 2014 begann die russische Aggression mit der Einnahme der Krim», sagte Selenskyj gestern in seiner allabendlichen Videoansprache. «Es ist logisch, dass wir mit der Befreiung der Krim allen Versuchen Russlands, das Leben der Ukrainer und aller Völker Europas und Asiens zu ruinieren, deren Unterwerfung der Kreml einst für sich in Anspruch nahm, ein historisches Ende setzen werden.»

Weiter sagte Selenskyj: «Heute, am 26. Februar, begehen wir den Tag des Widerstands gegen die Besetzung der Krim und Sewastopols.» Er rief die Medien des Landes dazu auf, verstärkt darauf hinzuweisen, «dass die Ukraine niemanden im Stich lässt, niemanden dem Feind überlässt». Zugleich gab sich Selenskyj zuversichtlich: «Das Völkerrecht wird sich hier durchsetzen, auf dem Boden der Ukraine: im Donbass, in Asow, in Cherson und auf der Krim.» Weiterlesen

Trauer und Zuversicht in Kiew – Z-Symbole in Moskau

Von Andreas Stein, Ulf Mauder und Hannah Wagner, dpa

Kiew/Moskau (dpa) – Vor der mittelalterlichen Sophien-Kathedrale steht Wolodymyr Selenskyj in seinem militärgrünen Outfit an diesem Morgen bei eisiger Kälte vor Hunderten Soldaten, als die ukrainische Hymne erklingt. Die blau-gelbe Fahne wird gehisst.

Andächtig und ohne Mütze würdigt der 45-Jährige die Verteidiger der Ukraine. Seit dem 24. Februar 2022 führt er das Land im Widerstand gegen den russischen Angriffskrieg. «Slawa Ukrajini!», ruft er: «Ruhm der Ukraine.» «Herojam slawa!» – «Ruhm den Helden» – ruft die Menge zurück.

Der Jahrestag des russischen Kriegsbeginns gegen die Ukraine ist bei den Angegriffenen ein Tag der Trauer über die vielen Toten. Er ist aber auch ein Tag der Zuversicht, dass die Ukraine am Ende siegt.

So sagt es auch Selenskyj schon vor dem gar nicht angekündigten Auftritt am frühen Morgen in Kiew: «Es war ein Jahr des Schmerzes, der Sorgen, des Glaubens und der Einheit.» Es sei vor einem Jahr eine Entscheidung gewesen für viele, sich dem Kampf zu stellen oder die Flucht zu ergreifen. «Widerstand und Kampf» ist auch Selenskyjs Wahl gewesen, obwohl in Moskau viele damit gerechnet hatten, er würde abhauen. «Wir wissen, dass 2023 das Jahr unseres Sieges sein wird», sagt Selenskyj nun.

Vor der Sophien-Kathedrale verleiht er nach einer Schweigeminute Orden. Die Soldaten knien vor Fahnen nieder, küssen den Stoff. Es sind kaum Zuschauer da, der Platz ist weiträumig abgesperrt, die Sicherheitsvorkehrungen sind extrem. Nicht oft ist Selenskyj so in aller Öffentlichkeit auf einem freien Platz zu sehen.

Ein paar Straßen weiter gehen die Hauptstädter heute ihrem Alltag nach, laufen mit Kaffeebechern in der Hand zur Arbeit. Es ist ein Tag ohne die befürchteten neuen russischen Raketen- oder Drohnenangriffe, ohne Luftalarm, der sonst eigentlich Alltag ist in Kiew. Als vor einem Jahr Kremlchef Wladimir Putin den Angriff auf die Ukraine befahl, versetzte das viele in der Hauptstadt in Panik. Zehntausende ergriffen die Flucht. Inzwischen sind viele zurückgekehrt.

Ein Jahr später macht sich aber am Jahrestag auch Trauer breit. In der Wolodymyr-Kathedrale – an dem im Sommer beschaulichen Botanischen Garten – verabschieden sich Soldaten in Uniform von ihrem Kameraden Jurij Storoschew. Der Soldat mit dem Kampfname Kruk (Krähe) diente in der «Ukrainischen Legion», bis er vor einer Woche im Osten des Landes getötet wurde.

«Er war der beste Mensch, den es auf der Welt geben kann. Er hat am Tag, als er starb, noch eine Stunde vor seinem Tod, selbst Verletzten geholfen. Er war seit den ersten Tagen an der Front», erzählt ein 39 Jahre alter Soldat unter Tränen. Er nennt sich Transit, kein echter Name. Er ist selbst verletzt am Knie. «Das ist nichts, es heilt. Dann gehe ich wieder an die Front.»

In der Kirche im byzantinischen Stil ist der Sarg aufgebahrt, mit der blau-gelben Staatsflagge bedeckt. Mehr als 100 Menschen sind gekommen, sie halten Kerzen am Sarg, während Priester und ein Kirchenchor ihnen mit herzzerreißenden Gesängen Beistand leisten. In seiner Predigt erinnert Erzpriester Bohdan Wajda daran, dass die Kirche die Menschen lehre, nach den Geboten Gottes zu leben. «Die Kirche kann Schandtaten und Mord nicht segnen», betont er. Doch zugleich sei dem Feind dank der ukrainischen Soldaten eins «auf die Fresse» gegeben und dieser weit weg gejagt worden.

Kurz danach knien die Soldaten am Sarg nieder, viele brechen in Tränen aus, Trauernde legen rote Rosen nieder. Jurij hinterlässt Frau und zwei Kinder, wie die Anwesenden erzählen.

Nationalismus und Kriegspropaganda in Moskau

In Moskau wird unterdessen demonstrativ Nationalismus zur Schau getragen – und eine ordentliche Portion Kriegspropaganda. Bereits seit Wochenbeginn inszeniert sich das Aggressorland als Opfer. In seiner Rede zur Lage der Nation warf Kremlchef Wladimir Putin dem Westen am Dienstag vor, «den Krieg losgetreten» zu haben. Am Mittwoch ehrte er russische Soldaten im Moskauer Luschniki-Stadion – und rief der Russlandfahnen schwenkenden Menge zu: «Hurra! Hurra! Hurra!» Am Donnerstag dann, dem «Tag der Vaterlandsverteidiger», sprach Putin von der Verteidigung «unserer historischen Gebiete».

Am selben Tag flanierten Hunderte Moskauer bei Sonnenschein und klirrend kalten Temperaturen um minus zehn Grad über den Roten Platz. Eltern fotografierten ihre Kinder vor Aufstellern mit den Buchstaben Z und V – den Unterstützungssymbolen für den Krieg. Männer posierten vor einem großen Schriftzug in den Farben der russischen Flagge: «My wmeste» – «Wir halten zusammen». Umfragen zeigen, dass die deutliche Mehrheit der Russen den noch immer als «militärische Spezialoperation» bezeichneten Krieg weiter unterstützt.

Am Jahrestag selbst ist die Sonne in Moskau verschwunden, dichte Wolken sind aufgezogen, feiner Schnee rieselt. Kritik am Krieg gegen die Ukraine kommt vor allem von ins Ausland geflohenen Russen, die die Strafen des repressiven Machtapparats ihrer Heimat nicht mehr fürchten müssen. Von «Schmerz» und «Scham» ist in ihren Social-Media-Beiträgen mit Blick auf die vielen Tausend Opfer in der Ukraine die Rede.

Nach Tausenden Festnahmen in den ersten Kriegswochen sowie im Herbst nach Beginn der Mobilmachung findet Protest in Russland mittlerweile nur noch im ganz Kleinen statt. Auf einer Grünfläche im Moskauer Stadtzentrum sind in den frühen Morgenstunden ein Grablicht und ein handgeschriebener Zettel aufgetaucht. Mit roter Schrift steht dort: «Ukraine, vergib’ uns.» Nach wenigen Stunden ist der Zettel weggeräumt und ein Polizeiauto am Ort aufgetaucht.

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London: Straße vor russischer Botschaft in Ukraine-Farben

London (dpa) – Aus Protest gegen den Krieg in der Ukraine haben Demonstranten am Donnerstag die Straße vor der russischen Botschaft in London in den Farben der ukrainischen Flagge eingefärbt. Auf Videos, die im Internet kursierten, war zu sehen, wie Menschen in Overalls mit Schubkarren gelbe und blaue Farbe verschütteten, die von anderen mit Besen verteilt wurden. Die Farbe wurde anschließend von vorbeifahrenden Autos großflächig verteilt.

Wie die Metropolitan Police mitteilte, wurden drei Männer und eine Frau wegen des Verdachts der Sachbeschädigung und der Störung des Straßenverkehrs festgenommen. Weiterlesen

Putin will Russlands Nuklearstreitkräfte weiter stärken

Moskau (dpa) – Inmitten zunehmender Konfrontation mit dem Westen will Russland laut Kremlchef Wladimir Putin die Entwicklung seiner Nuklearstreitkräfte weiter vorantreiben. «Der Stärkung der nuklearen Triade werden wir nach wie vor verstärkte Aufmerksamkeit widmen», sagte Putin in einer vom Kreml veröffentlichten Rede anlässlich des «Tags des Vaterlandsverteidigers», der in Russland heute gefeiert wird.

Der Staatschef stellte für dieses Jahr etwa erste Indienststellungen der neuen, mit Atomsprengköpfen bestückbaren Interkontinentalrakete vom Typ Sarmat in Aussicht. Ursprünglich war das allerdings schon für 2022 geplant. Weiterlesen

Nudeln auf Ohren bei Putin-Rede: Politiker drohen

Samara (dpa) – Für eine Spaß- und Protestaktion während der Rede an die Nation von Kremlchef Wladimir Putin drohen einem russischen Regionalpolitiker Konsequenzen.

Der kommunistische Abgeordnete Michail Abdalkin aus der Region Samara veröffentlichte nach der Rede ein Video auf Youtube, das zeigt, wie er vor seinem Computer sitzt und Putin zuhört – an seinen Ohren hängen dabei Spaghetti. Im Russischen gibt es den Ausdruck «Nudeln an die Ohren hängen», was so viel bedeutet wie: belogen werden. Weiterlesen

Kann die Ukraine gegen Russland bestehen?

Von André Ballin und Carsten Hoffmann, dpa

Kiew/Moskau/Berlin (dpa) – Viel präsentieren konnte Kremlchef Wladimir Putin den Russen in seiner Rede zur Lage der Nation nicht. Ein Jahr nach Beginn der russischen Invasion ist Moskau von seinen ambitionierten Kriegszielen weit entfernt: Prahlte die Chefin des Propagandasenders RT, Margarita Simonjan, kurz vor dem Einmarsch noch damit, die Hauptstadt Kiew innerhalb von zwei Tagen einzunehmen, mühen sich russische Truppen nun seit einem halben Jahr um die Eroberung der ostukrainischen Industriestadt Bachmut.

Bachmut ist in den vergangenen Monaten zum Symbol für die Brutalität und Sinnlosigkeit des russischen Angriffskriegs geworden. Das einst schmucke Städtchen, das vor dem Krieg 70.000 Einwohner hatte, ist inzwischen völlig zerstört. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warf der russischen Armee vor, Bachmut in «eine verbrannte Ruine verwandelt» zu haben. Sein Berater Mychajlo Podoljak bezeichnete den Ort als «Hölle auf Erden».

Täglich sterben in dem Inferno auf beiden Seiten Hunderte Soldaten, wobei es sich auf russischer Seite zumeist um Söldner der Wagner-Einheit handelt. Deren größter Erfolg war die Einnahme der nördlich von Bachmut gelegenen Kleinstadt Soledar im Januar nach der Verschärfung der Offensive. Zum Zusammenbruch der Front hat dies nicht geführt.

Bachmut hat auch eine rein taktische Bedeutung

Bei einem Verlust von Bachmut und wichtiger Straßenverbindungen müssten die ukrainischen Truppen wohl Gelände in einer Tiefe von bis zu 30 Kilometern aufgeben, sagt der deutsche Brigadegeneral Christian Freuding. Deswegen habe Bachmut auch eine rein taktische Bedeutung, sagt der Offizier, der den Sonderstab Ukraine im deutschen Verteidigungsministerium leitet und den Minister Boris Pistorius jüngst auf der Reise nach Kiew begleitete.

Freuding koordiniert die deutsche Waffenhilfe für die Ukraine. Er sieht den Verteidigungskampf nun in einer schwierigen Phase. «Wir wissen auch, dass die Ukrainer nicht mehr in der Lage sind, ihre Verbände nur mit Freiwilligen aufzufrischen, sondern dass sie jetzt ganz gezielt Reservisten in unterschiedlichen Graduierungen einziehen. Das deutet darauf hin, dass sie derzeit unter Druck sind», sagte Freuding der Deutschen Presse-Agentur.

Kampf als David gegen Goliath

Die Verstärkung mit westlichen Kampfpanzern und Schützenpanzern versetze die Ukrainer in die Lage, örtlich begrenzt Überlegenheit zu schaffen. Freuding: «Sie werden dann sowohl in der Verteidigung als auch im Angriff Erfolge erzielen können.» Die Ukrainer hätten bewiesen, dass sie taktisch sehr geschickt vorgehen können.

Auf der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) beschrieb der über Video zugeschaltete Präsident Selenskyj den Kampf als David gegen Goliath. Der Kleinere nutzt geschickt und zielgenau die Steinschleuder gegen den halbblinden Riesen – und siegt. Es ist auch die Aufforderung, weiter mehr und modernere Waffen aus dem Westen zu schicken.

Auf etwa 200 westliche Schützenpanzer und Kampfpanzer kann die Ukraine wohl in einer ersten Phase hoffen. Die Ausbildungen laufen gerade in mehreren Staaten, auch in Deutschland. Die Waffen befähigen die Ukraine dann zu gezielten Vorstößen gegen russische Ziele. Das könnte auch die von Russland eroberte Landbrücke zur annektierten Halbinsel Krim sein.

«Ein westlicher Panzer besitzt den Wert von vier russischen Panzern. Das heißt, wenn ich eine Kompanie aus 14 deutschen Leopard 2A6 habe und damit auf ein russisches Panzerbataillon treffe, geht das mit 33 zerstörten russischen Panzern und einem beschädigten Leopard aus. Man konnte dies in beiden Golfkriegen beobachten», sagte der Militärexperte Thomas C. Theiner der «Welt». Und: «Die russischen Panzer des Irak haben nicht einen amerikanischen Abrams zerstört. Russische Panzer sind gut gegen russische Panzer, gegen Häuser und Zivilisten, die auf der Straße demonstrieren.»

Wagner-Truppen beklagen zunehmend Munitionsmangel

Mit Interesse wird zu verfolgen sein, wie sich das auf das russische Vorgehen und das Verhältnis der russischen Akteure zueinander auswirken. Schon jetzt beklagen die angreifenden Wagner-Truppen um Bachmut zunehmend Munitionsmangel. Der kremlnahe Oligarch und Wagner-Gründer Jewgeni Prigoschin warf dem russischen Verteidigungsministerium eine «Munitionsblockade» vor.

Die Äußerung verdeutlicht einmal mehr die anhaltenden Kompetenzstreitigkeiten zwischen Söldnertruppen und regulären Einheiten, die mehr und mehr zur Belastung für die russische Kampagne werden. Zumal sich Prigoschin auch darüber beschwert, von der Rekrutierung Gefangener ausgeschlossen zu werden. Unterschiedlichen Angaben nach sind bereits 30.000 bis 40.000 der insgesamt wohl 50.000 russischen Häftlinge in den Wagner-Einheiten ausgefallen.

Soldaten als Kanonenfutter

Die Verluste sind auch deshalb so hoch, weil die Gefangenen oft zur Aufdeckung ukrainischer Positionen als Kanonenfutter verwendet werden. Insgesamt werden die russischen Verluste durch Gefallene und Verwundete an der russischen Front inzwischen auf rund 200.000 Soldaten geschätzt. Somit hat Russland trotz der von Putin im Herbst ausgerufenen Teilmobilmachung mit 300.000 Reservisten nach Ansicht vieler Militärexperten derzeit nicht die Stärke, um weitere größere Offensivaktionen zu starten.

Dem ukrainischen Militärgeheimdienst zufolge konzentriert Russland nun seine Luftwaffe im grenznahen Gebiet. 450 Flugzeuge und 300 Helikopter seien an Stützpunkten im Westen Russlands aber außerhalb der Reichweite der ukrainischen Himars-Raketenwerfer stationiert, heißt es. Ständig gehen Raketenangriffe auf die zivile Infrastruktur der Ukraine nieder. Mit mehr Flugabwehrsystemen liefert der Westen gewissermaßen dagegen an.

Es ist allerdings unklar, wie viel Realitätssinn der angeblich in einem Panzerzug fahrende Kremlchef Putin noch besitzt. Verhandlungen bietet er zwar an. Von seinen Maximalforderungen ist er offiziell nicht abgerückt. Das schließt massive Gebietsabtretungen der Ukraine ein, einen blockfreien Status und Entmilitarisierung – das Land wäre praktisch abhängig von Putins Launen und Machtinteressen.

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Putin: Russland setzt Abrüstungsvertrag «New Start» aus

Moskau (dpa) – Der russische Präsident Wladimir Putin hat die Aussetzung des letzten großen atomaren Abrüstungsvertrages mit den USA angekündigt. Es handele sich nicht um einen Ausstieg, sondern um eine Aussetzung des «New Start»-Vertrags, sagte der Kremlchef heute in Moskau in seiner Rede an die Nation.

Die Beziehungen zwischen den USA und Russland sind seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine vor einem Jahr auf einem absoluten Tiefpunkt angelangt.

Putin warf den USA ein «Theater des Absurden» vor – mit Blick darauf, dass Washington unlängst Moskau beschuldigt hatte, keine Experten zur Inspektion der atomaren Verteidigungsanlagen ins Land zu lassen. Wenn in Zeiten solcher Spannungen jemand im Westen ernsthaft erwarte, dass Russland diesen Zugang gewähre, sei das «Blödsinn», meinte Putin. Zugleich bekräftigte er, dass Russland den US-Experten den Zugang nicht gewähre, weil auch russische Inspektoren angesichts westlicher Sanktionen keine Möglichkeit zur Einreise in die USA hätten. Weiterlesen

Kremlchef Putin stellt Weichen für Präsidentschaftswahl

Von Ulf Mauder, dpa

Moskau (dpa) – Nach einem Jahr Krieg in der Ukraine will Kremlchef Wladimir Putin an mehreren Fronten gleichzeitig Härte zeigen. Auf dem Schlachtfeld hat der 70-Jährige das Ziel, nicht nur die am 24. Februar 2022 überfallene Ukraine zu bezwingen. Er will gleich noch den gesamten «kollektiven Westen» mit den USA an der Spitze zurückdrängen, der mit Waffen Russlands Soldaten zusetzt und mit Sanktionen der Wirtschaft der Rohstoff-Großmacht.

Putin sieht sich längst in einem großen Krieg gegen ein «Anti-Russland» im Westen – den er als Anführer der Atommacht um jeden Preis gewinnen will. «Natürlich, es kann ein langer Prozess werden», meinte Putin im Dezember bei einem Treffen mit Kriegsveteranen. Und Moskaus Machtelite stellt sich ein Jahr vor der Präsidentenwahl darauf ein, dass der seit mehr als 23 Jahren regierende Putin im nächsten Jahr wieder antreten wird. Die Vorbereitungen auf die Wahl im März 2024 laufen bereits. Aber Putins viele Niederlagen in der Ukraine haben ein Jahr nach Kriegsbeginn und gut ein Jahr vor der Wahl auch innenpolitisch eine Front aufgemacht.

Der «Blitzkrieg» für eine Eroberung der Ukraine ist gescheitert. Jahrzehntelang aufgebaute Beziehungen mit dem Westen etwa bei der Gasversorgung Europas sind zerstört. Putin, der sich stets brüstete, das Land nach den chaotischen 1990er Jahren wieder auf die Beine gebracht zu haben, muss zuschauen, wie sein Lebenswerk zusammenbricht, sich erneut soziale Not breitmacht.

Trotz Niederlagen im Krieg sieht Putin viele Erfolge

Trotzdem spricht der Präsident von Erfolgen in dem Krieg – davon etwa, dass Russland jetzt die komplette Kontrolle über das Asowsche Meer erlangt hat. Zar Peter der Große, mit dem sich der Kremlchef gern vergleicht, habe im 18. Jahrhundert noch um einen Zugang zum Meer gekämpft. Zudem weist Russland gerne darauf hin, die Wasserversorgung der schon 2014 annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim – von der Ukraine lange blockiert – freigeschlagen zu haben.

Vor allem aber lobt Putin die Eroberung «neuer Gebiete» im Osten und Süden der Ukraine als «ein bedeutendes Ergebnis für Russland». Den Krieg will er mindestens so lange fortsetzen, bis Moskau die völkerrechtswidrig annektierten Regionen Cherson, Saporischschja, Donezk und Luhansk vollständig kontrolliert. Das kann Jahre dauern – wenn es überhaupt gelingt.

Dagegen sehen Experten eine Vielzahl von Fehlern des Ex-Geheimdienstchefs, der in militärischen Dingen als Laie gilt. Kritik an einer zu zögerlichen Kriegsführung gibt es auch immer wieder von ultranationalistischen Kräften, Militärbloggern und der «Vorschlaghammer-Kriegspartei» um die Privatarmee Wagner des Geschäftsmanns Jewgeni Prigoschin. Kritiker ätzen, die von Korruption geprägte russische Armee sei als «Papiertiger» entlarvt worden. Aber das russische Militär lernt.

Experte sieht «Krieg gegen menschliches Kapital»

Lange scheute sich Putin, die unpopuläre Teilmobilmachung anzuordnen, um die Truppen zu stärken – und tat es dann doch. Hunderttausende Reservisten setzten sich ins Ausland ab. Die von einer Vielzahl von Pannen überschattete Aktion trug den Krieg in viele Familien. Es gab Proteste. Doch ungeachtet Tausender Toter in dem Krieg genießt Putin laut Umfragen weiter großes Vertrauen in der Bevölkerung, dass er das Richtige tut. Er sieht – wie er unlängst sagte – den Krieg inzwischen auch als Chance, die Armee zu modernisieren. Schon jetzt gehen die Militärausgaben aber zulasten der Entwicklung der Gesellschaft.

Angesichts der massenhaften Abwanderung junger Menschen, die keine Perspektive unter Putin sehen, spricht der russische Experte Andrej Kolesnikow von einem «zweiten, leisen Krieg Russlands gegen sein menschliches Kapital». Viele würden vor einer «Militarisierung des Lebens» in Russland fliehen, schreibt er in einer Analyse für die Denkfabrik Carnegie. «Für den Staat ist heute das Zerlegen und das Zusammensetzen eines Kalaschnikow-Sturmgewehrs eine wichtigere Fähigkeit.» Statt modern denkender Menschen bringe das Land nun folgsame Befehlsempfänger hervor.

Ein Jahr vor der Präsidentenwahl zielt Putin immer stärker darauf ab, seine Invasion in die Ukraine zu einem Krieg gegen den «kollektiven Westen» hochzustilisieren. Dem Westen die Stirn zu bieten, ist ein alter Wahlkampfschlager des Kremlchefs. In Russland ist die Meinung weit verbreitet, Ziel des Westens sei es, das flächenmäßig größte Land der Erde mit seinem Öl, Gas und anderen Rohstoffen in Einzelteile zerfallen zu lassen, um die Ressourcen dann maximal auszubeuten.

Kremlpropaganda läuft rund um die Uhr

Wer in Moskau Staatsfernsehen schaut, bekommt es von der Kremlpropaganda rund um die Uhr: Russland kämpfe gegen westliches Vormachtstreben. Dabei gerät immer mehr in den Hintergrund, dass Russland die Ukraine überfallen hat – und nicht der Westen Russland. Deutschland, die USA und andere, die Waffen liefern, sehen sich als Kriegsparteien angeprangert. Glauben sollen die Menschen, dass Russland selbst in seiner Existenz bedroht sei. So könne aus Putins Krieg gegen die Ukraine einer des russischen Volkes gegen den Westen werden, warnt der in London lebende Kremlgegner Michail Chodorkowski.

Der 59-Jährige sieht die Gefahr eines Auseinanderbrechens Russlands im Konflikt mit dem Westen – wie der Sowjetunion nach dem Ende des Kalten Krieges. «Die Grenzen zwischen einzelnen Objekten der Russischen Föderation könnten bei einem Zerfall des Landes schnell heiß werden. Und wegen der Atomwaffen ist das überaus gefährlich», sagt der einst reichste Russe, der Jahre wegen Kritik an Putin im Straflager saß. «Wir müssen eine Balance zwischen Chaos und einer Variante mit einer normalen Zukunft finden.»

Experte: Putin wird «Geisel» seines Sicherheitsapparats

Unabdingbar seien aber revolutionäre Veränderungen in Russland und eine offene Reue und Wiedergutmachung nach einem Ende des Krieges in der Ukraine, betont Chodorkowski. Er plädiert im Westen – wie zuletzt als Gast der Münchner Sicherheitskonferenz – dafür, zu Russland und den Russen weiter Kontakte zu halten. «Aber man darf nicht darauf setzen, dass es einen neuen guten Zaren gibt, sondern auf eine Änderung der Machtstrukturen im Land zugunsten eines parlamentarischen und föderalen Systems», sagte er. Doch ist eine Abkehr von einem zentralistischen Staat mit dem Kreml als Machtzentrum nicht in Sicht.

Aus Sicht des russischen Politologen Abbas Galljamow hat sich der Kremlchef durch immer neue Repressionen auf den Weg eines «Diktators» begeben, der auf Gedeih und Verderb seinen Geheimdiensten und anderen Sicherheitsstrukturen ausgeliefert sei. Putin habe die «goldene Regel» autoritärer Herrschaft vergessen, die Macht zu verteilen, sagt sein früherer Redenschreiber. «Selbst der dümmste General wird dann einmal verstehen, dass er selbst der Stützpfeiler der Macht ist», sagt Galljamow. Lange habe Putin Militär und Polizei selbst kontrolliert, nun sei er deren «Geisel». Nur durch «grobe Gewalt» könne Putin sich noch an der Macht halten.

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Münchner Sicherheitskonferenz ohne Putins Regierung

München/Peking (dpa) – Erstmals seit Jahrzehnten findet die Münchner Sicherheitskonferenz diesmal ohne russische Regierungsbeteiligung statt. Angesichts des «Zivilisationsbruchs» des Angriffskriegs gegen die Ukraine wolle man der Propaganda des russischen Präsidenten Wladimir Putin und seiner Regierung kein Forum geben, sagte Konferenzleiter Christoph Heusgen am Montag bei der Vorstellung des Programms in Berlin.

Dafür ist China bei der an diesem Freitag beginnenden Konferenz sehr hochrangig vertreten. Der oberste Außenpolitiker Wang Yi kommt nach München – und wird vorher oder nachher auch Russland besuchen.

Neben der russischen Regierung sind dieses Jahr auch iranische Offizielle ausgeschlossen. Ebenfalls keine Einladung haben Politiker der AfD bekommen. Heusgen weicht damit von der bisherigen Praxis ab, Vertreter aller im Bundestag vertretenen Parteien nach München einzuladen. Eine Begründung lieferte der Konferenzleiter nicht. «Das ist eine Entscheidung des Chairmans der Münchner Sicherheitskonferenz», sagte der frühere außenpolitische Berater von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf eine entsprechende Frage lediglich. Weiterlesen

MH17-Abschuss: Kreml weist Vorwürfe gegen Putin zurück

Moskau (dpa) – Der Kreml hat die Vorwürfe westlicher Ermittler zu einer angeblichen direkten Beteiligung des russischen Präsidenten Wladimir Putin am Abschuss der Passagiermaschine MH17 in der Ostukraine 2014 zurückgewiesen. Die Anschuldigungen, wonach Putin über die Verlegung eines Buk-Waffensystems in den Donbass entschieden habe, entbehre jeder Grundlage, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der russischen Nachrichtenagentur Interfax zufolge am Donnerstag. Im Juli 2014 kamen beim Abschuss der Maschine fast 300 Menschen ums Leben.

«Russland hat in keiner Weise an den Ermittlungen teilgenommen. Entsprechend können wir die Ergebnisse nicht akzeptieren, zumal keinerlei Gründe für solche Äußerungen genannt wurden», sagte Peskow. Nach Angaben der Ermittler in den Niederlanden hingegen verweigerte Russland eine Zusammenarbeit in dem Fall. Weiterlesen

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Kiew (dpa) – Von einem EU-Ukraine-Gipfel erhofft sich Kiew heute konkretere Beitrittsperspektiven. «Ich glaube, dass es die Ukraine verdient hat, bereits in diesem Jahr Verhandlungen über die EU-Mitgliedschaft aufzunehmen», sagte Selenskyj gestern in seiner abendlichen Ansprache. Eine weitere Integration in die Europäische Union würde den Ukrainern «Energie und Motivation geben, trotz aller Hindernisse und Bedrohungen zu kämpfen».

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel wollen in Kiew mit Selenskyj zusammenkommen. Während die Ukraine sich weiter gegen schwere russische Angriffe wehrt, nutzte Kremlchef Wladimir Putin das Gedenken an die Schlacht von Stalingrad im Zweiten Weltkrieg, um seinen Angriffskrieg gegen das Nachbarland einmal mehr zu verteidigen. Weiterlesen

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