Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Istanbul/Kaliningrad/Kiew (dpa) – Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat sich optimistisch gezeigt, dass sein Land bald wieder Getreide exportieren kann. In der Türkei hatten zuvor international vermittelte Gespräche über eine Beendigung der russischen Seeblockade im Schwarzen Meer nach UN-Angaben einen Durchbruch gebracht.

Zugleich entschärfte sich der Konflikt um die russische Ostsee-Exklave Kaliningrad, nachdem die EU die Transitbeschränkungen für den Gütertransport per Bahn gelockert hat.

Selenskyj sieht Fortschritte in Verhandlungen zu Getreide

Laut Selenskyj stehen die Chancen gut, dass die blockierten Getreideexporte bald freigegeben werden. «Die ukrainische Delegation hat mir mitgeteilt, dass es einige Fortschritte gibt», sagte er in seiner Videoansprache am Mittwoch zu den Verhandlungen in der Türkei über die Aufhebung der Seeblockade ukrainischer Häfen durch die russische Marine.

Gelinge es, die russische Bedrohung der Schifffahrt im Schwarzen Meer zu beenden, werde die globale Lebensmittelkrise an Schärfe verlieren, versicherte Selenskyj. Die Ukraine war vor dem Krieg einer der größten Getreideexporteure weltweit.

Verhandlungserfolg in der Türkei

Bei den Gesprächen zwischen Vertretern der Vereinten Nationen, der Ukraine, Russlands und der Türkei in Istanbul sei ein «entscheidender Schritt» in Richtung einer Lösung des Getreidekonflikts gemacht worden, sagte UN-Generalsekretär António Guterres in New York. «Heute haben wir endlich ein bisschen Hoffnung.» Details nannte er zunächst nicht. Guterres sagte aber: «Es wird noch mehr technische Arbeit notwendig sein, damit sich der heutige Fortschritt materialisiert.»

Der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar gab seinerseits Einigungen bei technischen Themen wie gemeinsamen Kontrollen der Ankünfte und Ausfahrten aus den Häfen bekannt, wie die Nachrichtenagentur Anadolu berichtete. Auch bei der Gewährleistung der «Schifffahrtssicherheit bei den Überführungsrouten» habe man sich geeinigt. Zudem solle ein Koordinierungszentrum mit Vertretern aller Seiten am Bosporus in Istanbul entstehen.

Annäherung im Streit um Kaliningrad-Transit

Die EU-Kommission hat nach Protesten und Drohungen aus Moskau neue Leitlinien zum Transitverkehr zwischen Russland und dessen Ostsee-Exklave Kaliningrad erstellt. Russland darf demnach auf der EU-Sanktionsliste stehende zivile Güter wie Holz und Zement per Bahn ohne große Einschränkungen durch das EU-Land Litauen transportieren.

Das Außenministerium in Moskau wertete die EU-Entscheidung als «Anzeichen von Realismus und gesundem Menschenverstand». Sprecherin Maria Sacharowa betonte jedoch zugleich, dass Fragen offen blieben und Russland beobachten werde, wie die neue Regelung umgesetzt wird.

Die Exklave Kaliningrad um das ehemalige Königsberg liegt zwischen den EU-Staaten Litauen und Polen. Sie ist nur etwa 500 Kilometer von Berlin, aber mehr als 1000 Kilometer von Moskau entfernt.

Ukraine bricht diplomatische Beziehungen zu Nordkorea ab

Die Ukraine hat die diplomatischen Beziehungen zu Nordkorea abgebrochen. Zuvor hatte die Führung in Pjöngjang – so wie zuvor schon Russland und Syrien – die von Kiew abtrünnigen Gebiete Donezk und Luhansk als unabhängige Staaten anerkannt.

«Wir betrachten diese Entscheidung als Versuch Pjöngjangs, die Souveränität und territoriale Unversehrtheit der Ukraine zu untergraben», hieß es in einer Erklärung des Außenministeriums. Die Anerkennung sei nichtig und ziehe keinerlei juristische Folgen nach sich.

Kämpfe um Kleinstadt Soledar im Osten der Ukraine

Im ostukrainischen Gebiet Donezk haben die von der russischen Armee unterstützten Separatisten Gebietsgewinne bei der Kleinstadt Soledar für sich reklamiert. Separatistenvertreter Witali Kisseljow sagte der staatlichen russischen Agentur Tass, die russischen Truppen seien nach Soledar eingedrungen und hätten die ukrainische Armee zum Rückzug gezwungen. Er rechne mit einer Eroberung der Stadt innerhalb der nächsten zwei Tage.

Der Militärverwaltungschef der Kleinstadt, Serhij Hoschko, widersprach der Darstellung. «Es gab den Versuch der russischen Armee, nach Jakowliwka vorzudringen, den die ukrainischen Soldaten erfolgreich zurückgeschlagen haben», sagte er dem ukrainischen öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Drei Häuser seien in dem Ort nordöstlich von Soledar zerstört worden. Auch im nahe gelegenen Dorf Bachmutske, südöstlich von Soledar, seien vier Häuser zerstört worden. Das nördlich gelegene Rosdoliwka sei ebenfalls beschossen worden.

Ukraine hofft auf Raketen mit größerer Reichweite

Im Krieg gegen Russland hofft die Ukraine auf Raketen aus den USA mit größerer Reichweite. «Auf allen Ebenen führt unser Staat Gespräche mit US-Vertretern über die Bereitstellung von Raketen größerer Reichweite für die Himars-Raketenwerfer», sagte Fedir Wenislawskyj, Mitglied des Verteidigungsausschusses im Parlament, im ukrainischen Fernsehen. Derzeit verfüge die Armee für diesen Raketenwerfertyp nur über Geschosse mit einer Reichweite von rund 70 Kilometern. Es existieren jedoch auch Raketen für Ziele in gut 300 und 500 Kilometer Entfernung.

In den vergangenen Tagen hatte das ukrainische Militär bereits mehr als ein Dutzend Objekte im teils weit entfernten Hinterland der russischen Truppen erfolgreich angegriffen, mutmaßlich mit Himars-Raketenwerfern. Kiew setzt zudem die weniger präzisen Raketen des sowjetischen Typs Totschka-U für Entfernungen von bis zu 120 Kilometern ein.

Das wird heute wichtig

Auf Einladung der Niederlande treffen sich in Den Haag hochrangige Ankläger und befassen sich mit Fragen zur Strafverfolgung von Kriegsverbrechen in der Ukraine. Beteiligt sind auch der Chefankläger des Weltstrafgerichts, Karim Khan, sowie die Justizbehörde der Europäischen Union, Eurojust.

Videobotschaften sind geplant von US-Außenminister Antony Blinken, dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell sowie von Selenskyj.

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Kreml: Putin reist in den Iran und trifft Raisi und Erdogan

Moskau (dpa) – Russlands Präsident Wladimir Putin will am kommenden Dienstag (19. Juli) in den Iran reisen. Neben dem iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi wolle er dort auch den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan treffen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Dienstag der Agentur Interfax zufolge. Geplant seien Gespräche der drei Staatsoberhäupter über eine Verbesserung der Lage im Bürgerkriegsland Syrien, sagte Peskow. Darüber hinaus werde Putin auch ein bilaterales Treffen mit Erdogan haben.

Kurz vor Bekanntwerden von Putins Iran-Reise hatten die USA erklärt, ihnen lägen Hinweise vor, dass der Iran Russland im Angriffskrieg gegen die Ukraine unterstützen wolle. «Unsere Informationen zeigen, dass die iranische Regierung sich darauf vorbereitet, schnell mehrere Hundert unbemannte Luftfahrzeuge bereitzustellen, darunter auch solche, die Waffen transportieren können», sagte der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, am Montag in Washington.

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Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Kiew (dpa) – Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warnt vor Zugeständnissen an Russland aufgrund der Sorge vor Energieengpässen in Europa.

Die geplante Lieferung einer gewarteten russischen Turbine für die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 etwa sende ein völlig falsches Signal an Moskau, sagte er am Montag in einer Videobotschaft. «Wenn ein terroristischer Staat eine solche Ausnahme bei den Sanktionen durchsetzen kann, welche Ausnahmen will er dann morgen oder übermorgen? Diese Frage ist sehr gefährlich.»

Das russische Staatsunternehmen Gazprom hatte die Liefermenge durch Nord Stream 1 im Juni deutlich gedrosselt und auf die fehlende Turbine verwiesen, die zur Reparatur nach Kanada gebracht worden war. Eine Regierungssprecherin sagte am Montag in Berlin, die Lieferung der Turbine falle nicht unter die EU-Sanktionen, weil diese sich aus gutem Grund nicht gegen den Gastransit richteten.

Über die zuletzt wichtigste Route für russisches Erdgas nach Deutschland wird seit Montag nichts mehr geliefert – nach Darstellung der Nord Stream AG wegen Wartungsarbeiten bis zum 21. Juli. Bis dahin werde kein Gas durch die Pipeline nach Deutschland befördert, hieß es. Jedoch besteht allgemein die Sorge, dass Moskau den Hahn danach nicht mehr aufdreht und Gas im Herbst und Winter knapp wird.

«Russland beliefert Deutschland jetzt nur noch über die Transgas-Pipeline durch die Ukraine», sagte der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. «Die Regierung in Moskau könnte die Liefermengen durch die Ukraine jederzeit erhöhen, um ihre vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen. Dazu fehlt (Russlands Präsident) Wladimir Putin aber offenbar der politische Wille.» Wenn die gewartete Turbine bis zum Ende der Nord-Stream-Wartung am 21. Juli wieder eingebaut sei, «hätte Russland kein Argument mehr, die Liefermengen beim Gas weiterhin zu drosseln».

Selenskyj: Moskau sieht «Manifestation der Schwäche»

Selenskyj sagte, die Entscheidung über eine «Ausnahme bei den Sanktionen» werde in Moskau als «Manifestation der Schwäche» wahrgenommen. «Das ist ihre Logik. Und jetzt besteht kein Zweifel daran, dass Russland versuchen wird, die Gaslieferungen nach Europa nicht nur so weit wie möglich einzuschränken, sondern im akutesten Moment vollständig einzustellen.»

Jedes Zugeständnis werde von Moskau als Anreiz für weiteren, stärkeren Druck wahrgenommen, meinte er. «Russland hat sich im Energiesektor nie an die Regeln gehalten und wird es auch jetzt nicht tun, es sei denn, es sieht Stärke.»

Massenflucht aus dem Donbass

Seit Beginn des russischen Angriffskriegs vor viereinhalb Monaten sind nach Behördenangaben allein aus dem regierungskontrollierten Teil der umkämpften Region Donezk im Osten der Ukraine rund 1,3 Millionen Menschen geflohen.

Laut Gouverneur Pawlo Kyrylenko entspricht das etwa 80 Prozent der Zivilbevölkerung. Seit Russland die Kontrolle über die Region Luhansk übernommen hat, hat sich der Schwerpunkt der Kämpfe ins benachbarte Donezk verlagert.

Raketenangriff in Donezk: Zahl der Toten steigt auf über 30

Nach einem Raketenangriff auf Tschassiw Jar im Gebiet Donezk ist die Zahl der aus einem zerstörten Wohnhaus geborgenen Toten auf mehr als 30 gestiegen. Das ukrainische Innenministerium sprach am Montag von 33 Leichen. Neun Menschen seien seit dem Wochenende aus den Trümmern gerettet worden.

Die ukrainische Seite wirft Russland vor, Zivilisten attackiert zu haben. Moskau behauptet, man habe ein militärisches Ziel zerstört. Am Montagabend berichtete die russische Seite über Verletzte bei einem Angriff der Ukraine nahe Nowa Kachowka. Berichte aus den Kampfgebieten lassen sich von unabhängiger Seite kaum prüfen.

Putin ordnet einfachere Vergabe russischer Pässe an

Menschen in der Ukraine sollen künftig in einem vereinfachten Verfahren die russische Staatsbürgerschaft erhalten können. Russlands Präsident Putin unterschrieb ein Dekret, das eine Ausweitung der bislang nur für die Ostukraine geltenden Regelung vorsieht.

Kiew protestierte scharf dagegen. Die Vergabe russischer Pässe ist auch deshalb brisant, weil Russlands Militärdoktrin Einsätze rechtfertigt, wenn es um den angeblichen Schutz eigener Staatsangehöriger geht.

Putin und Erdogan telefonieren zu Getreidekrise

Putin und der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan haben über mögliche Lösungen des Streits um Getreideexporte aus der Ukraine telefoniert. Es sei Zeit für die Vereinten Nationen, den Plan für einen Getreidekorridor durch das Schwarze Meer umzusetzen, hieß in einer Mitteilung des türkischen Präsidialamts.

Der Kreml teilte mit, bei dem Gespräch sei es auch um wirtschaftliche Zusammenarbeit gegangen. Die Rede war zudem von einem geplanten «russisch-türkischen Treffen auf höchster Ebene» in nächster Zeit. Später schrieb Selenskyj auf Twitter, auch er habe mit Erdogan über Möglichkeiten zur Entsperrung von Häfen und der Wiederaufnahme des Getreideexports gesprochen.

Ermittlungen zur Ukraine können Jahre dauern

Generalbundesanwalt Peter Frank dämpft die Hoffnung auf schnelle Erfolge bei der Strafverfolgung von Kriegsverbrechen im Ukraine-Krieg. «Bitte erwarten Sie nicht, dass wir morgen oder übermorgen irgendwelche Beschuldigte identifiziert haben», sagte Frank beim Jahrespresseempfang der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe. Im Völkerstrafrecht brauche man «einen langen Atem».

Er zog Parallelen zum syrischen Bürgerkrieg, der 2011 begonnen hatte. Erst 2019 sei in Deutschland die erste Anklage erhoben worden. Bis zum ersten rechtskräftigen Urteil seien zehn Jahre vergangen. Zum Ukraine-Krieg gebe es «namentlich noch überhaupt keine personenbezogenen Ermittlungsverfahren», sagte Frank.

Das wird heute wichtig

Die Welthungerhilfe stellt in Berlin ihren Jahresbericht vor und erläutert unter anderem, welche Auswirkungen der Ukraine-Krieg sowie Klimakrise, Flucht und Vertreibung auf den Mangel an Nahrungsmitteln weltweit haben.

In Prag wollen die EU-Justizminister bei einem informellen Treffen unter anderem über die Sicherung von Beweismitteln im Ukraine-Krieg sprechen.

In Moskau hat das ostukrainische Separatistengebiet «Volksrepublik Donezk» die Eröffnung einer Vertretung angekündigt und erwartet dazu auch den russischen Außenminister Sergej Lawrow.

 

 

 

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Kiew/Moskau (dpa) – Nach der Einnahme der einstigen Großstadt Lyssytschansk im Osten der Ukraine rücken die russischen Truppen auf das nächste Ziel vor, den Ballungsraum um Slowjansk.

«In Richtung Slowjansk versuchen die Russen, die Kontrolle über die Ortschaften Bohorodytschne, Dolyna und Masaniwka herzustellen», teilte der ukrainische Generalstab in Kiew mit. Die drei Ortschaften liegen weniger als 20 Kilometer im Norden und Nordosten von Slowjansk, auf der Südseite des Flusses Siwerskyj Donez.

Von Osten herhaben die russischen Truppen nach diesen Angaben ebenfalls den Siwerskyj Donez überquert, der in der Region in einem Bogen verläuft. Dort versuche der Feind die ukrainischen Kräfte auf eine neue Verteidigungslinie zwischen Siwersk, Soledar und Bachmut zurückzudrängen, hieß es in dem Lagebericht. Diese drei Städte liegen etwa 30 bis 40 Kilometer östlich vom Ballungsraum Slowjansk-Kramatorsk, der als Hauptquartier der ukrainischen Verteidigungskräfte im Donbass gilt. Weiterlesen

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Kiew (dpa) – Während Russland in der Ostukraine weiter seine militärische Überlegenheit ausspielt, kann Kiew über die Rückeroberung der symbolträchtigen Schlangeninsel im Schwarzen Meer jubeln.

Präsident Wolodymyr Selenskyj bietet Europäern derweil an, russische Erdgas-Lieferungen durch Strom aus seinem Land zu ersetzen. Im Gebiet Odessa wurden nach ukrainischen Angaben zehn Menschen beim Einschlag einer russischen Rakete in ein Mehrfamilienhaus getötet. Weiterlesen

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Kiew/Moskau/Elmau (dpa) – Erstmals seit drei Wochen ist die ukrainische Hauptstadt Kiew von der russischen Armee wieder mit Raketen beschossen worden.

Nach massiven Raketenangriffen in vielen anderen Regionen gab es am Morgen auch in der Millionenmetropole mehrere Explosionen. Getroffen wurden auch ein neunstöckiges Wohnhaus und das Gelände eines Kindergartens. Die Behörden meldeten mindestens einen Toten sowie Verletzte. Zuvor war es Russland nach wochenlangem Kampf schon gelungen, die Großstadt Sjewjerodonezk im Osten der Ukraine unter Kontrolle zu bringen.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach nach vier Monaten Krieg in einer Videobotschaft von einer moralisch und emotional schwierigen Phase. Vom Westen forderte er zum Auftakt des G7-Gipfels in Bayern abermals mehr Militärhilfe. Weiterlesen

Bundesregierung hebt Geheimhaltung bei Waffenlieferungen auf

Berlin (dpa) – Knapp vier Monate nach Kriegsbeginn hat die Bundesregierung erstmals alle Waffenlieferungen an die Ukraine offengelegt.

Man passe sich damit der Praxis der engsten Verbündeten – zum Beispiel der USA – an, erklärte Regierungssprecher Steffen Hebestreit den Schritt am Dienstag. Die Liste enthält alle Waffen und anderen Rüstungsgüter, die bereits geliefert wurden oder deren Lieferung geplant ist. Sie ist nun im Internet auf der Seite der Bundesregierung zu finden. Bisher war sie nur für Abgeordnete in der Geheimschutzstelle des Bundestags einsehbar. Weiterlesen

Bundesregierung hebt Geheimhaltung bei Waffenlieferungen auf

Berlin (dpa) – Knapp vier Monate nach Kriegsbeginn hat die Bundesregierung erstmals alle Waffenlieferungen an die Ukraine offengelegt.

Man passe sich damit der Praxis der engsten Verbündeten – zum Beispiel der USA – an, erklärte Regierungssprecher Steffen Hebestreit den Schritt am Dienstag. Die Liste enthält alle Waffen und anderen Rüstungsgüter, die bereits geliefert wurden oder deren Lieferung geplant ist.

Ein Soldat einer ukrainischen Spezialeinheit legt eine von Deutschland gespendete DM22-Panzerabwehrmine auf einem Waldweg aus. Foto: Efrem Lukatsky/AP/dpa

Sie ist nun im Internet auf der Seite der Bundesregierung zu finden. Bisher war sie nur für Abgeordnete in der Geheimschutzstelle des Bundestags einsehbar. 

Öffentlich bekanntgegeben hatte die Bundesregierung ihre Lieferungen an die ukrainischen Streitkräfte für den Abwehrkampf gegen Russland bisher nur punktuell. Allerdings wurden sie nach Eintreffen im Kriegsgebiet von ukrainischer Seite veröffentlicht.

Was geliefert wurde und noch geliefert wird

An Waffen geliefert wurden bisher unter anderem 3000 Panzerfaust-Patronen, 100.000 Handgranaten, 2700 Fliegerfäuste, 500 Stinger-Flugabwehrraketen, 100 Maschinengewehre und 16 Millionen Schuss Munition.

Hinzu kommt in großem Umfang Ausrüstung wie 23.000 Gefechtshelme, 178 Kraftfahrzeuge, 1200 Krankenhausbetten, ein Feldlazarett und vieles mehr.

Noch liefern will die Bundesregierung unter anderem:

• 10.000 Schuss Artilleriemunition

• 53.000 Schuss Flakpanzermunition

• 5,8 Millionen Schuss Handwaffenmunition

• 7 Panzerhaubitzen 2000 (Artilleriegeschütze)

• 5000 Gefechtshelme

• 40 Aufklärungsdrohnen

• 10 geschützte Fahrzeuge

• 4 ferngesteuerte Minenräumgeräte

• 65 Kühlschränke für Sanitätsmaterial

• 54 gepanzerte Truppentransporter mit Bewaffnung

• 30 Flugabwehrpanzer Gepard inklusive etwa 6000 Schuss Munition

• 1 Luftverteidigungssystem Iris-T SLM

• 1 Artillerieortungsradar Cobra

• 80 Toyota Pick-up-Fahrzeuge

• 3 Mehrfachraketenwerfer mit Munition

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Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Kiew (dpa) – Die erbitterten Kämpfe in der Ostukraine gehen weiter. Trotz ihrer Überlegenheit haben die russischen Truppen nach Darstellung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bisher keinen Durchbruch erzielt.

«Die Situation an der Front hat in den letzten 24 Stunden keine wesentlichen Änderungen erfahren», sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videobotschaft. «Die äußerst heldenhafte Verteidigung des Donbass wird fortgesetzt.» Der Mittwoch ist für die Ukraine der 105. Tag des Krieges.

Schwere Kämpfe um Sjewjerodonezk

Die schweren Kämpfe um die strategisch wichtige Stadt Sjewjerodonezk halten unvermindert an. Die ukrainische Seite berichtete am Mittwoch, ihre Stellungen würden von russischen Truppen rund um die Uhr beschossen. Der Gouverneur der Region Luhansk, Serhij Hajdaj, sagte im Fernsehen: «Mörser, Artillerie, Panzer, Luftangriffe, alles fliegt gerade dorthin.» Zugleich versicherte er: «Niemand wird etwas aufgeben – selbst wenn unsere Soldaten gezwungen sind, sich auf besser befestigte Positionen zurückzuziehen.»

Wegen der schweren Angriffe werde die Bahntrasse zwischen Bachmut und Lyssytschansk von der Ukraine nicht mehr benutzt, sagte der Gouverneur. Der Nachschub für die Nachbarstädte Lyssytschansk und Sjewjerodonezk werde nun auf anderen Wegen dorthin gebracht. Dem ukrainischen Generalstab zufolge gab es verstärkte Luftangriffe in Richtung Bachmut im Gebiet Donezk und um die ukrainische Gruppierung bei Solote im Gebiet Luhansk. Zum Einsatz kamen demnach auch russische Kampfhubschrauber des Typs Ka-52.

Wo wird noch gekämpft?

Selenskyj nannte auch die Städte Lyssytschansk und Popasna als Schwerpunkte. «Es ist zu spüren, dass die Besatzer nicht geglaubt haben, dass der Widerstand so stark sein wird», sagte der Präsident. Ähnlich äußerte sich der ukrainische Präsidentenberater Olexander Arestowytsch. Die ukrainische Artillerie habe gute Arbeit geleistet, sagte er.

Zugleich räumte Arestowytsch auch Probleme ein. «Auf eine Gegenoffensive können wir lange warten», sagte er. Einige Kämpfer würden dem Druck nicht standhalten. Zudem sei nicht klar, wann und in welchem Umfang neue Waffenlieferungen eintreffen.

Moskau meldet hohe Verluste für ukrainisches Militär

Nach russischen Angaben verzeichnen die ukrainischen Streitkräfte hohe Verluste bei den Kämpfen um die Region Donbass. Allein bei Gefechten um die Stadt Swjatohirsk habe die Ukraine innerhalb von drei Tagen mehr als 300 Kämpfer verloren, sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, in Moskau. Zudem seien 15 Kampffahrzeuge und 36 Waffensysteme zerstört worden. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

Der Generalleutnant berichtete auch von russischen Raketenangriffen auf eine Panzerfabrik in Charkiw. Im Gebiet um die Millionenstadt seien zudem mehrere Gefechtsstände und Truppenansammlungen sowie Stellungen von Raketenwerfern mit Luft-Boden-Raketen beschossen worden. Darüber hinaus habe Russland seine taktische Luftwaffe, die Raketenstreitkräfte und Artillerie in den Gebieten Donezk und Luhansk sowie im südukrainischen Saporischschja eingesetzt. Insgesamt habe die Ukraine binnen 24 Stunden mehr als 480 Soldaten verloren.

Informationssystem zu Kriegsverbrechen

In seiner Videobotschaft am Dienstagabend kündigte Selenskyj ein neues Informationssystem zu Kriegsverbrechen an. In einem «Buch der Folterer» sollen bestätigte Informationen über Kriegsverbrecher und Kriminelle der russischen Armee gesammelt werden.

«Ich habe wiederholt betont, dass sie alle zur Rechenschaft gezogen werden. Und wir gehen das Schritt für Schritt an», sagte der Präsident. Nicht nur direkte Täter wie etwa Soldaten sollen zur Verantwortung gezogen werden, sondern auch deren Befehlshaber, die die Taten ermöglicht hätten – «in Butscha, in Mariupol, in all unseren Städten».

Scholz spricht mit Selenskyj über weitere Unterstützung

Bundeskanzler Olaf Scholz sprach mit Selenskyj über weitere deutsche Unterstützung für die Ukraine. In einem Telefonat am Mittwoch sei es zudem darum gegangen, wie Getreideexporte aus der Ukraine auf dem Seeweg ermöglicht werden könnten, teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit mit. Die russische Blockade ukrainischer Häfen hat zu einem Stopp dieser Exporte geführt, die zu steigenden Lebensmittelpreisen führt und die Ernährungskrise in vielen armen Ländern vor allem in Afrika verschärft. Scholz unterrichtete Selenskyj auch über sein Telefonat mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vor zwei Wochen.

Selenskyj schrieb auf Twitter, dass auch über die EU-Beitrittspläne der Ukraine gesprochen worden sei. Derzeit führt auch der Sondergesandte Selenskyjs für die EU-Perspektive der Ukraine, Oleksij Tschernyschow, Gespräche mit Regierungsvertretern in Berlin. Die Ukraine hofft, beim EU-Gipfel am 23. und 24. Juni in Brüssel einen Kandidatenstatus zu erhalten.

Altkanzlerin Merkel will mehr Abschreckung

Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) plädiert für eine Verstärkung der militärischen Abschreckung gegenüber Russland. «Das ist die einzige Sprache, die Putin versteht», sagte Merkel in Berlin in einem vom TV-Sender Phoenix übertragenen Interview. Verantwortung für ausgebliebene Investitionen in die Bundeswehr wies sie zurück – und indirekt dem früheren Koalitionspartner SPD zu.

«Ich bin jetzt heilfroh, dass wir nun uns endlich auch entscheiden, nachdem die ganze Welt bewaffnete Drohnen hat, dass wir auch welche kaufen. Und es ist auch nicht an mir gescheitert, dass bestimmte andere Dinge nicht stattfinden konnten», sagte Merkel. «Es war ein sehr zähes Ringen, überhaupt in die militärische Abschreckung zu investieren.»

Norwegen liefert Panzerhaubitzen

Norwegen lieferte der Ukraine 22 Panzerhaubitzen des Typs M109 sowie Munition und Ersatzteile. Die Entwicklung des Krieges mache es erforderlich, dem von Russland angegriffenen Land nun auch schwerere Waffen zu schicken, sagte Verteidigungsminister Bjørn Arild Gram in Oslo. Eine Panzerhaubitze ist ein schweres Artilleriesystem mit einer Kanone auf einem Kettenfahrzeug, ähnlich einem Panzer.

Aus Sicherheitsgründen sei die Lieferung nicht vorab angekündigt worden, sagte der Minister. Die Ausbildung der ukrainischen Soldaten an den Waffen habe in Deutschland stattgefunden. Norwegen selbst ersetzte die Waffensysteme nach diesen Angaben mit neuer Ausrüstung aus Südkorea.

Gefangene ukrainische Kämpfer nach Russland gebracht

Mehr als 1000 ukrainische Kriegsgefangene aus dem eroberten Stahlwerk Azovstal in Mariupol sind mittlerweile nach Russland gebracht worden. Die russischen Strafverfolgungsbehörden beschäftigten sich derzeit mit ihnen, meldete die russische Staatsagentur Tass in der Nacht zum Mittwoch unter Berufung auf Sicherheitskreise. Unter ihnen könnten mehr als 100 ausländische «Söldner» sein. Insgesamt hatten sich mehr als 2400 ukrainische Kämpfer in dem Werk ergeben.

Russisch-amerikanische Beziehungen kaum noch existent

Der bilaterale Dialog zwischen Moskau und Washington ist nach russischen Angaben fast zum Erliegen gekommen. «Vertrauen wurde untergraben, die Zusammenarbeit zerfällt selbst in Feldern mit beidseitigem Interesse, die Kommunikation zwischen den Seiten ist gering und vornehmlich reduziert auf eine Debatte technischer Probleme», sagte der russische Botschafter in den USA, Anatoli Antonow, dem russischen Staatsfernsehen.

Allerdings würden die Verteidigungsminister und Generalstabschefs noch «gelegentliche Telefongespräche» halten – diese seien äußerst wichtig, um eine direkte militärische Konfrontation zu verhindern.

Melnyk: Können Scholz endlich «von Herzen» Danke sagen

Berlin (dpa) – Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk hat die Ankündigung neuer deutscher Waffenlieferungen an sein Land begrüßt.

«Wir sind glücklich darüber, dass nun endlich Bewegung in die Sache gekommen und das Eis gebrochen ist», sagte Melnyk der «Stuttgarter Zeitung» und den «Stuttgarter Nachrichten». «Gerade um das System Iris haben wir uns hinter den Kulissen seit fast drei Monaten bemüht, nun hoffen wir, dass es im Sommer fertig produziert ist, im August die Ausbildung starten und im Oktober der Einsatz beginnen kann.» Weiterlesen

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