Wahl in Italien und Sorge in Europa vor Rechtsruck

Rom (dpa) – Italien wählt sein neues Parlament – Europa blickt wegen des erwarteten Rechtsrucks gespannt und sorgenvoll nach Rom. Noch bis 23 Uhr sind am Sonntag die Wahllokale in dem Mittelmeerland geöffnet, mehr als 50 Millionen Bürgerinnen und Bürger sind zum Urnengang aufgerufen.

Am Mittag zeichnete sich eine geringe Wahlbeteiligung ab. Während die meisten Parteichefs schon am Vormittag wählten, verschob just Giorgia Meloni ihre Stimmabgabe spontan auf den Abend. Sie ist die Chefin der rechtsradikalen Partei Fratelli d’Italia, die stärkste Kraft werden dürfte.

Die Römerin sowie der von ihr angeführte Rechtsblock lag in den Umfragen deutlich vorne, die allerdings letztmals am 9. September veröffentlicht werden durften. Meloni könnte die erste Ministerpräsidentin Italiens werden. Zu ihrer Allianz gehören noch die rechtspopulistische Lega von Matteo Salvini und die konservative Forza Italia von Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi. Nach dem Rücktritt des bisherigen Regierungschefs Mario Draghi steht das Land damit vor einem harten Ruck nach rechts. Weiterlesen

Italiens Staatschef nimmt Rücktritt von Draghi an

Rom (dpa) – Italiens Staatschef Sergio Mattarella hat den Rücktritt von Ministerpräsident Mario Draghi angenommen. Das teilte der Quirinalspalast am Donnerstag in Rom mit. Die Regierung bleibe für die Abwicklung der laufenden Geschäfte aber noch im Amt.

Zuvor reichte der Ex-Chef der Europäischen Zentralbank wie schon vor einer Woche sein Rücktrittsgesuch erneut bei dem 80 Jahre alten Oberhaupt der Italienischen Republik ein. Mattarella kommt damit eine wichtige Rolle für die Zukunft des Landes mit seinen fast 60 Millionen Einwohnern zu. Als nächstes muss er entscheiden, ob er die Parlamentskammern auflöst und damit den Weg für eine vorgezogene Wahl ebnet oder ob er einen Experten oder Politiker sucht, um eine neue Regierungsmehrheit aus dem bestehenden Parlament zu formen.

Draghi wollte bereits am vergangenen Donnerstag zurücktreten, als er im Senat von der populistischen Regierungspartei Fünf-Sterne-Bewegung das Vertrauen im Zusammenhang mit der Abstimmung über ein Milliardenschweres Hilfspaket nicht ausgesprochen bekam. Mattarella lehnte das Angebot jedoch ab. Draghi sollte sich am Mittwoch stattdessen im Senat und am Donnerstag in der Abgeordnetenkammer zur Regierungskrise erklären.

Im Senat erhielt der parteilose Banker allerdings am Mittwochabend eine herbe Klatsche, als drei seiner Regierungsparteien bei einem Vertrauensvotum über seine Regierung nicht mit abstimmten. Er gewann zwar die Abstimmung mit 95 Ja- zu 38 Nein-Stimmen, bekam aber nicht die von ihm geforderte breite Zustimmung für einen neuen «Pakt des Vertrauens».

Märkte im Abwärtstrend

Italien rutscht damit immer weiter ins politische Chaos. Am Vormittag reagierten die Märkte auf die drohende politische Instabilität in der drittgrößten Volkswirtschaft der EU mit einer Abwärtsbewegung. Die Börse in Mailand stand zwischenzeitlich mit zwei Prozent im Minus. Der Risikoaufschlag für zehnjährige italienische Staatsanleihen im Verhältnis zu deutschen Staatsanleihen stieg deutlich an. Das hoch verschuldete Italien könnte damit zu einer Gefahr für die EU und den Euro werden, der unter Druck geraten könnte.

Mattarellas Entscheidung könnte für das Mittelmeerland gravierende Auswirkungen haben. Eine vorgezogene Wahl würde zunächst politischen Stillstand bedeuten und in Italien, aber auch in Europa, für Instabilität sorgen. Eigentlich müsste das Parlament weitere Reformen durchsetzen, um sich die Corona-Wiederaufbaugelder aus Brüssel in Milliardenhöhe zu sichern. Außerdem muss der Haushalt für 2023 geplant werden, was in der italienischen Politik traditionell für viel Streit sorgt.

Die Wahl könnte außerdem Umfragen zufolge die politische Landschaft maßgeblich verändern. Derzeit liegt die rechtsextreme Oppositionspartei Fratelli d’Italia von Giorgia Meloni in der Wählergunst vorne. Gemeinsam mit der rechten Lega und der konservativen Forza Italia könnte der Mitte-Rechts-Block damit sehr viele Menschen und am Ende vielleicht sogar eine Parlamentsmehrheit hinter sich vereinen.

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Politik-Chaos stürzt Rom in die Krise – wie geht es weiter?

Rom (dpa) – Mario Draghi reicht es: «Die Mehrheit der nationalen Einheit gibt es nicht mehr». Ein von der Fünf-Sterne-Bewegung im Senat boykottiertes Vertrauensvotum brachte für den 74 Jahre alten Regierungschef das Fass zum Überlaufen. Die Regierungskrise in Italien erreichte am Donnerstag einen neuen Höhepunkt, aber es könnte noch schlimmer kommen. Im politischen Rom herrschten am Freitag Fassungslosigkeit und Frust. «Das was in diesen Stunden passiert ist, tut dem Land weh», schrieb Ex-Ministerpräsident Matteo Renzi. Das Regierungschaos könnte das Mittelmeerland mit fast 60 Millionen Einwohnern wirtschaftlich und gesellschaftlich schwer belasten.

Die populistische Fünf-Sterne-Bewegung von Draghis Vorgänger Giuseppe Conte wollte ein Hilfspaket, das auch den Bau einer umstrittenen Müllverbrennungsanlage in Rom mit einschloss, im Parlament nicht mittragen. Sie entzogen der Regierung jedoch damit auch das Vertrauen. Staatschef Sergio Mattarella lehnte Draghis Rücktritt ab. Der frühere Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) muss nun nach einer neuen Mehrheit im Parlament suchen. Kommenden Mittwoch will er dort Bericht erstatten.

Für Italien steht sehr viel auf dem Spiel. Die Regierung müsse im zweiten Halbjahr noch wichtige Reformen mit politischem Konfliktpotenzial umsetzen, um sich EU-Milliarden aus dem Corona-Wiederaufbaufonds zu sichern, erklärt Politik-Experte Wolfango Piccoli. Außerdem muss der Haushalt beschlossen werden, was traditionell zu Streit führt. «Ein Ende Draghis jetzt käme für Italien zum schlechtesten Zeitpunkt», findet Piccoli.

Aktuell wären stabile Verhältnisse besonders wichtig. Brüssel korrigierte die Konjunkturprognose für die drittgrößte Volkswirtschaft der EU jüngst nach unten und rechnet für 2023 nur noch mit 0,9 Prozent Wachstum. Gestiegene Preise belasten die Verbraucher und Energie-Sorgen plagen das von russischen Gaslieferungen abhängige Land. Draghi will deswegen am Montag nach Algerien fliegen. Das nordafrikanische Land ist für Italien ein wichtiger Gas-Lieferant.

Krise ist auch Gefahr für Europa

Italien könnte auch zur Gefahr für Europa werden. Der Risikoaufschlag für zehnjährige italienische Staatsanleihen im Vergleich mit deutschen Papieren stieg weiter an. «Die aktuelle Regierungskrise hat auf die Stabilität Italiens zunächst keine direkte Auswirkung, aber Beobachter aus der Wirtschaft sind alarmiert, weil die Seriosität und Stabilität, die Draghi als Premierminister vermittelt, wegfallen könnte», erklärt Nino Galetti, der Leiter der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung in Rom.

Wie geht es nun mit Italien weiter? Die Möglichkeiten reichen von einer Fortsetzung einer Regierung unter Draghis Führung bis zu vorgezogenen Wahlen. Eigentlich würden erst im Frühjahr 2023 wieder Wahlen anstehen. Manche Medien sehen aber keine Chance für eine weitere Draghi-Regierung und halten daher Neuwahlen für wahrscheinlicher. «Vorgezogene Wahlen sind nicht im Sinne der Senatoren oder Abgeordneten, weil viele von ihnen die nötige Zugehörigkeitsdauer im Parlament für die Rentenansprüche noch nicht erreicht haben. Das ist erst ab Oktober der Fall», erklärt Galetti. Lediglich die im Umfragehoch stehende rechtsextreme Oppositionspartei Fratelli d’Italia befürwortet Neuwahlen.

Rolle der Lega bislang unklar

Deren Parteivorsitzende Giorgia Meloni sieht die Möglichkeit, dass sich Draghi per Vertrauensvotum die Zustimmung einer Parlamentsmehrheit für einen politischen Fahrplan bis Ende des Jahres holen könnte. Bis dahin muss nämlich der Haushalt beschlossen werden. Im Parlament hätte Draghi auch ohne die Fünf Sterne eine Mehrheit. Ohne sie fehlt ihm aber ein Gegengewicht zur rechten Lega. Sozialdemokraten und Italia Viva würden Draghi unterstützen. Unklar ist die Rolle der mit vielen Sitzen vertretenen Lega von Matteo Salvini. Der Ex-Innenminister schloss Neuwahlen bislang nicht aus.

Ungewiss ist auch die Zukunft der Fünf Sterne. Die Partei befindet sich im Umfragetief. Außenminister Luigi Di Maio trat unlängst aus und nahm Dutzende Unterstützer in die neue Partei Insieme per il futuro (Gemeinsam für die Zukunft) mit. «Conte ist in einer misslichen Situation», sagt Galetti. «Die Fünf Sterne beschlossen bei ihrem erstmaligen Einzug ins Parlament vor knapp zehn Jahren, dass Abgeordnete nur zwei Wahlperioden dort zugehörig sein dürfen.» Weil diese Zeit bei vielen nun vorbei sei, seien sie Di Maio gefolgt, um dieser Regel zu entgehen.

Von Johannes Neudecker, dpa

 

 

In Rom eskaliert die Regierungskrise

Rom (dpa) – In Italien suchen die Parteien nach einem Ausweg aus der Regierungskrise. Staatspräsident Sergio Mattarella lehnte gestern Abend ein Rücktrittsgesuch von Regierungschefs Mario Draghi ab.

Der 74-Jährige steht nun vor einer Vertrauensfrage im Parlament. Dort soll geklärt werden, ob Draghis Vielparteienregierung nach einem Eklat um die Fünf-Sterne-Bewegung noch eine solide Mehrheit hat. Aus der Regierung gab es sowohl Stimmen für eine Fortsetzung als auch für Neuwahlen.

Wie aus Regierungskreisen zu hören war, wurde der nächste Mittwoch als Termin für die Parlamentsdebatte festgelegt. Das ohnehin schon von einer Dürre- und Energiekrise gebeutelte Mittelmeerland steht damit vor fünf Tagen Gezerres um die Zukunft jenes Mannes, der noch 2021 – auch international – als großer Politik-Gewinner gefeiert wurde.

Wer ist für und wer gegen Draghi

Seit gestern Abend ist in Rom klar, wer für und wer gegen Draghi ist. Die Sozialdemokraten und Zentrumsparteien sprachen sich für eine Fortführung der Regierung des 74-Jährigen aus. Die rechtsextremen Fratelli d’Italia fordern sofortige Neuwahlen; auch die rechte Lega und Silvio Berlusconis Forza Italia – die anders als die Fratelli in der Regierung vertreten sind – könnten sich damit anfreunden.

Die Fünf Sterne von Ex-Ministerpräsident Giuseppe Conte hatten den Rücktritt Draghis provoziert, als sie einer Vertrauensabstimmung im Senat – der kleineren der zwei Parlamentskammern – über ein Hilfsdekret von rund 26 Milliarden Euro für italienische Familien wegen der Folgen des Ukraine-Krieges und der hohen Energiepreise fernblieben. Draghi sah keine Basis mehr für eine Zusammenarbeit.

Staatspräsident Mattarella, der den früheren Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) im Winter 2021 als parteilosen Experten eingesetzt hatte, lehnte dessen Rücktritt ab. Er forderte Draghi stattdessen auf, im Parlament zu klären, ob er noch eine Mehrheit hinter sich versammeln kann.

Rechtsparteien wittern ihre Chancen in Neuwahlen

«Nun haben wir fünf Tage Zeit, um dafür zu arbeiten, dass das Parlament der Regierung Draghi das Vertrauen ausspricht und Italien so schnell wie möglich aus dieser dramatischen Spirale herauskommt, in die es in diesen Stunden geschlittert ist», twitterte Enrico Letta, Parteichef des Partito Democratico. Auch Matteo Renzi von der Kleinpartei Italia Viva, wie Letta einst selbst Ministerpräsident, sagte Draghi die Unterstützung für eine Fortführung der Regierung zu.

Die Rechtsparteien wittern indes ihre Chancen in Neuwahlen – vor allem die rechtsextremen Fratelli d’Italia, die in Umfragen gleichauf mit den Sozialdemokraten derzeit stärkste Partei sind. «Mit dem Rücktritt von Draghi ist für die Fratelli d’Italia diese Legislaturperiode vorbei», sagte Parteichefin Giorgia Meloni.

Die Lega teilte mit: «Es ist undenkbar, dass Italien nun wochenlang erstarrt in einem dramatischen Moment wie diesem. Niemand muss Angst davor haben, den Italienern das Wort zu erteilen.» Berlusconi hatte schon vor der Vertrauensabstimmung gesagt, dass ihn und Forza Italia eine vorzeitige Rückkehr an die Wahlurnen keine Angst bereite.

«Mir blutet das Herz»

Weitgehend einig waren sich die Parteien rechts wie links nur in einem: Dass die Fünf-Sterne-Bewegung das Land auf unverantwortliche Weise in die Krise gestürzt habe. Wie es mit den Populisten – 2018 noch klarer Wahlsieger – nun weitergeht, das ist völlig offen.

Italiens Außenminister Luigi Di Maio sagte in einem TV-Interview am Abend, ihm «blute das Herz», wenn er sehe, dass im autokratischen Russland ein Mann wie Ex-Präsident Dmitri Medwedew juble, «weil eine der stärksten Demokratien der Welt in Italien geschwächt wurde». Di Maio war zuletzt aus der Fünf-Sterne-Bewegung ausgetreten.

 

 

 

Draghi: Indonesiens Präsident schließt Putins G20-Reise aus

Elmau (dpa) – Russlands Präsident Wladimir Putin wird nach Angaben des italienischen Regierungschefs Mario Draghi nicht persönlich zum G20-Gipfel im Herbst nach Indonesien reisen. Das habe der indonesische Präsident Joko Widodo als Gastgeber des G20-Treffens klar gesagt, berichtete Draghi am Dienstag nach dem G7-Gipfel in Bayern, an dem Widodo zeitweise als Gast teilnahm. «Widodo schließt dies aus und war da kategorisch. Er (Putin) wird nicht kommen.»

Unklar sei, ob sich der Kremlchef per Videoschalte an dem G20-Gipfel beteiligen wolle. «Wir werden sehen, was passieren wird», sagte Draghi. Putins außenpolitischer Berater Juri Uschakow sagte darauf der russischen Nachrichtenagentur Interfax zufolge: «Nun, das bestimmt nicht Draghi. Die Einladung ist eingetroffen und wir haben positiv reagiert.» Weiterlesen

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Kiew (dpa) – Ein Ultimatum der russischen Truppen an die seit Wochen belagerte Stadt Mariupol ist von der ukrainischen Führung abgelehnt worden. «Es wird keine Kapitulation, kein Niederlegen der Waffen geben», sagte Vize-Regierungschefin Irina Wereschtschuk der «Ukrajinska Prawda». Sie fordert vom russischen Militär die Öffnung eines humanitären Korridors in die Hafenstadt mit Hunderttausenden notleidenden Zivilisten.

Russland hatte am Sonntag die ukrainischen Truppen in Mariupol aufgefordert, die Waffen niederzulegen und die Stadt am Montagvormittag zu verlassen. Dazu solle zwischen zehn und zwölf Uhr Moskauer Zeit (acht bis zehn Uhr MEZ) ein Korridor eingerichtet werden. Das russische Militär schickte ein acht Seiten langes Schreiben und forderte eine schriftliche Antwort. Weiterlesen

EU-Staaten ringen um Kurs in Russland-Krise

Versailles (dpa) – Bundeskanzler Olaf Scholz und die anderen Staats- und Regierungschefs der EU haben am ersten Tag ihres Gipfeltreffens im französischen Versailles rund acht Stunden über das weitere Vorgehen nach Russlands Angriff auf die Ukraine gerungen.

Dabei machten Länder wie Lettland deutlich, dass sie die deutsche Ablehnung eines Importstopps russischer Energie für nicht mehr tragbar halten. Zudem lagen die Meinungen darüber auseinander, wie mit dem Antrag der Ukraine auf einen schnellen EU-Betritt umgegangen werden soll. Auch hier stand Kanzler Olaf Scholz auf der Seite jener, die bremsen. Nach einer langen Gipfelnacht taten sich erste Risse in dem bislang geschlossen handelnden Staatenblock auf. Weiterlesen

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