Dürre im Urlaub: Drohen Duschverbote und leere Pools?

Von Emilio Rappold, dpa

Barcelona (dpa) – Wer dieser Tage in Barcelona bei Temperaturen von bereits deutlich über 20 Grad an den Strand geht, muss sich aufs Schlangestehen gefasst machen. Die Hauptstadt Kataloniens hält nämlich pro Strand nur eine einzige Dusche in Betrieb. Der Grund: eine extreme, seit vielen Monaten anhaltende Dürre, die inzwischen sogar zu Einschränkungen des Wasserverbrauchs in über 200 Gemeinden der Region im Nordosten Spaniens geführt hat.

Ähnliche, wenn auch weniger gravierende Probleme hat man in Andalusien sowie in anderen europäischen Urlaubsparadiesen. Kurz vor Beginn der Sommersaison macht sich daher nicht nur die Tourismusbranche Sorgen. Immer mehr Südeuropa-Fans in Deutschland und anderswo fragen sich: Muss ich im Urlaub mit trockengelegten Pools und Duschverboten rechnen?

Schlimmste Dürre in Katalonien seit Beginn der Messungen

Die Sorgen sind nicht unberechtigt: In Katalonien sind die Stauseen im Schnitt nur noch zu 26 Prozent gefüllt. Vor einem Jahr waren es noch 58 Prozent. Schon seit Herbst 2021 regnet es in der Region extrem wenig. Experten sprechen von der schlimmsten Dürre in Katalonien seit Beginn der Erfassungen im Jahr 1914. Die Malaise wird von Forschern zum größten Teil auf den vom Menschen verursachten Klimawandel zurückgeführt.

«Wegen des Klimawandels müssen wir damit rechnen, dass die Dürren in den nächsten Jahrzehnten noch häufiger, intensiver und länger anhaltend sein werden», warnt Javier Martín Vide, Professor für Physische Geographie an der Universität Barcelona. Auch kurzfristig sei die Lage nicht rosig. «Ein Ende dieser Dürre ist nicht in Sicht.»

Trotz der Ende Februar beschlossenen Wassersparmaßnahmen sinken die Pegel weiterhin rapide. Landwirte müssen 40 Prozent weniger Wasser konsumieren, die Industrie 15. Untersagt sind unter anderem die Bewässerung öffentlicher und privater Grünflächen sowie die Straßenreinigung mit Trinkwasser. Pläne, das Auffüllen von Hotel-Pools und Schwimmbädern zu verbieten, wurden jüngst ad acta gelegt. Aber die Privathaushalte in den betroffenen Gebieten mit insgesamt sechs Millionen Einwohnern werden ihre Pools unter anderem wegen eines Konsumlimits von 230 Liter pro Kopf und Tag kaum genießen können.

Spanien erwartet Besucherrekord

Wenn es jetzt schon so schlimm ist, wie wird es dann im Sommer sein, wenn es ohnehin weniger regnet, die Touristen in Scharen einreisen und der Wasserkonsum noch einmal drastisch in die Höhe schnellt? Zumal Spanien 2023 einen Besucherrekord erwartet. In dem auch bei Deutschen beliebten Lloret de Mar kommen zu den 40.000 Einwohnern im Sommer 100.000 Touristen hinzu. An der gesamten Costa Brava wächst im August die «Bevölkerungszahl» von 265.000 auf circa 1,2 Millionen.

Das katalanische Wasseramt ACA gibt Entwarnung – vorerst zumindest: Bei den Einschränkungsmaßnahmen seien die Sommer-Touristenströme berücksichtigt worden, so dass das Wasser ausreichen müsste, sagte ACA-Chef Samuel Reyes. Aber spüren dürften die Besucher das Problem auf jeden Fall – etwa in Hotels, die schon jetzt mit Sparduschköpfen den Wasserdruck verringern.

Norden Italiens leidet unter Wassermangel

Wie sieht es in anderen beliebten Ferienzielen aus? In Italien macht man sich vor allem im Norden Sorgen. Insbesondere der bei Touristen beliebte Gardasee sowie der Po, Italiens größter Fluss, leiden unter extrem niedrigen Wasserständen. Doch die Tourismusbranche denkt auch ans Geschäft und beklagt eine «Dürre-Kampagne», die zu einem massiven Imageschaden und einem Rückgang der Besucherzahlen in der Region führen könne. Es gebe «alarmistische Berichte», heißt es.

«Niemand verschweigt, dass es sich hier um eine außergewöhnliche Situation handelt, aber der derzeitige Wasserstand des Gardasees gefährdet keine der wichtigsten touristischen oder sportlichen Aktivitäten, die hier stattfinden», zitierte die Zeitung «L’Adige» eine Vertreterin des Tourismusverbandes der Gardasee-Region. Gäste und Mitarbeiter seien jedoch zum Wassersparen angehalten.

Neue Attraktionen durch die Dürre

Die Dürre schafft derweil sogar neue Attraktionen, die Touristen locken. Die Behörden Kataloniens mussten im vorigen Sommer den Zugang zum Sau-Stausee nördlich von Barcelona beschränken, weil der Andrang der Menschen, die die sonst unter Wasser stehende Kirche Sant Romá aus dem 11. Jahrhundert sehen wollten, zu groß geworden war. Im Gardasee war die Insel San Biagio Anfang des Jahres zur Begeisterung vieler wegen des Wassermangels plötzlich zu Fuß erreichbar.

Dass Tourismus aber den Druck auf Biodiversität und Wasservorräte erhöht, ist unbestritten. Auch in Frankreich kommen die meisten Urlauber genau dann, wenn das Wasser im Sommer am knappsten ist. In einem Teil des Nationalparks Calanques bei Marseille hat das Gedränge von Besuchern zu starker Erosion geführt. Mittlerweile kann die Sugiton-Bucht nur noch mit Reservierung besucht werden.

Branche in Frankreich dennoch zuversichtlich

Die Branche zeigt sich aber zuversichtlich. «Bereits im vergangenen Jahr war die Trockenheit besorgniserregend und dennoch wussten sich vor allem die Fachkräfte der Wasseraktivitäten anzupassen. Die Saison war sehr gut», sagte François de Canson, Vorsitzender des französischen Tourismus-Verbands ADN Tourisme, über den Südwesten Frankreichs. Auch dieses Jahr würden die Fachkräfte sich anpassen.

Ohnehin bemüht sich Frankreich, wo einzelne Gegenden stark vom Geschäft mit Urlaubern abhängen, um einen nachhaltigen Tourismus. Man will – wie unter anderem auch die spanische Mittelmeer-Insel Mallorca – den ökologischen Fußabdruck des Sektors verringern und verstärkt in eine nachhaltige Tourismus-Infrastruktur investieren.

Griechenland ist bisher nicht übermäßig stark von Dürre betroffen. Die Wasserspeicher, die unter anderem die Hauptstadt Athen versorgen, sind gut gefüllt. Auf manchen Inseln in der südlichen Ägäis hingegen war Trockenheit schon immer ein Problem; zum Teil werden dort mit Photovoltaik Anlagen betrieben, die Meerwasser zu Trinkwasser aufbereiten. Die Folgen des Klimawandels beklagen dennoch auch griechische Experten: Wetterphänomene wie Starkregen und extreme Hitzewellen hätten in den vergangenen Jahren zugenommen.

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Proteste und Streiks nach Zugunglück in Griechenland

Athen (dpa) – Als Reaktion auf das schwere Zugunglück hat ein neuer Streik das öffentliche Leben in Griechenland nahezu lahmgelegt. Seeleute, Busfahrer, Ärzte und Lehrer sowie der gesamte öffentliche Dienst traten am Mittwoch in einen 24-stündigen Ausstand. Vor allem in den Großstädten Athen und Thessaloniki kam es dadurch zu Chaos im Straßenverkehr. Auch die Fähren blieben in den Häfen, so dass viele Inseln vom Festland abgeschnitten waren. Weiterlesen

Bahnhofschef in U-Haft – Streiks in Griechenland dauern an

Athen (dpa) – Die griechische Justiz hat nach dem schweren Zugunglück mit mindestens 57 Toten den Bahnhofsvorsteher der Stadt Larisa in Untersuchungshaft genommen. Wie sein Rechtsanwalt am Montagmorgen griechischen Medien sagte, habe sein Mandant zugegeben, eine Weiche falsch gestellt zu haben. Dies führte zum Zusammenstoß eines Intercity-Zuges mit einem Güterzug in der vergangenen Woche. Weiterlesen

Griechenland: Proteste und Streiks nach schwerem Zugunglück

Athen (dpa) – Die Proteste in Griechenland nehmen nach dem schweren Zugunglück mit mindestens 57 Toten immer größere Dimensionen an. Den zweiten Tag in Folge traten die Eisenbahner am Freitag landesweit in einen 24-stündigen Streik, wie ihre Gewerkschaft mitteilte.

Bislang wurden 36 Opfer mit Hilfe von DNA-Tests identifiziert, teilte eine Sprecherin der Polizei am Freitag mit. Die gerichtsmedizinischen Labore arbeiten mit Hochdruck, um alle Leichen zu identifizieren, fügte sie hinzu. Am Freitagnachmittag sollten nach Angaben eines Sprechers der Feuerwehr die Bergungsarbeiten am Unglücksort beendet werden. Weiterlesen

Opferzahl des Zugunglücks in Griechenland auf 42 gestiegen

Athen (dpa) – Beim schweren Zugunglück in Griechenland sind mindestens 42 Menschen ums Leben gekommen. Dies teilte am Donnerstag die Feuerwehr mit. Es werden jedoch noch zahlreiche Menschen vermisst. Aus diesem Grund suchen die Rettungskräfte in den Trümmern weiter, wie das Staatsfernsehen (ERT) berichtete. Aus Protest gegen den maroden Zustand der griechischen Bahnen sind die Eisenbahner landesweit in einen 24-stündigen Streik getreten. Auch zwei der drei U-Bahnlinien von Athen werden bestreikt, wie Medien berichteten. Weiterlesen

Fassungslosigkeit nach schwerem Zugunglück in Griechenland

Von Takis Tsafos und Alexia Angelopoulou, dpa

Athen (dpa) – Bei Tagesanbruch wird das Ausmaß des schweren Unglücks erst deutlich: Die Unfallstelle gleicht einem Trümmerfeld, die vorderen Waggons beider Züge wurden durch den Aufprall geradezu zusammengefaltet und brannten zum Teil aus, wie Drohnenaufnahmen im griechischen Staatsfernsehen zeigen. Mindestens 35 Menschen kamen am späten Dienstagabend beim Frontalzusammenstoß eines Personen- und eines Güterzugs in Mittelgriechenland ums Leben. Mindestens 66 Passagiere wurden teils schwer verletzt in umliegende Krankenhäuser gebracht.

Die Zahl der Todesopfer könnte noch steigen. Am Mittwochmorgen liefen die Bergungsarbeiten mit Kränen und schwerem Gerät und auch mit Spürhunden weiter. Bei Rettungskräften und Reportern vor Ort herrscht Fassungslosigkeit. Wie ist es möglich, dass der Intercity von Athen nach Thessaloniki mit rund 350 Passagieren an Bord auf demselben Schienenstrang wie der entgegenkommende Güterzug unterwegs war, obwohl die Strecke zweispurig ausgebaut ist?

Der für den Abschnitt zuständige Eisenbahnchef sei bereits festgenommen worden, hieß es im Staatsfernsehen. Andere Eisenbahner und Techniker würden befragt. Die Verkehrsbehörde der nahe gelegenen Stadt Larisa hat mit Ermittlungen zur Unfallursache begonnen. Viele anknüpfende Bahnstrecken wurden für den Zugverkehr vorerst gesperrt.

Viele Tote nur schwer identifizierbar

Am Bahnhof der nordgriechischen Hafenstadt Thessaloniki versammelten sich derweil schon nachts verzweifelte Angehörige, Telefon-Hotlines wurden eingerichtet. Viele der Toten können Berichten zufolge nur per DNA-Test identifiziert werden. Rund 200 Passagiere, die nicht oder nur leicht verletzt wurden, wurden vom Unglücksort mit Bussen ins 150 Kilometer weit entfernte Thessaloniki gebracht. Manche Angehörige aber warteten vergebens. Bei vielen der Passagiere soll es sich um junge Leute gehandelt haben, Studierende, die nach einem verlängerten Wochenende wegen eines Feiertags nun auf dem Weg zur Universität von Thessaloniki waren.

«Ich dachte, ich würde sterben», sagte ein Passagier der Tageszeitung «Kathimerini». Der junge Mann saß nach eigenen Angaben in einem der hinteren Waggons. Er habe am Boden Schutz gesucht, Menschen hätten geschrien und geweint. Andere Passagiere berichteten, sie hätten die Fenster eingedrückt und sich im Dunkeln aus dem halb umgekippten Waggon retten können.

Trotz der Modernisierung mit neuen Brücken und Tunneln und zwei Gleisen entlang der gesamten rund 500 Kilometer langen Strecke Athen-Thessaloniki gebe es erhebliche Probleme bei der elektrischen Koordination der Verkehrskontrolle, hieß es im Staatsfernsehen. «Wir fahren wie in alten Zeiten von einem Streckenteil zum anderen per Funk. Die Stationsleiter geben uns grünes Licht», sagte Kostas Genidounias, Präsident der Gewerkschaft der Lokführer im staatlichen Rundfunk. Warum dies geschieht und kein modernes Leitsystem funktioniert, konnte er nicht sagen. Die griechischen Bahnen (Hellenic Train) werden von der italienischen Staatsbahn Ferrovie dello Stato Italiane (FS) betrieben.

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Welttag des Kompliments: Andere Kulturen – andere Ausdrücke

Von Serhat Koçak, dpa

Berlin (dpa) – «Ein hübsches Kompliment ist wie ein Sandwich: zwischen zwei Alltäglichkeiten etwas Besonderes», soll einst die deutsch-amerikanische Schauspielerin Marlene Dietrich gesagt haben. Doch ein gut gemeintes Kompliment kann falsch interpretiert werden – und damit auch die gute Absicht dahinter. Am Mittwoch (1. März) ist Welttag der Komplimente – ein guter Zeitpunkt also, um einen Blick auf verschiedene Arten von Komplimenten zu werfen.

Missverständnisse entstehen besonders schnell zwischen Menschen aus verschiedenen Kulturen. Das kann schon mit einer einfachen Geste beginnen: In Deutschland und weiten Teilen Europas bedeutet der nach oben gestreckte Daumen etwas Positives wie «Gut gemacht», «Super» oder «Alles in Ordnung». In Australien oder Griechenland etwa ist dieser Fingerzeig eine obszöne Geste und gilt als vulgäre Beschimpfung. Wenn man den Daumen mehrmals nach oben bewegt, wird daraus sogar ein rüder sexueller Affront.

Zurückhaltung in Japan

Eine im Vergleich zur deutschen ganz andere Komplimente-Kultur herrscht in Japan. Die Bewohner des Inselstaats sind ein sehr zurückhaltendes Volk, daher werden Komplimente nur selten vergeben. «Neulich hat mir ein Augenoptiker ins Gesicht gesagt, ich würde bei meiner flachen Nase ein anderes Nasenpad benötigen», erzählt Kulturleiterin Akiko Kawauchi vom Japanisch-Deutschen Zentrum Berlin. Sie wohne schon ihr ganzes Leben in Deutschland, so dass sie die Bemerkung als ehrliche und neutral zu verstehende Aussage deute. «Wäre ich jedoch direkt aus Japan gekommen, hätte ich seine Aussage als unhöfliche und brüske Beleidigung empfunden.»

Eine hohe Nase zu haben, gilt in Japan als Schönheitsideal. Das Gegenteil würde man dem Gegenüber also nicht ins Gesicht sagen, erklärt Kawauchi. Ebenso wie die Bemerkung von doppelten Lidfalten, die die Augen größer machen. Auch die in Japan übliche noble Blässe gilt als Kompliment im Gegensatz zu gebräuntem Teint im Sommer, der bei Frauen früher – heutzutage nicht mehr so stark – als ländlich belächelt wurde.

Die Kunst der Metapher

Mit Hilfe von Metaphern kann man beispielsweise eine Wertschätzung oder Liebe gegenüber jemandem ausdrücken. So auch in Indonesien. Graues oder weißes Haar sei ein Indiz für das Altern, sagt Lektorin Esie Hanstein vom Institut für Asien- und Afrikawissenschaften (IAAW). Doch in Form einer Metapher bekommt es wiederum eine andere Bedeutung. Um die Liebe eines Menschen zu gewinnen, sei man bereit, so lange zu warten, «bis mein Haar weiß wird».

Ähnliche Respektsbekundungen gibt es auch in Brasilien: Dort wird jemand mit viel Erfahrung «macaco velho» genannt – zu Deutsch: alter Affe. Metaphern dieser Art lassen sich in vielen Ländern Südamerikas finden, erklärt der emeritierte Professor für brasilianische Literatur, Flavio Wolf de Aguiar.

Der Ausdruck geht auf ein brasilianisches Sprichwort zurück: «Ein weiser alter Affe steckt seine Hand nicht in einen Topf.» Das bedeutet, dass eine Person mit Erfahrung nicht in Schwierigkeiten geraten kann, sagt Aguiar. Denn in Brasilien essen Affen gerne aus topfartigen Früchten eines Baumes. Steckt ein junger Affe seine Hand in den Fruchttopf, bleibt er mit der geschlossenen Faust stecken.

In Kamerun bedient man sich ebenfalls gerne Metaphern, um Wertschätzung auszudrücken. So kann jemand schon mal als alter Topf (vieille marmite) bezeichnet werden. Das ist dann keine Beleidigung, sondern dem Gelobten werden große Kochkünste zugesprochen. Denn die Kamerunerinnen und Kameruner finden, dass man in alten Töpfen das beste Essen kochen kann. Und wird man nach dem imposanten Baum Baobab gerufen, dann hat man eine gute Leistung erbracht und gilt gleichzeitig als respektierte Person.

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Nach Erdbeben: Entspannung zwischen Ankara und Athen?

Von Alexia Angelopoulou, Takis Tsafos und Anne Pollmann, dpa

Ankara/Athen (dpa) – Damit hätte vor zwei Wochen niemand gerechnet: Als Athens Außenminister Nikos Dendias als erster EU-Politiker ins Erdbebengebiet reiste, fielen sich er und sein türkischer Amtskollege Mevlüt Cavusoglu am Flughafen der völlig zerstörten Stadt Antakya geradezu in die Arme.

«Wir sollten nicht bis zum nächsten Erdbeben warten, um unsere bilateralen Beziehungen zu verbessern», sagte Cavusoglu nach dem emotionalen Moment. Das zerrüttete Verhältnis der Länder – sie streiten um Hoheitsrechte und Erdgasvorkommen in der Ägäis und im östlichen Mittelmeer – dürfte auch Thema beim Besuch von US-Außenminister Antony Blinken am Sonntag in der Türkei und danach in Athen sein. Doch was steckt hinter der «Erdbeben-Diplomatie»?

Wieso sollte ein Erdbeben etwas ändern?

Das Phänomen «Erdbebendiplomatie» gab es bereits einmal: Nach je einem schweren Beben im August und September 1999 in der Türkei und in Griechenland mit vielen Toten schickten sich beide Länder sofort gegenseitige Hilfe. Die Trauer um die Opfer und das Entsetzen über die Naturgewalt verbanden: Eine Phase der Annäherung begann mit zahlreichen politischen und privaten Treffen. Medien beider Länder schrieben häufig wohlwollend übereinander. Man kam sodann sogar bei einem der ewigen Streitthemen überein: Der Zwist um ungeklärte Hoheitsgebiete in der Ägäis sollte bilateral bis 2004 gelöst werden – oder man werde gemeinsam vor den Internationalen Gerichtshof in Den Haag ziehen und auf diese Weise eine friedliche Lösung herbeiführen.

Was ging schief?

Die Tauwetterstimmung kippte: In der Türkei löste Recep Tayyip Erdogan 2003 den Ministerpräsidenten Bülent Ecevit ab, in Griechenland folgte auf den verbindlichen Sozialdemokraten Kostas Simitis 2004 der konservative Ministerpräsident Kostas Karamanlis. Vor allem Karamanlis gilt als der «Erfinder der Unbeweglichkeit», wie ihn jüngst eine griechische Zeitung nannte. Er trieb die Annäherung nicht voran, um sich innenpolitisch keiner Kritik auszusetzen.

Warum eskalierte der Konflikt in den vergangenen Jahren?

Eine massive Verschlechterung begann laut griechischen Analysten mit dem gescheiterten Militärputsch in der Türkei gegen Präsident Erdogan 2016. Von da an habe Erdogan überall Feinde gesucht und auch geschaffen, heißt es in Athen. Der türkische Präsident bediene sich oft einer Freund-Feind-Logik, um die Reihen hinter sich zu schließen, sagen auch türkische Beobachter.

Ein zentrales Thema spielt auch die Entdeckung großer Erdgasvorkommen im östlichen Mittelmeer. Wiederholt schickte Ankara Bohr- und Forschungsschiffe in Seegebiete, die nach internationalem Recht zu Griechenland gehören. Nach diplomatischen Annäherungen Athens an die USA war dann bei Erdogan im vergangenen Frühjahr das Fass voll: Er kenne den griechischen Regierungschef Kyriakos Mitsotakis nicht, sagte er, und brach die Verbindung zum Nachbarland ab. Erdogan störte sich vor allem daran, dass sich Mitsotakis angesichts der türkischen Überflüge über griechisches Gebiet in den USA dafür eingesetzt hatte, dass Washington keine weiteren Kampfjets an Ankara verkaufen solle.

Hoheitsrechte in der Ägäis – was hat es damit auf sich?

Athen hat etliche griechische Inseln gegenüber der türkischen Westküste seit Jahrzehnten militarisiert, obwohl internationale Verträge das verbieten. Griechenland verweist auf Drohungen aus der Türkei und das Recht auf Selbstverteidigung. Die Türkei wiederum spricht Griechenland mittlerweile die Souveränität über diese Inseln ab, eben weil sie widerrechtlich militarisiert sind und eine Bedrohung darstellten. Nachdruck verleiht Ankara der Kritik, indem türkische Kampfjets regelmäßig griechischen Luftraum verletzen und zum Teil über bewohnte Inseln fliegen. Die Türkei behauptet, damit auf Überflüge der Griechen zu reagieren. Wiederholt drohte Erdogan zudem, man könne «eines Nachts kommen». Die EU hat dieses Gebaren mehrfach verurteilt, auch bei der Nato ist man nicht glücklich über die Streitigkeiten zwischen den beiden Nato-Mitgliedern.

Was seit dem Erbeben verändert?

Vor allem in der Bevölkerung überwiegt auf beiden Seiten der Zusammenhalt in dieser schwierigen Situation. Griechenland war eines der ersten Länder, das Helfer ins Erdbebengebiet schickte – es gibt in beiden Ländern wegen der hohen Erdbebengefahr viel Know-how für den Ernstfall. Der griechische Staatssender ERT machte seine Nachrichtensendung mit einem türkischen Lied auf, eine Geste, die viele Menschen in der Türkei berührte und würdigend tausendfach in den sozialen Netzwerken geteilt wurde. Die Menschen in Griechenland sammeln Hilfsgüter, es wurden zahlreiche Lieferungen geschickt.

Wieso besteht Hoffnung?

Das Treffen zwischen den Außenministern Cavusoglu und Dendias war ein erster großer Schritt. Auch gab es seit dem Erdbeben kaum mehr Verletzungen des griechischen Hoheitsgebiets durch türkische Jets, die zuvor fast täglich stattfanden. Allerdings fragen sich Experten, wie lang solch ein Burgfrieden anhalten kann, da die konkreten Konflikte ja nicht gelöst sind. Regierungschef Mitsotakis jedenfalls hat Hoffnung: Das Erdbeben mit seinen «unermesslichen Zerstörungen» könne eine Gelegenheit sein, die Beziehungen neu zu definieren, sagte er am Donnerstag.

Was bedeutet der Besuch von US-Außenminister Blinken?

Nach Ansicht von Analysten dürfte Blinken versuchen, beide Länder wieder an einen Tisch zu bekommen. Für die USA sind beide Länder geostrategisch wichtig. Vor allem mit Griechenland gab es zuletzt eine verstärkte militärische Zusammenarbeit, US-Basen unter anderem auf Kreta und in Mittel- sowie Nordgriechenland wurden auf- und ausgebaut. Zudem schwächt der Streit der Nachbarländer die Südostflanke der Nato. Das kann das Militärbündnis in Zeiten des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine nicht brauchen.

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EuGH verurteilt Griechenland wegen Luftverschmutzung

Luxemburg (dpa) – Griechenland hat wegen der anhaltenden Luftverschmutzung in Athen nach einem Urteil des EuGH gegen EU-Recht verstoßen. Seit 2010 bis einschließlich 2020 sei der Jahresgrenzwert für den Luftschadstoff Stickstoffdioxid im Ballungsraum Athen systematisch überschritten worden, urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Außerdem habe Griechenland keine geeigneten Maßnahmen ergriffen, um die Luftverschmutzung so gering wie möglich zu halten. Geklagt hatte die EU-Kommission. Weiterlesen

Griechenland: Kampfflugzeug abgestürzt – Piloten vermisst

Athen (dpa) – Nach dem Absturz eines griechischen Kampfflugzeugs über dem Ionischen Meer im Westen des Landes werden die zwei Piloten des Jets vermisst.

Wie der staatliche griechische Rundfunk (ERT) berichtete, sahen die Piloten eines anderen griechischen Flugzeugs den Absturz der Maschine vom Typ F-4 Phantom 2. Zum Zeitpunkt des Unglücks übten die Piloten des abgestützten Jets demnach einen Tiefflug westlich der Küste der Halbinsel Peloponnes. Weiterlesen

Griechen nehmen Abschied von Ex-König Konstantin II.

Athen (dpa) – In der griechischen Hauptstadt Athen hat am Montag das Zeremoniell zur Trauerfeier und Beerdigung des gestorbenen Ex-Königs Konstantin II. begonnen.

Zunächst konnten Bürgerinnen und Bürger in einer kleinen Kapelle neben der orthodoxen Kathedrale dem früheren Monarchen die letzte Ehre erweisen. Sie liefen neben dem mit der griechischen Fahne bedeckten Sarg und bekreuzigten sich, wie das griechische Fernsehen zeigte. Einige Royalisten stimmten auch die griechische Nationalhymne an, wie Reporter vor Ort berichteten. Weiterlesen

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