Zahlreiche Anfragen an grenzüberschreitende Polizeistelle

Luxemburg (dpa/lrs) – Das Zentrum für grenzüberschreitende Polizeiarbeit in Luxemburg hat seit seiner Gründung vor 20 Jahren gut 410.000 Anfragen bearbeitet. Insgesamt 40 Mitarbeiter aus Deutschland, Luxemburg, Frankreich und Belgien arbeiten hier gemeinsam mit an der Aufklärung von Straftaten in der Grenzregion. «Wir machen grundsätzlich alles, was den Kollegen aus anderen Ländern weiterhelfen kann», sagt die deutsche Koordinatorin des Gemeinsamen Zentrums für Polizei- und Zollzusammenarbeit, Caroline Nicola, aus dem Saarland. Das könne neben den Rechtshilfeersuchen auch manchmal das Herstellen von Kontakten sein. Weiterlesen

Wenn Asylbewerber monatelang obdachlos sind

Von Mia Bucher und Annette Birschel, dpa

Brüssel/Amsterdam (dpa) – Seit fast drei Monaten schläft Faraidoon in einem kleinen blauen Zelt neben einer stark befahrenen Straße in der Brüsseler Innenstadt. Auf von Regen durchweichten Holzpaletten stehen gut 20 weitere Zelte eng an eng. Oft teilen sich zwei Männer eine spärliche Behausung. Wie der 27 Jahre alte Fairadoon kommen die meisten von ihnen aus Afghanistan. Nach ihrer Ankunft in Belgien haben sie einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Einen Platz in einem Asylwohnheim, der ihnen gesetzlich zusteht, haben sie bislang jedoch nicht erhalten.

Asylunterkünfte in Belgien und den Niederlanden sind seit Monaten hoffnungslos überlastet. Schätzungen der zuständigen belgischen Behörde Fedasil zufolge waren Anfang des Jahres rund 3000 Schutzsuchende in Belgien obdachlos. Sie leben in Zelten wie Faraidoon oder in einem verlassenen Gebäude in der Brüsseler Innenstadt. «Das ist inakzeptabel», sagt Fedasil-Sprecher Benoit Mansy der Deutschen Presse-Agentur. Doch die Kapazitäten reichten einfach nicht aus.

«Die Lage ist unter die humanitäre Untergrenze gesunken»

Auch in den Niederlanden müssen viele Asylsuchende unter erbärmlichen Umständen leben. Rund 22.000 wohnen bereits seit über einem Jahr in Notunterkünften, etliche von ihnen seit über einem Jahr auf Feldbetten in Turnhallen oder großen Zelten, dünne Stellwände sorgen kaum für Privatsphäre. «Die Lage ist unter die humanitäre Untergrenze gesunken», erklärte das Flüchtlingshilfswerk des Landes und zog im vergangenen Sommer vor Gericht – mit Erfolg. Die Richter entschieden, dass die Umstände nicht internationalen Normen entsprächen.

Die niederländische Asylkrise ist vor allem hausgemacht: Im vergangenen Jahr waren es laut der zentralen Behörde für die Aufnahme von Asylsuchenden COA rund 47.000 Menschen, die hier Asyl suchten – keine außergewöhnlich hohe Zahl. 2015 waren noch rund 60.000 registriert worden. Doch um zu sparen, hatte die Regierung Personal und Plätze in Aufnahmezentren gestrichen. Die Wartezeit für die Bearbeitung der Asylanträge wurde immer länger. Zusätzlich sorgt die allgemeine Misere auf dem Wohnungsmarkt dafür, dass kaum Plätze in den Wohnheimen frei werden. Daher werden viele Ankömmlinge in Notunterkünften untergebracht, in Turnhallen oder auf Passagierschiffen.

Auf Straßen übernachten müssen Asylbewerber nach Erkenntnissen des Deutschen Städte- und Gemeindebunds in Deutschland nicht. Auch wenn sich die Zahl der Schutzsuchenden 2022 im Vergleich zum Vorjahr deutlich erhöhte (um knapp 47 Prozent) – im vergangenen Jahr stellten rund 218.000 Menschen einen Asylerstantrag.

Was läuft schief?

Wieso gelingt es Belgien nicht, die Asylsuchenden besser zu versorgen? Faraidoon beklagt, Fedasil teile ihm Woche zu Woche mit, weiter auf eine Unterkunft warten zu müssen. Magali Pratte von der Brüsseler Obdachlosenhilfe Samussocial wirft der Politik fehlenden Willen vor. Um Menschen vor der Obdachlosigkeit zu bewahren, gebe es auch in dem kleinen Königreich leerstehende Gebäude, in denen Schutzsuchende zumindest vorläufig unterkommen könnten. Schnelle pragmatische Lösungen gehörten jedoch nicht zu den Stärken der staatlichen Organe, kritisiert Pratte.

Nach Angaben der belgischen Behörde für Flüchtlinge und Staatenlose haben 2022 knapp 37.000 Menschen einen Asylantrag in Belgien gestellt. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum entspreche das einem Anstieg von 42 Prozent. Die meisten Menschen kamen demnach aus Afghanistan, Syrien, Burundi und Palästina. Zudem haben der Statistikbehörde Eurostat zufolge rund 57.000 Ukrainerinnen und Ukrainer zwischen März und November Schutz in dem Land gesucht. Sie müssen in der EU jedoch kein Asyl beantragen und haben etwa freien Zugang zum Wohnungsmarkt.

EU-Staaten streiten schon seit Jahren über Verteilung

Insgesamt gibt es in dem 11,6-Millionen-Einwohner-Land laut Fedasil 33.500 Plätze in Asylunterkünften. 5000 davon seien im vergangenen Jahr neu geschaffen worden. Die Plätze seien teils jedoch über lange Zeiträume besetzt, weil Asylbewerber monatelang auf ihren Bescheid warten müssten, sagt Behördensprecher Mansy. Die belgische Regierung fordert, Asylbewerber müssten gleichmäßiger auf alle EU-Länder verteilt werden. Doch die EU-Staaten streiten schon seit Jahren erbittert über eine solche Verteilung.

Mit der Not vieler Asylbewerber in Belgien beschäftigte sich zuletzt sogar der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Knapp 150 Schutzsuchende hatten gegen den belgischen Staat geklagt, weil sie wie Faraidoon auf der Straße schlafen müssen – und keine sauberen Toiletten und Duschen zur Verfügung haben. Das Gericht gab ihnen Recht und wies Belgien dazu an, den Klägern eine Unterkunft zu bieten. Mehr als zwei Monate sind seit dem Urteil vergangen. Fedasil-Sprecher Benoit Mansy versicherte auf dpa-Anfrage, dass die Kläger bevorzugt behandelt würden. Trotzdem seien einige von ihnen immer noch obdachlos.

Wie lange Faraidoon und die anderen Männer noch in ihren Zelten ausharren müssen, wissen sie nicht. Manche sind eigenen Angaben zufolge schon seit fünf, sechs Monaten auf der Straße. Frauen sieht man in dem Camp keine. Genauso wie Kinder und Familien werden sie Mansy zufolge bei der Unterbringung bevorzugt. Laut Pratte gibt es unter den Obdachlosen Fälle von Krätze, Diphtherie und Tuberkulose. Viele hätten einen schweren Lebensweg hinter sich und seien traumatisiert. Das Leben auf der Straße verschlimmere die Probleme. Trotz der widrigen Umstände sind sich die Männer aber einig: Sie sind lieber in Belgien auf der Straße als in Afghanistan bei den Taliban.

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Tradition und Moderne – Belgiens Königin Mathilde wird 50

Von Michel Winde, dpa

Brüssel (dpa) – Als Mathilde d’Udekem d’Acoz im September 1999 erstmals auf der Bildfläche in Belgien erschien, war die damals 26-Jährige weitgehend unbekannt.

Heute ist sie aus dem belgischen Palast nicht mehr wegzudenken. Zusammen mit König Philippe bildet sie ein eingespieltes Team an der Spitze des belgischen Staats. Am Freitag (20. Januar) feiert die Monarchin aus altem flämischen Adel ihren 50. Geburtstag. Haben sich die Hoffnungen der Belgier auf etwas Glamour an der Seite des eher farblosen Philippe erfüllt?

Vom «Mathilde-Effekt» war bei der Hochzeit zwischen Philippe und Mathilde im Dezember 1999 die Rede, von einer Ähnlichkeit zur britischen Prinzessin Diana und von neuem Glanz für das belgische Königshaus. Bis zur Verlobung war die Beziehung zwischen dem damals 39 Jahre alten Kronprinzen Philippe und seiner Mathilde drei Jahre lang geheim gehalten worden. Am 4. Dezember 1999 dann die royale Hochzeit: Mathilde – ein Star war geboren, so hieß es.

Zur Welt kam Mathilde am 20. Januar 1973 in der Brüsseler Gemeinde Uccle. Sie wuchs im französischsprachigen Teil Belgiens auf, studierte Logopädie und Psychologie. Von 1995 bis 1999 arbeitete sie als Logopädin in Brüssel. 2001 wurde die erste Tochter von Mathilde und Philippe geboren – die heute 21 Jahre alte Kronprinzessin Elisabeth. Es folgten Gabriel (19), Emmanuel (17) und Éleonore (14). Seit 2013 sind König Philippe und Königin Mathilde die Monarchen des Landes zwischen Nordsee und Ardennen.

Mathilde sorgt für Glamour im Palast

Mit seiner sachlichen und besonnenen Art hat sich König Philippe – etwa beim Vermitteln der komplexen Regierungsbildungen in Belgien – im Laufe der Jahre Vertrauen in der Bevölkerung erarbeitet. Es ist jedoch Mathilde, zusammen mit Kronprinzessin Elisabeth, die im Palast für etwas Glamour sorgt – ohne sich bislang auch nur einen größeren Fehltritt geleistet zu haben. Die Zeit, in der das belgische Königshaus für Skandale stand, ist vorbei. Und Skandale gab es reichlich.

So hat Philippes Vater, der ehemalige König Albert II., etwa eine uneheliche Tochter in den Palast gebracht. Erst nach jahrelangem Vaterschaftsstreit entschied ein Brüsseler Gericht 2020 im Sinne der Künstlerin Delphine Boël – und machte sie zur Prinzessin. Alberts Frau Paola galt in den 60ern als «Party-Prinzessin». Philippes Bruder Laurent (59) wiederum sorgte mal als «Prinz Vollgas» mit überhöhter Geschwindigkeit, mal im Bademantel für Schlagzeilen. Unter Philippe und Mathilde gibt sich das Königshaus dagegen hochprofessionell.

Mathilde selbst hat etliche Schirmherrschaften übernommen und hält Kontakt zum Volk. Sie fährt mit Bürgerinnen und Bürgern Fahrrad, ist UN-Botschafterin für die Einhaltung der Entwicklungsziele, unterstützt die Entwicklungshilfe des Kinderhilfswerks Unicef und setzt sich für mentale Gesundheit ein. Zugleich präsentiert sie sich als Familienmensch, der ihren Kindern ein normales Leben ermöglichen möchte.

Verbindung von Tradition und Moderne

«Ich würde sagen, dass sie die erste Königin ist, die diese Rolle als eigenständigen Beruf ausübt», sagte Vincent Dujardin, Professor für Zeitgeschichte an der Katholischen Universität Löwen, jüngst der Zeitschrift «Paris Match». Mathilde verkörpere ziemlich gut die Philosophie des Palasts, Tradition und Moderne miteinander zu verbinden. Zugleich schwärmt Dujardin davon, wie hervorragend Mathilde ihren Mann ergänze. «Mathilde ist eindeutig ein Trumpf für den König.» In 23 Jahren habe sie keine einzige Kontroverse ausgelöst.

Und wie verbringt diese bislang Unfehlbare ihren Geburtstag? Offizielle Festlichkeiten sind einem Palast-Sprecher zufolge nicht geplant. Und falls doch gefeiert werde, dann im privaten Rahmen.

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Elfjährige nach Schüssen im Drogenmilieu gestorben

Antwerpen/Rotterdam (dpa) – Ein elfjähriges Mädchen ist nach Schüssen in Antwerpen gestorben. Die Tat steht vermutlich in Zusammenhang mit belgischen Drogenkriminalität, wie ein Polizeisprecher der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag bestätigte.

Unbekannte schossen am Montagabend nach Informationen der Staatsanwaltschaft auf ein Garagentor im Stadtteil Merksem. Die Bewohner des Hauses, ein Vater (58) und zwei weitere Töchter im Alter von 18 und 13 Jahren wurden leicht verletzt. Doch für das jüngste Mädchen kam jede Hilfe zu spät. Die genaue Todesursache wird der Staatsanwaltschaft zufolge noch geprüft. Weiterlesen

Kailis Anwalt bekräftigt Unschuld seiner Mandantin

Brüssel (dpa) – Der Anwalt der unter Korruptionsverdacht stehenden Ex-Vizepräsidentin des Europaparlaments, Eva Kaili, hat die Unschuld seiner Mandantin bekräftigt. «Eva Kaili ist unschuldig», sagte ihr griechischer Rechtsbeistand Michalis Dimitrakopoulos am Donnerstag nach einer Anhörung beim Haftrichter in Brüssel. Die Entscheidung darüber, ob die 44 Jahre alte Griechin im Gefängnis bleibt, sollte noch am selben Tag getroffen werden. Weiterlesen

Kaili legt im Korruptionsskandal Teilgeständnis ab

Brüssel (dpa) – Die verhaftete ehemalige Vizepräsidentin des Europaparlaments Eva Kaili hat im EU-Korruptionsskandal Medienberichten zufolge ein Teilgeständnis abgelegt. Wie die Tageszeitungen<<Le Soir>> und << La Repubblica>> am Dienstag unter Berufung auf Ermittlungsdokumente berichteten, gab die 44 Jahre alte Griechin unter anderem zu, ihren Vater vor ihrer Festnahme angewiesen zu haben, große Mengen Bargeld zu verstecken.

«Sie sagt aus, dass sie in der Vergangenheit von den Aktivitäten ihres Ehemanns mit Herrn Panzeri wusste und dass Koffer mit Geld durch ihre Wohnung geschleust wurden», wird der Untersuchungsrichter zudem aus den Dokumenten zitiert. Weiterlesen

Dreyer will mehr Tempo bei Transportwegen für Wasserstoff

Mainz/Düsseldorf (dpa) – Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer hat sich dafür ausgesprochen, die Planung von Transportleitungen für Wasserstoff zu beschleunigen. «Es ist essenziell, dass wir die Dinge mit Geschwindigkeit vorantreiben», sagte die SPD-Regierungschefin der Deutschen Presse-Agentur. «Wir müssen in allen diesen Projekten so schnell werden wie bei den LNG-Terminals an der Nordseeküste.» Bereits an diesem Samstag wird in Wilhelmshaven ein Importterminal für Flüssigerdgas (LNG) Betrieb genommen. Weiterlesen

Belgische Justiz entscheidet über weitere U-Haft für Kaili

Brüssel/Straßburg (dpa) – Für die unter Korruptionsverdacht stehende Europapolitikerin Eva Kaili entscheidet sich heute, ob sie weiter in Untersuchungshaft bleiben muss. Zusammen mit den anderen drei Verdächtigen, die in Belgien unter anderem wegen mutmaßlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung und Geldwäsche in Untersuchungshaft sitzen, soll die Griechin vor einer Gerichtskammer aussagen. Anschließend wird darüber entschieden, ob sie zunächst auf freien Fuß kommt.

Bereits am Dienstag hatte das Europaparlament die 44-Jährige als Vizepräsidentin abgesetzt. Die Entscheidung wurde mit nur einer einzigen Gegenstimme getroffen. In einer Debatte zu dem Korruptionsskandal äußerten Parlamentarier fraktionsübergreifend blankes Entsetzen. Zugleich forderten etliche Abgeordnete Reformen der Transparenz- und Lobbyregeln des Parlaments. Derzeit arbeiten die Parlamentarier an einer breit getragenen Resolution, in der die nächsten Schritte dargelegt werden sollen. Sie soll am Donnerstag vom Plenum angenommen werden.

«Während viele Menschen Probleme haben, in ihren Beuteln das Notwendigste an Lebensmitteln nach Hause zu tragen, schleppt eine raffgierige Gruppe von Abgeordneten und Mitarbeitern dieses Hauses Koffer voller Bestechungsgeld durch die Gegend – das ist das Bild, das von diesem schockierenden Skandal bleiben wird», sagte etwa Linken-Fraktionschef Martin Schirdewan. Weiterlesen

Katar im Zwielicht: Geht die Imagekampagne nach hinten los?

Von Johannes Sadek und Michel Winde, dpa

Doha/Brüssel (dpa) – Eigentlich hätte es für Katar ein gutes Jahr werden können: Gastgeber der Fußball-WM und damit wochenlang im Fokus der Weltöffentlichkeit, dazu zahlungsstarke Regierungen, die der Führung in Doha wegen seiner Gasvorkommen den Hof machen.

Außerdem eine wachsende Rolle als Vermittler bei internationalen Konflikten, etwa durch seine Kontakte zu radikalen Gruppen wie Hamas und Taliban sowie zum Iran. Das Emirat am Persischen Golf, hätte man meinen können, war auf dem Weg nach oben.

Mit dem Korruptionsskandal im EU-Parlament scheint der Höhenflug in einer Art Bauchlandung zu enden. Im Raum steht, dass Katar dort mit Geld- und Sachgeschenken versucht haben soll, Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen. Auch wenn die Vorwürfe, die Katar bestreitet, nicht bestätigt sind: Nach vielen negativen Schlagzeilen rund um die Weltmeisterschaft in Katar – zur Lage der Menschenrechte, den Arbeitsmigranten, den Korruptionsvorwürfen bei der WM-Vergabe – dürfte das Image einen noch tieferen Kratzer bekommen haben.

Katar, das steht für Aufbruch im Eiltempo, für klimatisierte Moderne und Wolkenkratzer, wo noch vor 100 Jahren vor allem Wüstenvölker lebten. Die Staatskassen füllt das Land, das mit dem sogenannten North Field über das größte Gasfeld weltweit verfügt, vor allem durch Langzeitverträge für die Lieferung von Flüssigerdgas (LNG) unter anderem nach Asien. Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine und die damit verbundene Energiekrise ließ die Nachfrage noch kräftig steigen.

Zu fast überproportional hohem Ansehen gelangt

Auch international ist Katar, eine Halbinsel etwa viermal so groß wie das Saarland, zu fast überproportional hohem Ansehen gelangt. Doha vermittelte den – wenn auch später katastrophal verlaufenen – US-geführten Truppenabzug aus Afghanistan und nahm 60.000 Evakuierte vorübergehend auf. Die USA, die in Katar ihre größte Militärbasis im Nahen Osten unterhalten, verlegten ihre Botschaft nach Doha und lassen sich in Afghanistan durch die Katarer vertreten. Nachdem 2021 eine jahrelangen Blockade durch Saudi-Arabien und Verbündete endete, ist das Emirat auch regional gestärkt. Im Konflikt des Westens mit dem Iran ist Doha ebenfalls ein wichtiger Ansprechpartner.

Aber die Öffentlichkeitsarbeit steckte dabei «in den letzten Jahren noch in den Kinderschuhen», sagt Experte Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik im Deutschlandfunk. PR-Firmen seien spät engagiert worden. Wenn die katarische Führung oder deren Diplomaten wirklich glaubten, dass sie durch Geldgeschenke Einfluss in Europa erkaufen könnten, sei das ein «Hinweis auf große politische Dummheit», sagt Steinberg. Womöglich wüssten sie einfach nicht, wie politische Einflussnahme in Brüssel abläuft.

Dort greift nach dem ersten Schock auch das Misstrauen um sich. Der französische Sozialdemokrat Raphaël Glucksmann schrieb auf Twitter bereits, das aufgedeckte Netzwerk sei überwältigend. «Und das ist wahrscheinlich erst der Anfang…» Die gesamten Beziehungen der Europäischen Union zu Katar dürften auf den Prüfstand gestellt werden. Jeder Kontakt wird im Nachhinein argwöhnisch begutachtet.

So etwa die zahlreichen Treffen des Vize-Präsidenten der EU-Kommission Margaritis Schinas. Der Grieche ist in der Behörde unter anderem für Sport zuständig, traf in dieser Funktion zuletzt regelmäßig katarische Regierungsvertreter – und lobte die Reformen und Fortschritte des Landes etwa bei Arbeitnehmerrechten. Die französische Fraktionschefin der Linken forderte angesichts derlei «Lobeshymnen», die Verbindungen zwischen Katar und den Mitgliedern anderer EU-Institutionen zu überprüfen.

Schinas weist Kritik zurück

Schinas wiederum hält die Kritik für unbegründet. «Alle meine öffentlichen Äußerungen zu Katar, jedes einzelne Wort, sind zu hundert Prozent mit der Politik der Kommission vereinbar», sagte er unlängst. «Das ist die Europäische Kommission. Wir improvisieren nicht, wir erfinden keine Positionen.» Als Geschenke von katarischen Regierungsvertretern habe er einen Fußball und eine Schachtel Pralinen erhalten, die er seinem Fahrer überlassen habe; außerdem einige WM-Souvenirs.

Wichtige Gasabkommen mit Katar würden sicher nicht gekippt, weil das Land «irgendwelche obskuren Politiker in Brüssel möglicherweise hat bestechen lassen», sagt Experte Steinberg. In eine ähnliche Richtung äußerte sich am Dienstagabend Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), der erklärte, die mutmaßliche Bestechung von EU-Politikern und das Thema Gaseinkäufe seien «zwei verschiedene Sachen».

Auch bei der Fußball-WM werde der Nutzen für Wirtschaft und Image trotz vieler Kritik langfristig überwiegen, meint Robert Mogielnicki von der US-Denkfabrik AGSIW, etwa für den Tourismus und andere große Vorhaben in der Zukunft. Berichten zufolge plant das Land bereits eine Bewerbung, im Jahr 2036 die Olympischen Spiele auszurichten.

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EU-Parlamentsvize Kaili vor der Absetzung

Straßburg (dpa) – Der unter Bestechungsverdacht stehenden Vizepräsidentin des Europaparlaments, Eva Kaili, droht die endgültige Absetzung. Für den Vormittag ist in Straßburg ein Treffen der sogenannten Konferenz der Präsidenten angesetzt – das sind neben Parlamentspräsidentin Roberta Metsola die Vorsitzenden der Fraktionen. Sie sollen das Verfahren zur Absetzung der ehemaligen Fernsehmoderatorin Eva Kaili als Parlamentsvize einleiten. Noch am selben Tag soll dann das Plenum darüber debattieren.

Aus ihrer griechischen Pasok-Partei und der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament wurde die 44-Jährige schon ausgeschlossen. Auch von ihren Pflichten als Vize hatte Metsola sie am Wochenende entbunden.

Die griechische Sozialdemokratin Kaili ist eine von sechs Verdächtigen, die von den belgischen Behörden seit Freitag in dem Korruptionsskandal festgenommen worden sind. Vier von ihnen kamen am Sonntag in Untersuchungshaft – darunter nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur und anderer Medien auch Kaili, ihr Freund und der ehemalige Europaabgeordnete Antonio Panzeri. Sie sollen der Staatsanwaltschaft zufolge am Mittwoch vor einer Gerichtskammer erscheinen, die über das Aufrechterhalten der Haft und das weitere Vorgehen entscheiden soll. Weiterlesen

Durchsuchungen auch im EU-Parlament in Brüssel

Brüssel/Straßburg (dpa) – Im Zusammenhang mit dem mutmaßlichen Korruptionsskandal um EU-Parlamentsvize Eva Kaili haben Ermittler auch Räume im EU-Parlament in Brüssel durchsucht. Das teilte die belgische Staatsanwaltschaft mit.

Dabei seien Daten von Computern von zehn parlamentarischen Mitarbeitern beschlagnahmt worden. Die Computer seien demnach seit Freitag «eingefroren» worden, um zu verhindern, dass für die Ermittlung benötigte Daten verschwinden können. Es hätten auch Razzien am Sonntag in Italien stattgefunden, hieß es.

Insgesamt hat es der Staatsanwaltschaft zufolge seit Beginn der Ermittlungen bereits 20 Durchsuchungen gegeben – 19 in Büros und Wohnräumen sowie eine im Europaparlament selbst. Dabei wurden demnach 600.000 Euro im Wohnsitz eines Verdächtigen gefunden, mehrere Hunderttausend Euro in einem Koffer in einem Brüsseler Hotel sowie 150.000 Euro in der Wohnung eines EU-Abgeordneten. Der Name wurde nicht genannt. Weiterlesen

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