Deutlich mehr Kirchenaustritte im Südwesten seit Jahresbeginn

Kirche, Deutschland, Baden-WürttembergDas Münchner Missbrauchsgutachten lässt auch im Südwesten die Zahl der Kirchenaustritte deutlich steigen. Eine Konfession ist davon stärker betroffen.

Freiburg (dpa/lsw) – Seit der Veröffentlichung des Münchner Missbrauchsgutachtens Ende Januar sind deutlich mehr Menschen in Baden-Württemberg aus der Kirche ausgetreten als noch im Vorjahr. In den ersten drei Monaten des Jahres fiel die Zahl der Kirchenaustritte mitunter doppelt so hoch aus wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Dies ergab eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur bei sechs Städten im Südwesten.

In der badischen Großstadt Freiburg erklärten bis April nach Angaben der Kommune 1183 Menschen ihren Austritt aus der Kirche. Im Vorjahr hatten 561 Menschen die Kirche verlassen. Der Großteil der Austritte in diesem Jahr in Freiburg entfiel mit 813 auf die katholische Kirche.

Die Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) hatte am 20. Januar ein Gutachten im Auftrag des Erzbistums München und Freising vorgestellt. Darin kamen die Gutachter zu dem Ergebnis, dass Fälle von sexuellem Missbrauch in der Diözese über Jahrzehnte nicht angemessen behandelt worden waren. Sie gehen von mindestens 497 Opfern und 235 mutmaßlichen Tätern, zugleich aber von einer deutlich größeren Dunkelziffer aus.

Auch in Ludwigsburg ist die Zahl der Austritte im Jahresvergleich deutlich gestiegen. Verließen im vergangenen Jahr zwischen Januar und März noch 230 Menschen aus der Barockstadt ihre katholische und evangelische Gemeinde, so waren es in den ersten drei Monaten dieses Jahres bereits 342. Besonders stark traf es auch hier die katholische Kirche mit 183 Austritten.

In den Städten Ulm und Konstanz lagen die Kirchenaustritte ebenfalls über den Zahlen des Vorjahres. Nahmen in den ersten Monaten des Jahres 2021 noch 405 Menschen in Ulm und 390 in Konstanz Abstand von der Kirche, betrug die Zahl der Kirchenaustritte in diesem Jahr bereits 569 in Ulm und 467 in Konstanz.

Auch das Standesamt in Heilbronn verzeichnete zu Beginn des Jahres einen Anstieg der Austritte. Bis zum 10. April vollzog die Behörde 354 Kirchenaustritte, etwas mehr als die Hälfte davon aus der katholischen Kirche. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres hatten 244 Menschen einen solchen Antrag gestellt. In Karlsruhe stieg die Zahl der Menschen, die der Kirche den Rücken kehrten, dagegen nur leicht an. Hatten bis Ende März 2021 noch 840 Menschen beim Standesamt ihre katholische und evangelische Gemeinde verlassen, betrug die Zahl der Austritte in diesem Jahr bis Ende März 898.

Die evangelische Landeskirche beobachte bereits seit 2018 spürbar angestiegene Austrittszahlen, teilte ein Sprecher mit. Die Missbrauchsdebatte habe wie ein «Trigger» für Austritte gewirkt, aber auf evangelischer Seite auch Eintritte katholischer Geschwister gebracht. Die Landeskirche in Baden hat im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben rund 30 700 Gläubige verloren. «Die Austrittszahlen sind bedrängend, denn jede Person, die die Kirche verlässt, fehlt uns», erklärte der damalige Landesbischof Jochen Cornelius-Bundschuh Anfang März. Dabei brauche man gerade in diesen Tagen, in denen viele Menschen Angst hätten und sich hilflos fühlten, Gottvertrauen, hatte er gesagt.

Die Erzdiözese Freiburg sowie die Diözese Rottenburg-Stuttgart wollten sich mit Verweis auf die Auswertung der Mitgliederzahlen im Sommer auf Anfrage nicht zum Thema Kirchenaustritte äußern.

 

 

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