Boot mit Migranten im Ärmelkanal gekentert – vier Tote

London (dpa) – Bei einem Bootsunglück im Ärmelkanal sind mindestens vier Menschen ums Leben gekommen. Das bestätigte die britische Regierung am Mittwochmittag, nachdem in den frühen Morgenstunden ein Boot mit Migranten an Bord in dem Gewässer zwischen Frankreich und Großbritannien gekentert war. Der britische Premierminister Rishi Sunak sprach im Parlament von einem «tragischen Verlust von Menschenleben».

43 Menschen sollen Medienberichten zufolge lebend aus dem kalten Wasser gerettet worden sein. Auf Bildern, die der Sender Sky News veröffentlichte, ist zu sehen, wie Menschen in der Dunkelheit aus einem überfüllten schwarzen Schlauchboot auf ein Rettungsboot klettern.

Mit weiteren Überlebenden wird nicht gerechnet

Die Küstenwache koordinierte am Mittwoch gemeinsam mit Militär, Polizei und dem Grenzschutz eine Such- und Rettungsmission, bei der mindestens zwei Helikopter sowie britische und französische Rettungsboote im Einsatz waren. Die Suche nach Vermissten werde sich den weiteren Tag über hinziehen, berichtete Sky News unter Berufung auf Insiderquellen. Aufgrund der kalten Temperaturen – in den vergangenen Nächten fielen diese in der Region in den Bereich der Minusgrade – werde jedoch nicht mehr nach Überlebenden gesucht.

«Dass jemand bei diesen Temperaturen diese Reise unternimmt, zeigt, wie verzweifelt die Leute sind», sagte Alex Fraser vom britischen Roten Kreuz. «Niemand setzt sein Leben aufs Spiel, wenn er nicht das Gefühl hat, dass es keine andere Option gibt.»

Unglück mit 30 Toten vor rund einem Jahr

Es ist nicht das erste Mal, dass der Ärmelkanal für jene, die auf der anderen Seite auf eine bessere Zukunft hoffen, zur Todesfalle wird: Vor gut einem Jahr waren bei einem Bootsunglück im Ärmelkanal rund 30 Menschen ums Leben gekommen.

Bis Mitte November hatten dem britischen Verteidigungsministerium zufolge in diesem Jahr bereits rund 40.000 Menschen die gefährliche Reise über den Ärmelkanal unternommen. Im vergangenen Jahr waren es rund 28.500 Menschen. Andere Routen – etwa über die Straße oder Schiene – werden nach Brexit und Corona-Beschränkungen aufgrund schärferer Kontrollen von Asylsuchenden seltener genutzt.

Premier Sunak hatte erst am Dienstag Pläne öffentlich gemacht, wie er noch härter gegen illegale Migration vorgehen will. Innenministerin Suella Braverman, die für ihre radikale Linie in Sachen Migration bekannt ist, schrieb auf Twitter, sie sei nach dem «erschütternden Vorfall» mit ihren Gedanken bei allen Betroffenen. Am Mittag wollte sich die konservative Politikerin im Unterhaus zu dem Unglück äußern.

Tim Naoir Hilton, Chef der Flüchtlingshilfsorganisation Refugee Action betonte, das Unglück sei «durch eine feindselige Politik der Regierung verursacht, die dafür geschaffen ist, Menschen aus dem Land zu halten anstatt ihnen Sicherheit zu geben.»

Der konservativen Regierung in London sind die Überfahrten ein Dorn im Auge. Sie will die Migranten mit radikalen Maßnahmen abschrecken. So sollen illegal Eingereiste ins ostafrikanische Ruanda ausgeflogen werden – ohne Rücksicht auf ihren Asylstatus. Derzeit steht die umstrittene Praxis vor Gericht auf dem Prüfstand.

Die Kontrolle darüber zu gewinnen, wer unter welchen Bedingungen ins Land kommt, war eines der zentralen Versprechen des Brexits. Tatsächlich ist dies nach dem EU-Austritt für die Briten noch schwieriger geworden, da sie nicht mehr Teil der EU-weiten Regelungen für die Zuständigkeit von Asylverfahren sind.

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