Ampel zieht positive Halbzeit-Bilanz

Mainz. Die rheinland-pfälzische SPD ist zur Hälfte der Wahlperiode nach einer Umfrage auf ein historisches Tief gefallen – die Ampel-Regierung hätte aktuell keine Mehrheit mehr

Wenn am Sonntag Landtagswahl wäre, kämen die Sozialdemokraten nur auf 22 Prozent. Das sind drei Prozentpunkte weniger als bei der letzten Umfrage von infrafest dimap im Auftrag des SWR-Politikmagazins «Zur Sache Rheinland-Pfalz!» vom Juli, wie der Sender am Donnerstag in Mainz mitteilte. Die Grünen erreichten 12 Prozent, die FDP 5 Prozent der Stimmen.

Eine Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger zeigte sich in der Umfrage unzufrieden mit der Arbeit der Landesregierung. Die Flüchtlingspolitik ist aktuell ein Hauptthema.

Ministerpräsidentin Malu Dreyer kündigte an, die Umfrage zu analysieren und darüber zu beraten. Die SPD-Politikerin zeigte sich aber zugleich zuversichtlich, dass die zahlreichen in der ersten Hälfte der zweiten Ampelregierung angestoßenen Langzeitprojekte Wirkung zeigen werden. «Vieles kann man vielleicht noch nicht sehen, wir sind aber überzeugt, dass das Land profitieren wird», sagte sie in Mainz.

Die oppositionelle CDU, die in der Umfrage mit 31 Prozent stärkste Kraft ist, nennt als Kritikpunkte vor allem die kommunalen Finanzen und den Umgang mit der Ahr-Flutkatastrophe, für die Dreyer keine Verantwortung übernehmen wolle, wie Fraktionschef Gordon Schnieder sagte. Die Finanzpolitik gefährde zudem den sozialen Frieden in den Städten und Gemeinden. Landkreise, Städte und Gemeinden fühlten sich mit der zunehmenden Zahl an Geflüchteten allein gelassen.

Die Freien Wähler sehen ähnliche Gründe: «Das neue Landesfinanzausgleichsgesetz ist eine Steuererhöhung durch die Hintertür, wodurch die Landesregierung durch die Erhöhung der Grundsteuern zum Preistreiber Nummer 1 wird», kritisierte Fraktionschef Joachim Streit. Dazu komme der Umgang mit der Ahrflut und eine schlechte Digitalisierung der Verwaltung.

«Wir haben die Weichen gestellt, bis spätestens 2040 klimaneutral zu sein», sagte dagegen Dreyer. Als Beispiele für andere Langzeitprojekte nannte sie den Ausbau der Biotechnologie, den Schuldenschnitt für die Kommunen und die Neuaufstellung des Katastrophenschutzes nach der Ahrflut. Auch die «Schule der Zukunft» werde auf das ganze Land ausgerollt, die Zahl der Polizisten auf 10 000 erhöht und die Justiz digitalisiert. Das Modell «Gemeindeschwester plus» mit Engagement für alte Menschen werde auf das ganze Land ausgeweitet.

Zunehmend kritisch wird in der Umfrage der Umgang mit der Flüchtlingssituation bewertet. 70 Prozent der Befragten äußerten Zweifel, dass die Landesregierung und die Verwaltung die aktuelle Lage im Griff haben – bei der vorangegangenen Umfrage waren es 62 Prozent.

Das zeige sich auch am schwindenden Rückhalt für Landesregierung und Verwaltung: Für «gut» oder «sehr gut» halten die Flüchtlingspolitik lediglich 24 Prozent der Befragten – im Juli waren es noch 30 Prozent.

Im Vergleich zu 2016 sind mehr Menschen für eine restriktivere Zuwanderungspolitik. Im März 2016 hatten sich 64 Prozent dafür ausgesprochen, die Zahl der nach Deutschland kommenden Flüchtlinge schnell und dauerhaft zu begrenzen, jetzt sind es 79 Prozent.

Es sei sehr wichtig, dass Länder und Kommunen nach der Ministerpräsidenten-Runde mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) am kommenden Montag «verlässliche Unterstützung für die nächsten Jahre bekommen und wir uns nicht immer von Beschluss zu Beschluss hangeln», sagte Integrationsministerin und Vize-Regierungschefin Katharina Binz (Grüne). Derzeit kämen mehr als 500 Menschen pro Woche in Rheinland-Pfalz an. «Das ist auf die Dauer nicht zu verkraften. Wir brauchen Bewegung, das geht über den Bund und über Europa.»

Die Folgen des Angriffskriegs auf die Ukraine, Inflation und Transformation in der Wirtschaft – die Zeiten seien sehr verunsichernd, stellte Dreyer fest. Das spiegelt auch die Umfrage: Eine Mehrheit von 55 Prozent der Befragten gab an, beunruhigt über die Situation im Bundesland zu sein. Eher zuversichtlich zeigten sich 34 Prozent. Selbst in der Hochphase der Corona-Pandemie im Januar 2021 sei die Stimmung besser gewesen, hieß es.

Die Bürger brauchten aber nicht zu befürchten, dass es zu ihrem Nachteil sei, wenn viele Flüchtlinge im Land seien und die Landesregierung viel Geld dafür ausgebe, betonte Dreyer. «Eine Beruhigung in diesem Bereich ist für viele Menschen sehr wichtig.»

Die Landesregierung will in der zweiten Halbzeit der Wahlperiode auf allen Ebenen Initiativen gegen den Fachkräftemangel starten und ausländische Abschlüsse – insbesondere von Ärzten – schneller anerkennen. Es müsse auch geschaut werden, wie mehr Geflüchtete in Betriebe vermittelt werden könnten, sagte Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt (FDP).

Etwa die Hälfte der Rheinland-Pfälzer (51 Prozent) ist zur Mitte der Legislaturperiode gegen eine weitere Kandidatur von Ministerpräsidentin Malu Dreyer bei der Landtagswahl 2026. Die SPD-Politikerin steht seit 2013 an der Spitze des Landes. 40 Prozent der Befragten wären dafür, dass sie erneut kandidiert. Bei den SPD-Anhängern sind es etwa Dreiviertel (76 Prozent), bei den Grünen-Anhängern rund zwei Drittel (67 Prozent). Bei den Anhängern des Koalitionspartners FDP sowie in den anderen Parteien überwiegt die Skepsis. «Wir sind in der Halbzeit, und ich bin bis 2026 gewählt», sagte Dreyer dazu. «Und ich habe noch viel vor.»

Die Daten basieren auf einer repräsentativen Telefon- und Online-Befragung des Wahlforschungsinstituts Infratest dimap unter 1048 Wahlberechtigten vom 25. bis zum 30. Oktober. Die Fehlertoleranz der Umfrage liegt bei zwei bis drei Prozent.

Wahlumfragen sind generell immer mit Unsicherheiten behaftet. Unter anderem erschweren nachlassende Parteibindungen und immer kurzfristigere Wahlentscheidungen den Meinungsforschungsinstituten die Gewichtung der erhobenen Daten. Grundsätzlich spiegeln Umfragen nur das Meinungsbild zum Zeitpunkt der Befragung wider und sind keine Prognosen auf den Wahlausgang. (dpa/lrs)

Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen
Eifelzeitung E-Paper Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen